Moin,
Ich habe mal gehört, Angsterkrankungen wird man nie richtig los. Man kann nur lernen, damit zu leben?
Ich kann das nicht allgemein und nicht mit beruflicher Kompetenz beantworten, ich kann aber aus meinem Erleben für mich Schlüsse ziehen.
Zwei Dinge vorweg.
Zunächst vermeide ich das Wort Angsterkrankung und rede lieber von einer Angststörung. Bei Begriff Krankheit denke sicher nicht nur ich zu schnell an medikamentöse Heilungswege - und um die geht es ja zumeist nicht, Medikamente unterstützen allenfalls den Heilungprozess oder öffnen Dich für Einsichten.
Zudem beschreibt Anonymus etwas, was sich für mich eher nach einem Zwang anhört.
Ängste sind nach meinen Erfahrungen zumeist sowas wie (selbst) anerzogene Verhaltensweisen. Du hast gelernt, dass eine bestimmte Handlung eine bestimmte Folge hat und gleitest in einen Teufelskreis weg. Du nimmst die Umwelt fehlerhaft (für Dich genommen aber: korrekt) war, empfindest Dein (Vor- oder Fehl-)Urteil (deshalb) als okay und logisch und findest ein "normales" Vermeidungsverhaltens. Für sich genommen ist die Wahrnehmung des Betroffenen logisch, verständlich und klar. Der Betroffene nimmt "seine" Welt komplett widerspruchsfrei war[1] Dumm nur, dass das auf die Dauer nicht trägt und Dich einengt. Wird die Enge sozial lebensbedrohend, kann es dann zur heilenden Auflösung kommen. Du lernst, die Umwelt "normal" und objektiv richtig wahrzunehmen, findest folgerichtige, sozial konforme Beurteilungen der Situation und übst schließlich eine unangestrengtes, angstfreies neues Verhalten ein. So gesehen sind Ängste für mich komplett heilbar. Was natürlich nicht verschwindet, ist die Erinnerung an das "veraltete" Reaktionsmuster. Erlebe ich eine ehemals angsterfüllte Situation, erinnere ich mich natürlich an die Ängste. Aber das ist aus meiner Erfahrung komplett banal. Denn die Angst an sich ist nie das Problem gewesen. Es sind die Verhaltens- oder Vermeidungssmuster bzw. die körperliche Reaktionen, die schlußendlich zum Problem werden und über die man in der Regel auch schließlich stolpert. Und wenn diese Folgen "weg" sind, dann ist man wieder gesund.
Grüße
Swen
[1] Vielleicht mal ein Beispiel, das mich immer sehr beeindruckt hat: Folgende Situation: X betritt ein Raum, in dem sich gegenüber am Fenster ein ihr bekannte Gruppe im Gespräch befindet. Ihr ist sofort klar, dass über sie übelst hergezogen wird. Selbst wenn sie ab und an die Kraft findet, auf die Gruppe zuzugehen, bleibt das wahr: Denn die Gruppe wechselt einfach das Thema oder schweigt, wenn sie am Fenster angelangt ist. Da geht sie also lieber nach links in den anderen Raum und erträgt mühsam die schlimmen Blicke, die ihr im Nacken brennen. Irgendwann sind diese Schmerzen im Nacken so schlimm, dass sie es vermeidet, solche Räume zu betreten. Sie zieht sich zurück, meidet die Öffentlichkeit. Spricht man sie stets Nackenschmerzen bekomme, wenn sie durch Räume und Türen gehe, "ich zieh dann wahrscheinlich blöderweise immer den Kopf ein und die Schultern hoch, bin außerdem empfindlich gegen zug - naja, vielleicht auch ein wenig Platzangst, hihi".