Christian Seiler: Was soll oder kann das sein?

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Hallo gary,

Damals vermutete unser Physiklehrer, dass die Neutronen für eine extrem kurze Zeit, die Ladung vom Proton absorbieren könne bzw. mit dem Proton vielleicht sogar die Plätze tauscht.

Nichts für ungut, aber QCD wurde in den 1970er-Jahren entwickelt, wenn Dein Lehrer davon um 1992-1993 herum noch nichts gehört hatte, dann hatte er anscheinend nicht viel Ahnung.

Heute hat man ja das Modell mit den Quarks.

Heute hat man vor allem QCD, die viel komplizierter ist, als Du sie hier darstellst. ;-)

Wobei ein Proton 2 up-Quarks und ein down-Quark besitzt. Im Gegensatz das Neutron 2 down-Quarks und ein up-Quark. Wie diese aber jetzt das Ladungsproblem (was ja auch in gewisser Weise ein Gravitationsproblem darstellt) lösen, weis ich auch nicht mehr so genau.

Was hat denn das nun mit Gravitation zu tun?

Ok, ich glaube, ich gebe hier mal einen kurzen Anbriss des Standardmodells der Teilchenphysik. Man unterteilt die Elementarteilchen (Protonen und Neutronen zählen im folgenden mal nicht dazu, weil zusammengesetzt) in zwei Kategorien: Fermionen und Bosonen. Die Bosonen sind dafür verantwortlich, Kärfte zwischen den Teilchen zu vermitteln, die Fermionen bilden die Materie, wie wir sie kennen. [Lyncht mich für diese extreme Vereinfachung bitte nicht!]

Es gibt vier verschiedene Bosonen:

* Photonen: Das sind die Austauschteilchen der elektromagnetischen
   Wechselwirkung.

* W- und Z-Bosonen: Das sind die Austauschteilchen der schwachen
   Wechselwirkung.

* Gluonen: Das sind die Austauschteilchen der starken Wechselwirkung.

* Gravitonen: Das sind die Austauschteilchen der Graviation.
   [Faiererweise muss man hier sagen, dass es für diese im Gegensatz zu
   den anderen drei noch keine experimentelle Bestätigung gibt.]

[Zudem suchen sie am CERN noch ein weiteres Boson, das sogenannte Higgs-Boson, das aber keine Kraft vermittelt, sondern etwas mit den Teilchenmassen zu tun haben soll, aber das lasse ich hier mal weg.]

Wie man daraus erkennt, gibt es vier verschiedene Kräfte, die zwischen Elementarteilchen auftreten können. Könnte natürlich sein, dass es noch mehr gibt, aber dafür gibt es aktuell keine Anhaltspunkte.

Ferner unterscheiden sich die Kräfte noch um ein paar Dinge: Zum einen, wie stark die Kräfte sind, zum anderen, welche Reichweite sie haben.

Schwache und starke Kraft haben eine sehr geringe Reichweite, d.h. nach nur sehr, sehr kleinen Distanzen ist die Wechselwirkung nicht mehr wirksam. Gravitation und elektromagnetische Kraft sind dagegen langreichweitig. (Deswegen sind es auch die einzigen Kräfte, die wir makroskopisch auch mitbekommen!)

Gravitation ist sehr schwach, wirkt deswegen nur bei großen Massenansammlungen (Planeten, Sternen). Die schwache Kraft ist auf Grund ihrer geringen Kopplung *und* geringen Reichweite nicht in der Lage, stabile Bindungen zu produzieren. Sie tritt daher nur bei radioaktiven Zerfällen oder komplizierten Teilchenreaktionen auf.

Fermionen unterteilt man in zwei Gruppen:

* Leptonen: Elektronen, Müonen, Tauonen und die zugehörigen Neutrinos.
 * Quarks: Up, Down, Strange, Charm, Top, Bottom

Leptonen sind *nicht* von der starken Wechselwirkung betroffen, Quarks schon.

Wie löst sich jetzt Dein Problem mit dem Atomkern, warum der zusammenhält? Naja, wenn man es extrem vereinfachen will: Die positiven Ladungen stoßen sich natürlich gegenseitig ab. Da der Atomkern aber aus Quarks besteht, ziehen sich diese mit der starken Wechselwirkung an. Der Energiegewinn durch die Anziehung ist stärker als der Energieverlust durch die Abstoßung, also sind Atomkerne stabil.

Und weil Elektronen Leptonen sind, reagieren diese nur über die elektromagnetische Wechselwirkung mit dem Atomkern und deswegen gibt's stabile Atome. Die einzige Wechselwirkung, die zwischen Elektronen und Kern außerdem noch möglich ist, ist die schwache Wechselwirkung. Die tritt auch manchmal auf bei bestimmten radioaktiven Prozessen. Allerdings treten die Prozesse vergleichsweise selten auf (weil die schwache Wechselwirkung eben schwach ist) und wir haben deswegen trotzdem noch sehr stabile Atome.

Ist natürlich in der Realität deutlich komplizierter, aber gibt Dir vielleicht eine Idee, warum das zusammenhält.

Auch ist es möglich, das ein down-Quark sich beim Beta-Zerfall in ein up-Quark verwandelt. Hierbei wird ein w-Teilchen frei, mit dem Effekt,dass aus dem Neutron ein Proton wird *g*... ich weiss, ich weiss, spätestens jetzt qualmt der Kopf *rauch*...

Nein, freie W-Teilchen entstehen beim Beta-Zerfall nicht. Beta-Zerfall ist entweder Proton zu Neutron, Positron und Elektron-Neutrino oder Neutron zu Proton, Elektron und Antielektron-Neutrino. Hierbei werden virtuelle W-Teilchen ausgetauscht (und selbst das ist noch nicht ganz richtig, aber ich belasse es mal hierbei).

Viele Grüße,
Christian