Hi Swen,
Das, was Deutsche der Zeit des Nationalsozialismuses mit Juden, Sinti, Roma, Schwulen, Lesben, Kommunisten, Behinderten und anderen "nichtarischen" Menschen gemacht haben, war fürchterlich. Es wird um keinen Deut besser, wenn man dies mit anderen und deren Taten zu vergleichen versucht.
Richtig. Dennoch ist es Tatsache, dass in der Nazi-Zeit die Welt in zahlreichen Ländern von einem gigantischen Lagersystem überzogen war, in dem Millionen Menschen ermordet wurden. Die kindisch-trotzige Haltung einiger Mitstreiter in diesem Thread machen daraus eine Entlastung der deutschen Verbrechen unter dem Motto: "Der hat auch mit Sand geworfen."
Ich fühle mich davon genervt, versuche aber auf dem Teppich zu bleiben: Es ist einfach schwer, mit diesen Tatsachen umzugehen, mit der Tatsache, dass in weiten Teilen des 20. Jahrhunderts ein Menschenleben nichts wert war, schon im ersten Weltkrieg, in den Lagern des GULAG, in den japanischen Lagern in Asien, in den jeweils eigenen Armeen und dass Deutschland hier eine besonders üble Vergangenheit hat.
Es gibt nur wenige, die das Format haben, die eigenen und fremden Verbrechen ehrlich zu erforschen, ohne dass die Auswertung der Legitimation der eigenen Geschichte dient. Semprun hat so ein Buch geschrieben, "Was für ein schöner Sonntag!", in dem er seine Zeit im KZ-Buchenwald und seine Verstrickungen in die kommunistischen Aktionen in Spanien schildert: Alexander Solschenyzin hat das Lagersystem des Stalinismus umfassend dargestellt. Man kann etwas wissen, ein bisschen Mühe macht es natürlich, aber zugleich ist es auch ungeheuer spannend die Logik der Ereignisse nachzuvolllziehen und für sich daraus Abstand zu den Unmenschen und ihren Lügen aufzubauen.
Hier in Deutschland hat es Menschen gegeben, die andere planmäßig ermordet, gefoltert, ausgelöscht haben, ihr Hass erstreckte sich auf Kinder, beliebige Leute in den besetzten Gebieten, auf eigene Abweichler. Das wird nicht im geringsten dadurch besser, dass es in anderen Ländern Schreckenssysteme gab. Meine Konsequenzen aus der Geschichte:
1. Es ist für jedes totalitäre Regime möglich, Menschen zu finden, die bereit sind, anderes Leben auf brutalste Weise zu vernichten, Schlächter, die vor nichts Respekt haben. Für mich haben die Lager auch etwas mit kranken Persönlichkeiten zu tun, die sich hier plötzlich in ihrem Wahn bestätigt sehen.
2. Wenn ein solches Regime einmal installiert ist, ist es ohne Hilfe von außen nur in Jahrzehnten möglich, sich von den Verbrechern zu befreien. Insofern dürfen wir den Alliierten wirklich dankbar sein, dass wir so lange ein friedliches und freies Leben in Deutschland führen können.
3. Für uns hier in Deutschland geht eine besondere Gefahr vom braunen Sumpf aus, das ist unsere Form der Lebensfeindlichkeit und des Hasses. Deshalb sollte man alles tun, um ihnen politisch keine Chance zu geben.
4. Kompromisse mit Hasspredigern aller Couleur sind gefährlich, man muss ihnen früh Grenzen aufzeigen, nicht erst, wenn man selber betroffen ist. Der Islamismus und die Diktatur im Iran gehören für mich ebenso zu diesen menschenfeindlichen Kräften wie Faschisten aller Art.
Es ist auch sonst nicht alles Gold was glänzt, und auch unser freiheitliches System produziert jede Menge Mist, die Lebensmöglichkeiten und Freiheiten sind aber jeder Art von Diktatur vorzuziehen.
Viele Grüße
Mathias Bigge