Stefan Muenz: Thema "Gewalt"

Liebe Forumsbesucher,

wem das Thema zu viel wird, muss das hier ja nicht lesen. Aber es gibt glaube ich auch viele, die den Wunsch haben, sich weiter damit zu beschaeftigen, einfach weil sie noch nicht zufrieden mit dem sind, was sie bislang darueber gedacht haben.
Ich will dabei allerdings nicht als Lehrmeister auftreten, sondern nur eine weitere Reflexion in den Raum werfen, die ich in einer Mailing-Liste ebenfalls gepostet habe.

Zunaechst zum Ausgangspunkt der Ueberlegungen. Wenn man sich mit dem Thema "Gewalt" naeher beschaeftigt, erkennt man schnell, dass man Gewalt nicht nur als "Mod und Totschlag" definieren kann. Auch Mobbing ist beispielsweise Gewalt, und wenn ich hier mal wieder wuetend auf die Pauke haue, weil mir im Forum was nicht passt, kann man das auch schon als Gewalt empfinden. Gewalt ist also sehr relativ definierbar.

Entscheidend ist offenbar nicht, ob und wieviel Gewalt immer da ist, sondern, ab wann Gewalt als solche empfunden wird. Und dazu hab ich mal einen "Vergleich", der das Nachvollziehen der Gedanken leichter macht, und den ich zur Diskussion stellen will:

Der Vergleich nimmt eine stille Wasseroberflaeche und einen Schwimmenden darauf an:

Das Wasser ist die Gewalt, die Luft der gewaltfreie Raum. Der Schwimmer steckt bis zum Hals im Wasser (in der Gewalt), nur der Kopf, der die Luft zum Atmen braucht (die Gewaltlosigkeit zum Denken), ist draussen. Er schwimmt wunderbar dahin, weil die Wasseroberflaeche ruhig ist (die Gewalt hat ihren eindeutigen Ort, sie ist "normal"). Diesen Zustand will ich mal "Frieden" nennen.

Wenn das Wasser aber nun unruhig wird, wird es problematischer fuer den Schwimmer. Wenn sich die Wasseroberflaeche zu unkalkulierbaren, grossen Wellen auftuermt. Das kann fuer den Schwimmer gefaehrlich werden, er koennte ertrinken (in Gewalt versinken und daran zugrunde gehen, Opfer der Gewalt werden). Die Wassermenge nimmt nicht zu dabei, aber durch seine Unruhe wird das Wasser gefaehrlich fuer den Schwimmer.

Bei diesem Vergleich ist bislang noch nicht geklaert, woher ueberhaupt die Unruhe auf dem Wasser entstehen koennte. Sturm oder Stroemungen natuerlich. Aber da will ich die Kraefte der Natur mal aussen vor lassen und den Vergleich anders umbiegen: angenommen, da ist nicht nur ein Schwimmer auf dem Wasser, sondern Milliarden. Klarer Fall, dass die Wasseroberflaeche da nicht glatt bleibt. Aber solange jeder irgendwie vor sich hinpaddelt, sind die dadurch ausgehenden Verdraengungskraefte beim Schwimmen diffus. Die Wasseroberflaeche ist ein mehr oder weniger ertraegliches Herumgeschwappe (es gibt wahrnehmbare Gewalt durch die unterschiedlichen Interessen, aber sie ist ertraeglich, der Frieden ist gesichtert). Schlimm wird es nur, wenn immer groesser werdende Gruppen von Schwimmern einheitliche Bewegungen machen. Dadurch entstehen Kraefteparallelen, die im Wasser gefaehrlich grosse Wellen verursachen. Nachdem schon etliche Schwimmer ertrunken sind, greifen andere zur Gegenmassnahme und vereinheitlichen ihre Bewegungen ebenfalls, um den herannahenden Wellen ebenso grosse Wellen entgegenzusetzen. Die Idee dahinter klingt plausibel: indem man die feindlichen Wellen mit eigenen, ebensolchen Wellen zerstoert, beseitigt man die Ursache des Sterbens.

Tja, und an dieser Stelle moechte ich dann fieserweise abbrechen. Wird das gelingen mit den Wellen? Oder koennten sich die aufeinandertreffenden Wellen nicht zu noch gewaltigeren Wellen vereinigen (die Heimtuecke des Wassers) mit noch fataleren Folgen? Ist Gewalt als solche gefaehrlich? Oder ist es nur die Eskalation der Gewalt?

Und dann moechte ich noch eine Frage in den Raum werfen: wie kommt es ueberhaupt dazu, dass Schwimmer so gerne ihre Bewegungen vereinheitlichen (die einheitliche Form suchen, sich in "Uniform" schmeissen)?

Viele Gruesse,
  Stefan Muenz

  1. Hi Stafan, hi ihr anderen,

    Und dann moechte ich noch eine Frage in den Raum werfen: wie kommt es ueberhaupt dazu, dass Schwimmer so gerne ihre Bewegungen vereinheitlichen (die einheitliche Form suchen, sich in "Uniform" schmeissen)?

    Naja, es gibt da ja den Satz mit dem 'im Strom mitschwimmen'. Ich denke, das machen wir alle sehr gerne. Es ist einfacher, als, um bei dem beispiel zu bleiben, sich selbst aus dem Wellenberg zu erheben, ohne selbst wellen zu machen.

    Um das ganze mit dem Thema gewalt zu fassen: Ich denke, wir alle sind Gewalt ausgesetzt: zum einen gibt es körperliche, zum anderen psychische Gewalt. Das problem ist: wie gehen wir mit dieser gewalt um? Ein 'gesundes Maß' an Gewalt erträgt sicherlich jeder. Ein gesundes Maß teilt sicherlich auch gerne jeder aus... oder wer von euch macht nicht gerne mal ein scherz auf kosten anderer?

    Die Problematik ist doch, wie gehen wir mit zuviel gewalt um? Wir müssen sie entweder für uns selbst kompensieren, was aber dsicherlich nur bis zu einer grenze geht, die bei jedem anders ist. Oder wir müssen die Gewalt weitergeben. Entweder an den 'Agressor' oder an unschuldige andere. Es ist eine heikle angelegenheit, wenn man selbst von sich behauptet, man übe keine Gewalt aus. Das hat eigentlich in letzter Zeit nur Ghandi hinbekommen.
    Und dann ist da ja noch die Sache mit der GEwalt ausüben am Arbeitsplatz... was machen wir denn mit unseren untergebenen???

    Ok, soweit diese Gedanken. sie sind sicherlich nicht bis zum Ende gedacht, und vielleicht auch so nich ganz richtig, aber es sind halt meine gedanken.

    Eine Frage möchte ich noch in den Raum stellen, die glaube ich immer noch gerne Kriegsdienstverweigerern gestelt wird: Stellen sie sich vor, sie stehen ihrem GEgner gegenüber, beide die Waffen aufeinander gerichtet. Schießen sie, um zu überleben oder lassen sie sich erschießen?

    Gruß

    Thomas

    1. Hi Stefan, hi ihr anderen,

      Und dann moechte ich noch eine Frage in den Raum werfen: wie kommt es ueberhaupt dazu, dass Schwimmer so gerne ihre Bewegungen vereinheitlichen (die einheitliche Form suchen, sich in "Uniform" schmeissen)?

      Naja, es gibt da ja den Satz mit dem 'im Strom mitschwimmen'. Ich denke, das machen wir alle sehr gerne. Es ist einfacher, als, um bei dem beispiel zu bleiben, sich selbst aus dem Wellenberg zu erheben, ohne selbst wellen zu machen.

      Sehr richtig...
      Aber es gibt natürlich auch noch eine andere Seite dieses "Rudel-Verhaltens", an das wohl die Natur dabei gedacht hat: Wenn jeder nur seine eigenen Wellen wirft (um mal bei dem Vergleich zu bleiben), wird er nicht viel erreichen, seine Wellen werden im Getöse der anderen untergehen.
      Deshalb schließt sich fast jeder mehr oder weniger einer Gemeinschaft an. Daß dabei viele nach dem Motto "1.000.000 Lemminge können nicht irren" oder "der Stärkere hat recht" vorgehen, statt nachzudenken, ist wohl leider eine nicht zu verhindernde Nebenwirkung... :(

      Dazu gehört auch das alte Problem "Angst vor dem Fremden".
      Wenn irgendwo Wellen auftauchen, die anders gerichtet sind als die eigenen, entsteht sofort die Angst, daß einem das Wasser in den Mund geraten könnte.
      So wurden ja in dem letzten Fall mit dem Schul-Massakker auch wieder mal Internet (außer zum Verteilen von Bombenanleitungen ist das ja auch zu nichts gut...), Gewalt-Spiele (Doom und Quake; meiner Meinung nach eher Ventil als Ursache der Gewaltbereitschaft, aber das ist ein anderes Thema...), und Gothics (die friedlichsten mir bekannten Leute überhaupt!, übrigens empfehle ich die Texte von Lacrimosa http://www.tu-chemnitz.de/~til/lacrimosa/index.html, vor allem "Der brennende Komet") mit schuldig gemacht...

      Um das ganze mit dem Thema gewalt zu fassen: Ich denke, wir alle sind Gewalt ausgesetzt: zum einen gibt es körperliche, zum anderen psychische Gewalt. Das problem ist: wie gehen wir mit dieser gewalt um? Ein 'gesundes Maß' an Gewalt erträgt sicherlich jeder. Ein gesundes Maß teilt sicherlich auch gerne jeder aus... oder wer von euch macht nicht gerne mal ein scherz auf kosten anderer?

      Wobei da sehr schnell wieder die Radfahrer-Problematik auftaucht: Oben buckeln, unten treten... :/

      Es ist eine heikle angelegenheit, wenn man selbst von sich behauptet, man übe keine Gewalt aus. Das hat eigentlich in letzter Zeit nur Ghandi hinbekommen.

      Da ist dann auch das Problem, daß man gerade als Mann ruck zuck als "Weichei" da steht...

      Eine Frage möchte ich noch in den Raum stellen, die glaube ich immer noch gerne Kriegsdienstverweigerern gestelt wird: Stellen sie sich vor, sie stehen ihrem GEgner gegenüber, beide die Waffen aufeinander gerichtet. Schießen sie, um zu überleben oder lassen sie sich erschießen?

      Eine meiner Meinung nach in dem Zusammenhang ziemlich blöde Frage... wenn ich nicht in den Krieg ziehe, ist die Wahrscheinlichkeit, daß ich in die Situation komme, wesentlich geringer. Wenn es keine andere Möglichkeit gibt (z.B. Gegner entwaffnen, Flucht), wird wohl fast jeder sein Leben verteidigen...
      Aber ist z.B. die NATO im Kosovo-Krieg wirklich bedroht?

      Ciao,
      Mirko

      1. Hi Mirko, hi Michael,

        ich schreib grad nur mal eine Nachricht, weilö ich zu faul bin, das gleiche zwei mal zu schreiben...

        Eine meiner Meinung nach in dem Zusammenhang ziemlich blöde Frage... wenn ich nicht in den Krieg ziehe, ist die Wahrscheinlichkeit, daß ich in die Situation komme, wesentlich geringer. Wenn es keine andere Möglichkeit gibt (z.B. Gegner entwaffnen, Flucht), wird wohl fast jeder sein Leben verteidigen...
        Aber ist z.B. die NATO im Kosovo-Krieg wirklich bedroht?

        Ciao,
        Mirko

        naja, ich hab da mit der Gewalt eigentlich mal nicht im Zusammenhang mit dem Kosovo gesehen. Da will ich mich jetzt mal jeder Haltung verweigern.
        Die von mir gesagten Dinge sind einfach Gedanken, die ich mir mache, und die sich sicherlich auch andere machen.

        Und ich habe keine Lösung, keinen richtigen Weg oder sonst was zu bieten. Natürlich habe ich bei meiner Verweigerung die Frage so beantwortet, wie ich sie beantworten mußte, um erfolgreich verweigerer zu werden (ne, hab ich nicht, ich hab ja nur nen brief schreiben müssen, also besser: ich hätte), und ich hab keine Ahnung, wie ich in einer Situation, die Michael beschrieben hat, handeln würde.

        Sicherlich würde ich helfen, aber ich würde das ganze wohl ohne Gewalt machen (glaub ich). Ich hätte viel zu viel angst um mich selbst, wenn ich Gewalt anwenden würde. Natürlich ist das egoistisch, und dafür dürft ihr mich auch gerne kritisieren.

        Laßt mich zum schluß kommen: Es ist ein sehr schwieriges Thema mit der Gewalt, und ich wünsche (und das mein ich ernst) jedem, daß er nie in die Situation kommt, ohne Gewaltanwendung nicht mehr weiterzukommen. Wobei grade das je eigentlich eine Rechfertigung für gewalt ist, oder?

        Schöne Grüße

        Thomas

    2. Hallo,

      Eine Frage möchte ich noch in den Raum stellen, die glaube ich immer noch gerne Kriegsdienstverweigerern gestelt wird: Stellen sie sich vor, sie stehen ihrem GEgner gegenüber, beide die Waffen aufeinander gerichtet. Schießen sie, um zu überleben oder lassen sie sich erschießen?

      Das ist ja noch beileibe die harmlosere der beiden Standardfragen, mit denen man Wehrdienstverweigerern das Leben schwer macht. Denn hier geht es "nur" um das eigene Leben, ueber das der bedrohte zu entscheiden hat. Die schlimmere Frage lautet: Stellen sie sich vor, sie haben neben sich eine Waffe liegen und da steht jemand, der ihre Frau(/Mutter/Schwester etc.) mit der Waffe bedroht. Schiessen sie, um ihre Frau(/Mutter/Schwester etc.) zu retten?

      Bei dieser Frage geht es dann nicht mehr darum selbst Gewalt zu erleiden oder sich zu verteidigen und damit Gewalt auszuueben, sondern Gewalt von anderen abzuwenden oder Gewalt an anderen zuzulassen.
      In diesem Kontext stellt sich mir dann auch die Frage: Ist der, der untaetig zu- oder auch wegschaut, wenn anderen Gewalt angetan wird nicht genauso gewalttaetig, wie der, der die Waffe fuehrt?

      Leider ist es naemlich in unserer Gesellschaft viel zu oft so, dass die Opfer von Gewalttaten deswegen erst zu Opfern wurden, weil keiner geholfen hat. Fuer mich schliesst die Hilfefuer das Opfer auch nicht aus, das ich gegen einen Taeter bewusst Gewalt anwende und, wenn ich alleine zu schwach bin auch andere auffordere mit mir zusammen gegenueber den Taetern Gewalt anzuwenden. In meinen Augen geht auch immer noch die Nothilfe wor die Gewaltlosigkeit.

      Bis dann

      Michael N.

  2. Hallo !

    Wollte auch einfach mal ein Statement abgeben:

    Man stelle sich einfach mal folgende Situation vor:

    Man(n) geht ruhigen Gemüts durch die laue Abendsonne durch ein naja nicht unbedingt
    belebten Park. Man muß keine Angst haben, denn man weiß, man ist stark.

    Plötzlich kommt ein kleines Mädchen weinend angerannt und schreit, daß Ihre Schwester
    und Ihre Mutter von einem bösen Mann festgehalten werden und dieser versucht sie jetzt
    zu vergewaltigen.
    Was tun, schießt es einem zuerst durch den Kopf. Oder doch nicht?
    Rennt man sofort hinüber und versucht zu helfen?
    Oder wartet man ab, das gibt sich schon von selber?
    Ich denke, gerade in unserer Gesellschaft muß sich jeder verpflichtet fühlen zu helfen.
    Also, man rennt hin und versucht diesen bösen Mann verbal und durch sein Erscheinen
    zu stoppen.
    In den meisten Fällen hilft das und der Täter flieht.
    Aber gesetzt den Fall, er flieht nicht und macht weiter, was dann?
    Sicherlich wird man als nächstes vielleicht noch einmal drohen, er solle aufhören.
    Aber wie lange? Bis es zu spät ist?
    Irgendwann muß man dann wohl doch eingreifen und den Täter mit körperlicher Gewalt
    daran hindern weiter zu machen.
    Aber wie, wenn man vorher weiß, man wird sich verletzen, nicht unbedingt schlimm (wobei
    schlimm relativ ist) aber immerhin.
    Ist es nicht trotzdem fast selbstverständlich, - falsches Wort - , heroisch sogar, wenn man
    trotzdem hilft?

    Was ich damit sagen will, ist, daß es sich leider Gottes ab und zu nicht vermeiden läßt
    Gewalt auszüben, um Gewalt zu stoppen.
    Das das eben nicht immer so leicht geht (sprich: ohne "eigene" Verluste) ist nicht zu ändern!

    Klar, es geht eine Gefahr von diesen Wellen aus, die sich auftürmen könnten und auf beiden
    Seiten zerstörerische Fluten verursachen.
    Aber wird nicht bei einem Großbrand wie selbstverständlich ein Gegenfeuer entzündet?
    Da beschwert sich keiner über die unschuldigen Bäume und Tiere, die dabei mitvernichtet
    werden.

    Stellen wir uns mal weiter vor, in Deutschland gäbe es wieder einen Diktator, der mal wieder
    meint, er müsse alle Behinderten verfolgen und systematisch ausrotten.
    Würde man sich nicht wünschen (zu allermindest die Behinderten), daß sich andere Länder,
    Nachbarländer berührt fühlen und versuchen dieses zu stoppen?
    Wenn nun auch dieser Diktator nicht verbal zum Einlenken gebracht wird?
    Soll man diskutieren bis es keine mehr gibt? Oder muß man sich nicht als Mensch
    verpflichtet fühlen doch einzugreifen und mit allen Mitteln versuchen das Unmenschliche
    zu verhindern?

  3. Ein Kurzer Abendgedanke:
    Ich stelle mir einen Mann/Frau im Wasser schwimmt und somit ein geringes Maß Gewalt verursacht. Was passiert aber, wenn er/sie aufhört Wellen bzw. Gewalt zu erzeugen? Versinkt er nicht langsam in der Gewalt? Muß man also nicht um jedes Stück freiden "kämpfen"? Immer aufpassen, daß die Gewalt einem nicht über den Kopf steigt?

    1. Hallo Andreas

      Ich stelle mir einen Mann/Frau im Wasser schwimmt und somit ein geringes Maß Gewalt verursacht. Was passiert aber, wenn er/sie aufhört Wellen bzw. Gewalt zu erzeugen? Versinkt er nicht langsam in der Gewalt? Muß man also nicht um jedes Stück freiden "kämpfen"? Immer aufpassen, daß die Gewalt einem nicht über den Kopf steigt?

      Solche Analogien und Beispiele tragen normalerweise immer nur ein Stueck weit, aber es ist oft spannend, sie weiterzuspinnen, einfach mal im Bereich des Beispiels weiterzudenken und davon zurueckzudenken auf die eigentlichen Gedanken. So lernt man, mit Gedanken zu spielen, und mit Gedanken spielen ist genau so wichtig wie Spielen bei Kindern. Man lernt einfach wahnsinnig viel dabei.
      Den von dir beschriebenen Fall hatte ich mir zum Beispiel noch gar nicht vorgestellt. Aber es hat was! "Wer nicht schwimmt, ertrinkt", oder uebersetzt: "wer nicht auf normale Weise seine eigenen Interessen verfolgt und sich nur weigert, irgendwas zu tun, ist eine leichte Beute der Gewalt".
      Du siehst, da kommen dann sehr schnell ziemlich interessante Behauptungen raus. Aber es ist interessant, die mal zu formulieren, und es gibt kaum eine, an der nicht zumindest ein Funken Wahrheit ist.

      viele Gruesse
        Stefan Muenz

      1. Hi,

        da setz ich dann noch mal einen drauf... Fett schwimmt... also gibt es einige Leute, die mit besonders dickem Polster, na, die gehen halt einfach nicht so schnell unter.

        Thomas

        1. Hallo Thomas,

          da setz ich dann noch mal einen drauf... Fett schwimmt... also gibt es einige Leute, die mit besonders dickem Polster, na, die gehen halt einfach nicht so schnell unter.

          Das waere dann so wie ich es sehe die Sache mit dem dicken Fell (ist zwar eigentlich nicht gleich "Fett", aber in Beispielen darf man schon mal vereinfachen <g>). Zu diesem Thema geht's dann weiter oben bei meiner Diskussion mit Kirsten;-)

          viele Gruesse
            Stefan Muenz

  4. Lieber Stefan!

    Der Vergleich nimmt eine stille Wasseroberflaeche und einen Schwimmenden darauf an:

    Das Wasser ist die Gewalt...Er schwimmt wunderbar dahin, weil die Wasseroberflaeche ruhig ist (die Gewalt hat ihren eindeutigen Ort, sie ist "normal"). Diesen Zustand will ich mal "Frieden" nennen.

    Ich soll die Gewalt als etwas empfinden, in welchem ich tagein, tagaus ganz ruhig dahinschwimme? Ich schwimme im Alltag; ist der Gewalt? Meine Arbeit, meine Kollegen, meine Mitmenschen: Beinhalten sie Gewalt? Die Nachbarn, die Wohnung, meine Familie, meine Wünsche, meine Ziele, die Gesellschaft: Ich schwimme da so drin. Sollte das etwa alles potentielle Gewalt "unter" mir sein? Das Leben plätschert dahin, als ein Fluß, der ganz ruhig dahinfließt. Oder als muntere Quelle. Oder als reißender Bach. Mit Wasserfall. Er mündet in jedem Fall im Meer, das unergründlich und unendich und gefährlich und tröstlich und tief und flach und ruhig und kabbelig ist.

    Wenn sich die Wasseroberflaeche zu unkalkulierbaren, grossen Wellen auftuermt. Das kann fuer den Schwimmer gefaehrlich werden, er koennte ertrinken (in Gewalt versinken und daran zugrunde gehen, Opfer der Gewalt werden). Die Wassermenge nimmt nicht zu dabei, aber durch seine Unruhe wird das Wasser gefaehrlich fuer den Schwimmer.

    Jawoll, auf die Urgrewalten habe ich gar keinen Einfluß. Mobbing am Arbeitsplatz, Streit in der Familie, die Miete, die ich nicht mehr bezahlen kann, Ziele, die nicht zu erreichen sind, weil die Gesellschaft andere Normen vorgibt: Schon schlagen die Wellen hoch und ich kann mich kaum über Wasser halten.

    Schlimm wird es nur, wenn immer groesser werdende Gruppen von Schwimmern einheitliche Bewegungen machen. Die Idee dahinter klingt plausibel: indem man die feindlichen Wellen mit eigenen, ebensolchen Wellen zerstoert, beseitigt man die Ursache des Sterbens.

    Der Gegensatz dazu: Alleine in dem kabbeligen Wasser zu überleben, ist schwer, man braucht Mitschwimmer, die einem bei Bedarf unter die Arme greifen. Was feindlich ist und was nicht, wird dann je nach Sichtweise interpretiert. In einem Meer, in dem man schwimmt, ist es schwer, solche Kräfte zu erzeugen, die andere zum Untergang bringen, es sei denn, sie sind mutterseelenallein. Die Riesenwellen werden durch äußere Kräfte verursacht: Erdbeben, Sturmfluten, Hurricanes, aber niemals durch die Schwimmer selbst. Dazu sind sie viel zu schwach. Wenn das Wasser, auf dem sie schwimmen, wirklich die Gewalt verkörpert, dann ist es eben die Gewalt, die die Schwimmer trägt, was aber wenig tröstich ist. Ich finde, der Vergleich Wasser und Gewalt hinkt, denn es ist das Leben, das die Schwimmer trägt, nicht die Gewalt, die nur ein Teil davon ist. Wasser ist ja auch ein Lebensspender und Lebensraum. Das kann gar nicht die Gewalt verkörpern. Aber die Umstände können es.

    Ich weiß, worauf Du hinauswillst: Einige Schwimmer tun sich zusammen und erzeugen mit ihren Bewegungen Gewalt, die wiederum Gegengewalt erzeugt, was sich aufhebt. Oder auch nicht. Das kann aber höchstens in einem Teich oder See funktionieren. Dieser See ist aber kein Fluß, und er mündet nicht im Meer. Die Gewalt kann sich behaupten, wenn kein Abfluß da ist. Der Abluß ist in unseren Gehirnen, genau wie die Mauern und die Drahtzäune, an denen wir rütteln. Oder sie akzeptieren.

    Tja, und an dieser Stelle moechte ich dann fieserweise abbrechen.

    Achwas, fies ist was anderes.

    Wird das gelingen mit den Wellen? Oder koennten sich die aufeinandertreffenden Wellen nicht zu noch gewaltigeren Wellen vereinigen (die Heimtuecke des Wassers) mit noch fataleren Folgen? Ist Gewalt als solche gefaehrlich? Oder ist es nur die Eskalation der Gewalt?

    Es ist die Eskalation des Lebens, die in Gewalt enden kann. Das Wasser, das ich hier im Gegensatz zu Stefan mit Leben und nicht mit Gewalt definiere, kann sich in gewaltige Wellen auftürmen, ohne die Gestalt der Gewalt anzunehmen. Es kann im Gegensatz dazu ganz ruhig als Tümpel im Wald dahindümpeln und unter seinen Bewohnern die schlimmsten Revierkämpfe um die besten Futterplätze auslösen.

    Und dann moechte ich noch eine Frage in den Raum werfen: wie kommt es ueberhaupt dazu, dass Schwimmer so gerne ihre Bewegungen vereinheitlichen (die einheitliche Form suchen, sich in "Uniform" schmeissen)?

    Das Mit-dem-Strom-Schwimmen habe ich schon gelesen in dem Thread. Wenn für mich das Wasser das Leben ist, sehe ich das Vereinheitlichen der Bewegungen darin, daß sie sich zusammentun und gegenseitig unterstützen. Um zu überleben. Die Uniform ist nur ein Ableger davon. Im Falle der Gewalt.

    Viele Grüße,

    Kirsten

    1. Hallo Kirsten

      Ich soll die Gewalt als etwas empfinden, in welchem ich tagein, tagaus ganz ruhig dahinschwimme? Ich schwimme im Alltag; ist der Gewalt? Meine Arbeit, meine Kollegen, meine Mitmenschen: Beinhalten sie Gewalt? Die Nachbarn, die Wohnung, meine Familie, meine Wünsche, meine Ziele, die Gesellschaft: Ich schwimme da so drin. Sollte das etwa alles potentielle Gewalt "unter" mir sein?

      Kommt drauf an, wie man es definiert. Du moechtest das Wasser im Beispiel lieber als "Leben" verstanden wissen. Gut. Aber woran spuert man Leben? Wohl kaum im dauerhaft perfekt ausgepolsterten Dahindoesen. Spueren tut man es durch die Widerstaende. Oder auch mal durch die zeitweise Erholung, die Befreiung von den Widerstaenden. Halt so, wie man Wasser spuert beim Schwimmen. Als etwas, das traegt, aber auch als Widerstand. Dieses allgemeine "zu-Spueren-Bekommen" wollte ich in dem Vergleich mal als "Normalzustand" von Gewalt bezeichnen. Aber wenn wir uns in Sachen "Widerstand spueren" einig sind, hab ich kein Problem, es Leben zu nennen.

      In einem Meer, in dem man schwimmt, ist es schwer, solche Kräfte zu erzeugen, die andere zum Untergang bringen, es sei denn, sie sind mutterseelenallein. Die Riesenwellen werden durch äußere Kräfte verursacht: Erdbeben, Sturmfluten, Hurricanes, aber niemals durch die Schwimmer selbst. Dazu sind sie viel zu schwach.

      Das ist mir schon klar, und ich glaube auch nicht, dass der ganze Vergleich einer physikalischen Ueberpruefung standhalten wuerde <g>. Aber die Erdbeben und Hurricans hab ich ja mal ganz bewusst aussen vor gelassen. Dass von einem Metereoiden mit mehreren Kilometern Durchmesser, der mit zigtausend Stundenkilometern auf die Erde zurast, eine Gewalt ausgeht, gegen die unsere Atombomben noch vergleichsweise harmlos sind, ist mir schon klar. Eigentlich war mein Gedanke vor allem, dass man theoretisch jede Art von Widerstand, auf die man stoesst, als Gewalt empfinden koennte, und dass es aber ganz normal ist, sich staendig in so einer Umgebund aus Widerstaendigem zu befinden. Und dass das, was wir an Gewalt so grausam empfinden, vor allem das durch Menschen verursachte "Hochschaukeln" ist. Wenn tausende von Menschen durch einen Metereoiden-Einschlag ums Leben kommen, nennen wir das "tragisch". Wenn die gleiche Anzahl in einer Hochwasserflut umkommt, deren Ursache nicht zuletzt menschlicher Raubbau an der Natur ist, dann nennen wir es "bestuerzend" (oder so aehnlich). Wenn die gleiche Anzahl in einem Krieg umkommt, sagen wir "grausam", "unmenschlich", und rufen zuerst mal nach Rache. Verstaendlich - aber genau an dieser Stelle lauert die Gefahr!

      Es ist die Eskalation des Lebens, die in Gewalt enden kann.

      Uff, diesen Hammersatz hast du aber ganz schoen beilaeufig hingeschmissen! Ueber dem muss ich erst mal weiterbrueten...

      viele Gruesse
        Stefan Muenz

      1. Hallo Stefan!

        Ich soll die Gewalt als etwas empfinden, in welchem ich tagein, tagaus ganz ruhig dahinschwimme?

        Kommt drauf an, wie man es definiert. Du moechtest das Wasser im Beispiel lieber als "Leben" verstanden wissen. Gut. Aber woran spuert man Leben? Wohl kaum im dauerhaft perfekt ausgepolsterten Dahindoesen.

        So hatte ich das nicht gemeint mit dem Ruhig-dahinschwimmen. Ich hatte ja auch einige Zustände des Wassers aufgezählt, vom ruhigen Fluß bis zum reißenden Bach etc. weil das Leben ja auch so wechselhaft ist, mal ruhig, mal turbulent.

        Aber wenn wir uns in Sachen "Widerstand spueren" einig sind, hab ich kein Problem, es Leben zu nennen.

        Jawohl, sind wir.

        Aber die Erdbeben und Hurricans hab ich ja mal ganz bewusst aussen vor gelassen.

        Ich weiß, trotzdem konnte ich es nicht lassen, darauf einzugehen, denn ich wollte damit deutlich machen, daß der Mensch mit seiner Gewalt im Vergleich zu den Naturgewalten eben bloß ein Sturm im Wasserglas hervorruft. Was aus Sicht der Menschen, die sich darin befinden, schrecklich sein kann.

        Eigentlich war mein Gedanke vor allem, dass man theoretisch jede Art von Widerstand, auf die man stoesst, als Gewalt empfinden koennte, und dass es aber ganz normal ist, sich staendig in so einer Umgebund aus Widerstaendigem zu befinden.

        Und je nach dem, wie dick jemandes Fell ist, reagiert er darauf mehr oder weniger gelassen bzw. aggressiv. Vollkommen klar.

        Es ist die Eskalation des Lebens, die in Gewalt enden kann.

        Uff, diesen Hammersatz hast du aber ganz schoen beilaeufig hingeschmissen! Ueber dem muss ich erst mal weiterbrueten...

        <g>, ich habe letzte Nacht ganz schön genappsülzt, um mal Elaines Kraftausdruck zu benutzen (meine Meinung ihr Posting betreffend hat sich damit aber nicht geändert), worauf ich aber viel Lust hatte, und dieser Satz fiel mir auch nur so beiläufig ein. Heute morgen, mit einem kleinen Chatkater, war ich der Meinung, daß eigentlich nur dieser Satz vollkommen ausgereicht hätte, alles andere war Gelabere.

        Grüße,

        Kirsten

        1. Hallo Kirsten

          Und je nach dem, wie dick jemandes Fell ist, reagiert er darauf mehr oder weniger gelassen bzw. aggressiv. Vollkommen klar.

          Gerade auf diese "vollkommen klaren" Sachen muss man wohl am meisten achten, wenn man was erkennen will. Die "Felldicke" ist in der Tat eine wichtige Sache, wenn es um Gewalt geht. Ganz einfach und vollkommen klar ist, wie du sagst, dass, wer ein dickes Fell hat, weniger anfaellig ist fuer Gewalt-Eskalationen als jemand, der ein duennes Fell hat, also jemand, dessen Nerven blank liegen.

          Individuell gesehen ist das wohl nicht so interessant bzw. nur Thema fuer persoenliche Gespraeche zu persoenlichen Problemen. Aber ich ueberlege gerade, ob es so was wie das "Fell eines Volkes" oder gar ein "Fellzustand der Menschheit" gibt. Und ich ueberlege, ob die Welt vielleicht dadurch gefaehrlicher wird, dass die Menschen evolutiv gesehen immer weniger Fell haben, immer nackter werden, die Umgebung immer naeher direkt an ihre Nerven dringt. Oder anders ausgedrueckt: die Menschen muessen immer mehr Friedensbereitschaft entwickeln, je weniger dickes Fell sie besitzen, je nackter sie werden, je feiner die Sitten werden, je feiner die durch freiliegende Nerven gesteigerte Wahrnehmungsfaehigkeit wird.

          Kannst du diesem Gedankengang auch noch etwas weiterhelfen?

          <g>, ich habe letzte Nacht ganz schön genappsülzt, um mal Elaines Kraftausdruck zu benutzen

          Also wenn dann solche Hammersaetze rauskommen, moechte ich auch gerne unterwiesen werden in der Kunst des Nappsuelzens ;-)

          Ich versuche noch mal zu verstehen, warum ich diesen Satz...

          Es ist die Eskalation des Lebens, die in Gewalt enden kann.

          ...als solchen Hammer empfand.

          Das wuerde ja bedeuten, dass Leben, sobald es seine Selbstwahrnehmung steigert, sich an sich selber freut, berauscht, einfach eine unbaendige Lebensfreude empfindet, in diesem Zustand zur Gewalt neigt, oder dass andere diesen Zustand als Gewalt ihnen gegenueber empfinden. So ganz bekomme ich das jetzt nicht zusammen. Hoechstens insofern, als jemand, der sich selber feiert, vor Glueck aus sich rausspringt, zu Unvorsichtigkeiten neigt. Von vielen dieser Uebergluecklichen zeugen dann spaeter die kleinen Holzkreuze, die man an Deutschlands Ueberlandstrassen in dichter Folge am Strassenrand findet.

          Oder hast du noch eine andere Interpretation fuer deinen Satz?

          viele Gruesse
            Stefan Muenz

          1. Hallo Stefan!

            Ich versuche noch mal zu verstehen, warum ich diesen Satz...

            Es ist die Eskalation des Lebens, die in Gewalt enden kann.
            ...als solchen Hammer empfand.

            Das wuerde ja bedeuten, dass Leben, sobald es seine Selbstwahrnehmung steigert, sich an sich selber freut, berauscht, einfach eine unbaendige Lebensfreude empfindet,

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            Beobachte nur die Tiere nach der Trockenzeit, wenn die ersten Regenfälle einsetzen, das Herumspringen und Herumtollen nimmt kein Ende. Oder die Wüste, nach einem Regen, da eskaliert das Leben, da explodiert das Leben in die Welt hinein.

            in diesem Zustand zur Gewalt neigt, oder dass andere diesen Zustand als Gewalt ihnen gegenueber empfinden. So ganz bekomme ich das jetzt nicht zusammen. Hoechstens insofern, als jemand, der sich selber feiert,

            Ab da ist dein Ansatz nicht mehr gültig. Wer sich selbst feiert (das können ja nur Menschen), der feiert nicht das Leben an sich, das ist dann icht mehr die Bejahung des Lebens sondern die  des Egos.

            vor Glueck aus sich rausspringt, zu Unvorsichtigkeiten neigt. Von vielen dieser Uebergluecklichen zeugen dann spaeter die kleinen Holzkreuze, die man an Deutschlands Ueberlandstrassen in dichter Folge am Strassenrand findet.

            Eben!

            Grüße
            Thomas

          2. Hallo Stefan!

            Und je nach dem, wie dick jemandes Fell ist, reagiert er darauf mehr oder weniger gelassen bzw. aggressiv. Vollkommen klar.

            Gerade auf diese "vollkommen klaren" Sachen muss man wohl am meisten achten, wenn man was erkennen will.

            Aber ich ueberlege gerade, ob es so was wie das "Fell eines Volkes" oder gar ein "Fellzustand der Menschheit" gibt.

            Das ist ein interessanter Punkt. Die Frage nach der Existenz einer "Felldicke" eines Volkes würde ich glatt mit ja beantworten. Mit Sicherheit hängt das mit dem Temperament der Menschen eines Volkes zusammen. Aber auch die Kultur und die Geschichte, nicht zuletzt seine geographische Lage spielen damit hinein. Hat ein Volk z.B. kein eigenes Land, wie z.B. die Kurden, dann kann ich mir vorstellen, daß diese ein dünneres Fell haben, was Gewalt ihnen gegenüber betrifft, als z.B. die Norweger, die gemütlich zwischen ihren Fjorden leben. Die Felldicke der Menschheit nimmt IMHO in dem Maße ab, wie die Bevölkerungszahl zunimmt und die Ressourcen der Erde abnehmen.

            Und ich ueberlege, ob die Welt vielleicht dadurch gefaehrlicher wird, dass die Menschen evolutiv gesehen immer weniger Fell haben, immer nackter werden, die Umgebung immer naeher direkt an ihre Nerven dringt.

            Ich habe mich schon öfters gefragt, warum der Mensch im Laufe der Evolution sein Fell verloren hat. Die Evolution kann doch nicht vorhergesehen haben, daß der Mensch die Kleidung erfindet, oder? Mit Zunahme der Intelligenz schwand die Körperbehaarung. Ob die Kopfhaare wohl auch irgendwann draufgehen? Beides trägt IMHO zu einer Sensibilität bei, die den Menschen empfindlich gegenüber Gewalt macht.

            Oder anders ausgedrueckt: die Menschen muessen immer mehr Friedensbereitschaft entwickeln, je weniger dickes Fell sie besitzen, je nackter sie werden, je feiner die Sitten werden, je feiner die durch freiliegende Nerven gesteigerte Wahrnehmungsfaehigkeit wird.

            Genau, und je zahlreicher sie werden.

            Kannst du diesem Gedankengang auch noch etwas weiterhelfen?

            Habe ich oben schon versucht. Was mir noch einfällt: Je mehr Informationen den einzelnen Menschen zugänglich werden, ob nun verfälscht oder nicht. Jeder (fast) weiß heutzutage, wie es um die Erde und die Natur und dem Bevölkerungswachstum bestellt ist. Ich kann mir vorstellen, daß angesichts des drohenden Bevölkerungsinfarktes einige Leute (die auch noch an der Macht sitzen können), auf dumme Gedanken kommen. In der Vergangenheit ist sowas ja des öfteren passiert (Ein Diktator will seine "Rasse" in der ganzen Welt verbreiten und alle anderen ausmerzen), nun ist die Gefahr aber noch größer, und sie wird steigen.

            Ich versuche noch mal zu verstehen, warum ich diesen Satz...

            Es ist die Eskalation des Lebens, die in Gewalt enden kann.
            ...als solchen Hammer empfand.

            Das wuerde ja bedeuten, dass Leben, sobald es seine Selbstwahrnehmung steigert, sich an sich selber freut, berauscht, einfach eine unbaendige Lebensfreude empfindet, in diesem Zustand zur Gewalt neigt, oder dass andere diesen Zustand als Gewalt ihnen gegenueber empfinden. So ganz bekomme ich das jetzt nicht zusammen. Hoechstens insofern, als jemand, der sich selber feiert, vor Glueck aus sich rausspringt, zu Unvorsichtigkeiten neigt. Von vielen dieser Uebergluecklichen zeugen dann spaeter die kleinen Holzkreuze, die man an Deutschlands Ueberlandstrassen in dichter Folge am Strassenrand findet.

            Oder hast du noch eine andere Interpretation fuer deinen Satz?

            Ich schließe mich in vielen Dingen Thomas an. Mit Eskalation des Lebens meine ich aber nicht nur, was das einzelne Individuum an Lebenfreude oder auch Hass empfindet, sondern einfach die Kapriolen, die das Leben schießt. Die unvorhergesehenen Ereignisse. Die Zufälle, die manchmal gehäuft auftreten. Die Bemühungen, die in eine bestimmte Richtung gemacht werden und am Ende einen ganz anderen Weg einschlagen. Dinge, die der Mensch nicht nachvollziehen kann, die aber da sind, weil sie passieren. Die Eskalation ist nicht nur bedingt durch eine gesteigerte Wahrnehmung, sondern durch Ereignisse, die außerhalb der Wahrnehmung liegen. Verstehst Du, mit Eskalation meine ich Dinge, die der Mensch einfach nicht mehr in der Hand hat, aus welchen Gründen auch immer. Meinetwegen höhere Gewalt (hier wieder das Wort), die aber durchaus positiv sein oder eben in Gewalt umschlagen kann.

            Ein bißchen nachdenken muß ich aber dennoch darüber, der Hammer war mir gar nicht so bewußt ;-)

            Viele Grüße,

            Kirsten