Richard Rüfenacht: Kapitalismuskritik

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Hallo Mathias,

Gerade dies ist einer der Vorteile des Kapitalismus gegenüber Ideologien.
Worauf bezieht sich "dies"?

Auf das Wunder der allseitigen Kapitalismuskritik. Kapitalistische Grundsätze dürfen, können, sollen, müssen ständig hinterfragt, überprüft, bestätigt, korrigiert oder verworfen werden. Für Ideologien jederwelcher Prägung wird dies gerade vermieden.

Hat nicht auch der Kapitalismus seine Ideologie, wenn man darunter Glaubenssätze versteht, die ohne Prüfung gelten sollen?

Ja, auch der Kapitalismus war und ist vielfach reine Ideologie. Gwinnorientiert Handeln ist aber nicht notwendigerweise kapitalistische Ideologie, selbst Marx sah das keinesweg so. Seit dem Kapitalismus der Kommunismus als Gegenpart abhanden gekommen ist, ist diese Terminologie ohnehin irgendwie hohl. Kapital ist seit eh und je nur ein Faktor. Das Verrückte, und eigentlich auch ganz Neue an der jetzigen Situation ist, dass weltweit mehr Kapital angeboten als nachgefragt wird. Und die Bereitschaft der Anleger, die unvorstellbare Verschuldung der USA damit zu unterstützen lässt nach.

Ist nicht unsere aktuelle Politik hoch ideologisch?

Darüber bin ich unschlüssig. Ich kann (jedenfalls für Deutschland) nicht so richtig ergründen, was Ursache und was Wirkung ist. Sind ideologische Parolen einfach die Folge von unreflektierten Verhaltensmustern? Oder prägen umgekehrt festgefahrene Ideologien das politische Handeln?

Sie werden aber nicht allgemein in Anwendung gebracht, sondern nur für die Teile der Belegschaft, die man für entwicklungsfähig und für wertvoll hält.

Was wäre die Alternative? Auf den Elektrolocks in England fuhren lange Zeit untätig die ehemaligen Heizer von den Dapflocks mit. Das nicht mehr benötigte Personal der japanischen Eisbahnen, das nicht entlassen werden darf, steht jetzt auf den Bahnhöfen herum und begrüsst freundlich alle Reisenden. Sollen etwa die nicht umschulungswilligen und -fähigen Bankangestellten als wandelnde Litfass-Säulen eingesetzt werden?

Soziale Verantwortung in meinem Sinne müsste wieder mehr Menschen einbeziehen.

Es gibt zwei konkurrierende Ansichten: erstellen präziser Anforderungsprofile und gezielter Personalsuche einerseits und andererseits Einstellen fähiger Leute und schaffen entsprechender Arbeitsplätze. In beiden Fällen werden aber bestimmte Menschen ausgeschlossen. Ich finde schon, dass Unternehmen eine soziale Verantwortung für alle haben. Sozialbilanzen sind aber noch nicht ausreichend bekannt und anerkannt und werden gerade vom Staat nicht gewürdigt.

Der Export boomt nur relativ zur schwachen Inlandsnachfrage
Nein, es ist ein wirklicher Boom.

Gut, glaube ich einfach mal so.

, jedenfall ist er keine Triebkraft zum Schaffen neuer Arbeitsplätze.
Das genau sehe ich als ein Kernproblem. Auch auf der Steuerseite scheinen die hohen Exportzahlen wenig zu versprechen. Bieten unsere Gesetze da zuviele Lücken?

Versteuert werden nicht die Exporte, sondern die Gewinne. Mit Verlust für den Export produzierte Autos bringen gute Exportzahlen, aber keine Steuereinnahmen. Es schafft aber auch keinen Anreiz, Produktionskapazitäten auszubauen und Arbeitsplätze zu schaffen. Multinationale Konzerne können zudem die Steuerlast "optimieren". Ausserdem werden durch die Wirtschaftsförderung Steuervorteile zum Nachteil anderer Unternehmen wie warme Semmeln angeboten.

Es müssen schon echte Arbeitsplätze her. Was spricht dagegen, im staatlichen Bereich, etwa in den Bereichen Kinderbetreuung und Bildung offensiv Arbeitsplätze als Investition in die Zukunft zu schaffen?

Du erträgst ja meinen Zynismus mit Humor ;-). Würdest du eine derart zukunftsweisende Aufgabe einem Unternehmen übertragen, das bei der Lösung bisher auf der ganzen Linie versagt hat? Warum um alles in der Welt kommt mir da gerade Nietzsche mit seiner Forderung nach der Umwertung aller Werte in den Sinn? ;-)

Ein paar Jahre vor den 68ern wurde von der Deutschen Bildungskatastrophe geredet. Abhilfe schaffen sollte die kybernetische Pädagogik. Ich war dabei. Deutschlands Zukunft stand auf dem Spiel, was mich weniger interessierte als die Sache an und für sich. Die Pädagogik hat sich wieder entkybernetisiert und die Pädagogen sind Garant für Deutschlands Zukunft. Ob die mit mehr Pädagogen aber wirklich besser wird?

Mehr Arbeitsplätze im Bildungsbereich wären sicher nicht schlecht, aber doch eher nur einen Tropfen auf den heissen Stein. Ob das wirklich eine Investition in die Zukunft ist, müsste bewiesen werden. Gerade der ganze Bildungsbereich entzieht sich beharrlich einer wirtschaftlichen Beurteilung. Professionelle Kinderbetreuung in Firmen scheint mir da aussichtsreicher und schafft auch Arbeitsplätze.

Ein wirklich gutes Konzept zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit von Seiten der Unternehen, das fände ich interessant.

Dazu müsste wohl der Staat zunächst auf seinen Monopolanspruch verzichten. Immerhin sorgen die Arbeitslosen beim Staat ja auch für Beschäftigung ;-)  Viele Firmen, und ich meine es ist die Mehrheit, machen sich ja durchaus Sorgen um die menschlichen Schicksale und versuchen Entlassungen zu vermeiden. John Deere in Mannheim, die ehemalige Lanz Traktoren, halte ich für ein gutes Beispiel, weil ganz gezielt die regionale Verankerung als Wert gesehen wird. Geredet wird aber fast immer nur von den anderen.

Beste Grüsse
Richard

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Kapitalismuskritik

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