Hi Matti,
mir scheint es so, als hättest Du in Deinem Bekanntenkreis einige ultranervige Kriegsgegner, denn sonst macht Deine Argumentation wenig Sinn. Es gab und gibt sehr viele sachliche Argumente, von Kriegsgegnern, und damit kann man sich durchaus auseinandersetzen, ohne in ärmliche Pauschalurteile zu verfallen, oder?
Wer ist schon "für" einen Krieg, außer jenen, die davon profitieren und nichts riskieren?
Vielleicht gibt es tatsächlich Menschen im Irak, die gegen Saddam Hussein "sind" und sich über die Folgen des Krieges (Entmachtung des Diktators) freuen? Ich weiß es nicht.
Aber ich kann mir schon vorstellen, daß Menschen bereit sind, in den Folgen eines Krieges ein höheres Ziel als das Leben von sich selbst und vielleicht einigen tausend ihrer Mitmenschen (mehr?, weniger?) zu sehen.
Meist ist es allerdings so, dass einige im Kriegsziel einen höheren Wert sehen als im Wert des Lebens einiger anderer....
Der türkische Dichter Orhan Veli hat es sinngemäß mal so formuliert:
"Was haben wir nicht alles für unser Vaterland getan!
Einige sind gestorben,
andere haben Reden gehalten!"
Was ist, wenn George Bush Beweise hat, die einen Krieg rechtfertigen würden, die er aber nicht zeigen kann (aus welchem Grund auch immer)? Nicht daß ich daran glauben würde :-)
Auch ein guter Despot wäre ein Despot...
War es gut, daß die USA in den zweiten Weltkrieg eingegriffen hat, was unter anderem dazu führte, daß Hitler entmachtet wurde?
Ja, aber der zweite Weltkrieg wurde nicht von den USA begonnen, oder? Hitler wurde nicht von den Amerikanern aufgerüstet, gegen sein eigenes Volk stark gemacht und zu Kriegen gegen die Nachbarn aufgestachelt.
Mir fallen da noch ein paar Szenarien ein. Beispielsweise der einer "humanitären Katastrophe", oder, um etwas mehr mit molily (bzw. Adorno) zu sprechen, um ein weiteres Auschwitz zu verhindern (alles nur hypothetisch!).
Selbt der extreme Gegensatz zwischen den Betreibern der Konzentrationslager und ihren Gegnern im zweiten Weltkrieg rechtfertigt nicht jedes Mittel, wenn man sich nicht nicht mit den Tätern auf eine Stufe stellen will. Hat man damals die zweite Atombombe auf Japan geworfen, weil eine nicht zur Erzwingung der Kapitulation ausgereicht hätte, oder weil man zwei Bomben hatte und sie gern testen wollte? Warum hat man sie auf zivile Ziele geworfen?
Sicher, der Hass, der in solchen Taten steckt, wie im Abwurf von Bomben auf bewohnte Städte ist von den Japanern und den Deutschen ausgegangen, aber dennoch: Warum wurden derart viele zivile Ziele mit rücksichtsloser Brutalität angegriffen, ohne dass es dafür eine militärische Rechtfertigung gab? Die extreme Entgegensetzung zwischen gut und böse führt meist zu einer enthemmten Brutalisierung und Entmenschlichung auch der Guten. Etwa wenn die Briten im Zuge der Invasion in der Normandie die Stadt Caen samt verbliebenen französischen Einwohnern mit Bombenangriffen dem Erdboden gleichmachten, ohne militärisch damit etwas zu erreichen, vielleicht sogar eine Erschwerung des Vormarsches in Kauf zu nehmen.
Mir fällt beim durchlesen auf, daß ich mehr Fragen stelle als Antworten geben kann. Damit will ich nur zeigen, daß ich nicht weiß, was ich von diesem Krieg zu halten habe. Keine der beiden Diskussionsparteien konnte mich bisher überzeugen.
Wenn Du von beiden Seiten nicht wirklich überzeugt bist, solltest Du dann nicht logischerweise gegen den Krieg sein, denn dieser bedarf der besonderen Rechtfertigung, nicht der Weg von Verhandlungen und Frieden, oder? Die Beweislast trägt meines Achtens der Agressor.
Viele Grüße
Mathias Bigge