Mathias Bigge: Verliere ich meine sozialen Kompetenzen?

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Hi Andre,

ich habe vor ca 4 Jahren mit der PHP und MySQL  Programmierung angefangen. Bisher habe ich auch schon einige Internetshops, Datenbnken und Webseiten programmiert.

Das machen viele, es erscheint mir relativ belanglos, wenn Du etwas über dich mitteilen willst.

Ich komme mit vielen Menschen nicht mehr klar!
Irgendwie kommt mir das gerede vieler Menschen unkompetent, unüberlegt und oft einfach dumm vor.

Wie genau siehst Du den Zusammenhang zu Deiner proggerei?

Entweden es werden belanglose Fragen gestellt, oder es wird über etwas diskutiert von dem keiner der Gesprächspartner etwas verteht.

Bei Kafka gibt es eine Stelle, wo der Erzähler ein belangloses Gespräch von zwei Nachbarinnen mithört, dessen selbstverständliches zu-Hause-Sein in den Belanglosigkeiten des Alltags ihn vollständig fasziniert. Ähnlich bei Hermann Hesses Steppenwolf, der bewusst in einem spießigen Umfeld wohnt, weil er den Kontakt zur Alltagswelt verloren hat. Vielleicht ist auch der Chandos-Brief in diesem Kontext interessant:
http://www.ni.schule.de/~pohl/literatur/material/chandos.pdf

Das hat mich früher nie gestört. Nun habe ich aber echte Probleme im Alltag damit.
Hat jemand ähnliche Erfahrungen gemacht?

Die Literatur zeigt, dass es eine typische Erfahrung des 20. Jahrhunderts ist, das Gefühl des unüberbrückbaren Abstands zum Alltag und zu den anderen. Die Freiheit und Vereinzelung in unserer Gesellschaft können zum Urteil werden, Marx hat das als Enfremdung zu analysieren versucht.

Was genau erscheint Dir entwertet, vielleicht denkst Du darüber nach. Ist es nicht das Menschlich, der Alltag, das Nicht-Strategische, Nich-Objektivierbare? Genau das unterliegt in dieser Gesellschaft einer allgemeinen Entwertung.

Es ist geradezu eine besondere Fähigkeit, strategische Ziele aus dem Auge zu verlieren, sich in einer Situation zu Hause zu fühlen. Der Mensch kann aber jederzeit aus dieser zentrischen Position heraustreten und beginnen, sich selbst und seine Umwelt aus der Distanz zu beobachten. Sartre hat dieses Erlebnis vielfach geschildert.

Eine einfach Situation kann zeigen, wie das gemeint ist: Du schaust durch ein Schlüsselloch, beobachtest etwas, was für dich sehr bedeutsam und wichtig ist, bist ganz Beobachtung, voll bei der Sache. Plötzlich hörst Du hinter Dir ein Geräusch, erkennst, dass dich jemand beobachtet. Du siehst dich augenblicklich mit den Augen des anderen, Abscheu kommt auf, dieser elende Lauscher da, das bin ich. Im Roman "Der Ekel" zeigt Sartre, wie unerträglich aus dieser Perspektive der Selbstdistanz und Selbstbeobachtung den Alltag und  die normalen Menschen, die AHnungslosen, machen kann.

Die Haltung der Selbstdistanz und der Objektivität wird in der Welt der binären Systeme heroisiert, es herrscht häufig ein Ton rücksichtsloser Genauigkeit, Gefühle erscheinen da schnell als bloßer Störfaktor. Wenn sich das mit den gesellschaftlichen Tendenzen zur Objektivierung und Ökonomisierung des Lebens überlagert, kommt oft ein großes Maß an Kontaktstörung und Lebensunfähigkeit dabei heraus.

Du kennst die Abbildung, wo ein junger Mann neben seiner Freundin auf dem Bett liegt, mit dem Rücken zu ihr, während sie sagt: "Du, wir müssen reden!"
Bildunterschrift: "Situationen, in denen Informatik nichts hilft..."

Viele Grüße
Mathias Bigge