Steffen Gerlach: Babelfische im Internet - oder wird eh alles Englisch?

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Hallo Stefan, Hallo Forum,

Wenn ich das richtig geshen habe, sind sich die bisher geäußerten Meinungen ziemlich ähnlich: Die Nationalsprachen bleiben auf alle Zeiten Hauptsprache, Englisch nimmt in der Bedeutung zu, bleibt aber Zweitsprache mit beschränktem Wortschatz. Ich bin mir da nicht so sicher.

Ich könnte mir z.B. das Fast-Aussterben der deutschen Sprache nach etwa folgendem Schema vorstellen:

Phase 1, ab 2000: Englisch beginnt, sich als Verkehrssprache in globalisierten Unternehmen von der Führung aus in die unteren Hierarchieebenen vorzuarbeiten. Internationale Zusammenarbeit funktioniert mit einer gemeinsamen Sprache einfach besser. Immer mehr Vorlesungen an den Universitäten, speziell in technischen Fachrichtungen, werden in Englisch gehalten. Parallel dazu wird Englisch auch im privaten Bereich immer wichtiger, um an internationaler Kultur teilhaben zu können. Man kann einen (guten) Film nicht wirklich verstehen, wenn man nur Basiskenntnisse in der Sprache hat. Und automatische Übersetzung dürfte auch kaum jemals in der Lage sein, eine stimmige Synchronisation abzuliefern. Dazu kommt, daß es durch die zunehmenden Möglichkeiten der Technik immer mehr interessante Beiträge von nicht kommerziell orientierten privaten Personen oder Gruppen geben wird. Entweder man beherrscht Englisch, oder man kann daran nicht teilhaben.

Phase 2, so ab 2100: An den Unis und in internationalen Unternehmen wird kaum noch Deutsch gesprochen. Sehr gutes Englisch ist Voraussetzung für Beruf und Studium. Immer mehr Unterricht wird auch in den Schulen in englischer Sprache gegeben. Deutsche Medien produzieren zwar weiterhin in Deutsch, aber die Auswahl an englischsprachigem Material ist ungleich größer und macht deshalb auch den Großteil des Medienkonsums des durchschnittlichen Deutschen aus.

Phase 3, so ab 2200: Nach und nach wird Englisch auch als Umgangssprache verwendet. Kinder beginnen mit dem Lernen der englischen Sprache nicht erst in der Schule, sondern von klein auf. Das ist wahrscheinlich die größte Hürde, denn Eltern geben ihren Kindern dabei eine andere sprachliche Ausbildung als sie selbst einst erfahren haben. Ab dem Zeitpunkt, wo Englisch vom ersten Tag eines Menschen an gleichberechtigt zu Deutsch erscheint, hat auch schon das Aussterben der deutschen Sprache begonnen.

Phase 4: Englisch wird zur offiziellen Amtssprache in allen Ländern der EU erklärt. Deutsch und die anderen Nationalsprachen werden zum liebevoll gepflegten Hobby.

Dazu muß ich allerdings sagen, daß ich mir eine solche Entwicklung in Deutschland besonders leicht vorstellen kann. Andere Völker stehen einer so grundlegenden Aufgabe der eigenen Traditionen und Gewohnheiten sicherlich weniger aufgeschlossen gegenüber. Ein gutes Beispiel sind da unsere ach so fortschrittsliebenden amerikanischen Freunde, die SI für die Abkürzung von "Sports Illustrated" halten und ihre Marslandung in Maßeinheiten aus Grimms Märchenbuch berechnen.

Wird Englisch den Planeten erobern und andere Sprachen in den Rang von Lokal- und Zweitsprachen zurueckdraengen?

Nur eine Frage der Zeit, meine ich.

Ist es z.B. vorstellbar, dass Englisch in 50 Jahren weltweit in fast allen Laendern als Amtssprache eingefuehrt sein wird?

In 50 Jahren bestimmt noch in keinem einzigen. In 500 bestimmt in den meisten.

Ist es wuenschenswert, dass eine Sprache alle anderen verdraengt?

Unter Betrachtung aller Vor- und Nachteile: Ja.

Ist damit nicht auch eine Verarmung des Sagbaren verbunden?

Sprache bleibt nicht, wie sie ist. Wenn etwas wichtig ist, gesagt zu werden, dann werden sich dafür Wege finden. Auch in Englisch.

Und welche Rolle spielt eigentlich der Einfluss der geschriebenen Sprache? Durch das Internet ist der Anteil schriftlicher Kommunikation zwischen Menschen extrem angestiegen.

Das ist wohl nur eine Frage des Traffics, der bei Geschriebenem nun mal um Größenordnungen geringer ausfällt. In dem Moment, wo sich Diktiersoftware und Sprachausgabe in hoher Qualität auf breiter Front durchgesetzt haben, verschwimmen die Unterschiede sowieso, weil alles effektiv in Schriftform übertragen werden kann. Vom Absender eingetippter Text wird dann vom Empfänger angehört oder gesprochener als Text gelesen.

angesichts der zahllosen, meist lieblos hingerotzten Fragen, [...] steht mir (und ich glaube auch anderen)

mal wieder der Sinn nach mehr Niveau ;-)

Ja, es ist auffällig, daß es häufig Du bist, der die "Tellerrand-Threads" lostritt. Vielleicht trauen sich die anderen nicht...

Gruß
Steffen