Moin Moin!
Jedenfalls hatte ich gerade mal so einen "Besinnungsanfall", in dem ich darüber nachdenken musste, was mir bevorstehen würde, wenn auch nur 30 Tage das Phänomen "Elektrizität" nicht mehr funktionieren würde.
Hmmm, mal überlegen. Die Aliens kommen, und schalten als erstes ein erdumspannendes Kraftfeld ein, das sämtliche Elektrik und Elektronik lahmlegt. Was passiert?
* Der verfluchte Radio-Wecker ist endlich ruhig!
* Kerzenlicht. Früh ins Bett, weil der Kerzenvorrat nicht unbegrenzt ist. Aufstehen, wenn die Sonne ins Schlafzimmer scheint oder der Körper genügend Schlaf hat.
* USVs, Diesel-Notstromversorgungen und Taschenlampen sind nutzlos, weil auch sie vom Kraftfeld lahmgelegt werden.
* Kaltes Essen, weil der Vermieter einen E-Herd eingebaut hat statt eines Gas-Herdes. Holzkohlegrill darf ich nicht benutzen, hab den alten Grill samt Rest-Bestand an Kohle daher verschenkt. Mikrowelle funktioniert natürlich auch nicht.
* Verrottendes Essen, weil der Kühl- und Gefrierschrank seinen Job nicht mehr erledigen kann und zu einem gut verschlossenen Schrank degradiert wird.
* Probleme mit der Wasserversorgung. Wasser wird oft elektrisch gepumpt.
* Hinter den Deichen wird es naß, sehr naß. Schöpfwerke laufen elektrisch. Es gibt auch Dieselpumpen, aber werden die ohne Elektronik starten? Woher kommt neuer Diesel, wenn der Vorrat aufgebraucht ist?
* Im Rheinland wird es ebenfalls naß, wenn die Pumpen in den alten Bergwerken das Grundwasser nicht mehr abpumpen und der Boden versackt. Und auch im Rheinland gibt es reichlich Pumpen, die Gewässer, die ursprünglich mal direkt in den Rhein mündeten, über den Rheindeich pumpen.
* Viel Zeit, die Tonnen von Büchern aus dem Keller zu holen und zu lesen, mangels Radio und Fernsehen.
* Fortbewegung nur zu Fuß oder mit dem Rad. Der Anlasser und die Zündung im Auto funktionieren elektrisch. Ebenso der Anlasser im Bus und die U- und S-Bahnen. Und selbst Dieselloks haben Elektronik an Bord, die große Teile der Lok steuert, nicht zuletzt Sicherungssysteme. Und vermutlich einen elektrischen Anlasser. Wie viele elektronikfreie, kohlegefeuerte Dampfloks hat die Bahn wohl noch, und wie weit kommen die auf modernen Strecken ohne Kohleschütten und Wassertürme?
* Viel mehr Freizeit, oder viel weniger Freizeit. Zur Arbeit könnte ich zwei bis drei Stunden pro Tour mit dem Rad fahren, das wäre aber ziemlich sinnlos, denn kein Computer rührt sich ohne Elektrizität. Selbst wenn, würden sie an ihrer eigenen Hitze elendig verrecken, denn auch die Kühltechnik braucht Strom. Ich könnte höchstens Hilfstätigkeiten für andere Kollegen erledigen, sprich: deren Arbeit dokumentieren (dazu sind wir auch noch während des Weltuntergangs verpflichtet) oder mir mein Fahrrad oder irgendeinen Ackergaul greifen und damit die lebensnotwendigen Lieferdienste erledigen. Wobei ich den Ackergaul lieber den Kollegen überlasse, die hobbymäßig reiten.
* Die Meßtechnik auf der Arbeit fällt großenteils aus. Ohne Strom rührt sich kein Roboter. Die Kollegen müßten alle Messungen von Hand erledigen, auf die alte Art, wie man sie irgendwann während der Ausbildung mal gelernt haben sollte. Machen sie dabei Fehler, sterben Menschen. Abgesehen davon bezweifle ich, dass wir genügend alte Meßtechnik und genügend dafür geeignete Verbrauchsmaterialien hätten, um die notwendige Menge an Messungen zu erledigen.
* Die Kühltechnik auf der Arbeit fällt aus. Die Kühlräume sind zwar gut isoliert, aber nicht perfekt. Und irgendwann will man das gelagerte Zeug dort auch mal herausholen. Dann kommt wärmere Luft in die Kühlräume, und nach und nach wird es dort zu warm. Das wäre eine echte Katastrophe.
* Für einige Produkte brauchen wir auch während der Lagerung Strom. Ohne Strom müßten wir viele Menschen ins Lager stellen, die für die richtige Lagerung sorgen.
* So ziemlich alle Maschinen für die Herstellung brauchen Strom. In vielen Fällen kann man das mit Handarbeit kompensieren, nur fehlen uns dafür viele Hände. Wir bräuchten also sehr schnell sehr viele Hilfskräfte mit passendem Know-How.
* Temperaturregelung fällt aus. Das paßt nicht zu unseren teilweise sehr temperaturempfindlichen Produkten. Wir brauchen also sehr zügig eine stromlose und effektive Temperaturregelung. Und wieder viele Hilfskräfte, die die Temperatur messen und nachregeln.
* Die Rechner des Qualitätsmanagements sind tot, wie alle Rechner. Noch haben wir viel Dokumentation (Anleitungen, Notfallverfahren, Mindestanforderungen, ...) auch auf Papier, aber es werden von Tag zu Tag weniger. Die Papierversionen werden immer älter, die aktuellen Versionen gibt es oft nur noch elektronisch. Wir müßten uns also auf den alten Papier-Restbestand und das Gedächtnis der Kollegen verlassen.
* Telefon und Funk fallen aus. Langstrecken-Kommunikation ist damit nur noch per Bote möglich. Endlich ein sinnvoller Job für alle Marathon-Läufer, Triathleten und Rennrad-Fahrer! ;-) Die Boten müßten unsere Produkte transportieren, so schnell und gleichzeitig so vorsichtig wie möglich, denn die Zeit außerhalb einer temperaturkontrollierten Umgebung muß so kurz wie möglich gehalten werden. Ab einer gewissen Entferning funktioniert das überhaupt nicht mehr, Menschen werden daher sterben, die man heute problemlos am Leben halten könnte.
* Bargeld aus dem Automaten fällt aus, es sei denn, man knackt den Automaten. Virtuelles Geld auf dem Giro-Konto verliert jeden Wert.
* Die bekloppte elektronische Schließtechnik fällt aus. Die Verriegelung muß aktiv gelöst werden, per Elektro-Magnet und nur per Elektro-Magnet. Es gibt keine Panik-Entriegelung. Die Verriegelung bleibt ohne Energiezufuhr bestehen. Ich hab bei der Installation mal gefragt, wie man die Türen bei Stromausfall öffnen soll. "Dann schlagen Sie einfach die Scheibe über dem Notfall-Taster ein und drücken den Taster", erzählte mir der Mensch allen ernstes. Von dem Taster führen zwei Drähte in die Elektronik, die den Elektro-Magneten steuert und normalerweise nur per Transponder aktivierbar ist. Diese Technik ist eine riesige Falle. Vermutlich müßten wir die Scheiben in den Türen einschlagen und / oder die Türen eintreten, um rein und raus zu kommen.
Wir sind verdammt abhängig von Elektrizität. Die ersten beiden Punkte finde ich ja noch ganz angenehmn, aber der Rest ist eine einzige Katastrophe.
Und das gruseligste am letzten Punkt ist, dass wir gar keine Aliens mit Raumschiff-Enterprise-Kraftfeldern brauchen, damit die Tür-Elektronik ausfällt. Ein einfacher Brand, der das Stromversorgungskabel für die Tür-Elektronik durchtrennt, reicht vollkommen aus. Oder noch einfacher, eine Überspannungsspitze, die das Netzteil für diese Falle killt. Ein ganz normaler Blitzeinschlag in der näheren Umgebung sollte reichen.
Alexander
--
Today I will gladly share my knowledge and experience, for there are no sweeter words than "I told you so".