Hallo Joerg
Frage 2: glaubt ihr, dass die staerkere Beeinflussung durch Medien tatsaechlich mehr Toleranz zwischen Minderheiten und Mehrheiten, generationenueberschreitendes Verstaendnis usw. erzeugen kann? Oder ist das alles nur Bluff und Schein, und sind die Grenzen, die Graeben in der Realitaet weiterhin da, auch wenn sie durch die sanfte, traumhafte Medienwelt scheinbar wegfallen?
Was ist denn Deine Meinung zu obiger Frage?
Frueher sprach man oft von "geistigem Leben" und von "materiellem Leben". Heute spricht man eher von "virtual life" (VL) und "real life" (RL). VL will ich hier einfach mal mit "moderner Medienwelt" gleichsetzen.
Das materielle Leben ist die Basis des geistigen Lebens, aber das geistige Leben kann das materielle Leben stark beeinflussen, abhaengig davon, wie "lebendig" der Geist ist. Und genauso ist es bei VL und RL. Das RL ist die Basis des VL, aber das VL kann das RL entscheidend praegen, wenn die durch Medien vermittelte Realitaet zu "Topics" fuehrt, zu "neuronalen Entladungen" (frueher: "Geistesblitze" <g>).
Der Rest ist das Zusammenspiel zwischen Geist und Handeln, bzw. zwischen VL und Handeln. Es gibt Leute, bei denen das, was sie denken, ihr Handeln sehr stark beeinflusst, und andere, bei denen beide Kraefte geradezu schizophren auseinanderlaufen. Und dieses Problem kann die Medienwelt genausowenig loesen wie der Geist.
Fazit: Die Grundlagen, die das Handeln je nach Persoenlichkeitstyp unterschiedlich stark beeinflussen koennen, wandeln sich: das "geistige Leben" wandert aus der Hirnschale ins World Wide Web, vom "Subjekt zum Projekt", wie Flusser sagen wuerde.
Und wer in die moderne Medienwelt, ins VL hineinwaechst, ist auf diesem Weg vom Subjekt ("hier ich, da die Welt und die anderen") zum Projekt ("da das Netz, und ich mal hier, mal dort") schon viel weiter. Tendenziell halte ich ein netzorientiertes Denken fuer friedlicher und reifer als ein herkoemmliches Denkem, das feste Begriffe auf feste Gegenstaende anwendet. Aber das Grundproblem der Schizophrenie zwischen Denken und Handeln kann diese neue Art des Denkens wohl auch nicht loesen.
viele Gruesse
Stefan Muenz