Hallo Reiner,
haben wir uns endlich genug aufgeregt, geschimpft, uns entschuldigt, wieder aufgeregt, .....?
tut mir auch (fast) schon wieder leid!
Aber lies den Rest! Ich kann mir diesen Müll einfach nicht anhören.
zu der Art meiner Aussage habe ich mich schon zu entschuldigen versucht http://forum.de.selfhtml.org/?m=59277&t=10705!
Aber das, was in mir diese Reaktion auslöste, stehe ich weiterhin!
Das, was in Dir sitzt, bist doch Du selbst, oder geben äußere Ereignisse Dir das Recht, Dein Unbewusstes ungefiltert auf Deine Diskussionspartner loszulassen? Aufgeregtheit bedeutet nicht, dass man menschlich betroffener oder engagierter ist, als jemand, der das Thema (hier) nicht diskutieren will. Ich hätte schon Lust dazu, aber nicht unter der Überschrift "Wer ist der Betroffenste im ganzen Land?" Etwa mit dem "Beweismittel": "Guck mal, wie schnell ich jetzt auf 180 komme."
Man kann natürlich denken, der Matthias reagiert hier etwas zu heftig auf die Ereignisse von Erfurt. Aber unter dem Gesichtspunkt, daß doch etwas dran sein könnte, ihm zu sagen, daß es hier in diesem Forum um andere Dinge geht und sein Anliegen Offtopic ist, empfinde ich als eine Frechheit!
Falsch, Deiner Meinung nach, aber warum "frech"? Deine Erklärungsversuche sind unzureichend. Ich glaube, Du hast einfach das Bedürfnis, das Erfurt-Thema emotional und aufgeregt zu dikutieren und empfindest das als einzig passende Reaktion, als Ausdruck, dass Du menschlich wirklich davon betroffen bist, wie jemand, der die Sache selbst erlebt hat, oder wie ein Anverwandter. Aber vielleicht wäre etwas ganz Unemotionales viel hilfreicher. Denk doch mal an die Situation in Palästina, wo solche Ereignisse an der Tagesordnung sind: An Aufregung und wilden Emotionen fehlt es da wahrlich niemandem. Das Betroffenheitsritual dient eher als Legitimation für den nächsten Irrsinn!
Jemand in diesem Thread sagte etwas sehr intelligentes:
(sinngemäß) "Dann gib ihm nicht das Gefühl, ein Außenseiter zu sein."
Genau das Gegenteil ist der Fall: Eher stellt sich Stefan in die Außenseiter-Ecke, wenn er sagt, dass er keine Lust hat, hier über das Thema zu diskutieren. Wenn Du ehrlich bist, weißt Du das auch. Die ganze mediale Aufarbeitung, die Leute vor Ort, alles gibt emotionale Reaktionen, große Ratlosigkeit, Wortschwall und Betroffenheit als einzig richtige Reaktionsformen vor, und genauso wird das nachgelebt von der Mehrheit unserer medial bestimmten Mitbürger. "Sterile Aufgeregtheit", hat das mal ein intelligenter Mensch genannt, weil's zu genau gar nichts führt, weil's die Distanz zwischen den Menschen nur scheinbar überbrückt, weil keiner fragt, was an der Story eigentlich nicht stimmt.
Jemanden zu sagen, es wäre offtopic, hier über etwas zu reden, was Matthias ansprach, halte ich sogar für gefährlich.
Man stelle sich vor, Matthias hält die Klappe (obwohl er davon überzeugt war), weil er eingeredet bekommt, daß das keinen interessiert, das wäre wohl kein Problem, wie auch immer....und dann passiert doch etwas.
Kannst Du dann noch schlafen?
Die Konstruktion finde ich geradezu an den Haaren herbeigezogen. Die Gefährlichkeit der Menschen, die nicht darüber reden wollen! Glaub mir, es werden Millionen Worte gedruckt, gesprochen, gesendet, ohne dass man über die wirklichen Probleme nachdenkt. Und der Sinn der Teilnahme an solchen emotionalen Massenveranstaltungen liegt ganz und gar nicht darin, die Probleme anzugehen und zu lösen.
Aber im Endeffekt immer, UM ZU LEBEN!
Ja, leben wollen wir alle, wir sind alle gegen Massenmord, wenn Du weitere Bekenntnisse brauchst. Aber was ist da eigentlich los:
1.
"Der Kunst- und Geschichtslehrer Reiner Heise hat offenbar ein noch größeres Blutbad verhindert: Der 60-Jährige stoppte den Amokschützen Robert S. in dem Schulgebäude und sperrte ihn in einen Materialraum, wie Heise in "Bild am Sonntag" berichtet. Der in eine Ninja-Montur gekleidete 19-jährige Ex-Schüler habe ihm eine Pistole vor die Brust gehalten. Nachdem er seine Maske abgenommen habe, habe er dem Jungen gesagt: "Kannst mich erschießen, aber sieh mir dabei in die Augen!" Der Amokschütze habe erwidert: "Nein, Herr Heise, für heute reicht's". Der Todesschütze habe sich bereit erklärt, über seine Tat zu reden und die Pistole abgelegt. Daraufhin habe Heise den 19-Jährigen ins Materialzimmer gestoßen und abgeschlossen."
2.
"Nach bisherigen Ermittlungen sind aus der gefundenen Pumpgun keine Schüsse abgegeben worden, aus der Pistole dagegen über 40 Schüsse. In der Toilette der Schule und der Wohnung des Täters wurden weitere 1.200 Schuss sichergestellt."
Es ist zwar "nur" ein logischer Widerspruch, aber typisch für die ganze Berichterstattung, die voller verbaler Betroffenheit steckt und der in gleichem Maße Genauigkeit und Logik fehlen. Womit hat sich der Täter erschossen: Mit der unbenutzten Pumpgun oder der weggenommenen Pistole?
Nur mal ein paar ganz einfache Fragen:
1. "Der Täter war Mitglied im Polizeisportverein und einem Erfurter Schützenverein. Er besaß seine Waffen legal."
Ist es normal, dass ein "ordentlicher Jugendlicher" über Polizeisportverein und Schützenverein an eine Pumpgun, eine Pistole und 1200 Schuss Munition kommt? Warum kritisiert niemand solche Vereine? Zu nahe vor der Wahl? Wofür brauchen die eine solch mörderische Bewaffnung? War das alles für sein Umfeld "normal"? "Er ist nun mal ein Waffennarr, der Gute."
2. Zeigen die so ungeheuer betroffenen Medien nicht jeden Tag unseren Kids 100 Filme, in denen der Held kaltblütig seine Gegner niederballert?
3. Pressezitat: "der in eine Ninja-Montur gekleidete 19-jährige Ex-Schüler"
Kostümvorbild: Kampfballett des Sondereinsatzkommandos im deutschen Krimi.
usw. usw.
Mich bedrücken die Ereignisse von Erfurt auch, aber wirklich Angst macht mir die latente Bereitschaft vieler, gewaltsam mit ihren Mitmenschen ins Reine zu kommen, was, so befürchte ich, genauso medial abrufbar wäre, wenn's mal "nötig" ist. Vielleicht sind mir deshalb die, die die Klappe halten oder nüchtern analysieren, selber denken und nicht die vorgeschriebenen Reaktionen demonstrieren, einfach lieber.
Viele Grüße
Mathias Bigge