Stefan Muenz: Babelfische im Internet - oder wird eh alles Englisch?

Liebe Forumer,

angesichts der zahllosen, meist lieblos hingerotzten Fragen, mit denen dieses Forum wieder mal ueberhaeuft wird derzeit, und der oft nicht sonderlich fundierten Antworten, mit denen die betreffenden Threads dann zusaetzlich aufgeblaeht werden, steht mir (und ich glaube auch anderen) mal wieder der Sinn nach mehr Niveau ;-)

Wir befinden uns in einem weltweiten Medium, das zweifellos dabei ist, unsere Erde schneller umzukrempeln als alle technischen Erfindungen vor ihm. Die Ueberbrueckung von Distanzen schrumpft auf den Augenblick zusammen, den es dauert, auf die Maustaste zu klicken. Dadurch kommt sich vieles nahe und durcheinander, was ehemals sauber oder zumindest viel klarer voneinander getrennt war. Menschen, ihre Lebensweisen, Ansichten und Vorstellungen, aber auch ihre Sprachen. Um letztere soll es in diesem Thread mal gehen.

Es gibt eine interessante neue Portalseite fuer Links zu allem, was mit Woerterbuechern, Lexika, automatischen Uebersetzungen und linguistischen Spezialanwendungen fuer bestimmte Sprachen zu tun hat: http://www.yourdictionary.com/. Wenn man von dort aus auf Entdeckungsreise geht, kann man staunend erleben, wie viele Woerterbuecher es gibt im Netz, die meisten davon mittlerweile durchsuchbar.

Wir haben viele Sprachen auf der Welt. Diese unterschiedlichen Sprachen konnten entstehen, weil Voelker, Staemme, Klans usw. ohne oder nur mit sehr wenig Kontakt zu anderen Menschen ihre Kultur und ihren Alltag ueber Generationen hinweg entwickeln konnten. Es gibt ja unter Linguisten die Theorie, dass alle Sprachen urspruenglich von einer Sprache abstammen. Aber durch vergleichende Sprachwissenschaft ist das wohl kaum beweisbar. Zu unterschiedlich sind die einzelnen Sprachen, auch wenn es viele Gruppen und Familien gibt.

Noch spannender als die Frage, ob es irgendwann in den Fruehzeiten des homo sapiens eine Einheitssprache gab, finde ich allerdings die Frage, ob die Menschheit auf eine solche Einheitssprache wieder zusteuert, und ob ein Medium wie das Internet diese Tendenz beguenstigt.

Beobachtbar ist zumindest, dass das Englische sich immer weiter von den uebrigen "Weltsprachen" Franzoesisch, Spanisch und Portugiesisch abhebt. Chinesisch hat zwar moeglicherweise die meisten Sprecher, aber es hat deshalb trotzdem keine Bedeutung als Weltsprache, denn eine Weltsprache ist eine Sprache, die als Verstaendigungssprache von ganz unterschiedlichen Muttersprachlern genutzt wird. Immer mehr Menschen aber, die unterschiedliche Muttersprachen sprechen und miteinander zu tun bekommen, sei es beruflich, auf Reisen, oder eben durch das Internet, einigen sich letztendlich auf Englisch als Verstaendigungssprache. Auch die Haeufigkeit, mit der ein Normaldeutscher etwa mit dem Englischen konfrontiert wird, duerfte sich im Laufe der letzten dreissig Jahre vervielfacht haben. War die Ausbildung von Weltsprachen bis vor wenigen Jahrzehnten noch durch die europaeische Kolonialisierung der uebrigen Kontinente gesteuert, so werden heute zunehmend die Einfluesse des global business, aber auch der internationalen Wissenschaft und Technik massgeblich. Und auf all diesen Ebenen hat sich Englisch laengst durchgesetzt.

Meine Fragen, die ich nach diesen Bemerkungen mal zur Diskussion in den Raum werfen will, sind folgende:

Wird Englisch den Planeten erobern und andere Sprachen in den Rang von Lokal- und Zweitsprachen zurueckdraengen? Ist es z.B. vorstellbar, dass Englisch in 50 Jahren weltweit in fast allen Laendern als Amtssprache eingefuehrt sein wird, waehrend die herkoemmlichen Sprachen dieser Laender etwa auf die Bedeutung zuruecksinken, die bei uns die Dialekte haben (liebevoll gepflegt, aber nicht wirklich wichtig)?

Ist es wuenschenswert, dass eine Sprache alle anderen verdraengt? Ist damit nicht auch eine Verarmung des Sagbaren verbunden? Wird eine Sprache, die nur zwei, drei Wortvarianten fuer "Schnee" kennt, in einem arktischen Land nicht fuer schreckliche Sprachverarmung sorgen? Oder geht das gar nicht? Koennte es nicht vielmehr so kommen, dass sich zwar eine Sprache durchsetzt, diese aber lokal extrem "koloriert" wird, so dass Sprachvarianten entstehen, die doch schon fast wieder eigene Sprachen sind?

Und welche Rolle spielt eigentlich der Einfluss der geschriebenen Sprache? Durch das Internet ist der Anteil schriftlicher Kommunikation zwischen Menschen extrem angestiegen. Neue, sprachrelevante Bausteine wie Smileys und Emoticons sind die sichtbaren Folgen. Koennte es sein, dass die Menschen auch dahin steuern, immer weniger miteinander zu reden und sich immer mehr zu schreiben? Mit den damit verbundenen sprachlichen Folgen wie mehr Symbolzeichen, Abkuerzungen, formalen Elementen? So dass am Ende die Leute mehr XML reden als Englisch?

Wie stark veraendert das Internet die Sprachenwelt? Nicht mehr als die alte Welt der Zeitungen und Fernsehsender? Oder mehr? Einerseits sind die anderssprachigen Informationen im Web viel naeher als in jedem anderen Medium. Andererseits zeigen neuere Untersuchungen, dass immer weniger Leute im Web wirklich in die Ferne schweifen, sondern mehr und mehr lokale Angebote ihrer normalen Umgebung nutzen.

Bin gespannt, was euch einfaellt ;-)

viele Gruesse
  Stefan Muenz

  1. Hallo Forum

    angesichts der zahllosen, meist lieblos hingerotzten Fragen, mit denen dieses Forum wieder mal ueberhaeuft wird derzeit, und der oft nicht sonderlich fundierten Antworten, mit denen die betreffenden Threads dann zusaetzlich aufgeblaeht werden, steht mir (und ich glaube auch anderen) mal wieder der Sinn nach mehr Niveau ;-)

    Oh ja, gerne, kann ich noch etwas davon haben? ;-)

    zum Thema:

    Ich glaube nicht, oder besser, ich hoffe nicht, dass es irgendwann nur noch
    eine Sprache gibt. Ich fände es sehr löblich, wenn in jedem Land in den Schulen
    Englisch unterrichtet, und auch international mehr Englisch gesprochen würde,
    aber ich würde diese "Globalsprache" nie höher bewerten als die individuelle
    Muttersprache. Die Globalsprache würde entweder unglaublich "flach" sein,
    und der Sprache den Reiz nehmen, oder sie wäre viel zu kompliziert, um sie
    irgendwie zu beherrschen. Ausserdem wäre es dann total langweilig ;-)

    Ich persönlich finde das i18n Konzept sehr schön. Quasi jedes GNU Programm
    spricht viele Sprachen. Der Programmierer muss sich nicht mir so etwas
    herumquälen, sonder schreibt anstatt "This is a line of text" einfach
    _("This is a line of text"). Später wird durch entsprechende Programme ein
    .po-file erzeugt, in dem Die Übersetzer etwa folgendes Vorfinden:
    -"This is a line of text"
    +"Enter your translation here"

    Der Übersetzer muss also überhaupt keine Ahnung vom Programmieren haben,
    und auch den Code überhaupt nicht anfassen - er braucht nicht mal den Code
    runterzuladen, nur das relativ kleine po-file.
    Leider hab ich so etwas im Zusammenhang mit HTML noch nicht gesehen,
    aber das liegt wohl daran, dass die OpenSourcler grundsätzlich zwei Schritte
    voraus sind ;-)

    Gruß
    Gero

    1. Ich persönlich finde das i18n Konzept sehr schön. Quasi jedes GNU Programm
      spricht viele Sprachen. Der Programmierer muss sich nicht mir so etwas
      herumquälen, sonder schreibt anstatt "This is a line of text" einfach
      _("This is a line of text"). Später wird durch entsprechende Programme ein
      .po-file erzeugt, in dem Die Übersetzer etwa folgendes Vorfinden:
      -"This is a line of text"
      +"Enter your translation here"

      Leider funktioniert das nicht so einfach.

      Ich habe vor ca. 10 Jahren mal einen Modul geschrieben, der sich mit dieser Problematik befaßt.
      Die Ergebnisse sind immerhin für Deutsch und Englisch brauchbar, aber schon für Spanisch (glaube ich mich zu erinnern) gibt es ganz neue Probleme (welche mit dem Charakter der Sprache zusammenhängen - nicht mit einzelnen Worten, sondern mit Sprachregeln). Es geht ja nicht nur darum, Meldungen komplett zu ersetzen, sondern z. B. auch, in solche Meldungen Einfügungen einzupflanzen. Handgreiflichster Aspekt ist die Singular/Plural-Problematik ("1 Zeile(n) wurden gelesen", gnlpfts).
      Literatur hierzu: http://www.homepages.de/home/schroepl/pbm/software/united/dokument/msg_file.htm.
      Immerhin hat dieses Projekt dazu geführt, daß es eine norwegische Version von UNITED/XY gibt, ohne daß ich ein Wort dieser Sprache verstehen würde.

  2. Da isser ja wieder, der Stefan, und ich dachte schon, Du waerst schon ganz verschollen ;-)

    angesichts der zahllosen, meist lieblos hingerotzten Fragen, mit denen dieses Forum wieder mal ueberhaeuft wird derzeit,

    und der oft nicht sonderlich fundierten Antworten, mit denen die betreffenden Threads dann zusaetzlich aufgeblaeht werden,
    steht mir (und ich glaube auch anderen) mal wieder der Sinn nach mehr Niveau ;-)

    Nun mach uns mal nicht (mal wieder) schlechter als wir sind, ja ?!

    Ist es wuenschenswert, dass eine Sprache alle anderen verdraengt? Ist damit nicht auch eine Verarmung des Sagbaren

    verbunden? Wird eine Sprache, die nur zwei, drei Wortvarianten fuer "Schnee" kennt, in einem arktischen Land nicht fuer
    schreckliche Sprachverarmung sorgen? Oder geht das gar nicht? Koennte es nicht vielmehr so kommen, dass sich zwar eine
    Sprache durchsetzt, diese aber lokal extrem "koloriert" wird, so dass Sprachvarianten entstehen, die doch schon fast wieder
    eigene Sprachen sind?

    Jetzt muss ich ja wirklich mal fuer Esperanto plaedieren!

    Einer der Hauptgruende, weshalb diese Sprache erfunden wurde, war der, dass eine Moeglichkeit gefunden werden sollte,
    mit anderssprachigen Menschen aus der ganzen Welt zu kommunizieren, ohne gleich den Aufwand treiben zu muessen, den
    man normalerweise treiben muss, wenn man eine neue Sprache erlernt.

    Esperanto hat nur 16 Grammatikregeln, und kommt wegen einiger Spezialregeln mit etwas weniger Vokabular aus als andere Sprachen,
    und dennoch kann man alles damit ausdruecken. Inzwischen gibt es auch genuegend Fachliteratur in der Sprache. Auch zum Thema Internet.

    Die schnellsten lernen es in 6 Wochen, sich gut in der Sprache zu verständigen und die ganz langsamen sollten es wenigstens nach zwei Jahren
    fliessend sprechen.

    Durch die leichte Erlernbarkeit hat man schnell ein Werkzeug in der Hand, mit der die weltweite Kommunikation funktioniert und dennoch kann
    jeder seine eigene Sprache und damit einen wichtigen Teil seiner eigenen Kultur bewahren.

    Für das Internet halte ich Englisch fuer besser geeignet, weil nur Buchstaben darin vorkommen, die unterhalb der bekannten 128er-Grenze liegen.

    Viele Gruesse

    Beate Mielke

    und wen's noch weiter interessiert:
    http://www.esperanto.de
    oder hier:
    http://www.esperanto.de/org/lv.berlin/Fragen.htm

    1. Jetzt muss ich ja wirklich mal fuer Esperanto plaedieren!

      Englisch ist die "Industrienorm", und Esperanto der "RFC".

  3. Hi Stefan!

    ... steht mir (und ich glaube auch anderen) mal wieder der Sinn nach mehr Niveau ;-)

    was ist Niveau? meinst Du Nivea? *g*

    Wir befinden uns in einem weltweiten Medium, das zweifellos dabei ist, unsere Erde schneller umzukrempeln als alle technischen Erfindungen vor ihm.

    Nicht nur schneller sondern auch radikaler.

    ...Noch spannender als die Frage, ob es irgendwann in den Fruehzeiten des homo sapiens eine Einheitssprache gab, finde ich allerdings die Frage, ob die Menschheit auf eine solche Einheitssprache wieder zusteuert, und ob ein Medium wie das Internet diese Tendenz beguenstigt.

    Hm. Ja. Ich sag mal es wird auf jeden Fall eine globale Verstaendigungssprache geben. Und das wird IMHO Englisch sein (die Gruende dafuer beschreibst Du ja bereits).

    ...waehrend die herkoemmlichen Sprachen dieser Laender etwa auf die Bedeutung zuruecksinken, die bei uns die Dialekte haben (liebevoll gepflegt, aber nicht wirklich wichtig?

    Nein. Eindeutig nicht. Es haben sich zwar schon viele englische Begriffe eingeschlichen, aber die Muttersprache wird bleiben. Es wird eher eine "Sprachanpassung" geben, dass wichtige Woerter sich mehr und mehr gleichen. Also eine Vermischung. Und selbst das ist nur eine vage Vermutung.

    Ist es wuenschenswert, dass eine Sprache alle anderen verdraengt?

    Eindeutig nein...

    »»Ist damit nicht auch eine Verarmung des Sagbaren verbunden?

    ...und zwar genau deswegen.

    Und welche Rolle spielt eigentlich der Einfluss der geschriebenen Sprache?...

    Es werden sich ganz einfach bestimmte Begriffe einschleichen und die Sprache bereichern. (ich ertappe mich oefter dabei, bei etwas lustigem *rofl* zu sagen und meine Frau sagt auch oefter mal /me ;-)

    Abgesehen davon denke ich, dass durch das Internet die Kommunikation eher gefoerdert als geschwaecht wird. Irgendwelche Kontaktparanoiker wird es immer geben. Nur hocken die dann statt vorm Fernseher vorm PC. Negative Auswuechse sind halt Postings ala Sacha Feller, aber immer noch besser als ein agressiver Ausbruch im RL.

    Das Internet ist fuer mich immer noch (trotz Kommerzialisierung und FvG's) eine (fast) grenzenlose Welt. Es wird das schaffen, was kein Caesar, kein Napoleon und kein Hitler geschafft haben. Wenn auch nur virtuell aber wenigstens nicht mit Gewalt.

    Gruß
    Thomas

    1. »»Ist damit nicht auch eine Verarmung des Sagbaren verbunden?
      ...und zwar genau deswegen.

      Durch die Veränderung der Kultur ändert sich auf die Menge der sagbaren Begriffe.
      Begriffe, die in der neuen Kultur keine Relevanz mehr besitzen, werden aussterben (so, wie man heute ja viele Worte altdeutscher Dokumente kaum noch sinnvoll übersetzen kann, weil die entsprechenden Weltbilder nicht mehr existieren). Das ist ein vom Internet unabhängiges Phänomen.

  4. Lieber Stefan,

    da Du jetzt gerade meine ureigene Domäne als Technische Redakteurin ansprichst, muß ich doch auch gleich meinen Senf (hoffentlich in genügender Qualität, also mindestens Händlmeiers für Weißwürste) zugeben.

    Dadurch kommt sich vieles nahe und durcheinander, was ehemals sauber oder zumindest viel klarer voneinander getrennt war. Menschen, ihre Lebensweisen, Ansichten und Vorstellungen, aber auch ihre Sprachen. Um letztere soll es in diesem Thread mal gehen.

    :
    :

    Wir haben viele Sprachen auf der Welt. Diese unterschiedlichen Sprachen konnten entstehen, weil Voelker, Staemme, Klans usw. ohne oder nur mit sehr wenig Kontakt zu anderen Menschen ihre Kultur und ihren Alltag ueber Generationen hinweg entwickeln konnten. Es gibt ja unter Linguisten die Theorie, dass alle Sprachen urspruenglich von einer Sprache abstammen. Aber durch vergleichende Sprachwissenschaft ist das wohl kaum beweisbar. Zu unterschiedlich sind die einzelnen Sprachen, auch wenn es viele Gruppen und Familien gibt.

    :
    :

    Noch spannender als die Frage, ob es irgendwann in den Fruehzeiten des homo sapiens eine Einheitssprache gab, finde ich allerdings die Frage, ob die Menschheit auf eine solche Einheitssprache wieder zusteuert, und ob ein Medium wie das Internet diese Tendenz beguenstigt.

    Wenn Du so sehr wie ich beruflich mitkriegtest, wie wichtig eine Bedienungsanleitung in der Landessprache ist, auch und gerade im Zusammenhang mit der Produkthaftung, würdest Du auf so eine Idee möglicherweis nicht kommen.

    Eine Ex-Kollegin von mir hat z.B. gerade ein Lokalisierungsprojekt mit 18 (in Worten achtzehn) Sprachen in der Mache. Ich tippe eher darauf, daß die Möglichkeiten der Informationstechnologie genutzt werden, daß jeder in seiner Muttersprache kommunizieren kann, und die anderen verstehen ihn trotzdem.

    Beobachtbar ist zumindest, dass das Englische sich immer weiter von den uebrigen "Weltsprachen" Franzoesisch, Spanisch und Portugiesisch abhebt.

    Vergiß doch bitte nicht, daß auch Deutsch durchaus zu seiner Zeit den Charakter einer Weltsprache hatte.

    Immer mehr Menschen aber, die unterschiedliche Muttersprachen sprechen und miteinander zu tun bekommen, sei es beruflich, auf Reisen, oder eben durch das Internet, einigen sich letztendlich auf Englisch als Verstaendigungssprache.

    Aber gerade in den osteuropäischen Ländern, die m.E. in den nächsten Jahren an Bedeutung für uns gewinnen werden, kommst Du z.Zt. oft besser mit Deutsch als mit Englisch durch.

    Auch die Haeufigkeit, mit der ein Normaldeutscher etwa mit dem Englischen konfrontiert wird, duerfte sich im Laufe der letzten dreissig Jahre vervielfacht haben.

    Da hast Du sicher recht. Du könntest sogar fast schon 50 Jahre sagen.

    War die Ausbildung von Weltsprachen bis vor wenigen Jahrzehnten noch durch die europaeische Kolonialisierung der uebrigen Kontinente gesteuert, so werden heute zunehmend die Einfluesse des global business, aber auch der internationalen Wissenschaft und Technik massgeblich. Und auf all diesen Ebenen hat sich Englisch laengst durchgesetzt.

    Ich hab' da mal einen interessanten Artikel gelesen, daß das Englische Gefahr läuft, eben durch diese Internationalisierung als Wissenschafts- und  Berufssprache (wobei es nach diesem Artikel im Übrigen nach dem Krieg das Deutsche verdrängt haben soll) an Vielfalt und Ausdrucksmmitteln zu verlieren.

    Meine Fragen, die ich nach diesen Bemerkungen mal zur Diskussion in den Raum werfen will, sind folgende:

    Wird Englisch den Planeten erobern und andere Sprachen in den Rang von Lokal- und Zweitsprachen zurueckdraengen? Ist es z.B. vorstellbar, dass Englisch in 50 Jahren weltweit in fast allen Laendern als Amtssprache eingefuehrt sein wird, waehrend die herkoemmlichen Sprachen dieser Laender etwa auf die Bedeutung zuruecksinken, die bei uns die Dialekte haben (liebevoll gepflegt, aber nicht wirklich wichtig)?

    Das glaube ich in dieser Vollständigkeit auf keinen Fall. Die europäischen Sprachen konnten ja auch in Afrika oder Asien nicht die einheimischen Sprachen verdrängen. Nachdem die gemeinsame Sprache die Einheimischen dazu befähigten, die Kolonialherren aus dem Land zu werfen, wurden durchaus die alten Stammessprachen, und oft damit auch -fehden, reaktiviert.

    Ist es wuenschenswert, dass eine Sprache alle anderen verdraengt? Ist damit nicht auch eine Verarmung des Sagbaren verbunden? Wird eine Sprache, die nur zwei, drei Wortvarianten fuer "Schnee" kennt, in einem arktischen Land nicht fuer schreckliche Sprachverarmung sorgen?

    Siehe mein Kommentar oben.

    Oder geht das gar nicht? Koennte es nicht vielmehr so kommen, dass sich zwar eine Sprache durchsetzt, diese aber lokal extrem "koloriert" wird, so dass Sprachvarianten entstehen, die doch schon fast wieder eigene Sprachen sind?

    Auch das glaube ich nicht. Gerade in einer Zeit, in der sich Menschen auf ihre lokale Identität besinnen (Wales, Schottland, oder auch der alte Witz: Ist nun Ober- oder Niederbayern das einzig legitime Bayern?) wird wohl eher auf Übersetzungsressourcen zurückgegriffen als auf die lokale Sprache verzichtet.

    Und welche Rolle spielt eigentlich der Einfluss der geschriebenen Sprache? Durch das Internet ist der Anteil schriftlicher Kommunikation zwischen Menschen extrem angestiegen. Neue, sprachrelevante Bausteine wie Smileys und Emoticons sind die sichtbaren Folgen. Koennte es sein, dass die Menschen auch dahin steuern, immer weniger miteinander zu reden und sich immer mehr zu schreiben?

    Auch hier glaube ich, daß eher Soundkarten und Mikros/Lautsprecher die Menschen bald dazu in die Lage zu versetzen, auch per Internet zu sprechen oder sich vorlesen zu lassen.

    Bin gespannt, was euch einfaellt ;-)

    mir fiele noch viel ein, aber jetzt muß ich mich mal wieder dem widmen, wofür mich mein Arbeitgeber bezahlt.

    viele Gruesse
    Karin

    1. yHallo Karin,

      Eine Ex-Kollegin von mir hat z.B. gerade ein Lokalisierungsprojekt mit 18 (in Worten achtzehn) Sprachen in der Mache. Ich tippe eher darauf, daß die Möglichkeiten der Informationstechnologie genutzt werden, daß jeder in seiner Muttersprache kommunizieren kann, und die anderen verstehen ihn trotzdem.

      Ich haber derzeit beruflich gerade die Ehre, eine HTML-basierte Software-Hilfe, die ich urspruenglich erstellt habe, in so Sprachen wie Finnisch, Schwedisch oder Portugiesisch "glattzuziehen", sprich, die Frontpage- uns sonstwas-Suenden aus den uebersetzten Files wieder auszubuegeln, so dass ich mein CGI-Script starten kann, das eine javascript-basierte Volltextsuche ueber die Einzelfiles ermoeglicht. Bei solchen Dingen lernt man die Grenzen der Informationstechnologie sehr schnell kennen.

      Vergiß doch bitte nicht, daß auch Deutsch durchaus zu seiner Zeit den Charakter einer Weltsprache hatte.

      Mag sein. Hat es aber nicht mehr. Ich selber rede und schreibe sehr gern deutsch, weil ich es gut kenne und es als eine sehr ausgereifte Sprache schaetze. Aber aus heutiger Sicht kann ich in dieser Sprache trotzdem nicht mehr als eine geographische Nischensprache erblicken.

      Aber gerade in den osteuropäischen Ländern, die m.E. in den nächsten Jahren an Bedeutung für uns gewinnen werden, kommst Du z.Zt. oft besser mit Deutsch als mit Englisch durch.

      Das ist zweifellos, aber orientiert sich meines Erachtens nur an den geographischen Gegebenheiten. Gib den Polen die Flatrate, und sie werden Englisch lernen statt Deutsch!

      Ich hab' da mal einen interessanten Artikel gelesen, daß das Englische Gefahr läuft, eben durch diese Internationalisierung als Wissenschafts- und  Berufssprache (wobei es nach diesem Artikel im Übrigen nach dem Krieg das Deutsche verdrängt haben soll) an Vielfalt und Ausdrucksmmitteln zu verlieren.

      Ich bin ziemlich sicher, dass das der Fall ist. Aber eben diese Verwaesserung zeigt andererseits, dass Englisch tatsaechlich auf dem Weg ist, zu einer "planetaren" Sprache zu werden. Sicher wird es nicht das Oxford-English sein, und auch nicht das der amerikanischen Mittelschicht. Eher ein Pigeon-English, ein Konglomerat aus den Realitaeten der verschiedenen Kulturkreise, die gezwungen sind, sich dieser "Allgemeinsprache" zu bedienen.

      Das glaube ich in dieser Vollständigkeit auf keinen Fall. Die europäischen Sprachen konnten ja auch in Afrika oder Asien nicht die einheimischen Sprachen verdrängen. Nachdem die gemeinsame Sprache die Einheimischen dazu befähigten, die Kolonialherren aus dem Land zu werfen, wurden durchaus die alten Stammessprachen, und oft damit auch -fehden, reaktiviert.

      Stimmt einerseits. Aber frag die Betroffenen, frag sie, ob sie glauben, mit einer Sprache auszukommen. Die Hardliner werden das sicher immer bejahen. Aber jeder der realistisch denkt, erkennt, dass er auch jene Sprache beherrschen sollte, die in solchen Laendern eh schon meistens offizielle Amtssprache sind.

      Gerade in einer Zeit, in der sich Menschen auf ihre lokale Identität besinnen (Wales, Schottland, oder auch der alte Witz: Ist nun Ober- oder Niederbayern das einzig legitime Bayern?) wird wohl eher auf Übersetzungsressourcen zurückgegriffen als auf die lokale Sprache verzichtet.

      Dieser ganze Lokalpatriotismus ist so ungefaehr das Verquerteste, was es in unserer Zeit gibt. Fuer mich fast schlimmer als der religioese Fanatismus. Denn letzterer ist zumindest (meistens) supranational, aber die Ziele einer ETA oder vergleichbarer Kampforganisationen sind fuer mich so ungefaehr das Kontraproduktivste, was ich mir derzeit vorstellen kann.

      viele Gruesse
        Stefan Muenz

      1. Hallo Stefan!

        Dieser ganze Lokalpatriotismus ist so ungefaehr das Verquerteste, was es in unserer Zeit gibt. Fuer mich fast schlimmer als der religioese Fanatismus. Denn letzterer ist zumindest (meistens) supranational, aber die Ziele einer ETA oder vergleichbarer Kampforganisationen sind fuer mich so ungefaehr das Kontraproduktivste, was ich mir derzeit vorstellen kann.

        Ich schliesse mich hier in diesem Thread an :-). Ich halte das Beispiel der ETA deswegen fuer schlecht gewaehlt, da die ETA mit Terror versucht, ihre Ziele zu erreichen. Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch, dass es grenzuebergreifend zwischen Nordwestspanien und Suedwestfrankreich ein baskisches Volk gibt, auf dessen Kultur in einem jener beiden Laender aufgrund einer vor gar nicht so langer Zeit nur durch den natuerlichen Tod des Absolutherrschers bedendeten Diktatur einen gewalt(aeti)gen Druck augeuebt wurde.

        Daher beziehe ich mich auf den von Dir erwaehnten Lokalpatriotismus und moechte weit ausholen...

        Ich weiss nicht mehr, ob ich nach all den Jahren noch in der Lage bin, es korrekt ausdruecken, aber ich kann mich am Physikunterricht erinnern, wo erklaert wird, das jeder Druck Gegendruck mit sich zieht. Im Zeichen eines Globalisierungs*drucks*, wie wir ihn heute erleben, ist der Gegen*druck* der von Dir sogenannten Lokalpatrioten staerker geworden und wird sich weiter verstaerken.

        Bretonen zum Beispiel, sozusagen Sprachbrueder der Einwohner von Wales, versuchen diesseits des Aermelkanals ebenso ihre Sprache zu retten wie jenseits dessselben. Die baskische Bevoelkerung - ein Volk raetselhaften Ursprungs - genauso. Dass man als "Normalfranzose, Normaldeutscher, Normalenglaender" damit seine Schwierigkeiten hat, tut der Sache keinen Abbruch.

        Die Geschichte der Eroberungen, seien es politische oder religioese, zeigt immer, dass die Sieger am Ende vielleicht doch die Verlierer sind. Der Bibelspruch "die Ersten werden die Letzten sein" hat in diesem Sinne sogar durchaus etwas Irdisches. Am Anfang unter*druecken* die Sieger die Besiegten. Nach einer gewissen Zeit ensteht *Druck* von unten nach oben: Es ist kein Zufall, dass die meisten christlichen Festen mit uralten heidnischen Braeuchen zum Teil zeitlich sehr genau zusammenpassen.

        Daher wird es IMHO vermutlich nie zu einer Weltherrschaft der englischen Sprache kommen - allenfalls so, wie in diesem Thread mehrmals erwaehnt, wird English zu einer allgemeinen Verstaendigungssprache in bestimmten Bereichen (Kommerz, Medien, usw...) werden. Das wird aber die englischen Sprache auf Dauer vermutlich mehr "verwaessern" als sie zu bereichern.

        P.S.: Ich (als Franzose) habe dank des von Dir (in Deutsch) verfassten SELFHTML sehr viel gelernt. Waere ich auf englischsprachigen Dokumentationen, auf die originalen W3C-Seiten angewiesen gewesen, haette ich wahrscheinlich mit Frontpage alle meine Seiten erstellt - oder haette nie welche gemacht...

        1. Hallo Patrick

          Ich weiss nicht mehr, ob ich nach all den Jahren noch in der Lage bin, es korrekt ausdruecken, aber ich kann mich am Physikunterricht erinnern, wo erklaert wird, das jeder Druck Gegendruck mit sich zieht. Im Zeichen eines Globalisierungs*drucks*, wie wir ihn heute erleben, ist der Gegen*druck* der von Dir sogenannten Lokalpatrioten staerker geworden und wird sich weiter verstaerken.

          Das mit Druck und Gegendruck leuchtet mir ein ;-)
          Die Globalisierung bringt genuegend Aengste fuer den Einzelnen mit sich. Und die Reaktion darauf ist nicht selten "reaktionaer": zurueck zu Heimat, Brauchtum und Nation. Zu einer Massenbewegung reicht das meines Erachtens aber trotzdem nicht mehr. Zu viele Menschen sind laengst ohne es zu spueren wurzellos geworden, haben sich daran gewoehnt, ihr Leben zwischen Betrieb, Kaufhaus und Familie einzurichten, ohne viel Bezug zu dem Land, in dem sie leben, der Sprache, die sie sprechen, und den Feiertagen, an denen sie frei haben. Und in der sogenannten dritten Welt ist es das Zerrissensein zwischen einer alten, agrarisch gepraegten Welt, den Kulturresten der Kolonialisierung und der modernen Technik. Sichtbar ist das an der Art, wie wir die Welt besiedeln. Keine Siedlungen mehr, sondern allgemeines Zersiedeln.

          Bretonen zum Beispiel, sozusagen Sprachbrueder der Einwohner von Wales, versuchen diesseits des Aermelkanals ebenso ihre Sprache zu retten wie jenseits dessselben. Die baskische Bevoelkerung - ein Volk raetselhaften Ursprungs - genauso. Dass man als "Normalfranzose, Normaldeutscher, Normalenglaender" damit seine Schwierigkeiten hat, tut der Sache keinen Abbruch.

          Alle Bretonen? Alle Basken? Eher eine kleine, nicht selten militante oder zumindest lautstarke Minderheit tut das in der Regel. Wenn du durch Brest oder Bilbao laeufst, wird dir sicher nicht allzuviel davon auffallen. Auch dort dominiert das normale, moderne, technisierte Kleinfamilienleben. Klar, ihre Sprache sprechen sie untereinander, das tun ja auch etwa die Ostfriesen - die koennen richtig "umschalten" zwischen Ostfriesisch und Hochdeutsch. Aber die Vermischung schreitet voran. Immer mehr dort lebender Menschen ziehen im Laufe ihres Lebens in andere Gegenden, und immer mehr Menschen kommen aus anderen Gegenden dorthin. Immer seltener werden dadurch die Gelegenheiten, die lokale Sprache zu sprechen. Irgendwann muss man dann Vereine gruenden, die sich der Pflege annehmen. Das beste Zeichen dafuer, dass etwas vom Aussterben bedroht ist.

          Daher wird es IMHO vermutlich nie zu einer Weltherrschaft der englischen Sprache kommen - allenfalls so, wie in diesem Thread mehrmals erwaehnt, wird English zu einer allgemeinen Verstaendigungssprache in bestimmten Bereichen (Kommerz, Medien, usw...) werden.

          Ich vermute auch, dass es auf Zwei- und Mehrsprachigkeit hinauslaeuft. Dass die Menschen der absehbaren Zukunft eigentlich alle mehr oder weniger Englisch lernen, so viel zumindest, wie man im Beruf und im Internet braucht. Und dass sie daneben zumindest die Nationalsprachen noch eine ganze Weile weiter sprechen. Aber fuer die fernere Zukunft kann ich mir vorstellen, dass auch letztere irgendwann zu musealen Wesen werden, die von Vereinen gepflegt werden muessen. Denn das Nationenmodell ist auch nicht gottgegeben, es hat nicht immer Nationalstaaten gegeben, und es ist mehr als wahrscheinlich, dass Nationalstaaten keine geeignete Form mehr sind, um die wirklich wichtigen Probleme der Erde in den Griff zu bekommen. Welche sprachlichen Folgen das haben wird, hm -

          viele Gruesse
            Stefan Muenz

          1. hi,

            Ich vermute auch, dass es auf Zwei- und Mehrsprachigkeit hinauslaeuft. Dass die Menschen der absehbaren Zukunft eigentlich alle mehr oder weniger Englisch lernen, so viel zumindest, wie man im Beruf und im Internet braucht.

            Hm, ich denke, die Sache ist die, dass Englisch auch nicht der Weisheit letzter Schluss ist (wie jede andere Sprache uebrigens auch). Dafuer ist verbale Kommunikation viel zu mehrdeutig (nicht nur im wirklichen Leben *g* auch Browser haben so ihre Schwierigkeiten...).
            Ich koennte mir vorstellen, dass sich irgendwann mal aus diversen Sprachen eine eigene Kommunikationsform entwickeln wird, die _wirklich_ eindeutig ist (wie z.B. die vulkanische Sprache....). Zumindest, was den Bereich der technischen Verstaendigung angeht.
            Fuer den normalen zwischenmenschlichen Kontakt, bevorzuge ich immer noch und werde es wohl auch immer, die x-deutigen Sprachformen, denn gerade dadurch wird die ganze Sache zum Teil erst interessant und spannend.

            »»Und dass sie daneben zumindest die Nationalsprachen noch eine ganze Weile weiter sprechen. Aber fuer die fernere Zukunft kann ich mir vorstellen, dass auch letztere irgendwann zu musealen Wesen werden, die von Vereinen gepflegt werden muessen. Denn das Nationenmodell ist auch nicht gottgegeben, [...]

            Diese Sache mit den Nationalstaaten und den globalen Problemen der Erde erinnert mich immer an diesen bloeden Witz, dass sich zwei Floehe streiten, wem von beiden der Hund gehoert. :-((
            Aber ich denke mit dieser Menschheit ist noch _lange_ keine vernuenftige Loesung in Sicht. Aber vielleicht entwickelt sie sich ja wider Erwarten doch noch weiter, ich gebe die (zugegebenermassen geringe) Hoffnung nicht auf..

            schoenes Wochenende.

            cua

            n.d.p.

          2. Hallo Stefan

            »»Und in der sogenannten dritten Welt ist es das Zerrissensein zwischen einer alten, agrarisch gepraegten Welt, den Kulturresten der Kolonialisierung und der modernen Technik. Sichtbar ist das an der Art, wie wir die Welt besiedeln. Keine Siedlungen mehr, sondern allgemeines Zersiedeln.

            <Abschweifung> Jetzt habe ich mir doch gerade einen Lesefehler erlaubt, den ich Euch nicht vorenthalten möchte:

            Ich habe gelesen: "Sichtbar ist das an der Art, wie wir die Welt besudeln.

            Ja, ich halte das sogar für richtiger. Wenn ich hier immer mehr Menschen erlebe, die alle vom eigenen Häuschen im Grünen schwärmen, kann ich nur darauf antworten: "Und wenn alle so wohnen, wieviel unberührte Natur haben wir dann noch?"
            </Abschweifung>

            Bretonen zum Beispiel, sozusagen Sprachbrueder der Einwohner von Wales, versuchen diesseits des Aermelkanals ebenso ihre Sprache zu retten wie jenseits dessselben. Die baskische Bevoelkerung - ein Volk raetselhaften Ursprungs - genauso. Dass man als "Normalfranzose, Normaldeutscher, Normalenglaender" damit seine Schwierigkeiten hat, tut der Sache keinen Abbruch.

            Alle Bretonen? Alle Basken? Eher eine kleine, nicht selten militante oder zumindest lautstarke Minderheit tut das in der Regel.

            Also, ich kenne eine Bretonin, die allerdings in München lebt, persönlich. Und Du kennst sie auch, Stefan! Diese antwortet fast immer: "Nein ich bin nicht Französin, ich bin Bretonin." Ich würde "Marzina" aber deswegen nicht als militant einstufen und so besonders lautstark lebt sie auch nicht.

            Ich vermute auch, dass es auf Zwei- und Mehrsprachigkeit hinauslaeuft. Dass die Menschen der absehbaren Zukunft eigentlich alle mehr oder weniger Englisch lernen, so viel zumindest, wie man im Beruf und im Internet braucht. Und dass sie daneben zumindest die Nationalsprachen noch eine ganze Weile weiter sprechen.

            Also doch nicht nur Englisch.

            »»Denn das Nationenmodell ist auch nicht gottgegeben, es hat nicht immer Nationalstaaten gegeben,

            Ja, aber überleg mal, was z.B. in Deutschland vor dem Nationalstaat da war! "Einigkeit und Recht und Freiheit" im Deutschlandlied ist nicht erst nach dem zweiten Weltkrieg aktuell geworden.

            Ich sleber sehe mich zwar gerne auch oft als Weltbürgerin, aber ich möchte trotzdem behaupten, daß vieles an meinen Eigenheiten nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, daß in Deutschland geboren und aufgewachsen bin und auch mein bisheriges Leben (1 Jahr au pair in Brüssel und diverse Urlaube ausgenommen) hier verbracht habe.

            viele Gruesse
            Karin

  5. Hi Stefan,

    angesichts der zahllosen, meist lieblos hingerotzten Fragen, mit denen dieses Forum wieder mal ueberhaeuft wird derzeit, und der oft nicht sonderlich fundierten Antworten, mit denen die betreffenden Threads dann zusaetzlich aufgeblaeht werden, steht mir (und ich glaube auch anderen) mal wieder der Sinn nach mehr Niveau ;-)

    erstmal das, und dann aber noch etwas: Wo sind eigentlich die ganzen 'menscheleien' abgeblieben? :- (ich weis, ich weis: "initiativ-strafe"! bin aber in letzter zeit auch so furchtbar sachlich 'drauf ;-))

    Nun denn zum thema:
    Ich glaube die ganze geschichte wird wohl auf eine art "zweigleisigkeit" hinauslaufen:

    Zum einen eine form von 'universellem Englisch', welches wohl in den kommenden jahrzehnten beinahe jeder beherrschen wird (teilweise sicherlich auch beherrschen muß). Dieses bildet vom umfang her eine art 'gemeinsamen' nenner aller beteiligten und düfte sich inhaltlich an dem orientieren, was global vornehmlich kommuniziert wird (z.b. kennt dann jeder beteiligte mit sicherheit das wort "eMail", aber wörter wie z.b. "neuschnee" o.ä. werden halt wegfallen, weil sie schlichtweg nicht benötigt werden).

    Zum anderen werden lokale sprachen natürlich erhalten bleiben, weil mit ihr unmittelbare kontakte gepflegt werden ("community") - diese lokale sprache wird täglich benötigt um mit den menschen zu kommunizieren, in deren unmittelbarer nähe ich lebe.

    Die menschen werden wohl also in zukunft größtenteils zwei sprachen beherrschen:

    * die muttersprache, im grunde wie gehabt (also vermittelt durch erziehung und das nähere umfeld), welche ich für meinen lebensraum benötige

    * besagtes 'universelles Englisch', künstlich vermittelt durch die bildung, jedoch mit einer sehr hohen selbstverständlichkeit (quasi 'allgemeinbildung'), welches ich für den umgang mit den neuen medien benötige, um dort beruflich und privat kommunizieren zu können, um bestimmte informationen bzw. inhalte überhaupt erst einmal verstehen zu können.

    so long...
    /*,*/
    Wowbagger

  6. Hi!

    Zuerst einmal direkt meine Meinung: nein, ich glaube nicht, dass das Englische sich so schnell als Hauptsprache durchsetzt. Und wenn es das irgendwann tut, dann im Zeitalter der Weltraumkolonisierung, bei der viel Zusammenarbeit von unterschiedlich-sprachigen Leuten gegeben ist und auch der Bezug zum Kulturkreis nicht mehr besteht.
    Denn das ist ja das eigentliche Hindernis fuer eine solche Umwaelzung: Sprache hat immer einen Bezug zur Umgebung (das Beispiel mit dem Schnee passt hier sehr gut). Viele Laender wollen auch sicherlich nicht auf die Besonderheit ihrer Sprache verzichten: Deutsch als Dichtersprache, Franzoesisch als romantische (nicht romanische! :-) ) Sprache, usw.
    Vor allem die Franzosen streuben sich ja gegen jede "Verunreinigung" ihrer Sprache. Das zeigt zum Beispiel die Vorschrift, soundsoviel Prozent franzoesische Lieder im Radio zu spielen, oder auch Bemuehungen, Woerter wie "le weekend" abzuschaffen. Auch sprechen sie nicht gerne in anderen Sprachen. In Deutschland sieht das ganz anders aus: wir gehoeren zu den Laendern mit der staerksten Englischausbildung in der Schule (wie auch Holland; auch ist hier die Bereitschaft, Englisch zu sprechen, viel hoeher. Im Zuge eines vereinten Europas ist diese Entwicklung in einigen Bereichen dann wohl nicht mehr aufzuhalten).

    Eine Abschaffung der Sprachenvielfalt ist also immer mit Kulturzerstoerung verbunden.

    Es gibt ja unter Linguisten die Theorie, dass alle Sprachen urspruenglich von einer Sprache abstammen.

    Heute haben wir uns im Lateinunterricht noch scherzhaft ueberlegt, ob es ein Ursprungswort gibt, wovon im Lateinischen alles ableitbar ist. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass das "Rom" sein muss (alle Wege fuehren nach Rom). :-)

    Chinesisch hat zwar moeglicherweise die meisten Sprecher, aber es hat deshalb trotzdem keine Bedeutung als Weltsprache, denn eine Weltsprache ist eine Sprache, die als Verstaendigungssprache von ganz unterschiedlichen Muttersprachlern genutzt wird.
    ... Und welche Rolle spielt eigentlich der Einfluss der geschriebenen Sprache?

    Vor allem hat Chinesisch durch die Schrift einen Nachteil, da die Woerter nicht aus Buchstaben zusammengesetzt sind, sondern jedes Wort ein eigenes Symbol ist (was muesste das fuer eine Tastatur sein :-) ).

    So dass am Ende die Leute mehr XML reden als Englisch?

    Jetzt wirst Du aber stark utopisch ;-)

    Im Internet liegt aber - ebenso wie bei meinem Weltraumbeispiel und auch dem business - eine internationale Zusammenarbeit/ein Austausch vor, der auch hier das Englische bevorteilt. Vielleicht beschleunigt das die Entwicklung ja. Wir werden sehen (und sprechen)...

    MfG Simon

    1. Hallo Simon,

      Zuerst einmal direkt meine Meinung: nein, ich glaube nicht, dass das Englische sich so schnell als Hauptsprache durchsetzt. Und wenn es das irgendwann tut, dann im Zeitalter der Weltraumkolonisierung, bei der viel Zusammenarbeit von unterschiedlich-sprachigen Leuten gegeben ist und auch der Bezug zum Kulturkreis nicht mehr besteht.

      Eine interessante Aussage! Irgendwie wagst du es damit, auf etwas vorzugreifen, das sich abzeichnet, das aber die meisten Leute (noch) nicht wahrhaben wollen: der Kolonialisierungswahn geht weiter. Derzeit ruht er etwas, weil er sein neues Ziel schon abgesteckt hat, aber die technischen Gegebenheiten eine Realisierung noch nicht zulassen. Er richtet sich naemlich nicht mehr auf Kontinente, sondern auf Planeten. Solange eine Reise zum Mars aber noch solange dauert, dass es kein Mensch ueberleben wuerde, bleibt da eine gewisse Bescheidenheit. Aber angenommen, es kommt zu einem technischen Geschwindigkeitsdurchbruch, der es erlaubt, den Mars in vier Stunden zu erreichen, und mit einem gut ausgestatteten Raumschiff auch mal in drei Jahren ein ganz anderes, vielversprechendes Sonnensystem zu erkunden. Wenn es dann tatsaechlich mal zur Begegnung mit irgendeiner anderen Art von Intelligenz kommen sollte, wuerde sich die Sprachfrage auf unserer Erde sicherlich voellig neu stellen. Schon heute sendet die NASA ja irdische Sprach-Pictogramme in die Weiten des Alls in der Hoffnung, dass diese nicht nur gefunden, sondern auch verstanden werden. Ein verdammt hoher Anspruch. Trotzdem eine Gelegenheit fuer uns Erdlinge, sich Gedanken darueber zu machen, welche Sprache so universell ist, dass sie sogar im Universum eine Chance hat verstanden zu werden ...

      viele Gruesse
        Stefan Muenz

      1. Hi nochmal!

        Eine interessante Aussage! Irgendwie wagst du es damit, auf etwas vorzugreifen, das sich abzeichnet, das aber die meisten Leute (noch) nicht wahrhaben wollen: der Kolonialisierungswahn geht weiter. Derzeit ruht er etwas, weil er sein neues Ziel schon abgesteckt hat, aber die technischen Gegebenheiten eine Realisierung noch nicht zulassen.

        Ich hege ja die grosse Hoffnung, zumindest das Terraforming auf dem Mars noch miterleben zu koennen. Aber wenn die Misserfolge der NASA anhalten, wird es wohl am Geld liegen, dass solche Filme wie "Mission to Mars" noch lange Science Fiction bleiben.

        Trotzdem eine Gelegenheit fuer uns Erdlinge, sich Gedanken darueber zu machen, welche Sprache so universell ist, dass sie sogar im Universum eine Chance hat verstanden zu werden ...

        Hier kann ich mir das mit dem XML schon eher vortstellen. Zumindest koennte diese Sprache damit definiert werden ;-)

        MfG Simon

        1. Ich hege ja die grosse Hoffnung, zumindest das Terraforming auf dem Mars noch miterleben zu koennen. Aber wenn die Misserfolge der NASA anhalten, wird es wohl am Geld liegen, dass solche Filme wie "Mission to Mars" noch lange Science Fiction bleiben.

          <www.br-online.de/alpha/centauri/> dürfte diese Hoffnung stark reduzieren.

          Trotzdem eine Gelegenheit fuer uns Erdlinge, sich Gedanken darueber zu machen, welche Sprache so universell ist, dass sie sogar im Universum eine Chance hat verstanden zu werden ...
          Hier kann ich mir das mit dem XML schon eher vortstellen. Zumindest koennte diese Sprache damit definiert werden ;-)

          Auch hierzu meint dieselbe Quelle, daß die derzeitigen Erkenntnisse über die theoretische Besiedelungsdichte im Universum es unwahrscheinlich erscheinen lassen, daß ein solches Treffen jemals stattfinden wird.
          Was sind schon ein paar Millionen Jahre Lebensdauer einer Kultur, verglichen mit den Entfernungen im Universum? Solange die Lichtgeschwindigkeit eine Grenze darstellt, kann man diese Idee getrost vergessen, denke ich.

      2. Hallo Stefan,

        Schon heute sendet die NASA ja irdische Sprach-Pictogramme in die Weiten des Alls in der Hoffnung, dass diese nicht nur gefunden, sondern auch verstanden werden. Ein verdammt hoher Anspruch. Trotzdem eine Gelegenheit fuer uns Erdlinge, sich Gedanken darueber zu machen, welche Sprache so universell ist, dass sie sogar im Universum eine Chance hat verstanden zu werden ...

        Ich sehe da wenig Chancen. Jeder Erdenbürger, egal, wo er geboren wurde, ist potentiell fähig, irgendeine Sprache zu erlernen, die auf der Erde gesprochen wird. Warum? Weil er die genetischen Anlagen dazu hat. So wäre es auf einem Planeten in einer weit weit entfernten Galaxis den dortigen Bewohnern ebenfalls möglich. Aber nehmen wir mal an, dass sich nun diese beiden Welten gegenseitig entdeckten (halte ich ebenfalls für völlig utopisch, ich habe immer noch diese Grenze der Lichtgeschwindigkeit im Kopf, und ein Beamer ist für mich zur Zeit so ein Ding, mit dem man einen PC-Screen auf die Leinwand projizieren kann <g>), auf welcher Basis wollen die Bewohner miteinander ins Gespräch kommen? Sie haben völlig unterschiedliche Wurzeln, der Planet entstand anders, das Leben begann und existiert vieleicht in einer völlig anderen Atmosphäre (statt Sauerstoff wäre vielleicht Schwefel das lebenspendende Element, was ja sogar auf diesem Planeten durchaus real ist, allerdings nur für Einzeller), also wird sich dort auch die Verständigung, die ja noch nichtmal audiobasiert sein muß (warum nicht Telepathie?), ganz anders entwickelt haben. Ich empfinde diese netten Science-Fiction-Filme, wo dann Völker verschiedener Planetensysteme oder gar Glaxien miteinander kommunizieren, auch wenn es Droiden mit 6 Mio. Spracheinheiten geben soll, zwar richtig schön zum Entspannen, aber als reine Märchen.

        So, jetzt bin ich ins OT abgedriftet,

        viele Grüße,

        Kirsten

        1. Hallo Kirsten,

          Jeder Erdenbürger, egal, wo er geboren wurde, ist potentiell fähig, irgendeine Sprache zu erlernen, die auf der Erde gesprochen wird. Warum? Weil er die genetischen Anlagen dazu hat.

          Ja, die Babies sind erst mal in der Lage, jeden nur erdenklichen Ton zu erzeugen. Im Laufe der Zeit lernen sie dann, nur noch jene Laute einzusetzen, die ihre sprachliche Umgebung als bedeutungsrelevant akzeptiert.

          Aber nehmen wir mal an, dass sich nun diese beiden Welten gegenseitig entdeckten (halte ich ebenfalls für völlig utopisch, ich habe immer noch diese Grenze der Lichtgeschwindigkeit im Kopf, und ein Beamer ist für mich zur Zeit so ein Ding, mit dem man einen PC-Screen auf die Leinwand projizieren kann <g>), auf welcher Basis wollen die Bewohner miteinander ins Gespräch kommen? Sie haben völlig unterschiedliche Wurzeln

          Zweifellos. Aber man sollte auch in so einem Fall nie die Rechnung machen ohne das Beduerfnis nach Kommunikation, und letztlich nach Verstaendigung. Die Erfindung des Babelfishs ist genau fuer diesen Zweck gedacht. Und egal wie utopisch und strange diese Vorstellung ist, der kommunizierende Mensch will eigentlich nichts anderes. Angenommen, du lernst einen intelligenten blauen Schatten kennen, der aus einem weit entfernten Sonnensystem stammt. Du wuerdest mit Sicherheit erst mal anfangen auf ihn einzureden, in der Hoffnung, dass er dich irgendwie versteht. Und wenn er auf dem gleichen armseligen Level ist, wuerde er das gleiche versuchen. Egal was ihr da verzapft - eines wuerde euch verbinden: der Wunsch nach Verstaendigung ;-)

          viele Gruesse
            Stefan Muenz

  7. Moin,

    da habe ich mich heute hier im Forum so zurückgehalten, habe anderswo das Bruttosozialprodukt gewaltig erhöht und jetzt kommst du mit einer guten Frage. Schönen Dank dafür, dass dieser Freitag jetzt nicht nur produktiv sondern auch anregend wird.

    Wir befinden uns in einem weltweiten Medium, das zweifellos dabei ist, unsere Erde schneller umzukrempeln als alle technischen Erfindungen vor ihm. Die Ueberbrueckung von Distanzen schrumpft auf den Augenblick zusammen, den es dauert, auf die Maustaste zu klicken. Dadurch kommt sich vieles nahe und durcheinander, [...]

    Das möchte ich bezweifeln. Schon vor einer Woche (?) hatte ich hier auf das (leider völlig überteuerte) Buch "Das viktorianische Internet" von Tom Standage hingewiesen. Er schreibt anekdotenhaft aber ohne sonderlichen Ziefgang über die ersten online-Pioniere: Telegraphen. Vieles von dem, was dem Internet als (nützlichen wie gefährlichen) Möglichenkeiten zugesprochen wird, kannte und konnte der Telegraph auch schon.
    Das Internet ist ein Mittel zum Zweck. Und um es zu dem werden zu lassen, was dem Telegraphen nicht vergönnt, nämlich einen Kulturtechnik, bedarf es noch einiges mehr. Nämlich der Möglichkeit, oder besser: der Pflicht, den Umgang mit dem Medium zu lernen. Wie das in der Schule mit dem Lesen funktioniert. Umsonst muss der Internet-zugang (nach dem Lernen) aber nicht sein. Wie in der Schule: Lernmittelfreiheit ja, Bücher und Zeitungen außerhalb der Schule kosten aber Geld.

    Im Moment sehe ich bei der Frage Kulturtechnik eher schwarz. Dieser ganze Affentanz um "Schule ans Netz" und "PC in jeder Klasse" ermüdet die Schule anscheinend schon dermaßen, dass nach der Feststellung "ich bin drin" nix mehr passiert. Und wenn, dann verharren sie auf AOL und Bobbele-Niveau: Man schickt sich selbst eine SMS-Nachricht oder schwitzt allein vor Pamela-Anderson-Videos. Beides ist Onanie.

    Solange eine Kulturtechnik noch nicht allgemein beherrscht wird, brauche ich mir über den möglichen Fortschritt _mit_ dieser Kulturtechnik nur theoretische Gedanken machen.

    Noch spannender als die Frage, ob es irgendwann in den Fruehzeiten des homo sapiens eine Einheitssprache gab, finde ich allerdings die Frage, ob die Menschheit auf eine solche Einheitssprache wieder zusteuert, und ob ein Medium wie das Internet diese Tendenz beguenstigt.

    Ganz klar: Nein. Denn die Besucher des Internets - jedenfalls im Moment - nutzen das Internet nicht so, das ein Druck entstünde, die gleiche Sprache zu sprechen (siehe meine Beispiele von eben).

    Wird Englisch den Planeten erobern und andere Sprachen in den Rang von Lokal- und Zweitsprachen zurueckdraengen?

    Es wäre schon viel gewonnen, wenn Englisch überhaupt als gemeinsame Zweitsprache genutzt werden könnte.

    Koennte es nicht vielmehr so kommen, dass sich zwar eine Sprache durchsetzt, diese aber lokal extrem "koloriert" wird, so dass Sprachvarianten entstehen, die doch schon fast wieder eigene Sprachen sind?

    Was für ein Aufwand, was für ein Mühe. Und wofür ? Nein der Mensch ist faul - und das ist gut so. Es gibt doch keine Sinn, zunächst die einzelnen Sprachen abschaffen zu wollen, und sie dann als Dialekt wieder einzuführen. Es wäre einfacher, wenn alles gleich so bleiben wie es ist: wir haben unsere _eigenen_ Sprachen, darunter unsere _eigenen_ Dialekte - und wenn es mal nötig ist, bedienen wir uns einer gemeinsamen Sprache.
    Additiv statt Alternativ, das wäre die Devise.

    Durch das Internet ist der Anteil schriftlicher Kommunikation zwischen Menschen extrem angestiegen.

    Das ist quantitativ richtig, aber auch qualitativ ? Ich denke da nur an die Eingangworte deines Postings...

    Neue, sprachrelevante Bausteine wie Smileys und Emoticons sind die sichtbaren Folgen.

    Das sind doch keine Errungenschaften! Sie sind notwendiger Ersatz, da die meisten Nutzer nie Schreibmaschine gelernt haben und deshalb in kürzere Sätze flüchten. Damit versaubeuteln sie die Breite und Fülle an Ausdrucksfähigkeit, die ihrer Muttersprache ihnen gibt und ersetzen sie durch dünnliche Kürzel. Das mag im Straßenverkehr oder im Chat aus Geschwindigkeitsgründen ja noch Sinn geben, aber hier, in einem Forum, wo niemand gedrängt ist, schnell zu antworten ? Nein, das glaube ich nicht ;-(

    So dass am Ende die Leute mehr XML reden als Englisch?

    Soviel strukturelle Fähigkeiten traust du den Menschen zu ? Jetzt glaube ich doch, dass du ein Optimist bist.

    Andererseits zeigen neuere Untersuchungen, dass immer weniger Leute im Web wirklich in die Ferne schweifen, sondern mehr und mehr lokale Angebote ihrer normalen Umgebung nutzen.

    Ganz genau. Und ich finde nicht mal, dass das schädlich wäre. Es zeigt vielen Menschen den praktischen Nutzen. Die Fahrpläne der UBahn in Sydney online lesen zu können ist ja nur begrenzt nützlich. Über das Netz Menschen kennenzulernen, die man sonst nicht kennen gelernt hätte schon eher. Das Forum hier ist ein gute Beispiel dafür.

    Wenn die leute alle erstmal einfache Suppen kochen und zufrieden mit dem Ergebnis sind, dann wagen sie sich auch mal an die großen Büffets heran. Anders herum kann es schnell frustend werden.

    Swen

  8. Hallo,

    auch wenn ich mich sonst (meistens *g*) aus den "Nichtprogrammiertechnikthreads" raushalte, werde ich mal hier meinen Sempf (mit m:-) ) dazugeben...

    Wird Englisch den Planeten erobern und andere Sprachen in den Rang von Lokal- und Zweitsprachen zurueckdraengen?

    Ich denke und hoffe, nein. Englisch ist zwar eine einfache Sprache, aber eben auch IMHO eine sehr technische Sprache. Andere Sprachen (eigentlich _jede_ andere Sprache) haben auch in 50 Jahren ihre weitere Berechtigung, da mit jeder Sprache ein gewisser kultureller Hintergrund verbunden ist. Auch erzeugen Sprachen ein gewissen emotionellen Eindruck (bei mir) z.B. Russisch, eine *g* nicht ganz so einfache Sprache aber dafuer eine _sehr_ schoene Sprache, finde ich.
    Andererseits denke ich, dass ein gewisser Verstaendigungsstandard (*g* eine Sprache also) notwendig ist. Da es sich ja sowieso schon etabliert hat, warum also nicht Englisch? Es wird wohl so kommen, dass irgendwann zwei- oder mehrsprachige Erziehung normal sein wird... (*g* was ist normal?)

    »»Ist es z.B. vorstellbar, dass Englisch in 50 Jahren weltweit in fast allen Laendern als Amtssprache eingefuehrt sein wird, waehrend die herkoemmlichen Sprachen dieser Laender etwa auf die Bedeutung zuruecksinken, die bei uns die Dialekte haben (liebevoll gepflegt, aber nicht wirklich wichtig)?

    Ist es wuenschenswert, dass eine Sprache alle anderen verdraengt? Ist damit nicht auch eine Verarmung des Sagbaren verbunden? Wird eine Sprache, die nur zwei, drei Wortvarianten fuer "Schnee" kennt, in einem arktischen Land nicht fuer schreckliche Sprachverarmung sorgen? Oder geht das gar nicht? Koennte es nicht vielmehr so kommen, dass sich zwar eine Sprache durchsetzt, diese aber lokal extrem "koloriert" wird, so dass Sprachvarianten entstehen, die doch schon fast wieder eigene Sprachen sind?

    Fuer mich nicht (siehe oben..).

    Und welche Rolle spielt eigentlich der Einfluss der geschriebenen Sprache? Durch das Internet ist der Anteil schriftlicher Kommunikation zwischen Menschen extrem angestiegen. Neue, sprachrelevante Bausteine wie Smileys und Emoticons sind die sichtbaren Folgen. Koennte es sein, dass die Menschen auch dahin steuern, immer weniger miteinander zu reden und sich immer mehr zu schreiben? Mit den damit verbundenen sprachlichen Folgen wie mehr Symbolzeichen, Abkuerzungen, formalen Elementen? So dass am Ende die Leute mehr XML reden als Englisch?

    Ich denke, gerade in dieser Zeit wird es immer wichtiger, dass die Menschen miteinander reden, nicht nur im Chat oder in irgendwelchen Foren oder per Email, sondern dass sie sich in die Augen sehen (koennen ! <--- Das Internet kann seeehr anonym sein...) und durch _Beobachtung_ und _direkten_ Kontakt erkennen koennen, was im Gegenueber vorgeht, was nicht heissen soll, dass ich mich nicht im Chat oder dergleichen herumtreibe, aber das "wirkliche" (bewusst in Anfuehrungsstrichen) Leben ist genauso wichtig, wenn nicht sogar noch wichtiger. Man kann eben nicht _alle_ Nuancen der Kommunikation niederschreiben, das ist wahrscheinlich so aehnlich wie bei Musik. Die Noten sagen einem, _was_ man spielen soll, aber lange nicht _wie_ .

    Wie stark veraendert das Internet die Sprachenwelt? Nicht mehr als die alte Welt der Zeitungen und Fernsehsender? Oder mehr?

    Die geschriebene Sprache im Internet wird kuerzer, denke ich. Die Leute werden gerade durch die Entfernungsschrumpfung (ein paar Mausklicks, und schon habe ich die Informationen, die ich brauche..)  faul, sowohl schreib-, als auch lesefaul, das kann man in diversen Chatrooms (<--- Anglismus *g*) sehr gut beobachten. Zum Teil werden die Leute auch denkfaul (*g* wie man hier im Forum ab- und zu sehr schoen beobachten kann.., das aber nur nebenbei). Wie es bei der gesprochenen Sprache aussieht, da geh ich mal von mir aus - *g* ich erzaehle immer noch sehr viel...

    »»Einerseits sind die anderssprachigen Informationen im Web viel naeher als in jedem anderen Medium. Andererseits zeigen neuere Untersuchungen, dass immer weniger Leute im Web wirklich in die Ferne schweifen, sondern mehr und mehr lokale Angebote ihrer normalen Umgebung nutzen.

    Das liegt wohl daran, dass viele Leute das Web nicht als Informationsmedium erkannt haben, sondern als Kommerzplattform, sie gehen einkaufen, freuen sich, dass sie nicht mehr aus dem Haus muessen,... wie furchtbar!

    Okay, auch ich bin schreibfaul, aber heute habe ich mir die Muehe gemacht, saemtliche Substantive tatsaechlich gross zu schreiben :-), aus Respekt vor der deutschen Sprache (auch wenn ich sie gar nicht soo sehr mag..)

    Und zum Schluss noch zu einem Zitat von Beate (weiter unten):
    »»Für das Internet halte ich Englisch fuer besser geeignet, weil nur Buchstaben darin vorkommen, die unterhalb der bekannten 128er-Grenze liegen.

    :-) das hat seinen Grund natuerlich darin, dass der ASCII-Code in den Staaten entwickelt wurde, ich frage mich wie der Code wohl aussehen wuerde, wenn er aus Deutschland kaeme *g*, oder eben gar aus China *lol*

    cua

    n.d.p.

    1. Hallo, nd!

      nur eine kleine, kurze Anmerkung:

      »»(...). Englisch ist zwar eine einfache Sprache, (...)

      Oho, wenn du dich da man nicht irrst. Die Grundkenntnisse dieser Sprache sind sehr einfach zu erwerben,
      das ist klar, aber Englisch lesen können/sich auf Englisch verständigen können/Englisch beherrschen sind
      drei ganz, ganz verschiedene Sachen. Als ich meine Ausbildung begann, dachte ich (ebenso wie alle meine
      Mitschüler und Mitschülerinnen), ich könne Englisch. Den Zahn hat unser Pauker uns allerdings binnen
      90 Minuten gezogen. Danach haben wir dann brav zwei Semester lang gepaukt wie die Irren und am Ende
      waren wir doch ganz passabel...... *lach*

      Schönes Wochenende!

      Stonie

  9. Hallo,

    schön wieder einmal ein echtes Menschelei-Thema zu haben.

    Der gleiche Entropie-Effekt, den du im Gehalt der Fragen und Antworten im Forum feststellst, wirkt wohl auch auf die Entwicklung der Sprachen ein.

    Immer schon gab es zwischen den Kommunizierenden der Welt eine lingua franka - die Weltsprache des klassischen Altertums war Griechisch - die des Mittelalters Latein - in der Aufklärung sprach man Deutsch - im Absolutismus Französisch - zur Zeit ist eben Englisch dran.

    All das tat den National- und Regionalsprachen keinen großen Abbruch, sie bestanden weiter, reicherten sich aber mit Bestandteilen der jeweiligen lingua franca an. Ihrerseits wurde diese Weltsprache aber ebenfalls mit "entlehnten" Wörtern angereichert. Insofern findet also laufend ein Vermischungsprozeß statt, vergleichbar den Gesetzen der Thermodynamik.

    Das Internet ist IMO nicht in der Lage diesen Prozeß grundlegend zu verändern. Denn wie bereits in diesem Thread anderweitig festgestellt, ist die Bereitschaft, fremdsprachige Texte zu lesen immer etwas geringer als die, sich mit Muttersprachlichem zu beschäftigen; zum anderen bedeutet Sprache ja auch, daß man sich in der Fremdsprache äußert. Und die Bereitschaft, sich aktiv im Internet zu äußern ist bereits in der Muttersprache wesentlich geringer, u.a. weil die Äußerung schriftlich erfolgen muß. Der Prozentsatz der fremdsprachigen Äußerungen ist noch um ein Vielfaches geringer.

    Wenn überhaupt, wird dieser Prozeß der Sprachvermischung äußerst langsam voranschreiten und asymptotisch auslaufen.

    Seltsam, gerade heute hatte ich mit Frenglisch (französischem Englisch), Denglisch (Deutschem Englisch) und Schwenglisch (Schwedischem Englisch) zu tun - drei von einander sehr verschiedene Sprachen! und alle drei haben weder mit britischem noch mit amerikanischem Englisch sonderlich viel gemein (gemein von mir das zu sagen, aber ich nenne ja keine Namen :-)

    Ich werde also auch in den kommenden Jahren unsere polyglotte Plattform weiter pflegen und mit Voiceprompts in vielen Sprachen füttern müssen.

    Ein schönes Wochenende  
    Eckard.

    1. Hallo Eckard,

      Immer schon gab es zwischen den Kommunizierenden der Welt eine lingua franka - die Weltsprache des klassischen Altertums war Griechisch - die des Mittelalters Latein - in der Aufklärung sprach man Deutsch - im Absolutismus Französisch - zur Zeit ist eben Englisch dran.

      Ja, diese dominanten Weltkultursprachen hat es tatsaechlich schon in frueheren Epochen gegeben. Allerdings war der "Verstaendigungsbedarf" glaube ich noch nie so gross, wie es durch die neue, elektronisch vernetzte Welt der Fall ist.

      Denn wie bereits in diesem Thread anderweitig festgestellt, ist die Bereitschaft, fremdsprachige Texte zu lesen immer etwas geringer als die, sich mit Muttersprachlichem zu beschäftigen; zum anderen bedeutet Sprache ja auch, daß man sich in der Fremdsprache äußert. Und die Bereitschaft, sich aktiv im Internet zu äußern ist bereits in der Muttersprache wesentlich geringer, u.a. weil die Äußerung schriftlich erfolgen muß. Der Prozentsatz der fremdsprachigen Äußerungen ist noch um ein Vielfaches geringer.

      Das stimmt. Mir selber geht es so, dass ich englischsprachige Mails, die auch immer haeufiger eintrudeln, zwar beantworte, aber dass ich nicht unbedingt aktiv ein Eindringen in den englischen Sprachraum suche. Ich hab keine Ahnung, was passieren wuerde, wenn es eine perfekte englischsprachige Uebersetzung von SELFHTML geben wuerde. Wahrscheinlich waere ich dann Millionaer. Bzw. ich koennte Millinonaer werden, indem ich eine englische Uebersetzung selber vorfinanzieren wuerde. Mein mangelndes Verhaeltnis zu Geld hat mich bislang erfolgreich davon abgehalten. Tatsache ist jedenfalls, dass wir uns hier mit unserer durchaus hochentwickelten deutschen Sprache in einem kommerziellen Abseits befinden. Es ist die Frage, inwieweit der finanzielle Anreiz Geister, die mehr auf die Kohle achten als ich, dazu verleitet, in Englisch als "umsatzfoerderndes Mittel" zu iunvestieren und dadurch weiter dazu beizutragen, dass Englisch der Schluessel wird fuer alle, die noch mitreden wollen beim Geldverdienen. Und das ist ja bekanntlich der massgebliche Faktor in unserer Gesellschaft.

      viele Gruesse
        Stefan Muenz

      1. Tach Stefan!

        Allerdings war der "Verstaendigungsbedarf" glaube ich noch nie so gross, wie es durch die neue, elektronisch vernetzte Welt der Fall ist.

        Das würde ich so nicht stehen lassen wollen. Es ist schon richtig, dass man im Internet mehr als zuvor mit der englischen Sprache in Kontakt kommt, dies ist ja schon so wenn man sich nur mit Computern befasst, jetzt mal ohne Internet.

        Jedoch sehe ich in den meisten Fällen keinen "Verständigungsbedarf", sondern einen "lesen können Bedarf" (schlimmes Konstrukt :-)). Mir geht es so und ich denke ich bin damit nicht allein, dass ich englischsprachige Seiten mehr passiv benutze, während ich an deutsprachigen eher aktiv teilnehme.

        Meine Sprachgewohnheiten sehe ich dadurch nicht berührt.

        »»Es ist die Frage, inwieweit der finanzielle Anreiz Geister, die mehr auf die Kohle achten als ich, dazu verleitet, in Englisch als "umsatzfoerderndes Mittel" zu iunvestieren und dadurch weiter dazu beizutragen, dass Englisch der Schluessel wird fuer alle, die noch mitreden wollen beim Geldverdienen. Und das ist ja bekanntlich der massgebliche Faktor in unserer Gesellschaft.

        Es ist fraglos der Fall, dass man mehr Geld verdienen kann, wenn man international agiert, das ist aber nicht neu und auch keine Erfindung des Internet. Gewiss ist es leichter als zuvor ein internationales Publikum zu erreichen, doch die Firmen, deren Geschäfte global angelegt sind agieren schon seit langer Zeit in dieser Weise, an den Sprachen als solche kann das nicht rütteln.

        Für mich ist es durchaus vorstellbar und ja auch schon weitgehende Realität, dass in der Geschäftswelt mehr und mehr Englisch gesprochen wird, jedoch ohne die lokalen Sprachen zu vernachlässigen.
        Man darf nicht vergessen, dass es immer nur einige wenige sind, die an internationalen Geschäften beteiligt sind, international agieren und daher Bedarf an Komunikation mit Menschen eines anderen Sprachraumes haben.

        Daran ändert IMHO auch das Internet nichts. Ein sagen wir mal "normaler" Zeitgenosse, der das Internet ohne geschäftliche Interessen nutzt (und das dürften ja die allermeisten sein) treibt bestimmt nicht die Entwicklung von Englisch zur Weltsprache voran, warum auch.

        Daher behaupte ich, dass wir weiterhin mit großer Sicherheit  unsere deutsche Sprache behalten werden und das ist gut so!  :-)

        Gruß
        Ulrich Rees

        1. Man darf nicht vergessen, dass es immer nur einige wenige sind, die an internationalen Geschäften beteiligt sind, international agieren und daher Bedarf an Komunikation mit Menschen eines anderen Sprachraumes haben.
          Daran ändert IMHO auch das Internet nichts. Ein sagen wir mal "normaler" Zeitgenosse, der das Internet ohne geschäftliche Interessen nutzt (und das dürften ja die allermeisten sein) treibt bestimmt nicht die Entwicklung von Englisch zur Weltsprache voran, warum auch.

          Der kritische Teil an dieser Aussage ist das "IMHO". (Sehr Deutsch, übrigens. ;-)
          Wenn diese Einschätzung nicht zutrifft (was ich mir durchaus vorstellen kann - eCommerce suggeriert diese Möglichkeit zumindest stark), dann fällt der Rest der Aussage mit um - oder?

      2. mit unserer durchaus hochentwickelten deutschen Sprache in einem kommerziellen Abseits befinden.

        Nicht in einem kommerziellen Abseits, in einem Abseits. Vielleicht ist die kommerzielle Seite in einer stark kommerziell orientierten Welt am auffälligsten. Aber egal, welche Ziele man mit einem Projekt verfolgt, der Effekt multipliziert sich mit der Reichweite. Warum siehst Du in einer englischen SELFHTML-Version nur Kommerz? Wäre es nicht besser, wenn sechs Milliarden Menschen davon profitieren könnten statt nur 100 Millionen Deutsch sprechender?

        Gruß
        Steffen

        http://www.steffengerlach.de/cz/

        1. Hallo Steffen,

          Wäre es nicht besser, wenn sechs Milliarden Menschen davon profitieren könnten statt nur 100 Millionen Deutsch sprechender?

          Das ist ein organisatorisches Problem. Ich haette dann auch 60 mal mehr Mails taeglich. Und allein diese Vorstellung ist ein Greuel. Oder, um es fuer die Mitleser hier deutlicher zu machen: wie faendest du es, wenn das Message-Aufkommen in diesem Forum sich versechzigfachen wuerde? ;-)

          viele Gruesse
            Stefan Muenz

  10. Hi ihr da draussen an den Bildschirmen
    Wenn ich mal so eine Zukunftsvision ueber Sprache und Internet entwickeln sollte, dann wuerde das ungefaehr so aussehen:
    Jeder sitzt mit seinem Micro vor dem "Bildschirm" und redet in seiner Muttersprache mit dem (oder mehreren) Gegenueber, welcher das Ganze dann in der eigenen Muttersprache hoert und/oder auf einem "Bildschirm" sieht. Der Computer wuerde dann als der grosse Uebersetzer fungieren.
    Dabei denke ich, dass der Bildschirm viel eher so eine Art Brille sein wird, wo man seine Gespraechspartner sehen kann.  Der Vorteil waere, das man sich so viel freier bewegen kann und so auch den anderen fast als wenn er neben einem sitzt, erleben kann.
    Wenn alle diese Utensilien immer dabei haben wenn sie so unterwegs sind,  dann gibt es auch keinerlei Verstaendigungsprobleme mehr, bis jemand einen netten Virus einschleust, der dafuer sorgt, dass z.B. dieser Text durch "Ihr seid alle dumme Saecke" oder so ersetzt wird. ;-))
    Naja ich hoffe auf jeden Fall, dass es moeglich wird alle Menschen zu verstehen, ohne dass die Kultur (Sprache, Kunst, Musik...) der verschiedenen Voelker voellig vermischt wird und damit dann auch ein Stueck weit untergeht
    Allen ein schoenes Wochenende mit vielen guten Gespraechen, egal in welcher Sprache auch immer.
    Tschau Holger

    1. Hallo Holger,

      Jeder sitzt mit seinem Micro vor dem "Bildschirm" und redet in seiner Muttersprache mit dem (oder mehreren) Gegenueber, welcher das Ganze dann in der eigenen Muttersprache hoert und/oder auf einem "Bildschirm" sieht. Der Computer wuerde dann als der grosse Uebersetzer fungieren.

      Eine schoene Vorstellung. Und wenn du dir dann noch den Bildschirm wegdenkst und den Computer durch einen Micro-Chip ersetzt, den man sich einfach ins Ohr steckt, hast du den klassischen Babelfish. Ich glaube zwar, dass die Software fuer automatische Uebersetzungen sich steandig weiterentwickeln wird. Aber die heutigen Ergebnisse sind leider oft so mitreissend laecherlich, dass man nur Mitleid haben kann mit den bisherigen Bemuehungen.

      Naja ich hoffe auf jeden Fall, dass es moeglich wird alle Menschen zu verstehen, ohne dass die Kultur (Sprache, Kunst, Musik...) der verschiedenen Voelker voellig vermischt wird und damit dann auch ein Stueck weit untergeht

      Das ist die Kunst dabei. Vermischungen hat es immer schon gegeben und wird es in Zukunft noch viel mehr geben. Aber meistens geht dabei das soganannte "Originale" verloren und verwaessert sich in irgendeinem Multikultisonstwas. Wir muessen uns da in Zukunft wohl einige unbequeme Fragen stellen: "wie viel Originalitaet brauchen wir wirklich" zum Beispiel.

      viele Gruesse
        Stefan Muenz

    2. Wenn ich mal so eine Zukunftsvision ueber Sprache und Internet entwickeln sollte, dann wuerde das ungefaehr so aussehen:
      Jeder sitzt mit seinem Micro vor dem "Bildschirm" und redet in seiner Muttersprache mit dem (oder mehreren) Gegenueber, welcher das Ganze dann in der eigenen Muttersprache hoert und/oder auf einem "Bildschirm" sieht. Der Computer wuerde dann als der grosse Uebersetzer fungieren.

      Tja, diesen Traum hatten andere auch schon.
      Ich habe ihn nicht mehr. Alles, was die einzelnen nationalen Sprachen wirklich *ausmacht*, sind gerade die Eigenheiten, welche eine sinnvoller Übersetzung fast automatisch verhindern.

      Nur mal als Beispiel: Die englische Sprache ist voll von mehrdeutigen Worten, die erst durch den Kontext eine konkrete, fixierbare Bedeutung erhalten (oftmals auch dann noch nicht). Das hat dazu geführt, daß Wortspiele in der Kultur englischsprachiger Nationen einen ganz anderen Stellenwert haben als in einer Sprache, welches dieses Konzept durch die klarere Trennung von Wortstämmen, Beugungsformen etc. gar nicht erst möglich macht. Ein Wortspiel zu übersetzen scheitert in vielen Fällen einfach daran, daß das Wortspiel auf einem strukturellen Defizit der Ausgangssprache beruht, welches in der Zielsprache nicht existiert.
      So gesehen würde eine Übersetzung nach Esperanto viele sympathische Ecken und Kanten kosten (ein großer Teil der bekannten Literatur würde unter einer solchen Übersetzung irreparabel leiden).

      Aber im Gegenzug wäre eine Sprache, welche nach den Regeln von Esperanto aufgebaut wäre, in jede andere Sprache mit denselben Regeln ziemlich gut übersetzbar - sofern beide Sprachen sich nicht aufgrund unterschiedlicher kultureller Ereignisse in unterschiedliche Richtungen weiterentwickeln.
      Würde jede Sprachkultur dies einsehen und parallel alle großen Weltsprachen eine Sprachreform in dieser Richtung vornehmen (z. B. alle irregulären Verben ausmerzen), dann wäre ein großer Schritt in diese Richtung getan.

      Aber schon meine Formulierung zeigt, daß das nie geschehen wird und eine Weltsprache als De-facto-Standard eine wesentlich größere Chance hat, realisiert zu werden.
      Um jedoch eine solche Weltsprache zu erhalten, welche diesen Namen auch dauerhaft verdient, bräuchten wir eine Weltkultur. Welche das mit höchster Wahrscheinlichkeit sein wird, sehen wir am aktuellen Fernsehprogramm. Und es nützt nichts, diese Aussage irgendwie wertend zu betrachten ...

  11. Lieber Stefan, liebe Forumer,

    Hach, klasse, das ist ein wunderbares Thema!

    Es gibt eine interessante neue Portalseite fuer Links zu allem, was mit Woerterbuechern, Lexika, automatischen Uebersetzungen und linguistischen Spezialanwendungen fuer bestimmte Sprachen zu tun hat: http://www.yourdictionary.com/.

    Vorneweg heissen Dank für diesen Link - ich hab' mich neulich halb dusselig gesucht nach einem Wörterbuch, das mir doch bitte das schöne Wort "Abmahnung" in's Spanische übersetzen sollte (*ganzbreitgrins* - wofür wohl?). Letztlich bekommen habe ich die Übersetzung von einem Kollegen hier vor Ort.

    Beobachtbar ist zumindest, dass das Englische sich immer weiter von den uebrigen "Weltsprachen" Franzoesisch, Spanisch und Portugiesisch abhebt. (...) Auch die Haeufigkeit, mit der ein Normaldeutscher etwa mit dem Englischen konfrontiert wird, duerfte sich im Laufe der letzten dreissig Jahre vervielfacht haben. War die Ausbildung von Weltsprachen bis vor wenigen Jahrzehnten noch durch die europaeische Kolonialisierung der uebrigen Kontinente gesteuert, so werden heute zunehmend die Einfluesse des global business, aber auch der internationalen Wissenschaft und Technik massgeblich. Und auf all diesen Ebenen hat sich Englisch laengst durchgesetzt.

    Wahr, nur zu wahr. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer: Verständigungssprache. Um sich verständigen zu können, muss man nicht zwangsläufig eine Sprache vollkommen beherrschen. Wenn ich den Weg wissen will, brauche ich nur eine wenige sprachliche Werkzeuge. Englisch ist auch auf dem besten Weg, für bestimmte, global wichtige Bereiche, wie beispielsweise die Informatiostechnologie oder den internationalen Handel, zur Fachsprache zu werden. Da muss man sicherlich einiges mehr wissen, aber man muss nicht notwendigerweise die Umgangssprache beherrschen. Will heissen: Wenn ich Stereoanlagen verkaufen will, brauche ich nicht in der Lage sein, die örtlichen Friseure zu vergleichen.

    Schönes Beispiel: Ich habe das unverschämte Glück, in Paraguay zu leben. Dieses Land liegt in Südamerika, in der Folge sollte man eigentlich annehmen, dass hier Spanisch gesprochen wird. Kann man auch, es wird sicherlich auch Spanisch gesprochen. Die Muttersprache der Paraguayer ist allerdings Guaraní (das, nebenbei bemerkt, eine enge Verwandtschaft zum Japanischen aufweist) und dies ist auch die hiesige zweite Amtssprache. Die überwältigende Mehrheit der Menschen hier lernt Spanisch erst in der Schule, sozusagen als 1. Fremdsprache und die meisten Leute sprechen ein Spanisch, das jedem, der diese Sprache beherrscht, die Haare zu Berge stehen lässt. In der Folge ist es so, dass Spanisch in diesem Land als Verständigungssprache genutzt wird, Guaraní dagegen ist die Sprache, die für den Ausdruck von alltäglichen Ereignissen zuständig ist und durch diejenigen Wörter aus der spanischen Sprache bereichert wurde, die es im Guaraní nicht gab (beispielsweise "Radio").

    Und ich denke, dass es so weltweit mit Englisch kommen wird. Alles, was hochoffiziell ist, wird wohl in einer einheitlichen Sprache formuliert werden - Englisch bietet sich hierfür an, denn es ist sehr einfach, sich die Grundkenntnisse anzueignen. Mit diesen Grundkenntnissen ist man in die Lage versetzt, kompliziertere Texte zu lesen, man muss die Sprache allerdings nicht unbedingt so weit beherrschen, um diese Texte selbst herzustellen oder sie zu verstehen, wenn sie einem vorgelesen werden. Nachdem ich Englisch unterrichte, sehe ich das jedesmal, wenn ich meine Schüler mit Texten überfordere, die eigentlich nicht ihrem Kenntnisstand entsprechen. Das klappt erstaunlich gut!

    Also werden wir Englisch als Fach- und Verständigungssprache haben, die Umgangssprachen werden aber erhalten bleiben, sicherlich mit den entsprechenden aus der Fachsprache entlehnten Wörtern, aber als regionale Verständigungsgrundlage wird bleiben, was da ist, allein schon weil nicht jeder die Fach- beziehungsweise Verständigungssprache braucht. Deshalb meine ich eher, dass sich weit mehr Programmierer hinsetzen und an anständigen Babelfischen arbeiten werden. Das, was bisher dabei 'rauskommt, ist ja eher ein Notbehelf als eine ernstzunehmende Übersetzung. Auf lange Sicht kann ich mir aber durchaus vorstellen, dass es solche Programme geben wird, die im Zweifelsfall auch in Chats oder sogar für's Telefonieren genutzt werden können. Mich persönlich macht die Vorstellung etwas traurig, denn Sprachen sind meine Leidenschaft und es gibt für mich nichts schöneres als einen langen, unübersichtlichen Schachtelsatz, der mir richtig was zu denken gibt. Damit bin ich zwar nicht allein, gehöre aber doch einer Minderheit an. Die meisten Leute wären wohl sehr dankbar, wenn ihr XYZ-glot ein Mikrophon hätte und man nur hineinsprechen müsste, um eine Übersetzung zu erhalten. Das würde Reisenden das Leben viel leichter machen, stellt somit einen Markt dar und wird so sicher kommen wie das Amen in der Kirche.

    Und welche Rolle spielt eigentlich der Einfluss der geschriebenen Sprache? Durch das Internet ist der Anteil schriftlicher Kommunikation zwischen Menschen extrem angestiegen. Neue, sprachrelevante Bausteine wie Smileys und Emoticons sind die sichtbaren Folgen. Koennte es sein, dass die Menschen auch dahin steuern, immer weniger miteinander zu reden und sich immer mehr zu schreiben? Mit den damit verbundenen sprachlichen Folgen wie mehr Symbolzeichen, Abkuerzungen, formalen Elementen? So dass am Ende die Leute mehr XML reden als Englisch?

    Oh, ich glaube nicht, dass sich der Einfluss der geschriebenen Sprache wesentlich erhöhen wird. Es wird ja schon heftig daran gearbeitet, auch über das Internet die Möglichkeit der Übertragung von Sprache und bewegten Bildern zur Verfügung zu stellen. Der BigBrother hat ja auch schon eine LiveCam, so dass sich niemand mehr die Mühe machen muss, durchzulesen, was im Haus passiert. Ich denke eher, dass sich das Medium Internet dahin entwickeln wird, dass es Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen, Kino, vielleicht sogar Bücher ersetzt. Wie das dann genutzt wird, liegt an den Interessen und der Bildung des einzelnen Nutzers. Und da sind wir ja immer noch völlig verschieden. Der Zugang zur Information ist also da, nur ob und wie er wirklich genutzt wird, ist die Frage. Ich denke, dass sich jeder aussuchen wird, was ihn am meisten interessiert. Mein Mann klagt heute noch darüber, dass viele Leute den Computer als bessere Schreibmaschine und Archivierungsmöglichkeit nutzen oder eben als Spielplatz. Jeder nach seiner Façon.... - Allerdings finde ich die Smileys und Emoticons wirklich hübsch als Bereicherung und nutze sie doch öfter mal ;o).

    Tja, das ist es, was mir dazu einfällt. Hoffentlich fandet ihr's interessant.

    File Griese

    Stonie

    1. Hallo Stonie

      • ich hab' mich neulich halb dusselig gesucht nach einem Wörterbuch, das mir doch bitte das schöne Wort "Abmahnung" in's Spanische übersetzen sollte (*ganzbreitgrins* - wofür wohl?).

      Oh, wie wunderbar! ;-))
      Ich hoffe, die Uebersetzung scheitert nicht an der Transcription gewisser deutscher Adelstitel ;-)

      Englisch ist auch auf dem besten Weg, für bestimmte, global wichtige Bereiche, wie beispielsweise die Informatiostechnologie oder den internationalen Handel, zur Fachsprache zu werden. Da muss man sicherlich einiges mehr wissen, aber man muss nicht notwendigerweise die Umgangssprache beherrschen. Will heissen: Wenn ich Stereoanlagen verkaufen will, brauche ich nicht in der Lage sein, die örtlichen Friseure zu vergleichen.

      Ja, ich denke, das ist eine Einschaetzung, mit der ich mich anfreunden kann. Englisch setzt sich als eine Einheitssprache durch, aber nicht im Sinne einer herkoemmlichen Alltagssprache, sondern eher im Sinne einer Konsens-Sprache fuer die Bereiche, in denen weltweiter Austausch ueber Landes- und Kulturgrenzen hinweg von noeten ist.

      Schönes Beispiel: Ich habe das unverschämte Glück, in Paraguay zu leben.

      In der Tat ... bzw. naja, alles ist relativ. In Deutschland ist zwar das Wetter isg. schlechter und unwirtlicher, aber dafuer haben wir nicht die halbe Landesflaeche durch ein Jahrhnunderthochwasser verloren ...

      Die Muttersprache der Paraguayer ist allerdings Guaraní (das, nebenbei bemerkt, eine enge Verwandtschaft zum Japanischen aufweist) und dies ist auch die hiesige zweite Amtssprache. Die überwältigende Mehrheit der Menschen hier lernt Spanisch erst in der Schule, sozusagen als 1. Fremdsprache und die meisten Leute sprechen ein Spanisch, das jedem, der diese Sprache beherrscht, die Haare zu Berge stehen lässt. In der Folge ist es so, dass Spanisch in diesem Land als Verständigungssprache genutzt wird, Guaraní dagegen ist die Sprache, die für den Ausdruck von alltäglichen Ereignissen zuständig ist und durch diejenigen Wörter aus der spanischen Sprache bereichert wurde, die es im Guaraní nicht gab (beispielsweise "Radio").

      Wow, ein wirklich interessantes Beispiel aus der Praxis, das sicher nur wenigen bislang bekannt war. Wahrscheinlich ist es auch tatsaechlich so, dass viele Menschen in viel extremeren "Sprachsituationen" leben als wir Europaeer in unseren braven klassischen Staaten, in denen irgendwie doch alles klar ist sprachlich gesehen, auch durch die lange kulturelle Tradition.

      Nachdem ich Englisch unterrichte, sehe ich das jedesmal, wenn ich meine Schüler mit Texten überfordere, die eigentlich nicht ihrem Kenntnisstand entsprechen. Das klappt erstaunlich gut!

      Bei Lernern, die einen romanischen Sprachhintergrund haben, mag das auch noch angehen. Vor allem in Nord-Suedamerika, wo die "Naehe" der USA irgendwie doch spuerbar ist. Aber in Asien stelle ich mir das beispielsweise schwieriger vor.

      Mich persönlich macht die Vorstellung etwas traurig, denn Sprachen sind meine Leidenschaft und es gibt für mich nichts schöneres als einen langen, unübersichtlichen Schachtelsatz, der mir richtig was zu denken gibt.

      *g* - du bist nicht ganz alleine damit. Obwohl ich mittlerweile dazu neige, die allzu komplizierten Saetze lieber in mehrere einfache aufzuloesen. Denn mein Ziel ist nicht, die Faehigkeiten der Sprache auszureizen, sondern die Sprache so auszureizen, dass ich auch komplexe Zusammenhaenge noch so rueberbringe, dass sie verstanden werden. Ja, das ist halt die Ehre des technischen Redakteurs ;-)

      Oh, ich glaube nicht, dass sich der Einfluss der geschriebenen Sprache wesentlich erhöhen wird. Es wird ja schon heftig daran gearbeitet, auch über das Internet die Möglichkeit der Übertragung von Sprache und bewegten Bildern zur Verfügung zu stellen.

      Die Frage, die ich mir manchmal stelle ist allerdings, ob die Leute dieses Zeugs, was ihnen da als Daten-Highway-Multimedia verkauft wird, wirklich wollen. Die wunderbare Schlichtheit der relativ schnellen, schriftlichen Kommunikation ist doch an Reizen kaum ersetzbar. Klar, es gibt genug Situationen, in denen ich lieber telefoniere oder mich persoenlich treffe, als zu versuchen, alles elektronisch zu regeln. Aber in der elektronischen, rein schriftlichen Kommunikation steckt ein ungeheueres Potential (http://www.teamone.de/selfaktuell/artikel/e-woerter.htm - mehr sag ich jetzt nicht dazu ;-). Die meisten Mail-Schreiber weigern sich ja sogar, HTML-formatierte Mails zu versenden. Von daher glaube ich, dass der Bedarf an Multimedia gar nicht so gross ist. Die Leute wollen entweder schreiben oder reden.

      viele Gruesse
        Stefan Muenz

  12. Hallo Stefan, Hallo Forum,

    Wenn ich das richtig geshen habe, sind sich die bisher geäußerten Meinungen ziemlich ähnlich: Die Nationalsprachen bleiben auf alle Zeiten Hauptsprache, Englisch nimmt in der Bedeutung zu, bleibt aber Zweitsprache mit beschränktem Wortschatz. Ich bin mir da nicht so sicher.

    Ich könnte mir z.B. das Fast-Aussterben der deutschen Sprache nach etwa folgendem Schema vorstellen:

    Phase 1, ab 2000: Englisch beginnt, sich als Verkehrssprache in globalisierten Unternehmen von der Führung aus in die unteren Hierarchieebenen vorzuarbeiten. Internationale Zusammenarbeit funktioniert mit einer gemeinsamen Sprache einfach besser. Immer mehr Vorlesungen an den Universitäten, speziell in technischen Fachrichtungen, werden in Englisch gehalten. Parallel dazu wird Englisch auch im privaten Bereich immer wichtiger, um an internationaler Kultur teilhaben zu können. Man kann einen (guten) Film nicht wirklich verstehen, wenn man nur Basiskenntnisse in der Sprache hat. Und automatische Übersetzung dürfte auch kaum jemals in der Lage sein, eine stimmige Synchronisation abzuliefern. Dazu kommt, daß es durch die zunehmenden Möglichkeiten der Technik immer mehr interessante Beiträge von nicht kommerziell orientierten privaten Personen oder Gruppen geben wird. Entweder man beherrscht Englisch, oder man kann daran nicht teilhaben.

    Phase 2, so ab 2100: An den Unis und in internationalen Unternehmen wird kaum noch Deutsch gesprochen. Sehr gutes Englisch ist Voraussetzung für Beruf und Studium. Immer mehr Unterricht wird auch in den Schulen in englischer Sprache gegeben. Deutsche Medien produzieren zwar weiterhin in Deutsch, aber die Auswahl an englischsprachigem Material ist ungleich größer und macht deshalb auch den Großteil des Medienkonsums des durchschnittlichen Deutschen aus.

    Phase 3, so ab 2200: Nach und nach wird Englisch auch als Umgangssprache verwendet. Kinder beginnen mit dem Lernen der englischen Sprache nicht erst in der Schule, sondern von klein auf. Das ist wahrscheinlich die größte Hürde, denn Eltern geben ihren Kindern dabei eine andere sprachliche Ausbildung als sie selbst einst erfahren haben. Ab dem Zeitpunkt, wo Englisch vom ersten Tag eines Menschen an gleichberechtigt zu Deutsch erscheint, hat auch schon das Aussterben der deutschen Sprache begonnen.

    Phase 4: Englisch wird zur offiziellen Amtssprache in allen Ländern der EU erklärt. Deutsch und die anderen Nationalsprachen werden zum liebevoll gepflegten Hobby.

    Dazu muß ich allerdings sagen, daß ich mir eine solche Entwicklung in Deutschland besonders leicht vorstellen kann. Andere Völker stehen einer so grundlegenden Aufgabe der eigenen Traditionen und Gewohnheiten sicherlich weniger aufgeschlossen gegenüber. Ein gutes Beispiel sind da unsere ach so fortschrittsliebenden amerikanischen Freunde, die SI für die Abkürzung von "Sports Illustrated" halten und ihre Marslandung in Maßeinheiten aus Grimms Märchenbuch berechnen.

    Wird Englisch den Planeten erobern und andere Sprachen in den Rang von Lokal- und Zweitsprachen zurueckdraengen?

    Nur eine Frage der Zeit, meine ich.

    Ist es z.B. vorstellbar, dass Englisch in 50 Jahren weltweit in fast allen Laendern als Amtssprache eingefuehrt sein wird?

    In 50 Jahren bestimmt noch in keinem einzigen. In 500 bestimmt in den meisten.

    Ist es wuenschenswert, dass eine Sprache alle anderen verdraengt?

    Unter Betrachtung aller Vor- und Nachteile: Ja.

    Ist damit nicht auch eine Verarmung des Sagbaren verbunden?

    Sprache bleibt nicht, wie sie ist. Wenn etwas wichtig ist, gesagt zu werden, dann werden sich dafür Wege finden. Auch in Englisch.

    Und welche Rolle spielt eigentlich der Einfluss der geschriebenen Sprache? Durch das Internet ist der Anteil schriftlicher Kommunikation zwischen Menschen extrem angestiegen.

    Das ist wohl nur eine Frage des Traffics, der bei Geschriebenem nun mal um Größenordnungen geringer ausfällt. In dem Moment, wo sich Diktiersoftware und Sprachausgabe in hoher Qualität auf breiter Front durchgesetzt haben, verschwimmen die Unterschiede sowieso, weil alles effektiv in Schriftform übertragen werden kann. Vom Absender eingetippter Text wird dann vom Empfänger angehört oder gesprochener als Text gelesen.

    angesichts der zahllosen, meist lieblos hingerotzten Fragen, [...] steht mir (und ich glaube auch anderen)

    mal wieder der Sinn nach mehr Niveau ;-)

    Ja, es ist auffällig, daß es häufig Du bist, der die "Tellerrand-Threads" lostritt. Vielleicht trauen sich die anderen nicht...

    Gruß
    Steffen

    1. Hi!

      Ich könnte mir z.B. das Fast-Aussterben der deutschen Sprache nach etwa folgendem Schema vorstellen:

      Ob die deutsche Sprache wirklich ausgedient hat, koennen wir ja heute abend erleben (wenn der Typ mit dem Haifischgrinsen in Stockholm unsere Sprache verunstaltet :-) ).

      Phase 1, ab 2000: ...Entweder man beherrscht Englisch, oder man kann daran nicht teilhaben.

      Hier kann ich Dir noch zustimmen...

      Phase 2, so ab 2100: ...Immer mehr Unterricht wird auch in den Schulen in englischer Sprache gegeben.

      Das ist an vielen Schulen schon laengst der Fall.

      Phase 3, so ab 2200: Nach und nach wird Englisch auch als Umgangssprache verwendet. Kinder beginnen mit dem Lernen der englischen Sprache nicht erst in der Schule, sondern von klein auf.

      Unrealistisch! Ausserdem, bei Deinem Zeitplan weiss ich nicht, wie die Welt zu dieser Zeit aussehen wird (Technologie, neue Sprachen setzen sich eventuell durch, Zusammenleben sieht anders aus, extreme Umweltprobleme, vielleicht sogar Aussterben der Menschheit, wer weiss...). Hat Englisch zu der Zeit noch eine Bedeutung fuer die Menschen?

      Ist es wuenschenswert, dass eine Sprache alle anderen verdraengt?
      Unter Betrachtung aller Vor- und Nachteile: Ja.

      Absolut nein!! Ich finde, dass Sprachenvielfalt wichtig ist!

      Trotzdem wird Englisch zur Verstaendigung immer wichtiger werden.
      So what?

      MfG Simon

  13. Hallo Stefan, hallo an Alle!

    angesichts der zahllosen [... ]mal wieder der Sinn nach mehr Niveau ;-)

    Wieso? Gefällt dir diese gesitige Moorlandschaft nicht? Aber genug davon...
    ---------

    Es gibt ja unter Linguisten die Theorie, dass alle Sprachen urspruenglich von einer Sprache abstammen. Aber durch vergleichende Sprachwissenschaft ist das wohl kaum beweisbar.

    »»

    Willkommen in der Welt der Paläolinguistik! ;-)
    Es gibt Untersuchungen, die dafür Sprechen, daß es mal tatsächlich eine eizige Sprache gab. Es konnten biser einige Wörter auf eine einzige gemeinsame Wurzel zurückgefüht werden. Natürlich, es ist sehr viel "spekulatives" dabei, denn Tonbandaufzeichnungen dürfen wir aus der Zeit vor 10.-20Tsd.(und mehr) Jahren wohl kaum erwarten.

    Der "übliche" Link für die, die sonst nichts zum Lesen haben: Gert Meier: Und das Wort ward Schrift. Von der Spracharchäologie zur Archäologie der Ideogramme ; ein Beitrag zur Entstehung des Alphabets[http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3258044252/qid%3D958173342/028-1545253-4363430] und http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3258039607/qid=958174560/sr=1-4/028-1545253-4363430
    Dann noch eine Seite zu der "Proto-Language" (jaja..das kommt heruas wenn Linguisten spielen) http://www.geocities.com/Athens/Forum/2803/ (ps: cooles desing *g*)

    Noch spannender [..]finde ich allerdings die Frage, ob die Menschheit auf eine solche Einheitssprache wieder zusteuert, und ob ein Medium wie das Internet diese Tendenz beguenstigt.

    Beide annahmen finde ich richtig. Gerade das Internet verlangt nach einem einheitlichen mittel zur "bilateralen" Kommunikation im 'global village'. Es ist kein Geheimniss, daß die Entwicklungen auf dem Gebiet Internet vorwiegend aus den USA stammen, wer also die diversen neuen Techniken früh erlernen muss oder will, muss sich zwangsläufig mit der Sprache der Entwicker auseinandersetzen. Aber das ist nur ein Teilaspekt der Entwicklung einer 'global language'.

    Meine Fragen, die ich nach diesen Bemerkungen mal zur Diskussion in den Raum werfen will, sind folgende:
    Wird Englisch den Planeten erobern und andere Sprachen in den Rang von Lokal- und Zweitsprachen zurueckdraengen?

    Ja und Nein.
    In bestimmten bereichen wird es dazu kommen. Z.B. auf "unserem" Gebiet. Aber im täglichen Leben bleibt alles beim "alten".
    Ich kann dazu einen persönlichen Beispiel erzählen:
    Internet und alles was damit zusammenhängt habe ich erst auf Deutsch, dann auf Englisch (was in dem Fall ja kein echte Kunst ist, denn de Hälfte der Begriffe ist auch im Deutsch auf Englisch)gelernt.
    Wenn ich jetzt ungarisch rede, habe ich leider keine Ahnung wie gewisse Sachen aus diesem Bereich auf Ungarsich genannat werden. Tja ... was tut man in so einem Fall: man sagt die englische Entsprechung. Und es weiss jeder wovon der andere spricht.

    Ist es wuenschenswert, dass eine Sprache alle anderen verdraengt?

    Warum über verdrängen Reden? Es kann sehr wohl ein Nebeneinander geben. Nur weil Englisch sich auf dem einen Gebiet als Hilfs- und Beschreibungsspache durchsetzt muss sie nicht die jeweilige Landsspache verdrängen. Auch wenn zur Zeit oft über die Anglisierung der Sprache geredet wird. Negative Auswüchse um diese Entwicklung zu begegnen gibt es ebenso (siehe Frankreich), wie positive.

    1. Und welche Rolle spielt eigentlich der Einfluss der geschriebenen Sprache?
      »»

    2. Wie stark veraendert das Internet die Sprachenwelt?

    Jetzt bin ich schon zu müde um mich aus meinem geistigen Moor zu einem Höhenfug zu bewegen, deshalb nur einige Links (sie sind jedoch keine "Eintagsfliegen-Lektüre" ;-) :

    ad 1)
    Formen der Mündlichkeit und Schriftlichkeit in digitalen Medien
    http://viadrina.euv-frankfurt-o.de/~wjournal/wenz.htm

    ad 2)

    Sprache im Internet
    http://www.linse.uni-essen.de/papers/sprache_internet.htm

    Allgemein:
    sprache@web
    http://www.websprache.uni-hannover.de/
    (schau mal unter online Publikationen/Autoren/M  nach *gg*)

    OSBT
    http://www.linse.uni-essen.de/obst/obstkorb/obst_60.htm

    und überhaupt die LINSE
    http://www.linse.uni-essen.de/themen/themen.htm

    Bin gespannt, was euch einfaellt ;-)

    Daß ich satt hier schreiben, lesen sollte. ;-)

    Grüße
    Thomas

  14. Hallo!

    Liebe Forumer,

    tja, jetzt war ich soooo schön am lesen und da werde ich zum essen (auf (schweizer)deutsch) gepfiffen.

    Ich sage deshalb nur etwas zum Thema (was trotz Preview Gültigkeit hat): http://redrival.com/frhp/xwebpreview/english.htm

    bis nextens
    xitnalta

  15. Hallo Stefan!

    Noch spannender als die Frage, ob es irgendwann in den Fruehzeiten des homo sapiens eine Einheitssprache gab, finde ich allerdings die Frage, ob die Menschheit auf eine solche Einheitssprache wieder zusteuert, und ob ein Medium wie das Internet diese Tendenz beguenstigt.

    Heute war ich den ganzen Tag auf einem Mini-Kongress, der hier in Hamburg, günstigsterweise auch noch in Harburg stattfand:

    webgrrls (ein Networking für Frauen (http://www.webgrrls.de), präsentierten Multimedia-Agenturen in Hamburg als potentielle Arbeitgeber. Eine Venstaltung von Frauen für Frauen. Ich bin deshalb hingegangen, um mich mal ein bischen umzuhören in der Branche, und auch, um neue Kontakte zu knüpfen. Dabei stellte sich mal wieder heraus, dass die Welt ja sooo klein ist: Eine Angestellte einer grossen Nachrichtenagentur kennt die Schwester einer Kesselwagenvermieterin (selber zugegen), die einerseits den Vorstandsvorsitzenden meines Arbeitgebers kennt und andererseits eine Kollegin eines ehemaligen Nachbarn von mir ist, <g> (das am Rande).

    Was dabei sehr deutlich hervorkam: Ohne Englisch kannst du in der Branche einpacken. Deswegen bieten die Agenturen für ihre Mitarbeiter/innen laufend Englisch-Kurse an, denn die Kundenkontakte laufen vermehrt über die englische Sprache. Angesprochen wurde aber auch, dass die Sprache allein nicht reicht, es müssen auch Schulungen im Umgang mit den jeweiligen Landsmänn/innen/ern angeboten werden, denn es ist ein Unterschied, ob man mit einem Franzosen oder einem Iren oder einem US-Amerikaner verhandelt. Gemeint ist damit keineswegs der Dialekt (wie in anderen Postings angemerkt, schwedisches oder deutsches oder französisches Englisch), sondern die Mentalität der einzelnen Staatsbürger.

    Und hier kann man durchaus wieder in ferne Galaxien schweifen: Was nützt eine gemeinsame Sprache, wenn die Gestik, Mimik, Betonung, das Selbstverständnis der Kommunikaton unterschiedlich ist? Bis auf die Gemeinsamkeit, dass ja die Verständigung gesucht wird, kann es durchaus zu schwerwiegenden Mißverständnissen kommen, beruhend auf die unterschiedlichen Auslegensweisen der Gestiken, Mimiken, Gewohnheiten. Ein intelligenter blauer Schatten aus einer fernen Galaxis hätte verdammte Schwierigkeiten, in unseren irdischen Verhaltensmustern irgendetwas Vertrautes zu entdecken.

    Wie dem auch sei, Fazit ist: Englisch wird immer mehr Geschäftssprache. Global werden wir es ganz vielleicht schaffen, Brücken zwischen den Nationen zu schlagen, und das eher über das Internet als über irgendein anderes Medium.

    Viele Grüße,

    Kirsten

  16. Hallo Stefan,

    ich antworte jetzt mal bewußt spontan, ohne vorher den gesamten Thread zu lesen (weil das mein Meinungsbild beeinflussen wird) und nehme das Risiko eines inhaltlich redundanten Postings auf mich.

    Wird Englisch den Planeten erobern und andere Sprachen in den Rang von Lokal- und Zweitsprachen zurueckdraengen?
    Ist es z.B. vorstellbar, dass Englisch in 50 Jahren weltweit in fast allen Laendern als Amtssprache eingefuehrt sein wird,
    waehrend die herkoemmlichen Sprachen dieser Laender etwa auf die Bedeutung zuruecksinken, die bei uns die Dialekte haben (liebevoll gepflegt, aber nicht wirklich wichtig)?

    Im Prinzip beantwortest Du Deine Frage ja selbst.
    Ich sehe nationale Sprachen in Europa in der Tat nicht anders als Dialekte - und nicht zuletzt diese Sprachen sind es, weshalb in Europa die Arbeitskräfte nicht so mobil sind wie in den USA und die Wirtschaft Europas deshalb nicht mit derjenigen in den Staaten mithalten kann.
    Diskutieren könnte man alleine über die 50 Jahre - und darüber, ob die sinnvolle Lösung (es wäre eine) sich gegen die nationalistischen Eifersüchteleien der Staaten durchsetzen werden (wozu das Internet eine Möglichkeit bietet, die es vor ihm m. E. nicht gab).
    Daß bei (mehrsprachig abgefaßten) internationalen politischen Verträgen (meines Wissens) weiterhin die französische Sprache (mit den präziseren Formulierungen) als verbindlich gilt, bedeutet für mich, daß der Prozeß zum Ausdeuten einer Weltsprache noch längst nicht abgeschlossen ist. Die Wissenschaftler und das WWW schaffen lediglich einen "De-facto-Standard" ... ;-)
    Meine Hoffnung, daß Esperanto noch eine Chance bekommen wird, ist nicht sehr groß.

    Ist es wuenschenswert, dass eine Sprache alle anderen verdraengt?

    Das kommt darauf an, was man erreichen will. ;-)

    Ist damit nicht auch eine Verarmung des Sagbaren verbunden?
    Wird eine Sprache, die nur zwei, drei Wortvarianten fuer "Schnee" kennt, in einem arktischen Land nicht fuer schreckliche Sprachverarmung sorgen?

    Ja - aber: Wäre das so viel wichtiger als die erzielbaren Vorteile? Lokalkolorit in allen Ehren - *ich* könnte darauf verzichten.

    Oder geht das gar nicht? Koennte es nicht vielmehr so kommen, dass sich zwar eine Sprache durchsetzt, diese aber lokal extrem "koloriert" wird, so dass Sprachvarianten entstehen, die doch schon fast wieder eigene Sprachen sind?

    So etwa funktioniert Deutsch ja ebenfalls - auch die Amtssprache ist "am Schalter" sicherlich koloriert, und im Schriftverkehr werden sich einzelne Anfälle von Lokalkolorit kaum vermeiden lassen, da es schließlich Menschen sind, welche diese Schriftstücke verfassen. (Leider ... ;-) Was nicht bedeutet, daß sich Deutsch als Amtssprache in Deutschland nicht durchgesetzt hätte - ganz scharfe Abgrenzungen gibt es in der Realität praktisch nie.

    Und welche Rolle spielt eigentlich der Einfluss der geschriebenen Sprache?
    Durch das Internet ist der Anteil schriftlicher Kommunikation zwischen Menschen extrem angestiegen.

    Das mag allerdings eine temporäre Erscheinung sein.
    Laß mal die Spracherkennungssoftware allgemein verfügbar sein (auch in E-Mail-Clients), dann wird sich das bestimmt ändern.

    Neue, sprachrelevante Bausteine wie Smileys und Emoticons sind die sichtbaren Folgen.
    Koennte es sein, dass die Menschen auch dahin steuern, immer weniger miteinander zu reden und sich immer mehr zu schreiben?

    Ich denke, die Menschen werden das immer an der gerade verfügbaren Technologie festmachen.
    Der wesentliche Unterschied zwischen Reden und Schreiben ist bezogen auf den Informationstraksfer die zeitliche Synchronität beim Reden, was angesichts der heutigen Technologie nicht elegant bzw. preisgünstig möglich ist.
    Denke mal ein paar Jahre weiter, in eine Zeit, in der es Handies mit hinreichend großen Bildschirmen zu einem vernachlässoigbaren Preis gibt - dann wird Reden wieder "in" sein.
    Aber auch dann wird es Leute geben, die gerne selbst darüber bestimmen wollen, wann sie mit wem kommunizieren wollen - das wird dann über den Nachfolger des Briefs bzw. der E-Mail gehen, welcher die Möglichkeiten der Filmübertragung und des Anrufbeantworters miteinander verbindet (so wie es heute HTML-E-Mails gibt, wird es morgen multimediale E-Mails geben).

    Mit den damit verbundenen sprachlichen Folgen wie mehr Symbolzeichen, Abkuerzungen, formalen Elementen?

    Naja, irgendwie muß man ja kompensieren, daß es über E-Mail (bzw. dieses Forum) keine Gebärdensprache gibt. (<klopf ans hirn> etc.)
    Aber ... siehe oben. Es wird wieder mehr "Sehen" geben, wenn die Bandbreiten da sind.

    So dass am Ende die Leute mehr XML reden als Englisch?

    Ich denke, wir sehen seit ca. 5-10 Jahren die gegenläufige Tendenz, nämlich daß die Hersteller endlich anfangen, den Rechner dem Menschen anzupassen statt umgekehrt. (Das war schon vor 15 Jahren das Thema meiner - später abgebrochenen - Promotion.) Das WWW mit seinen Angeboten ist ein solcher Meilenstein, ebenso wie es das GUI war.
    Das ist auch unvermeidbar, denn es ist billiger, vernünftige User Interfaces zu bauen als die gesamten Menscheit Informatik studieren zu lassen. Und die Industrie ist es ihren Aktionären schuldig, nach preiswerten Möglichkeiten zu suchen, um viele, viele neue Kunden zu erreichen.
    Der Kapitalismus repariert nicht alles in beliebig kurzer Zeit (M$), aber erfahrungsgemäß setzen sich gute Ideen auf die Dauer durch, wenn man sie vernünftig vermarktet.

    Wie stark veraendert das Internet die Sprachenwelt? Nicht mehr als die alte Welt der Zeitungen und Fernsehsender? Oder mehr?

    Das, was Du als "das Internet" beschreibst, sind ganz viele verschiedene Kommunikationsformen. E-Mail und Chat haben m. E. sehr wenig miteinander zu tun, weil das eine asynchron und das andere asynchron abläuft - beide leben aber (derzeit) in einem eingeengten Universum, welches ihnen nur die Tastatur als Eingabemedium zur Verfügung stellt.
    Deine Beobachtungen beziehen sich also m. E. auf dieses Eingabemedium - und dürften weder für E-Mail via Spracheingabe Gültigkeit haben noch für Chat mit der Technologie eines Bildtelefons.

    Einerseits sind die anderssprachigen Informationen im Web viel naeher als in jedem anderen Medium.

    Was aber das Bildungssystem in den entsprechenden Ländern (noch) nicht direkt beeinflußt.
    Ich denke, es wird zuerst Anstrengungen der Regierungen geben, automatische Sprachübersetzer mit Steuergeldern zu entwickeln (was ich für den falschen Ansatz halte - bevor das funktionieren würde, mußte man alle Sprachen einer Reform unterziehen, welche die aktuelle Rechtschreibreform an Umfang bei weitem übertreffen und welche die Individualität der Sprachen stark beeinträchtigen würde) und erst später Englisch als Pflichtsprache in der Schule eingeführt werden ("Computerkinder").

    Andererseits zeigen neuere Untersuchungen, dass immer weniger Leute im Web wirklich in die Ferne schweifen, sondern mehr und mehr lokale Angebote ihrer normalen Umgebung nutzen.

    Das liegt aber (auch) daran, daß es andere Benutzergruppen gibt, welche zahlenmäßig schneller wachsen als die ursprüngliche Web-Klientel.

    Die Freaks der ersten Stunde waren/sind an Themen interessiert, welche aufgrund ihrer Natur weltweit angesiedelt sind (bezugen auf dieses Forum hier sind das z. B. die RFCs).
    Dafür liest man gerne die Originaldokumentation, weil die Information dort unverfälscht vorliegt und der Aufwand einer Übersetzung in <n> Sprachen die kompetentesten Bearbeiter, nämlich die Entwickler selbst, davon abhalten würde, weiter zu entwickeln. (Genau das macht SelfHTML ja so wertvoll: Jemand, der nicht selbst HTML weiterentwickelt, dafür aber gut schreiben kann, bringt dem deutschen Leser eine Materie nahe, und das nicht nur durch Übersetzung, sondern durch didaktischen Aufbau. Das ist ein echter Mehrwert!).

    Die "Internet-Benutzer der <n>. Generation", welche (stark vereinfacht) bei Amazon und ihrer Direktbank surfen, verlassen das deutsche Sprachuniversum im WWW aus demselben Grund nicht, aus dem sie die deutschen Landesgrenzen nicht verlassen: Weil sie keinen Anlaß dafür haben.
    Anders etwa die "Kiddies", welche Englisch in Kauf nehmen, um z. B. auf internationalen Fan-Seiten ihrer bevorzugten Fernsehserie etc. "am Ball zu sein" - und damit letzten Endes der Weltsprache Englisch einen größeren Dienst erweisen, als sie ahnen ...

    Viele Grüße
          Michael

    P. S.: Ceterum censeo ... WRAP=PHYSICAL.