Moin!
Wer kennt ihn nicht, den webdesigner, egal ob laie brutaler laie oder gar selbsternannter profi(laien)webdesigner.
Im internet kräucht und pfläucht alles was nur ansatzweise einmal etwas mit web zu tun hatte.
Beispielsweise machen solche Menschen offenbar Auftritte wie den von der Stadt Bamberg [pref:t=63521&m=360301].
Ich selber arbeite in einer Webdesignfirma und bekomme dadurch nur zu oft mit, mit welchen tricks sogenannte "profis" ihre kunden abzocken, das es einem doch glatt die sprache verschlägt.
Ja, die Unglaublichkeit mancher Leistungen ist immer wieder ... nun, sagen wir "faszinierend".
Um diesem ganzen treiben ein ende zu setzen, oder sagen wir zumindest eine art übersicht zu geben, habe ich mir überlegt eine art webportal zu entwickeln, auf der sich "seriöse"webfirmen eintragen können und diese gleichzeitig einer art "chartbewertung" unterliegen (von einer ausgewählten und qualifizierten jury).
Mit anderen Worten: Du willst ein Qualitätssiegel einführen, damit sich die guten Webdesigner von den schlechten praktisch im Stile von "Stiftung Warentest" absetzen können.
Da sehe ich mehrere Probleme.
Erstens: Du kennst die Award-Flut? Millionen von Menschen haben es sich zur Aufgabe gemacht, interessante oder irgendwie nach einem Kriterium hervorstechende Websites mit einer Auszeichnung zu versehen. Irgendwann war die Idee noch neu und tatsächlich ernstzunehmen. Aber es ist zur absoluten Beliebigkeit verkommen, weil irgendwie jede Website irgendeinen Award vergeben hat, teilweise ohne jegliche Prüfung oder Ansicht der so prämierten Site. Und wer trotzdem keinen Award abbekommen hat - der designt sich eben seine eigenen Awards.
Mit anderen Worten: Sobald deine Idee der güteversiegelten Webdesigner irgendwie breiter bekannt gemacht wird, werden von den schlechten Webdesignern Konkurrenzseiten aus dem Boden gestampft werden, die all den schlechten Anbietern Gütesiegel verpassen.
Und mal ganz im Ernst: Es gibt ein paar medienwirksam aufgeplusterte Großveranstaltungen, in denen sich die Branche (vorzugsweise die Riesenagenturen) selbst feiern, indem sie Websites prämieren, die hier im Forum nicht nur in der Luft zerrissen, sondern vermutlich nicht mal mit der Kneifzange angefaßt und in den Browser geladen würden, so viele kritikwürdige Techniken sind da versammelt.
Wenn also nicht mal auf die großen, bekannten Veranstaltungen hinsichtlich eines Qualitätssiegels Verlass ist, worauf soll man sich dann sonst verlassen?
Zweitens: Die Leistungen einer wie auch immer gearteten Agentur sind sehr stark von Personen abhängig. Ein Programmierer schreibt vielleicht super-valide Seiten und hat den absoluten Durchblick - auch im Sinne deines Gütesiegels. Also kriegt die Agentur von dir bescheinigt, gut zu sein. Und jetzt kündigt der Leistungsträger und verläßt die Agentur, und nachrücken tut einer der Arbeitsamts-Fortgebildeten. Klar, die Leistung ist nicht mehr dieselbe, aber das Gütesiegel ist noch verliehen.
Dein Ansatz, die Welt vor schlechten Dienstleistungen zu bewahren, ist zwar ehrenwert, aber am besten findet man als Kunde gute Dienstleister, indem man sich nicht nur im Telefonbuch jemanden aussucht, sondern indem man sich umhört und Fremdmeinungen einholt. Unternehmen haben heutzutage alle irgendeine Art von Webseite (und die, die keine haben, brauchen vermutlich auch keine). Und da sich Unternehmer auch mal treffen und dabei nebensächlichen Plausch betreiben, ist es immer gut, wenn dabei auch die Webagentur erwähnt wird, die sehr gute Arbeit leistet.
Allerdings: Derzeit suchen Kunden keine Webagenturen, die Webagenturen müssen die Kunden suchen. Und deshalb ist jeglicher Verweis auf irgendeine unabhängige (wobei das dem Kunden ja auch noch fragwürdig erscheinen kann) Website, in der einem selbst tolle Leistungen bescheinigt werden, aber anderen Anbietern möglicherweise sogar noch bessere Leistungen (warum soll ich dann als Kunde einer nur zweitklassigen Agentur den Auftrag geben, wenn erstklassige Agenturen so leicht zu finden sind?) bescheinigt werden. Mit anderen Worten: Nur diejenigen werden _vielleicht_ den Verweis auf dein Portal nutzen, die absolut top gewertet wurden. Alle anderen werden es eher vermeiden.
Und da derzeit die Agenturen die Kunden suchen, und nicht umgekehrt (Ausnahmen bestätigen die Regel), wird sich eher kein Kunde auf dein Portal verirren.
Und bis man das Portal ernstnimmt, weil es sich als langjährige und korrekt wertende Institution etabliert hat, wie heutzutage die Stiftung Warentest, wird sehr viel Zeit vergehen - sofern es überhaupt irgendwann mal geschieht. Bis dahin wirst du vermutlich (genau wie die Stiftung Warentest auch) viel Trouble mit sich ungerecht bewertet fühlenden Firmen haben, die ihre schlechte Bewertung von deiner Website getilgt sehen wollen, so dass sowieso nur noch ein paar sehr gute Einträge übrigbleiben und damit die Relevanz des Portals gegen Null sinkt.
Mit anderen Worten: Außer Spesen nichts gewesen.
- Sven Rautenberg
"Beim Stuff für's Web gibts kein Material, was sonst das Zeugs ist, aus dem die Sachen sind."
(fastix®, 13. Oktober 2003, 02:26 Uhr -> </archiv/2003/10/60137/#m338340>)