Hallo Swen
PS: Die deutsche DTD wird übrigens nicht von der DUDEN-Redaktion verwaltet.
Das mit den DTDs ist vielleicht ein guter Ansatz, um mal ueber das Wesen der Sprachnormierung nachzudenken.
Ein Computer ohne kuenstliche Intelligenz benoetigt eindeutige Sprachen ohne Ambiguitaet (Mehrdeutigkeiten). DTDs dienen dazu, dass der eigentlichen Sprachinterpretation eine Validierung vorgeschaltet werden kann, die sicherstellt, dass die konkrete Anwendung einer Sprache fehlerfrei ist und dem eigentlichen Sprachinterpreter keine Probleme bereiten wird.
Menschen brauchen keinen Validator. Die Sprachinterpretationsfaehigkeit von Sprechern einer Sprache ist hochgradig fehlertolerant und erkennt auch noch in syntaktisch hoechst fehlerhaften Notationen die gemeinte Bedeutung.
Dennoch ist es natuerlich schwieriger zu lesen, wenn jeder so schreibt wie er glaubt dass etwas geschrieben werden muesste. Und bei Menschen, die mit einer fremden Sprache konfrontiert sind, bei denen ihre Sprachinterpretationsfaehigkeit nicht oder kaum ausgepraegt ist, kann es beim Lesen individueller Notation durchaus zu Aussetzern und Problemen beim Verstehen der Bedeutung kommen.
Insofern macht "Rechtschreibung" durchaus Sinn. Die Frage ist, wie stark die Rechtschreibung normieren und reglementieren sollte. Sie sollte eben immer beides im Blick behalten: die Sprachinterpretationsfaehigkeit einerseits und die moeglichen Probleme bei zu grossen Abweichungen individueller Notation andererseits. In dem Zwischenraum, der dadurch entsteht, sollte sie aber Spielraeume lassen.
Die Rechtschreibreform bietet sogar einige solcher Spielraeume an, etwa bei der Kommasetzung. Die alten Regeln dafuer sind weitgehend verschwunden, und man ueberlaesst es dem Schreibenden weitgehend, wie er einen Satz optisch in Teilsaetze zerlegt. Auch bei vielen Woertern werden alternative Schreibweisen zugelassen. Insofern sanktioniert die Rechtschreibung etwas Sinnvolles, naemlich eine allgemein ertraegliche Varianz bei Schweibweisen von Woertern oder grammatikalischer Einheiten.
Leider ist die gleiche Rechtschreibreform bei anderen Sachen total penibel und schreibt etwas Bestimmtes vor. Warum soll ich schreiben muessen "Es ist mir schwer gefallen, das zu akzeptieren" anstatt "es ist mir schwergefallen, das zu akzeptieren"? Das ist doch nur verwirrend nah an "die Frau hat mir schwer gefallen". Da wird irgendwas geaendert, ohne dass mir der Grund einsichtig ist. Und leider gibt es etliche Aenderung in der Rechtschreibreform, deren Sinn und Zweck man bezweifeln kann. Das ist der Vorwurf, den man ihr machen muss.
Ich guck auch nur im neuen Duden nach, wenn ich muss - und das ist der Fall, wenn ich Schrifttum fuer Kunden erstellen muss, die das verlangen. Ansonsten freue ich mich an den Spielraeumen, die die Rechtschreibreform sanktioniert hat, und ignoriere die Vorschriften, die mir sinnlos erscheinen. Ich weiss, damit bin ich ein ganz Schlimmer, aber ich bin ja auch schon alt und nicht mehr so leicht formbar - schon gar nicht durch das Institut fuer deutsche Sprache ;-)
viele Gruesse
Stefan Muenz