Mathematik - Schlag auf Schlag
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- mathematik
Hallo in die Runde,
mit den Schlägen sind aufeinander folgende Zirkelschläge gemeint...
Gegeben ist ein beliebiges Dreieck ABC und ein frei gewählter Punkt P0 auf der Strecke AB (keiner der Endpunkte).
Man schlägt nun mit dem Zirkel einen Kreisbogen um A durch P0 im Gegenuhrzeigersinn bis zum Schnittpunkt mit CA, wir nennen ihn P1.
Dann schlägt man entsprechend einen Kreisbogen um C durch P1 bis zum Schnittpunkt mit BC, genannt P2.
Und schließlich einen Kreisbogen um B durch P2 bis zum Schnittpunkt P3 mit AB.
Anmerkung:
Falls einer der Kreisbögen nicht die angezielte Dreiecksseite trifft,
muss man mit einem geeigneteren Ausgangspunkt P0 von vorn anfangen.
In den meisten Fällen, in denen der Dreifach-Schlag gelingt, wird P3 vom Ausgangspunkt P0 verschieden sein.
Aufgabe (1): |
---|
Welche Bedingung muss P0 erfüllen, damit P3 mit P0 zusammenfällt? |
Im Fall, dass die Dreier-Kette sich jedoch nicht schließt, soll die Prozedur mit drei weiteren Zirkelschlägen im gleichen Sinn fortgesetzt werden, so dass man Punkte
P4 auf CA, P5 auf BC und P6 auf AB erhält:
Aufgabe (2): |
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a) Man stelle eine Vermutung über den Punkt P6 an. |
b) Man beweise diese Vermutung. |
Viele Grüße
ottogal
Aufgabe (1): Welche Bedingung muss P0 erfüllen, damit P3 mit P0 zusammenfällt?
Da hätte ich mich deutlicher ausdrücken sollen: Gemeint ist eine geometrische Bedingung für P0.
Anders ausgedrückt: Wie lässt sich P0 konstruieren?
Hallo,
Da hätte ich mich deutlicher ausdrücken sollen: Gemeint ist eine geometrische Bedingung für P0.
Anders ausgedrückt: Wie lässt sich P0 konstruieren?
Ist damit gemeint, dass auch das Dreieck konstruiert werden darf, also bestimnte Bedingungen erfüllen muss?
Gruß
Kalk
Hallo ottogal,
Okay, dann muss ich noch mal grübeln. Sorry für den offenen Post, das sollte eine Private Nachricht sein 🙁
Rolf
Das passiert mir auch immer wieder...
Hallo in die Runde, ich löse mal auf.
Die Dreiecksseiten seien wie üblich mit a, b, c bezeichnet. Die Radien der Kreisbögen nennen wir der Reihe nach r1 bis r6. Die Lage des Punktes P0 legen wir fest durch die variable Streckenlänge x=AP0.
Im Folgenden unterstellen wir, dass der gewählte Wert von x alle Kreisbögen erlaubt.
Stes gilt:
r1 = x
r2 = b − r1 = b − x
r3 = a − r2 = a − b + x
r4 = c − r3 = c − a + b − x
r5 = b − r4 = b − c + a − b + x = a − c + x
r6 = a − r5 = a − a + c − x = c − x
Lösung von Aufgabe (1):
Die Bedingung für P3=P0 lautet r3 = c − x, also
a − b + x = c − x
2x = c − a + b
Mit u für den Umfang des Dreiecks, u = a + b + c, und s = u/2 folgt
2x = u − 2a
x = s − a
In diesem Fall gilt also r1 = s − a,
und entsprechend auch r2 = s − c und r3 = s − b;
natürlich ist r1 + r2 + r3 = s.
Den gefundenen speziellen Wert für x nennen wir im Folgenden a', den speziellen Punkt P′0.
Bemerkung:
Ist der Radius r1 größer als a', etwa r1 = a' + d, dann wird r2 um d kleiner und folglich r3 um den gleichen Wert d größer.
Die Punkte P0 und P3 liegen dann also um 2d voneinander entfernt,
und der Mittelpunkt der Strecke P0P3 ist stets P′0:
Man kann das gut in der Geogebra-Zeichnung verfolgen, indem man den Punkt P0 verschiebt.
Lösung von Aufgabe (2):
Oben erhielten wir r6 = c − x.
Daraus folgt sofort AP6=AB−r6=c−c+x=x=AP0.
Das ist der Beweis für die Vermutung, dass P0 und P6 stets zusammenfallen,
die Sechserkette sich also immer schließt, unabhängig von der Wahl von P0.
Zur Konstruktion von P0:
Wenn einem das Bild eines Dreiecks mit Inkreis vor's (vllt. innere) Auge kommt, erkennt man, dass P0 der Berührpunkt von AB mit dem Inkreis sein muss:
Die Tangentenabschnitte von einer Ecke zu den benachbarten beiden Berührpunkten sind ja jeweils gleich lang:
AP0=AP1=a′, CP1=CP2=c′, BP2=BP3=b′.
Alle 6 addieren sich zum Umfang:
u = 2a' + 2b' + 2c', also s = a' + b' + c'.
Es folgt a' = s − (b' + c') = s − a, wie oben.
Somit ist AP′0=a′, und man erhält P′0 als Fußpunkt des Lotes vom Inkreismittelpunkt auf AB.
Anderer Weg:
Im Fall, dass drei Kreisbögen mit P3≠P0 vorliegen, konstruiert man den Mittelpunkt M der Strecke P3P0.
Nach der Bemerkung oben hat AM dann die gesuchte Länge a', es ist M=P′0.
Noch ein anderer Weg:
Man konstruiert eine Strecke der Länge a' = s − a.
Viele Grüße
ottogal
Die Schlägerei geht weiter!
(Es sei denn, ihr gebt euch geschlagen – oder schlagt euch in die Büsche...
Mit dem Bisherigen als Vorübung sollte es aber nicht schwer sein.)
Statt mit Dreiecken schlagen wir uns mit Vierecken herum. Die sollen auf jeden Fall konvex sein, d.h. keine einspringende Ecke haben.
Die Seiten benennen wir so: AB = a, BC = b, CD = c, DA = d.
P0 sei wieder ein beliebig wählbarer Punkt auf AB, und wir erzeugen (entsprechend wie bei der Dreiecksaufgabe) durch zusammenhängende Kreisbögen um die Ecken A, D, C, B der Reihe nach die Punkte P1 auf DA, P2 auf CD, P3 auf BC und P4 auf AB.
Wir unterstellen wieder, dass alle 4 Bögen geschlagen werden können.
Es kommt nun vor, dass die Viererkette sich schließt (also P4 mit P0 zusammenfällt), oder eben nicht:
Aufgabe (3): |
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a) Angenommen, bei einem vorliegenden Viereck und gegebenem Startpunkt P0 schließt sich die Viererkette. Man zeige: Sie schließt sich dann auch, wenn man einen anderen Startpunkt P0 auf AB wählt. |
b) Angenommen, bei einem vorliegenden Viereck und gegebenem Startpunkt P0 schließt sich die Viererkette nicht. Man zeige: Sie schließt sich dann auch nicht, wenn man einen anderen Startpunkt P0 auf AB wählt. |
Aufgabe (4): |
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Welche geometrische Eigenschaft muss ein Viereck haben, damit sich jede Viererkette schließt? |
Viele Grüße!
ottogal
Hallo in die Runde,
außer @Tabellenkalk hat sich zum "Nachschlag" niemand mehr geäußert - ich löse daher mal auf.
Lösung von Aufgabe (3):
a)
Für die Radien der Kreisbögen gilt hier:
r1 = x
r2 = d - r1 = d - x
r3 = c - r2 = c - d + x
r4 = b - r3 = b - c + d - x
Die Bedingung für P4=P0 lautet r4 = a - r1 = a - x,
also b - c + d - x = a - x
und damit b + d = a + c.
Hier fällt x heraus - die Bedingung ist also nur eine an die Seiten des Vierecks:
Die Längen gegenüberliegender Seiten haben jeweils die gleiche Summe.
Auf die Wahl von P0 kommt es nicht an.
b)
Gäbe es eine andere Wahl von P0, bei der sich die Kette doch schließt,
würde sie das wegen der Aussage a) auch mit dem Punkt P0 tun müssen, im Widerspruch zur Voraussetzung.
Ein anderer Weg:
Die Strecke P0P4 hat die Länge |r1 + r4 - a|, nach obigem also
|x + (b - c + d - x) - a| = |b - c + d - a|, unabhängig von x.
(Man sieht auch hier, dass P4=P0 gleichbedeutend ist mit b + d = a + c.)
Lösung von Aufgabe (4):
Bei der "Schlägerei" im Dreieck spielte der Inkreis eine Rolle. Daher liegt die Vermutung nahe, dass bei einem Viereck, das einen Inkreis besitzt, sich die Viererkette schließt, andernfalls nicht. (Solche Vierecke heißen Tangentenvierecke, weil ihre Seiten den Inkreis berühren.)
Im ersten Fall sieht man sofort: Wählt man für P0 bis P3 die Berührpunkte des Inkreises mit den Seiten, erhält man an einer Ecke jeweils gleichlange Tangentenabschnitte bis zum Berührpunkt. Es gibt vier (im allgemeinen verschieden lange) Abschnitte, die jeweils zweimal vorkommen.
Zwei Gegenseiten setzen sich jeweils aus diesen 4 (verschieden gefärbten) Abschnitten zusammen.
Somit bestätigt sich die Bedingung für das Schließen der Viererkette: b + d = a + c.
Diese Gleichheit der Summen der Gegenseiten ist die bekannte Kennzeichnung für ein Tangentenviereck.
Aufgabe (3) a) hat ergeben, dass (anders als bei den Dreiecken) der Anfangspunkt P0 nicht unbedingt der Berührpunkt von AB mit dem Inkreis sein muss: Der Wert von x spielt keine Rolle.
In einem Tangentenviereck schließt sich die Viererkette also immer, egal bei welchem Startpunkt P0 (auf irgend einer der Seiten!) man anfängt.
Viele Grüße
ottogal
Die Anregung zu dieser "Schlägerei" bekam ich durch den Vortrag "Der Inkreis" von Hans Walser:
https://www.walser-h-m.ch/hans/Vortraege/20231118/index.html
Der antiquarische Wert des Quelltextes dieser Website steht hier nicht zur Diskussion.
(Ein Beispiel für Content matters!)