Sven Rautenberg: Lang genutzte Softwareverfahren jetzt geschützt ???

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Moin!

Dieses Patent erweckte bei uns den schwerwiegensten Streitpunkt !  Content Filter ????  Mir sind mehrere Open Source Projekte bekannt welche schon seit 1996 oder früher genau diesen beschriebenen
Wenn du das nachweisen kannst, hättest du Einspruch erheben sollen.

Das "Neue" am Prioritätstag war bei den Patenten DE19958638C2 und DE10048113C2 (sie gehören zusammen, das zweite ist ein "Zusatzpatent" zum ersten) vermutlich, dass das Filter beim Sender der Information (also beim Server) angeordnet ist und der Nutzer (Client) sich identifizieren muss damit sein "individuelles" Filter beim Server zum Einsatz kommt. Sowas habe ich bis heute noch nicht gesehen. Wenn man sic dafür genauer interessiert, muss man sich die sechs Schriften besorgen, die vorn auf der Patentschrift (unter Punkt 56) angegeben sind. (Hab ich nicht gemacht.)

Gut, dass du dieses Beispiel geliefert hast.

Du hast serverseitige Content-Filter noch nicht gesehen? Du benutzt mit diesem Forum bereits einen. Du kannst dir einen Benutzeraccount registrieren und dann viele Sachen definieren. Unter anderem kannst du individuell gewisse Kategorien ausblenden (wenn du ASP nicht magst oder kennst, blendest du die aus), Nachrichten von nervigen Postern, individuell gewisse Threads (dazu gibts am Ende des Startpostings dieses rote Kreuz <img src="http://forum.de.selfhtml.org/src/del.gif" border="0" alt="">, und so weiter.

Wenn also das Patent tatsächlich gültig wird, wäre diese serverseitige Filterung von Content wahrscheinlich ziemlich in Gefahr. Dabei ist die Überlegung, die Benutzerentscheidung darüber, was er sehen will oder nicht, auf dem Server gespeichert werden kann und der Content entsprechend dynamisch ausgeliefert wird, nichts wirklich neues. Ich würde sogar sagen, dass es nichts wirklich innovatives ist. Wäre es wirklich _der_ Hit und _die_ Superidee, für die man lange hat forschen müssen, dann wäre Christian Kruse (Programmierer des Forums) sicherlich nicht auf dieselbe Idee gekommen.

So aber wird möglicherweise ein Patent auf eine Sache erteilt, die mittlerweile schon triviales Allgemeingut geworden ist. Das hinterhältige daran ist: Erst nach Jahren wird das Patent erteilt. Der Patentinhaber kann dann munter drauflosgehen und Lizenzgebühren fordern. Dem kann man zu diesem Zeitpunkt nur entgehen, wenn man das Patent angreift. Sowas kostet aber Zeit und Geld, welches einem kleinen Freizeitprogrammierer oder auch einer kleinen Firma schlicht und einfach nicht zur Verfügung steht.

Ok, und was die Einspruchsmöglichkeiten vor Patenterteilung angeht: Das setzt voraus, dass _alle_ möglicherweise betroffenen sich intensiv mit den zur Patentierung anstehenden Verfahren auseinandersetzen und deren Angreifbarkeit im Vorfelde prüfen müßten. Diesen Aufwand wird sich auch kaum jemand wirklich leisten können.

Das Problem mit Softwarepatenten ist eben: In aller Regel wird hierbei eine Idee patentiert - die konkrete Umsetzung in einen Algorithmus ist dabei egal, denn egal welche Sprache man verwendet, alle Implementierungen sind abgedeckt.

Wenn ich hingegen einen Pharmawirkstoff patentieren lasse, ist eine konkrete Formel geschützt. Nachahmer sind trotzdem in der Lage, dieselbe Wirkung (z.B. "keine Kopfschmerzen") durch andere Wirkstoffe zu erzielen.

Das böse Amazon-Patent "One-Click-Shopping" hingegen verhindert (derzeit nur in den USA), dass man in irgendeinem anderen Shop einen Bestellvorgang mit nur einem Mausklick auslösen kann. Das Amazon-Patent "Geschenkbestellung im Internet" verhindert, dass man in irgendeinem anderen Shop Geschenke an Freunde ordern darf.

Hier wird also die Wirkung ("Geschenk kommt beim Freund an") patentiert, nicht die Art und Weise, wie das konkret umgesetzt wird (Wirkstoff).

Ich finde die Entwicklung jedenfalls bedrohlich, weil man als unbedarfter Programmierer jetzt nicht nur in Urheberrechtsfallen tappen kann (die kann man jedoch relativ sicher dadurch umgehen, dass man sich die Lizenzbedingungen der verwendeten Software genau durchliest und entsprechend handelt bzw. schlicht und einfach nur eigenen Code verwendet), sondern unwissend auch in Patentfallen tappen kann.

Ok, dass der LZW-Kompressionsalgorithmus patentiert ist, wissen wir mittlerweile alle. Unisys hat das vermutlich auch erst sehr spät herausgefunden und dann eben spontan Lizenzgebühren verlangt. Deswegen implementiert man LZW jetzt nicht mehr leichtfertig in Programmen - schade für den GIF-Support in diversen Programmen, aber gut für PNG. Die Bedrohung aber bleibt: Welches Patent wird demnächst "zufällig" von seinem Inhaber entdeckt, weil das Verfahren mittlerweile breiteste Verwendung im Internet gefunden hat und somit alle Benutzer praktisch zu Lizenzen gezwungen sind, weil eine Umstellung auf patentfreie Verfahren kaum durchführbar ist.

Man stelle sich nur mal vor, irgendeine Firma würde entdecken, dass Microsoft-Word-Dateien ein Patent verletzen. Wie wahrscheinlich wäre es, dass die Welt dann auf RTF umstellt? Eher wird Microsoft die Patentrechte kaufen, um seine Benutzer zu schützen - und hätte dann ein prima Kampfmittel gegen OpenOffice und Konsorten, die ihre Word-Importfilter dann erstmal einstampfen könnten.

Ich sehe einfach die positiven Seiten von Softwarepatenten nicht.

- Sven Rautenberg

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