Mathias Bigge: Kapitalismuskritik

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Kapitalismuskritik

Mathias Bigge
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    Das alte Prinzip des Sündenbocks

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            Mathias Bigge

Hi alle,

seit er Wahl eines deutschen Papstes kommt es zu allerlei Wundern, wen könnte das überraschen!? Das Wunder, das mich zur Zeit am stärksten beschäftigt, ist die allseitige "Kapitalismuskritik" quer durch die politische Landschaft. War bisher die einheitliche Sabine-Christiansen-Perspektive der Politik, dass nur mehr Kapitalismus denselben retten könnte, ruft man plötzlich nach altmodischen Dingen wie sozialer Verantwortung und kommt mit heftiger Kritik an Firmen und Managern um die Ecke.

Sicher, es stimmt, mitten im Exportboom bricht der Ausbildungsmarkt zusammen, liegt die Arbeitslosigkeit bei 5 Millionen, werden die diversen Senkungen gesetzlicher Schwellen nicht dazu genutzt, neue Leute anzuheuern, sondern langgediente Angestellte zu feuern. Hartz IV greift nicht, oder?

Da erscheint nun Oskar Lafontaine auf einer Veranstaltung der Neupartei WASG und bezeichnet all das neue Gerede als konsequenzloses Wahlkampfgerede und präsentiert konkrete Forderungen:

"Statt Ackermann zu beschimpfen, solle man einfach den Spitzensteuersatz auf über 50 Prozent anheben. Statt mangelnde Moral der Manager zu beklagen, solle man Managerhaftung einführen. Statt Hedge-Fonds als Heuschrecken zu bezeichnen, solle man die unter Rot-Grün eingeführte Erlaubnis für Hedge-Fonds zurückziehen. Statt "blauäugig" von Unternehmern Arbeitsplätze zu fordern, solle der Staat sie gescheit besteuern und mit öffentlichen Investitionen selbst Arbeitsplätze schaffen. Statt den brutalen Finanzkapitalismus zu beklagen, solle man Dispokredite verbieten, mit denen die Armen gemolken würden. Statt "in heuchlerischer Weise" über Billiglöhne zu jammern, solle man endlich Mindestlöhne einführen."
aus dem Spiegel-Online

Was haltet ihr davon? Auch Beiträge des Papstes, von Norbert Blüm und Herrn Müntefering sind willkommen!

Viele Grüße
Mathias Bigge

  1. Tachchen!

    "Statt Ackermann zu beschimpfen, solle man einfach den Spitzensteuersatz auf über 50 Prozent anheben.

    Hatten wir schon und er wurde zusammen mit den anderen Steuersätzen gesenkt,
    um mehr Binnennachfrage zu ermöglichen. Ob das geklappt hat oder welcher
    Steuersatz besser war, kann ich nicht sagen.

    Statt mangelnde Moral der Manager zu beklagen, solle man Managerhaftung einführen.

    Das sind 2 _völlig_ unterschiedliche Paar Schuhe, auch wenn auf beiden Seiten
    das Wort "Manager" auftaucht.

    Statt Hedge-Fonds als Heuschrecken zu bezeichnen, solle man die unter Rot-Grün eingeführte Erlaubnis für Hedge-Fonds zurückziehen.

    Denkbar, doch wer rettet dann die angeschlagenen Unternehmen?

    Statt "blauäugig" von Unternehmern Arbeitsplätze zu fordern, solle der Staat sie gescheit besteuern und mit öffentlichen Investitionen selbst Arbeitsplätze schaffen.

    Erstere Idee halte ich für zumindest mal neu und überdenkenswert,
    für letzteres fehlt bekanntlich die Kohle, sonst würden zumindest
    Lehrer bestimmt aktuell gerne eingestellt.

    Statt den brutalen Finanzkapitalismus zu beklagen, solle man Dispokredite verbieten, mit denen die Armen gemolken würden.

    Wie unterscheiden diese sich von anderen Dispokrediten?

    Statt "in heuchlerischer Weise" über Billiglöhne zu jammern, solle man endlich Mindestlöhne einführen."

    Totaler Unsinn. Mindestlöhne bedeuten nur, dass nicht mehr Arbeitskräfte
    importiert, sondern Arbeitsplätze exportiert werden.

    Das nur so spontan als mein Meinungsbild auf die Schnelle.

    Gruß

    Die schwarze Piste

    --
    ie:{ fl:( br:^ va:) ls:# fo:) rl:( n4:& ss:{ de:] js:| ch:? mo:) zu:$
    Smartbytes Webdesign in Oberhausen
    1. Letztendlich könnte ich Stunden darüber reden aber Ändern tut sich nichts.
      Niemals wird der Großteil zufrieden mit der Politik sein, auch nicht in einer Diktatur.

  2. Hi,

    ist die allseitige "Kapitalismuskritik" quer durch die politische Landschaft.

    alter Wein in neuen Schläuchen? Kapitalismuskritik ist seit Marx und Engels nichts neues. Auffällig ist nur der Opportunismus, mit dem unsere führenden Köpfe sie für ihr Marketing zu nutzen suchen. Aber Opportunismus wiederum ist in diesen Kreisen auch nichts neues...

    Die Zeit hat eine Reihe "Die Zukunft des Kapitalismus" mit einer äußerst lesenswerten literarischen Phantasie Robert Menasses eröffnet: http://www.zeit.de/2005/17/Kapitalismus_1?term=Robert. Unabhängig vom Thema ist alleine der der Artikelentstehung vorgelagerte Dialog zwischen Menasse und der Zeit-Redaktion wunderbar...

    hth Robert

  3. Hallo,

    solange wir unsere Kinder nicht anständig erziehen (können aufgrund eigenem Unvermögen), bekommen wir später auch keine anständigen Manager. Haben wir dann erst einmal nach jedermanns eigenen subjektiven Meinung "unanständige" Manager (was immer das nun konkret bedeuten mag) nutzt auch nicht mehr sehr viel Mühe. Moral läst sich nicht gesetzlich verordnen sondern nur erziehen. Und Erziehung fängt ab der Geburt an.

    Wir haben die Politiker und Manager, die wir haben wollen. Moral fängt vor und noch mehr hinter der eigenen Haustüre an. Das ewige schielen auf "die da oben" und "die allgemeine Lage" beim retuschieren und relativieren der eigenen moralischen "Zweideutigkeiten" und das ewige abschieben von Verantwortung des einzelnen ist für mich immer unverständlicher. Brecht dachte noch, das erst das fressen käme, und dann die Moral. Da fehlte wohl ein "vielleicht"...

    Chräcker

    --
    Erinnerungen?
    zu:]
    1. Hi Chräcker,

      Du hebst sehr auf die Moral als Ursache und Lösungsweg ab:

      solange wir unsere Kinder nicht anständig erziehen
      Wir haben die Politiker und Manager, die wir haben wollen. Moral fängt vor und noch mehr hinter der eigenen Haustüre an.

      Ich möchte da einigen Zweifel anmelden. Natürlich gibt es viele Bereiche, in denen das stimmt, aber die Quellen der wirtschaftlichen Probleme sehe ich nicht darin. Es ist ein systemischer Widerspruch aus meiner Sicht.

      Die Manager handeln aus betriebswirtschaftlicher Sicht meist durchaus logisch, wenn auch rücksichtslos. Dass dieses Einzelverhalten, das darauf abzielt, in der Konkurrenz zu bestehen, in der Summe heftige Krisen produziert, ist sichtbar, und meines Erachtens nur durch strukturelle Steuerungsmaßnahmen in den Griff zu bekommen.

      Anders gesagt: Es muss sich lohnen, sich sozial zu verhalten. Im Moment ist der Marktwert der Ware Mensch im Keller und damit wird der Sinn unseres Sozialsystem von der Wirtschaft verfehlt, da die Menschen betriebswirtschaftlich nur Mittel, nicht aber Zweck sind. Es müsste also die Frage gestellt werden, wie man den Wert des Menschen politisch wieder zu einem zentralen Wert unserer Gesellschaft machen kann.

      Viele Grüße
      Mathias Bigge

      1. Hi Mathias,

        Die Manager handeln aus betriebswirtschaftlicher Sicht meist durchaus logisch, wenn auch rücksichtslos.

        ich frage mich mittlerweile oft, ob sie tatsächlich logisch handeln, bzw. ob sie die Lage vielleicht mit einem gewissen Tunnelblick beurteilen. Wenn ich auf einem 50 cm schmalen Steg gehe und mein Blickwinkel mir nur die Sicht auf eben diese 50 cm Breite zulässt, erscheint es durchaus logisch, sorgenlos und unbeschwert weiterzumarschieren, da ich den 1000 m tiefen Abgrund zu beiden Seiten nicht sehe.

        Dass dieses Einzelverhalten, das darauf abzielt, in der Konkurrenz zu bestehen, in der Summe heftige Krisen produziert, ist sichtbar, und meines Erachtens nur durch strukturelle Steuerungsmaßnahmen in den Griff zu bekommen.

        Kann ein Unternehmen tatsächlich _nur_dann_ am Markt bestehen, wenn es permanente Wachstumsraten aufweist und Renditen erwirtschaftet, von denen man als Nicht-Millionär nur träumen kann? Kann überhaupt ein Markt auf Dauer existieren, der _nur_ auf Wachstum basiert?

        Das -- für mich, nicht jedoch für einen BWLer aus meinem Bekanntenkreis -- unlogische am derzeitigen Verhalten der Manager in den deutschen Unternehmen (und vermutlich nicht nur hier) ist ganz einfach, dass sie scheinbar nicht sehen, dass sie sich (zumindest zum Teil) ihren eigenen Markt wegrationalisieren. Wer soll denn die Produkte noch alle kaufen? Die Arbeitslosen? Diejenigen, die mit ihren Sozialabgaben die Arbeitslosen unterstützen? Die Chinesen? Nein, letztere sind so schlau, dass sie sich erst einmal die westlichen Unternehmen ins Land holen, um das Knowhow zu bekommen und um anschließend ihre Waren selbst zu produzieren (was ich an deren Stelle übrigens genauso machen würde). Da werden noch einige Manager, die sich viel versprechen vom chinesischen Markt, ganz schön dumm aus der Wäsche schauen. Naja, und die Arbeitslosen und die Sozialabgabenzahler haben nur noch das Geld für das Allernötigste übrig, was bedeutet, dass letztlich nur noch Lidl und Co. profitieren, nur auf wessen Kosten ...

        Anders gesagt: Es muss sich lohnen, sich sozial zu verhalten. Im Moment ist der Marktwert der Ware Mensch im Keller und damit wird der Sinn unseres Sozialsystem von der Wirtschaft verfehlt, da die Menschen betriebswirtschaftlich nur Mittel, nicht aber Zweck sind. Es müsste also die Frage gestellt werden, wie man den Wert des Menschen politisch wieder zu einem zentralen Wert unserer Gesellschaft machen kann.

        Ganz ehrlich: Ich glaube nicht, dass die Politik _daran_ auch nur ein Fitzelchen ändern kann. Früher habe ich in "den Arbeitgebern" (schön pauschalisiert, nicht wahr?) immer noch faire Verhandlungspartner gesehen, mittlerweile habe ich diesen Glauben so ziemlich verloren. Es gibt einfach zu viele Widersprüche zwischen Worten und Taten unserer "Wirtschaftsbosse". Wie war noch das Sprichwort mit dem Finger und der ganzen Hand ... oder war's doch eher der ganze Arm? Sorry, aber mir wird mittlerweile schlecht, wenn ich Leute, die jedes Jahr ein Vielfaches dessen vereinnahmen, was man in einer beliebten TV-Quiz-Show auf RTL maximal gewinnen kann, darüber reden höre, dass es ihrem Unternehmen sooo schlecht geht und man jetzt mal den Gürtel enger schnallen müsse. Wer "man" ist, erfahren die abhängig Beschäftigten später ...

        Geht es dem Unternehmen schlecht, so zahle dem Führungspersonal eine Prämie als Anreiz, das Unternehmen wieder auf einen gewinnbringenden Kurs zu steuern. Geht es dann bergauf, so zahle der Führungsriege eine weitere Prämie als Belohnung für gute Arbeit. >:-0

        Schönen Sonntag noch!
        O'Brien

        --
        Frank und Buster: "Heya, wir sind hier um zu helfen!"
        1. hi,

          Naja, und die Arbeitslosen und die Sozialabgabenzahler haben nur noch das Geld für das Allernötigste übrig, was bedeutet, dass letztlich nur noch Lidl und Co. profitieren, nur auf wessen Kosten ...

          gerade lidl profitiert wohl auf kosten der allgemeinheit - die sind nämlich über ein netzwerk aus "stiftungen" organisiert, so dass ihre steuerabgaben für ein unternehmen dieser größenordnung ein witz sind.

          gruß,
          wahsaga

          --
          /voodoo.css:
          #GeorgeWBush { position:absolute; bottom:-6ft; }
          1. Hi wahsaga,

            gerade lidl profitiert wohl auf kosten der allgemeinheit - die sind nämlich über ein netzwerk aus "stiftungen" organisiert, so dass ihre steuerabgaben für ein unternehmen dieser größenordnung ein witz sind.

            Diese Stiftungskonstruktion finde ich wirklich interessant. Weißt Du mehr darüber?

            Viele Grüße
            Mathias Bigge

            1. Hi Mathias,

              gerade lidl profitiert wohl auf kosten der allgemeinheit - die sind nämlich über ein netzwerk aus "stiftungen" organisiert, so dass ihre steuerabgaben für ein unternehmen dieser größenordnung ein witz sind.
              Diese Stiftungskonstruktion finde ich wirklich interessant. Weißt Du mehr darüber?

              als Anfang könnte dir der Artikel in der Wikipedia dienen.

              Schönen Sonntag noch!
              O'Brien

              --
              Frank und Buster: "Heya, wir sind hier um zu helfen!"
        2. Sup!

          Kann ein Unternehmen tatsächlich _nur_dann_ am Markt bestehen, wenn es permanente Wachstumsraten aufweist und Renditen erwirtschaftet, von denen man als Nicht-Millionär nur träumen kann? Kann überhaupt ein Markt auf Dauer existieren, der _nur_ auf Wachstum basiert?

          Natürlich kann nichts auf Dauer existieren, was auf Wachstum basiert. Darum wird auch die Rentenversicherung kollabieren, ist sie doch auf permanentes Bevölkerungs- bzw. zumindest Gewinnwachstum angewiesen.
          Und jetzt haben wir leider immer älter werdende Rentner, Geburtenrückgang bei den leistungsstärkeren Schichten der Gesellschaft und sozial und bildungstechnisch problematische Nachkommen von Gastarbeitern u.a.; gleichzeitig kein Geld mehr für Bildung und Arbeitslose und Schuldenabbau etc.. Wir sind quasi im Arsch.
          Aber das war alles absehbar. Das ist kein Fehler des Kapitalismus, sondern ein Fehler, den die Bundesregierungen im Wirtschaftswunder verbrochen haben - auch auf Druck der Bevölkerung, die nur zu gerne an einen immerwährenden Boom geglaubt, auf die Versprechungen der Gewerkschaften gehört und gierig genommen hat, was sie bekommen konnte.
          Die Regierungen haben nie im Boom gespart, wie das im Keynesianismus eigentlich vorgesehen ist, sondern immer nur in schlechten Zeiten "öffentliche Konjunkturprogramme" aufgelegt, was aber nie zu einer wesentlichen Förderung des Wirtschaftswachstums geführt hat, sondern nur den Grundstein gelegt hat für die heutige Staatsverschuldung.
          Und auch heute noch faseln gerade die Sozialdemokraten gerne vom Binnenmarkt und von Konjunkturprogrammen, als hätten sie nichts aus den 70ern gelernt.
          Es scheint so, als hätte einfach niemand mehr gelernt, dass man nicht dauerhaft mehr Geld ausgeben kann, als man einnimmt. Wäre der Staat ein Wirtschaftsunternehmen, hätte er schon vor Jahrzehnten wegen mangelnder Geschäftsaussichten Konkurs anmelden müssen. Weil das aber nicht so ist und das Volk gar nicht gern hört, dass irgendwo Schluss ist und gespart werden muss (dann gründet es uneinsichtigerweise Linksparteien und versucht die finanzielle Fakten wegzudiskutieren etc.), geht halt alles weiter wie bisher, bis der Staatsbankrott eintritt.

          Das -- für mich, nicht jedoch für einen BWLer aus meinem Bekanntenkreis -- unlogische am derzeitigen Verhalten der Manager in den deutschen Unternehmen (und vermutlich nicht nur hier) ist ganz einfach, dass sie scheinbar nicht sehen, dass sie sich (zumindest zum Teil) ihren eigenen Markt wegrationalisieren.

          Markt wegrationalisieren? Die Gier der Menschen ist doch stärker als je zuvor. Sie kaufen doch. Jeder hat ein Handy, DVD-Player, fast jeder ein Auto, die Werbe-Branche floriert. Das wäre nicht so, würden die Leute nicht kaufen wie bekloppt. Hätten nicht auch die sozial Schwachen noch genug Geld zum ausgeben, dann hätte das s.g. Unterschichtenfernsehen keine Werbekunden, dann würde die Bedürfnis-Weckungs-Maschinerie namens Werbung nicht wie geschmiert laufen.

          Wer soll denn die Produkte noch alle kaufen? Die Arbeitslosen? Diejenigen, die mit ihren Sozialabgaben die Arbeitslosen unterstützen? Die Chinesen? Nein, letztere sind so schlau, dass sie sich erst einmal die westlichen Unternehmen ins Land holen, um das Knowhow zu bekommen und um anschließend ihre Waren selbst zu produzieren (was ich an deren Stelle übrigens genauso machen würde).

          Klar ist es Quatsch, Arbeitslosigkeit zu produzieren. Es ist aber auch Quatsch, nicht zu rationalisieren. Denn genau wie die Unternehmer wirtschaftlich denken, denken auch die Bürger wirtschaftlich. Die kaufen auch nicht den DVD-Player von Grundig für 399,-, sondern den von Medion für 39,-. Und dieselbe Presse, die an der einen Seite "die Wirtschaft" anklagt "Arbeitsplätze zu vernichten", streichelt auf der anderen Seite die "schlauen Schnäppchenjäger", die chinesische Discount-Ware kaufen und sich nicht "von der Industrie / dem Handel 'verarschen'" lassen, und berät in allerlei Kaufratgebern eifrig, wie und wo man noch drei Euro sparen kann. In diesen Kaufratgebern sind die Billigheimer aus Fernost sympathische Außenseiter, die günstig hergeben, wofür andere unverschämt viel Geld haben wollen. Auf der Wirtschafts-Seite oder im Politik-Teil anderer Presse-Erzeugnisse sind die selben Unternehmen Dumping-Löhne zahlende Sweat-Shops, die unsere Arbeitsplätze vernichten. Wenn der deutsche Durchschnittsbürger Kaufratgeber und Wirtschafts-Seite liest, sagt er wahrscheinlich jedesmal "Jawoll!" und findet das alles ganz richtig und erkennt wahrscheinlich nichtmal den Widerspruch.

          Es gibt nur zwei Alternativen: Entweder Protektionismus, Autarkiebestreben und "Deutsche kauft nur deutsche Produkte!" (Trigema-Hemden z.B.?), oder freier Handel, Schnäppchenjagd und globalisierter Wettbewerb inklusive Rationalisierungszwang.
          Es gibt nichts geschenkt. Die Zeiten des Kolonialismus, wo man die dritte Welt ausgebeutet hat, indem man Glasperlen für Diamanten und Kakao geliefert hat und halb Arabien besetzt, um das Öl für lau zu bekmmen, sind (zum Glück, denke ich doch) vorbei. Heute wollen die anderen auch weiterkommen. Wir können nicht erwarten, für 35 Wochenstunden soviel Geld zu verdienen, dass wir ganz viele Billig-Produke aus XY kaufen können, und gleichzeitig erwarten, dass die Leute aus XY für das bisschen Geld, was sie für 60 Wochenstunden Arbeit bekommen, auch noch Produkte von uns kaufen. Die sind ja nicht bescheuert und machen dabei mit. Und Kanonenboot-Diplomatie ist auch nicht mehr so in Mode.

          Da werden noch einige Manager, die sich viel versprechen vom chinesischen Markt, ganz schön dumm aus der Wäsche schauen. Naja, und die Arbeitslosen und die Sozialabgabenzahler haben nur noch das Geld für das Allernötigste übrig, was bedeutet, dass letztlich nur noch Lidl und Co. profitieren, nur auf wessen Kosten ...

          Tja. Die Chinesen werden ggf. auch noch dumm aus der Wäsche schauen. Die haben nämlich 1 Mrd. Leute und jede Mengen sozialen Sprengstoff, Demokratiedefizit etc. zu bewältigen. Mal sehen, ob die so locker drüber hinwegkommen, weswegen wir schon soviel Ärger hatten.

          Anders gesagt: Es muss sich lohnen, sich sozial zu verhalten. Im Moment ist der Marktwert der Ware Mensch im Keller und damit wird der Sinn unseres Sozialsystem von der Wirtschaft verfehlt, da die Menschen betriebswirtschaftlich nur Mittel, nicht aber Zweck sind. Es müsste also die Frage gestellt werden, wie man den Wert des Menschen politisch wieder zu einem zentralen Wert unserer Gesellschaft machen kann.

          Ganz ehrlich: Ich glaube nicht, dass die Politik _daran_ auch nur ein Fitzelchen ändern kann. Früher habe ich in "den Arbeitgebern" (schön pauschalisiert, nicht wahr?) immer noch faire Verhandlungspartner gesehen, mittlerweile habe ich diesen Glauben so ziemlich verloren. Es gibt einfach zu viele Widersprüche zwischen Worten und Taten unserer "Wirtschaftsbosse". Wie war noch das Sprichwort mit dem Finger und der ganzen Hand ... oder war's doch eher der ganze Arm? Sorry, aber mir wird mittlerweile schlecht, wenn ich Leute, die jedes Jahr ein Vielfaches dessen vereinnahmen, was man in einer beliebten TV-Quiz-Show auf RTL maximal gewinnen kann, darüber reden höre, dass es ihrem Unternehmen sooo schlecht geht und man jetzt mal den Gürtel enger schnallen müsse. Wer "man" ist, erfahren die abhängig Beschäftigten später ...

          Manchmal denke ich, die "Wirtschaftsbosse" müssten wohl in der Volksmeinung ihren Job "Wirtschaftsboss" am Automaten gezogen haben. Sie können nichts und labern nur Scheisse, entlassen aus reinem Sadismus Leute etc.. Das glaube ich nicht. Warum sollte das so ein hochbezahler Wirtschaftsboss auch machen? Kann ihm doch egal sein, er bekommt seine Kohle doch sowieso; Nein, ich glaube, die Wirtschaftsbosse haben schon gute Gründe, warum sie tun, was sie tun.

          Gruesse,

          Bio

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          Keep your friends close, but your enemies closer!
      2. Hallo,

        Du hebst sehr auf die Moral als Ursache und Lösungsweg ab:

        ich glaube einfach, das man Menschen ab Alter 40 nicht mehr grundlegend neue Werte beibringen kann. Werte, die dazu führen das Menschen das Wirken Ihres Handelns nur noch im kleinsten Raum beobachten und zur Wertung heranziehen. Das führt dazu, das es sich immer unmittelbar(er) lohnen "muß", etwas zu tun. Ein Forderung wie:

        Anders gesagt: Es muss sich lohnen, sich sozial zu verhalten.

        fördert diese Denkrichtung. Wenn man nicht selber möglichst unmittelbar einen persönlichen Nutzen (oder eben einen Nutzen für den "Raum", den man gerade noch überblickt) sieht, setzt man keine Energien für Dinge, die hintzer dem persönlichem Horizont ligene, ei. Das alles positive Handeln im großen verzahnten Gefüge unserer weltweiten Gesellschaft auch von anderer Ecke wieder zurückkommt, wäre etwas, was man Kindern beibringen muß, damit sie es als Erwachsener auch noch drin haben.

        Chräcker

        --
        Erinnerungen?
        zu:]
  4. Hello,

    wir stecken mitten in den Kriegsvorbereitungen.
    Steigerung der Produktivität bis aufs Maximum bei gleichzeitiger Schaffung fast unbegrenzter Humanreserven und vor allem Willigkeit, auch jeden Scheiß zu machen, ohne nur einmal zu mucken.

    Das müsste uns allen klar sein!

    Harzliche Grüße aus http://www.annerschbarrich.de

    Tom

    --
    Fortschritt entsteht nur durch die Auseinandersetzung der Kreativen
    Nur selber lernen macht schlau
  5. Hallo Mathias,

    Das Wunder, das mich zur Zeit am stärksten beschäftigt, ist die allseitige "Kapitalismuskritik" quer durch die politische Landschaft.

    Gerade dies ist einer der Vorteile des Kapitalismus gegenüber Ideologien.

    ... ruft man plötzlich nach altmodischen Dingen wie sozialer Verantwortung und kommt mit heftiger Kritik an Firmen und Managern um die Ecke.

    Das sind keine altmodischen Dinge. In zeitgemässen Managementtechniken, wie etwa Improving Performance, sind die tragender Bestandteil.

    Sicher, es stimmt, mitten im Exportboom bricht der Ausbildungsmarkt zusammen, liegt die Arbeitslosigkeit bei 5 Millionen, werden die diversen Senkungen gesetzlicher Schwellen nicht dazu genutzt, neue Leute anzuheuern, sondern langgediente Angestellte zu feuern. Hartz IV greift nicht, oder?

    Der Export boomt nur relativ zur schwachen Inlandsnachfrage, jedenfall ist er keine Triebkraft zum Schaffen neuer Arbeitsplätze. Das liegt an der nicht gerade günstigen Exportstruktur einerseits (z.B. Autos)und an den ungünstigen Produktionskosten andererseits. In der Schweiz sind bei etwa 30% höheren Löhnen die Stückkosten um ca. 10% tiefer. Arbeitsplätze sollten ganz wörtlich als Plätze zum Arbeiten verstanden werden ;-)

    "Statt Ackermann zu beschimpfen, solle man einfach den Spitzensteuersatz auf über 50 Prozent anheben.

    Das kann Josef egal sein, der kann ja Nettobezüge vereinbaren.

    Statt mangelnde Moral der Manager zu beklagen, solle man Managerhaftung einführen.

    Faktisch besteht die schon. Nur wofür genau sollen denn die Manager haften? Etwa für mangelde Eigenkapitalrendite? Oder für die mangelnde Kauflust der Konsumenten? Oder für die mangelnde Arbeitsleistung der Beschäftigten?

    Statt Hedge-Fonds als Heuschrecken zu bezeichnen, solle man die unter Rot-Grün eingeführte Erlaubnis für Hedge-Fonds zurückziehen.

    Andere Finanzplätze werden daran ihre helle Freude haben, wenn sich Deutschland von modernen Finanzdienstleistungen verabschiedet.

    Statt "blauäugig" von Unternehmern Arbeitsplätze zu fordern, solle der Staat sie gescheit besteuern und mit öffentlichen Investitionen selbst Arbeitsplätze schaffen.

    Etwa die Opelwerke ordentlich besteuern und als Gegenleistung Autos in Staatsbetrieben produzieren? Für Trabis & Co. soll es ja eine gewaltige Nachfrage geben.

    Statt den brutalen Finanzkapitalismus zu beklagen, solle man Dispokredite verbieten, mit denen die Armen gemolken würden.

    Ja, dies ist durchaus eine vernünftige Idee. Ob der Staat das allerdings besser könnte, bezweifle ich schon wieder. Aber er könnte für eine angemessene Regulierung sorgen und mehr Verantwortung für seine Bürger übernehmen. Ist ja schliesslich auch eine Folge davon, dass viele in der Schule nicht richtig rechnen lernen ;-)

    Statt "in heuchlerischer Weise" über Billiglöhne zu jammern, solle man endlich Mindestlöhne einführen."

    Ja. Nur muss sich der Staat gut überlegen, in welcher Weise er in die Tarifautonomie eingreift.

    Was haltet ihr davon? Auch Beiträge des Papstes, von Norbert Blüm und Herrn Müntefering sind willkommen!

    Warum nicht von Josef Ackermann? Allerdings würde mich eigentlich mehr interessieren, wie andere Leute dem seine Aufgaben lösen würden. Der muss eine vergleichbare Eigenkapitalrendite erwirtschaften wie die CreditSuisse, um die Bank auf ein solides wirtschaftliches Fundament zu stellen. Das Unternehmen muss sich dazu auf die lukrativen internationalen Finanzmärkte ausrichten, wozu ihm nicht entsprechend ausgebildetes und motiviertes Personal zur Verfügung steht. Soll der die traditionellen Bankangestellten mit Beamtenmentalität zu modernen Finanzberatern umfunktionieren, oder einfach raus schmeissen?

    Beste Grüsse
    Richard

    1. Hi Richard,

      Das Wunder, das mich zur Zeit am stärksten beschäftigt, ist die allseitige "Kapitalismuskritik" quer durch die politische Landschaft.
      Gerade dies ist einer der Vorteile des Kapitalismus gegenüber Ideologien.

      Worauf bezieht sich "dies"?
      Hat nicht auch der Kapitalismus seine Ideologie, wenn man darunter Glaubenssätze versteht, die ohne Prüfung gelten sollen? Ist nicht unsere aktuelle Politik hoch ideologisch?

      ... ruft man plötzlich nach altmodischen Dingen wie sozialer Verantwortung und kommt mit heftiger Kritik an Firmen und Managern um die Ecke.
      Das sind keine altmodischen Dinge. In zeitgemässen Managementtechniken, wie etwa Improving Performance, sind die tragender Bestandteil.

      Sie werden aber nicht allgemein in Anwendung gebracht, sondern nur für die Teile der Belegschaft, die man für entwicklungsfähig und für wertvoll hält. Soziale Verantwortung in meinem Sinne müsste wieder mehr Menschen einbeziehen.

      Sicher, es stimmt, mitten im Exportboom bricht der Ausbildungsmarkt zusammen, liegt die Arbeitslosigkeit bei 5 Millionen, werden die diversen Senkungen gesetzlicher Schwellen nicht dazu genutzt, neue Leute anzuheuern, sondern langgediente Angestellte zu feuern. Hartz IV greift nicht, oder?
      Der Export boomt nur relativ zur schwachen Inlandsnachfrage

      Nein, es ist ein wirklicher Boom.

      , jedenfall ist er keine Triebkraft zum Schaffen neuer Arbeitsplätze.

      Das genau sehe ich als ein Kernproblem. Auch auf der Steuerseite scheinen die hohen Exportzahlen wenig zu versprechen. Bieten unsere Gesetze da zuviele Lücken?

      Statt mangelnde Moral der Manager zu beklagen, solle man Managerhaftung einführen.
      Faktisch besteht die schon. Nur wofür genau sollen denn die Manager haften?

      Es scheint mir so, als seien die Wege, Manager für Fehler verantwortlich zu machen, bei uns besonders unterentwickelt zu sein. In den USA ist man da wesentlich konsequenter. Das ist natürlich nicht nur eine Frage der Gesetz, sondern auch der Unternehmenskultur. Ein konkretes Problem ist vielleicht die allzu unbegrenzte EInflussmöglichkeit der Banken, da finde ich die amerikanischen Regelungen ebenfalls viel besser.

      Statt Hedge-Fonds als Heuschrecken zu bezeichnen, solle man die unter Rot-Grün eingeführte Erlaubnis für Hedge-Fonds zurückziehen.
      Andere Finanzplätze werden daran ihre helle Freude haben, wenn sich Deutschland von modernen Finanzdienstleistungen verabschiedet.

      Hedge Fonts bereiten nicht nur in Deutschland Probleme.

      Statt "blauäugig" von Unternehmern Arbeitsplätze zu fordern, solle der Staat sie gescheit besteuern und mit öffentlichen Investitionen selbst Arbeitsplätze schaffen.
      Etwa die Opelwerke ordentlich besteuern und als Gegenleistung Autos in Staatsbetrieben produzieren? Für Trabis & Co. soll es ja eine gewaltige Nachfrage geben.

      Zynismus gut und schön. Auch der zweite Arbeitsmarkt scheint keine gute Lösung zu sein. Es müssen schon echte Arbeitsplätze her. Was spricht dagegen, im staatlichen Bereich, etwa in den Bereichen Kinderbetreuung und Bildung offensiv Arbeitsplätze als Investition in die Zukunft zu schaffen?

      Statt den brutalen Finanzkapitalismus zu beklagen, solle man Dispokredite verbieten, mit denen die Armen gemolken würden.
      Ja, dies ist durchaus eine vernünftige Idee. Ob der Staat das allerdings besser könnte, bezweifle ich schon wieder. Aber er könnte für eine angemessene Regulierung sorgen und mehr Verantwortung für seine Bürger übernehmen. Ist ja schliesslich auch eine Folge davon, dass viele in der Schule nicht richtig rechnen lernen ;-)

      Stimmt.

      Statt "in heuchlerischer Weise" über Billiglöhne zu jammern, solle man endlich Mindestlöhne einführen."
      Ja. Nur muss sich der Staat gut überlegen, in welcher Weise er in die Tarifautonomie eingreift.

      Die Mindestlöhne betreffen meist Leute, für die Tarife nicht greifen.

      Was haltet ihr davon? Auch Beiträge des Papstes, von Norbert Blüm und Herrn Müntefering sind willkommen!
      Warum nicht von Josef Ackermann?

      Na, wenn der hier mitliest *g* Aber im Ernst: Ein wirklich gutes Konzept zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit von Seiten der Unternehen, das fände ich interessant.

      Viele Grüße
      Mathias Bigge

      1. Hallo Mathias,

        Gerade dies ist einer der Vorteile des Kapitalismus gegenüber Ideologien.
        Worauf bezieht sich "dies"?

        Auf das Wunder der allseitigen Kapitalismuskritik. Kapitalistische Grundsätze dürfen, können, sollen, müssen ständig hinterfragt, überprüft, bestätigt, korrigiert oder verworfen werden. Für Ideologien jederwelcher Prägung wird dies gerade vermieden.

        Hat nicht auch der Kapitalismus seine Ideologie, wenn man darunter Glaubenssätze versteht, die ohne Prüfung gelten sollen?

        Ja, auch der Kapitalismus war und ist vielfach reine Ideologie. Gwinnorientiert Handeln ist aber nicht notwendigerweise kapitalistische Ideologie, selbst Marx sah das keinesweg so. Seit dem Kapitalismus der Kommunismus als Gegenpart abhanden gekommen ist, ist diese Terminologie ohnehin irgendwie hohl. Kapital ist seit eh und je nur ein Faktor. Das Verrückte, und eigentlich auch ganz Neue an der jetzigen Situation ist, dass weltweit mehr Kapital angeboten als nachgefragt wird. Und die Bereitschaft der Anleger, die unvorstellbare Verschuldung der USA damit zu unterstützen lässt nach.

        Ist nicht unsere aktuelle Politik hoch ideologisch?

        Darüber bin ich unschlüssig. Ich kann (jedenfalls für Deutschland) nicht so richtig ergründen, was Ursache und was Wirkung ist. Sind ideologische Parolen einfach die Folge von unreflektierten Verhaltensmustern? Oder prägen umgekehrt festgefahrene Ideologien das politische Handeln?

        Sie werden aber nicht allgemein in Anwendung gebracht, sondern nur für die Teile der Belegschaft, die man für entwicklungsfähig und für wertvoll hält.

        Was wäre die Alternative? Auf den Elektrolocks in England fuhren lange Zeit untätig die ehemaligen Heizer von den Dapflocks mit. Das nicht mehr benötigte Personal der japanischen Eisbahnen, das nicht entlassen werden darf, steht jetzt auf den Bahnhöfen herum und begrüsst freundlich alle Reisenden. Sollen etwa die nicht umschulungswilligen und -fähigen Bankangestellten als wandelnde Litfass-Säulen eingesetzt werden?

        Soziale Verantwortung in meinem Sinne müsste wieder mehr Menschen einbeziehen.

        Es gibt zwei konkurrierende Ansichten: erstellen präziser Anforderungsprofile und gezielter Personalsuche einerseits und andererseits Einstellen fähiger Leute und schaffen entsprechender Arbeitsplätze. In beiden Fällen werden aber bestimmte Menschen ausgeschlossen. Ich finde schon, dass Unternehmen eine soziale Verantwortung für alle haben. Sozialbilanzen sind aber noch nicht ausreichend bekannt und anerkannt und werden gerade vom Staat nicht gewürdigt.

        Der Export boomt nur relativ zur schwachen Inlandsnachfrage
        Nein, es ist ein wirklicher Boom.

        Gut, glaube ich einfach mal so.

        , jedenfall ist er keine Triebkraft zum Schaffen neuer Arbeitsplätze.
        Das genau sehe ich als ein Kernproblem. Auch auf der Steuerseite scheinen die hohen Exportzahlen wenig zu versprechen. Bieten unsere Gesetze da zuviele Lücken?

        Versteuert werden nicht die Exporte, sondern die Gewinne. Mit Verlust für den Export produzierte Autos bringen gute Exportzahlen, aber keine Steuereinnahmen. Es schafft aber auch keinen Anreiz, Produktionskapazitäten auszubauen und Arbeitsplätze zu schaffen. Multinationale Konzerne können zudem die Steuerlast "optimieren". Ausserdem werden durch die Wirtschaftsförderung Steuervorteile zum Nachteil anderer Unternehmen wie warme Semmeln angeboten.

        Es müssen schon echte Arbeitsplätze her. Was spricht dagegen, im staatlichen Bereich, etwa in den Bereichen Kinderbetreuung und Bildung offensiv Arbeitsplätze als Investition in die Zukunft zu schaffen?

        Du erträgst ja meinen Zynismus mit Humor ;-). Würdest du eine derart zukunftsweisende Aufgabe einem Unternehmen übertragen, das bei der Lösung bisher auf der ganzen Linie versagt hat? Warum um alles in der Welt kommt mir da gerade Nietzsche mit seiner Forderung nach der Umwertung aller Werte in den Sinn? ;-)

        Ein paar Jahre vor den 68ern wurde von der Deutschen Bildungskatastrophe geredet. Abhilfe schaffen sollte die kybernetische Pädagogik. Ich war dabei. Deutschlands Zukunft stand auf dem Spiel, was mich weniger interessierte als die Sache an und für sich. Die Pädagogik hat sich wieder entkybernetisiert und die Pädagogen sind Garant für Deutschlands Zukunft. Ob die mit mehr Pädagogen aber wirklich besser wird?

        Mehr Arbeitsplätze im Bildungsbereich wären sicher nicht schlecht, aber doch eher nur einen Tropfen auf den heissen Stein. Ob das wirklich eine Investition in die Zukunft ist, müsste bewiesen werden. Gerade der ganze Bildungsbereich entzieht sich beharrlich einer wirtschaftlichen Beurteilung. Professionelle Kinderbetreuung in Firmen scheint mir da aussichtsreicher und schafft auch Arbeitsplätze.

        Ein wirklich gutes Konzept zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit von Seiten der Unternehen, das fände ich interessant.

        Dazu müsste wohl der Staat zunächst auf seinen Monopolanspruch verzichten. Immerhin sorgen die Arbeitslosen beim Staat ja auch für Beschäftigung ;-)  Viele Firmen, und ich meine es ist die Mehrheit, machen sich ja durchaus Sorgen um die menschlichen Schicksale und versuchen Entlassungen zu vermeiden. John Deere in Mannheim, die ehemalige Lanz Traktoren, halte ich für ein gutes Beispiel, weil ganz gezielt die regionale Verankerung als Wert gesehen wird. Geredet wird aber fast immer nur von den anderen.

        Beste Grüsse
        Richard

        1. Hi Richard,

          Danke für die interessante und konstruktive Antwort.

          Kapitalistische Grundsätze dürfen, können, sollen, müssen ständig hinterfragt, überprüft, bestätigt, korrigiert oder verworfen werden. Für Ideologien jederwelcher Prägung wird dies gerade vermieden.

          Die Falsifizierbarkeit als Prinzip offener Gesellschaften ist mir sehr sympathisch, es scheint mir aber für das aktuelle politische Handeln nicht mehr zu gelten. Zumindest scheint es schwer möglich zu sein, Bedingungen anzugeben, unter denen ein Verfahren als gescheitert gelten soll. 5 Millionen Arbeitslose und eine steigende Staatsverschuldung, eine zweifelhafte Zukunft der Sozialsysteme, stagnierende Wirtschaftsdaten scheinen jedenfalls keine Argumente zu sein. Natürlich ist die Wirtschaft keine Wissenschaft, aber die in Abstufungen neoliberalen Konzepte, die Deutschland als verspätete Rosskur durchleidet, zeigen wenig positive Wirkung.

          Gwinnorientiert Handeln ist aber nicht notwendigerweise kapitalistische Ideologie, selbst Marx sah das keinesweg so.

          Schwierige These. Sicher, als Prinzip des Ökonomischen war es auch für Marx durchaus unverdächtig. Dass daraus unter den bestehenden Eigentumsverhältnissen notwendig bestimmte Denkweisen entstehen, scheint mir dennoch eine Marxsche Kernthese zu sein.

          Das Verrückte, und eigentlich auch ganz Neue an der jetzigen Situation ist, dass weltweit mehr Kapital angeboten als nachgefragt wird. Und die Bereitschaft der Anleger, die unvorstellbare Verschuldung der USA damit zu unterstützen lässt nach.

          Es fehlen vielleicht Konzepte/Probleme/Wirschaftsbereiche, die hohe Investitionen gewinnversprechend erscheinen lässt.

          Ist nicht unsere aktuelle Politik hoch ideologisch?
          Darüber bin ich unschlüssig. Ich kann (jedenfalls für Deutschland) nicht so richtig ergründen, was Ursache und was Wirkung ist. Sind ideologische Parolen einfach die Folge von unreflektierten Verhaltensmustern? Oder prägen umgekehrt festgefahrene Ideologien das politische Handeln?

          Schwierige Frage. Nach langen Jahrzehnten keynesianistischer Glaubensbekenntnisse, quer durch alle Parteien scheint sich das neoliberale Credo durchgesetzt zu haben. Dass dies aufgrund von Erfahrungen geschehen sein soll, wage ich zu bezweifeln, das Modell zieht seinen Erfolg eher aus Interessen bestimmter Wirtschaftskreise. Für die Multis schien vielleicht eine globale Liberalisierung als Königsweg, weitere Märkte und Spielfelder zu gewinnen. Zumindest die Politik der USA und der Weltbank scheinen diesem Muster zu folgen.

          Sie werden aber nicht allgemein in Anwendung gebracht, sondern nur für die Teile der Belegschaft, die man für entwicklungsfähig und für wertvoll hält.
          Was wäre die Alternative? Auf den Elektrolocks in England fuhren lange Zeit untätig die ehemaligen Heizer von den Dapflocks mit.

          Der zweite Arbeitsmarkt in Deutschland hatte ein vergleichbares Problem: Grundkonsens schien hier zu sein, dass in keinem Fall etwas Nützliches finanziert werden dürfte. Vielleicht ein Ansatz zum Umdenken?

          Versteuert werden nicht die Exporte, sondern die Gewinne.

          Die bei den Großen auf dem Papier nur in Steuerparadiesen anfallen, Du hast das Problem angesprochen. Hier fehlen der Steuerpolitik Know How und Personal, vor allem aber übernationale Vereinbarungen.

          Es müssen schon echte Arbeitsplätze her. Was spricht dagegen, im staatlichen Bereich, etwa in den Bereichen Kinderbetreuung und Bildung offensiv Arbeitsplätze als Investition in die Zukunft zu schaffen?
          Du erträgst ja meinen Zynismus mit Humor ;-). Würdest du eine derart zukunftsweisende Aufgabe einem Unternehmen übertragen, das bei der Lösung bisher auf der ganzen Linie versagt hat?

          Mir geht es nicht um den Staat als Träger von Bildungseinrichtungen, die Förderung könnte durchaus private Bildungsträger und Tageseinrichtungen einsetzen, um zusätzliche Kräfte und Interessen zu mobilisieren. Ich kenne beide Bereiche aus eigener Erfahrung sehr genau.

          Gerade zur Zeit wird der Markt für freie Bildungsträger politisch massiv unter Druck gesetzt, fehlt es den öffentlichen Schulen zum Teil massiv an geeigneten Mitteln. Es bringt mich wirklich auf, dass gleichzeitig alle Parteien "Bildung" zum Wahlkampfschlager machen, de facto aber eine kleinstaatliche Politik betreiben, die die entscheidenden Probleme nicht im Ernst angeht.

          "Ganztagsschule" heißt der Slogan der SPD - und niemand fragt nach der Qualität der Nachmittagsbetreuung. Eine andere Mogelpackung ist die flexible Eingangsstufe, für die den Schulen keinerlei Mittel zur Verfügung gestellt werden. Geld fehlt für moderne Medien, für Lehrerfortbildung, für qualitativ hochwertige Arbeit in den Kindertagesstätten. Teilweise wird in völlig abgerockten Gebäuden gearbeitet, Unterricht fällt aus, vor allem der Bereich der Sekundarstufe 1 ist die reine Katastrophe.

          Abhilfe schaffen sollte die kybernetische Pädagogik. Ich war dabei. Deutschlands Zukunft stand auf dem Spiel, was mich weniger interessierte als die Sache an und für sich. Die Pädagogik hat sich wieder entkybernetisiert und die Pädagogen sind Garant für Deutschlands Zukunft. Ob die mit mehr Pädagogen aber wirklich besser wird?

          Eine interessante Frage. Auch die aktuellen pädagogischen Moden werden die Probleme nicht lösen, vielleicht, so könnte man zynisch sagen, ist das Problem weder mit Geld noch mit Lehrerstellen zu knacken. Es fehlt vielen Jugendlichen einfach an Perspektiven, an Durchhaltevermögen, an Rückhalt in den Familien. Also einfach per Gießkanne das Bildungssystem aufzublähen, wäre sicher ein problematischer Ansatz. Es müsste schon Qualität sein, in die investiert wird.

          Gerade der ganze Bildungsbereich entzieht sich beharrlich einer wirtschaftlichen Beurteilung. Professionelle Kinderbetreuung in Firmen scheint mir da aussichtsreicher und schafft auch Arbeitsplätze.

          Ich finde besonders auch private Elterninitiativen förderungswürdig, da hier Engagement der Familie und institutionelle Betreuung zusammenwirken.

          Viele Firmen, und ich meine es ist die Mehrheit, machen sich ja durchaus Sorgen um die menschlichen Schicksale und versuchen Entlassungen zu vermeiden. John Deere in Mannheim, die ehemalige Lanz Traktoren, halte ich für ein gutes Beispiel, weil ganz gezielt die regionale Verankerung als Wert gesehen wird. Geredet wird aber fast immer nur von den anderen.

          Vielleicht müsste man wirklich solche positiven Beispiele stärker ins Bewusstsein rücken.

          Viele Grüße
          Mathias Bigge

          1. Hallo Mathias,

            Zumindest scheint es schwer möglich zu sein, Bedingungen anzugeben, unter denen ein Verfahren als gescheitert gelten soll. 5 Millionen Arbeitslose und eine steigende Staatsverschuldung, eine zweifelhafte Zukunft der Sozialsysteme, stagnierende Wirtschaftsdaten scheinen jedenfalls keine Argumente zu sein.

            Es gibt aber auch keine Vorstellungen und Angaben darüber, wie viele Arbeitlose es geben darf, welche Staatsverschuldung verkraftet werden kann usw. Von keiner politschen Partei oder Interessensgruppe! Einfach über zuviele Arbeitslose und zu hohe Staatsverschuldung zu jammern, verunmöglicht doch jeden Lösungsansatz.

            Schwierige These. Sicher, als Prinzip des Ökonomischen war es auch für Marx durchaus unverdächtig. Dass daraus unter den bestehenden Eigentumsverhältnissen notwendig bestimmte Denkweisen entstehen, scheint mir dennoch eine Marxsche Kernthese zu sein.

            Marx war ein brillianter analytischer Denker. Davon könnten viele Theoretiker lernen, gerade auch von seinen Fehleinschätzungen der logischen Entwicklung menschlicher Gesellschaften. Abseits kommunistischer Ideologien, liegt da ein beachtliches geistiges Potential für eine positive Kapitalismus Kritik brach. Josef Ackermann könnte ja auch sagen, die Deutsche Bank handle in Zukunft viel menschlicher, weil sie 7000 Menschen weniger ausbeuten werde. Es ist doch ein prinzipiell ungelöstes Dilemma, einmal wird den Managern (verstanden als Kapitalisten) vorgeworfen, sie würden rücksichtslos Menschen ausbeuten, andererseits sollen sie (als gute Menschen) Arbeitsplätze schaffen.

            Es fehlen vielleicht Konzepte/Probleme/Wirschaftsbereiche, die hohe Investitionen gewinnversprechend erscheinen lässt.

            Das industrielle Denken ist sehr konservativ und orientiert sich am Eisenbahnbau, der Elektrifizierung, dem Auto, dem Festnetztelefon und vielleicht noch dem Fernsehen. Obwohl etwa der Computer, die Robotik und die mobile Telefonie wirtschaftlich mindestens so bedeutend sind, werden die schon gar nicht mehr in diesem Sinne wahrgenommen. Vermutlich weil mit ihnen erstmals ein massiver Abbau von Arbeitsplätzen verbunden ist. Investiert wird vom einzelnen Anleger immer weniger gezielt in Zukunftsbranchen an denen er irgendwie ein Interesse hat. Er investiert in Fonds mit der Folge, dass nicht mehr die Dividende interessiert, sondern nur noch der Aktienkurs. Davon hängt dann ab, ob für ein Unternehmen die Kapitalbeschaffung teuer oder billig ist.

            Nach langen Jahrzehnten keynesianistischer Glaubensbekenntnisse, quer durch alle Parteien scheint sich das neoliberale Credo durchgesetzt zu haben. Dass dies aufgrund von Erfahrungen geschehen sein soll, wage ich zu bezweifeln, das Modell zieht seinen Erfolg eher aus Interessen bestimmter Wirtschaftskreise.

            Aus Erfahrung wohl nicht, eher aus Verzweiflung. Das krankhafte Klammern an irgendwelche Modelle ist immer Eingeständnis der eigenen Unfähikeit, Lösungen anbieten zu können. Unabhängig von der Frage, ob nach Keynes zu handeln sinnvoll ist, würde der Stabiltätspackt es doch gar nicht erlauben. Hat Deutschland schliesslich so gewollt.

            Für die Multis schien vielleicht eine globale Liberalisierung als Königsweg, weitere Märkte und Spielfelder zu gewinnen.

            Ich frage mich oft, ob Multis nicht einfach eine Antwort auf nationale Egoismen sind. Deutsche Autos für Deutsche, französische für Franzosen ... abweichende Wünsche werden durch Sondervorschriften teuer. Diese Problem können eigentlich nur multinationale Konzerne beherrschen. Maggi oder Alete werden in Deutschland überwiegend als deutsch wahrgenommen, das ist Teil der Marktstrategie.

            Der zweite Arbeitsmarkt in Deutschland hatte ein vergleichbares Problem: Grundkonsens schien hier zu sein, dass in keinem Fall etwas Nützliches finanziert werden dürfte. Vielleicht ein Ansatz zum Umdenken?

            Ich finde, der Ansatz ist schlecht durchdacht. Irgenwie geht es dabei eher um Straf- oder Disziplinierungsmassnahmen. Der Staat müsste Tätigkeiten ausweisen, welche anders nicht gemacht würden, was mir aber schwierig erscheint, jedenfalls in grösserem Umfange. Der regionale Bauunternehmer konnte mal aufgrund persönlicher Beziehungen jemand einstellen und sagen, er werde für ihn schon Arbeit finden. Diese informellen Netzwerke sollten gestärkt werden. Wie könnte dafür gesorgt werden, dass Arbeitslose nicht davon ausgeschlossen werden?

            Hier fehlen der Steuerpolitik Know How und Personal, vor allem aber übernationale Vereinbarungen.

            Gerade die neuen EU-Länder bestehen aber darauf, mit Steuervorteilen Investoren anzulocken. Wie erfolgreich das sein kann, hat Irland vorgemacht. Deutschland selbst ist aber dabei alles andere als zurückhaltend.

            Gerade zur Zeit wird der Markt für freie Bildungsträger politisch massiv unter Druck gesetzt

            Mir bietet da ein deutscher eLearning-Produzent dauernd Seminare an, wie an die Subventionstöpfe in Brüssel heranzukommen ist. Ein florierendes Geschäft ... für den Seminaranbieter ;-)

            Auch die aktuellen pädagogischen Moden werden die Probleme nicht lösen, vielleicht, so könnte man zynisch sagen, ist das Problem weder mit Geld noch mit Lehrerstellen zu knacken. Es fehlt vielen Jugendlichen einfach an Perspektiven, an Durchhaltevermögen, an Rückhalt in den Familien.

            Den Erwachsen angeblich erst recht. Meine Antwort: Es gibt keine unfähigen Schüler, nur unfähige Lehrer! Oder: Selbst dem fähigsten Lehrer gelingt es auf die Dauer nicht, jeden Schüler am Lernen zu hindern. Ich habe noch niemand getroffen, der prinzipelle nicht bereit ist zu lernen und sich dafür auch anzustrengen. Es gibt aber auch selten einen Lehrer, der schlüssig und einleuchtend begründen kann, warum es wichtig ist zu wissen, wie der deutsche Bundespräsident heisst, wieviel 3% von 79,-- Euro ist oder an welchem Fluss Köln liegt.

            Vielleicht müsste man wirklich solche positiven Beispiele stärker ins Bewusstsein rücken.

            Ja, und sich daran orientieren. Bekanntlich ist das Gals weder halb voll, noch halb leer, es hat einfach zu wenig Inhalt für seine Grösse ;-)

            Beste Grüsse
            Richard

            1. Hi Richard,

              Es gibt aber auch keine Vorstellungen und Angaben darüber, wie viele Arbeitlose es geben darf, welche Staatsverschuldung verkraftet werden kann usw. Von keiner politschen Partei oder Interessensgruppe!

              Richtig. Schröder hat sich ja mal blamiert, indem er die Zahl der Arbeitslosen als Erfolgskriterium für seine Politik angegeben hat. Natürlich ist es schwer, solche Kriterien zu vereinbaren, siehe etwa den Stabilitätspakt, aber ohne solch Maßstäbe sind die wirtschaftspolitischen Entscheidungen doch bloß interessengesteuert und ideologisch. Ich bin auf die Ausreden gespannt, aber für mich ist ein klares Kriterium für Hartz IV, ob es gelingt, die Arbeitslosenzahlen signifikant zu senken oder nicht.

              Marx
              Marx war ein brillianter analytischer Denker. Davon könnten viele Theoretiker lernen, gerade auch von seinen Fehleinschätzungen der logischen Entwicklung menschlicher Gesellschaften. Abseits kommunistischer Ideologien, liegt da ein beachtliches geistiges Potential für eine positive Kapitalismus Kritik brach.

              Sehe ich genauso. Für mich ist Karl Marx so etwas wie der Newton der modernen Ökonomie und Sozialwissenschaft, ganz losgelöst davon, was politisch daraus gemacht wurde.

              Mir bietet da ein deutscher eLearning-Produzent dauernd Seminare an, wie an die Subventionstöpfe in Brüssel heranzukommen ist. Ein florierendes Geschäft ... für den Seminaranbieter ;-)

              *g*
              Da werden viele Betreiber von Weiterbildungsläden hinrennen - aus nackter Not.

              Es gibt keine unfähigen Schüler, nur unfähige Lehrer!

              Lustige These, weißt Du, dass ich als Lehrer arbeite?

              Ich habe noch niemand getroffen, der prinzipelle nicht bereit ist zu lernen und sich dafür auch anzustrengen. Es gibt aber auch selten einen Lehrer, der schlüssig und einleuchtend begründen kann, warum es wichtig ist zu wissen, wie der deutsche Bundespräsident heisst, wieviel 3% von 79,-- Euro ist oder an welchem Fluss Köln liegt.

              Welche Rechtfertigung ist nötig für eine grobe politische Orientierung in der Demokratie, geographisches Grundwissen und Prozentrechnung?
              Es gibt in meinem Leben durchaus Situationen, in denen man das gebrauchen kann....

              Viele Grüße
              Mathias Bigge

              1. Hi Mathias,

                Es gibt keine unfähigen Schüler, nur unfähige Lehrer!
                Lustige These, weißt Du, dass ich als Lehrer arbeite?

                ich weiß es, ich weiß es :-)

                Aber mal im Ernst: Die Aussage von Richard ist sicherlich sehr pauschal, aber sie birgt einen wahren Kern, wie ich finde. Wie denkst du darüber? Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass du für die schlechten PISA-Ergebnisse nur die Schüler verantwortlich machst ...

                Ich habe noch niemand getroffen, der prinzipelle nicht bereit ist zu lernen und sich dafür auch anzustrengen. Es gibt aber auch selten einen Lehrer, der schlüssig und einleuchtend begründen kann, warum es wichtig ist zu wissen, wie der deutsche Bundespräsident heisst, wieviel 3% von 79,-- Euro ist oder an welchem Fluss Köln liegt.
                Welche Rechtfertigung ist nötig für eine grobe politische Orientierung in der Demokratie, geographisches Grundwissen und Prozentrechnung?
                Es gibt in meinem Leben durchaus Situationen, in denen man das gebrauchen kann....

                Ja, in _deinem_ Leben, im Leben der "krass, Alder"-Generation auch?

                Aber mal Spaß beiseite, prinzipiell stimme ich dir da zu. Wobei die Lehrinhalte z.T. vielleicht doch etwas praxisrelevanter sein dürften. Ich fand z.B. im Deutschunterricht Grammatik absolut unnütz, und ich glaube auch heute noch nicht, dass das Pauken von deutscher Grammatik meine Ausdrucksweise auch nur ansatzweise verbessert hat (und sooo schlecht ist sie doch auch nicht, oder?). Genauso wie man Fahrrad fahren nicht durch das Auswendiglernen einer Anleitung lernt, so lernt man korrekten Sprachgebrauch nicht durch Pauken der Grammatik.

                Auch hilft es ungemein, zu wissen, warum man etwas lernt. Im ersten Semester habe ich mich in der Mathematik-Vorlesung gewundert, was ich bloß mit (3+n, n>=1)-dimensionalen Vektoren soll. Zwei Semester später in Systemtheorie wurde es mir klar. Gut, das war jetzt Studium, aber ich denke, in der Schule ist es ähnlich.

                Schönen Sonntag noch!
                O'Brien

                --
                Frank und Buster: "Heya, wir sind hier um zu helfen!"
                1. Hi O'Brien,

                  Aber mal im Ernst: Die Aussage von Richard ist sicherlich sehr pauschal, aber sie birgt einen wahren Kern, wie ich finde. Wie denkst du darüber? Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass du für die schlechten PISA-Ergebnisse nur die Schüler verantwortlich machst ...

                  Es ist nicht so leicht wie Du denkst, einen Schuldigen auszumachen. Unsere Gesellschaft klafft immer weiter auseinander und diese Schere öffnet sich zusehends, lange vor dem ersten Schultag.

                  Da gibt es die Kinder, die am ersten Schultag schon etwas lesen und schreiben können, auch komplizierte Sachverhalte verstehen und erklären können, elementar rechnen, schwimmen, reiten, Fahrradfahren, ein bisschen Englisch beherrschen, einige Länder bereist haben, diverse Kreativkurse und eine musikalische Früherziehung besucht haben. Diese Kinder wurden in einer Elterninitiative betreut, die mit der doppelten Betreuerzahl wie in den staatlichen Kitas daherkommen, sie können elementar mit einem Computer umgehen, können klettern, in einem Team etwas basteln oder bauen, haben vor allem nur wenige Stunden vor der Verblödungsmaschinerie Fernsehen verbracht.

                  Dann gibt es Kinder, um die sich so recht keiner kümmert, die nicht richtig sprechen, springen und singen können. Ausländerkinder, die kaum Deutsch sprechen. Deutsche Kinder, deren Eltern auf der sozialen Rolltreppe abwärts unterwegs sind, vielleicht trinken, sich aufgegeben haben. Kinder reicher Eltern, die ohne Herz in einem Wust von Besitz vor dem eigenen Fernseher oder Spielgerät sitzen. Sozial gestörte Kinder mit heftigen Aggressionen, die ihre Spielkameraden oder sich selbst verletzen. Missbrauchsopfer. Kinder, die in trostlosen Verhältnissen groß werden, denen im Winter keiner warme Kleidung anzieht und die noch nie an einem gemeinsamen Mittagstisch der Familie gesessen oder gemeinsam Reisen oder etwas anderes Tolles unternommen haben. Andere Kinder sind schon voll auf dem Konsumtrip, haben alles von "Felix", "Barbie" und "Walt Disney", alle Klamotten im aktuellen Style.

                  Zwischen diesen Polen gibt es eine Fülle von Zwischenschritten, gibt es verschiedene Einwandererkulturen, etwa bildungsfeindliche Islamisten, die ihre Kinder völlig autoritär von unserer Gesellschaft fernhalten wollen, ehrgeizige aber auch faule Einwandererfamilien aus Osteuropa, halblegale Kinder "geduldeter" Flüchtlinge, oft vom Balkan, die hier seit 18 Jahren leben und nie ein sicheres Aufenthaltsrecht hatten oder haben, wirklich zu Menschen zweiter Klasse gemacht werden.

                  Welche Rechtfertigung ist nötig für eine grobe politische Orientierung in der Demokratie, geographisches Grundwissen und Prozentrechnung?
                  Es gibt in meinem Leben durchaus Situationen, in denen man das gebrauchen kann....
                  Ja, in _deinem_ Leben, im Leben der "krass, Alder"-Generation auch?

                  Interessante Frage. Simple Antwort: Wenn sie erfolgreich an einem Einstellungsgespräch teilnehmen wollen, wäre das vielleicht eine Idee, oder? Wenn Sie mitbestimmen wollen in Betrieben oder Parteien, wär's vielleicht nicht schlecht. Und: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.

                  Aber mal Spaß beiseite, prinzipiell stimme ich dir da zu. Wobei die Lehrinhalte z.T. vielleicht doch etwas praxisrelevanter sein dürften. Ich fand z.B. im Deutschunterricht Grammatik absolut unnütz,

                  Ich habe gerade einige Klassenarbeiten korrigiert, unter anderem in Bildungsgängen mit kaufmännischer Ausrichtung. Was meinst Du, welche Chancen die no-grammar-Fraktion bei einem Einstellungstest hat? Wer würde auf die Idee kommen, so simple Sprachen wie PHP lernen zu wollen, ohne sich mit Befehlen und Syntaxregeln beschäftigen zu müssen. Aber Deutsch, na klar, das machen wir aus dem Bauch *g*

                  Natürlich gibt es Leute, die das aus dem Bauch können, nämlich die, die von früher Kindheit an mit Büchern konfrontiert werden und in einer Umgebung aufwachsen, in der korrekt Deutsch gesprochen wird. Inzwischen dürfte das eine Minderheit von grob geschätzt 30% sein.

                  Auch hilft es ungemein, zu wissen, warum man etwas lernt.

                  Natürlich hast Du Recht. Es gibt aber ein seltsames Geheimnis der Bildung, das viele nicht verstehen: Das größte Privileg der Eliten ist es, während ihrer Schulzeit völlig praxisirrelevante Dinge lernen zu dürfen. Platos Höhlengleichnis, Lateinisch, höhere Mathematik, organische Chemie, eine Theater-AG, ein Musikinstrument, vielleicht, wie man in einer Band oder in einem Orchester spielt, die Geschichte der russischen Literatur im 19. Jahrhundert, die Einflüsse Hegels auf die französischen Denker der Gegenwart, irgendwelche abgedrehten Gedichte von Benn und Celan.

                  In anderen Ländern ist man sich dessen bewusst, in Frankreich, England oder Japan zum Beispiel, bei uns herrscht die Meinung, der perfekte Deutschunterricht wäre so eine Art höherer Schulung für Verkaufsgespräche, der perfekte Matheunterricht müsse sich sofort auf Anwendungen stürzen. Wir sind eben auf dem Wege vom Volk der Dichter und Denker zu einer demokratischen Gemeinde sympathischer Dussel, die mangels eigener Hirnmasse jedem Mainstream hinterhereiern müssen...

                  Viele Grüße
                  Mathias Bigge

                  1. Hi Mathias,

                    Aber mal im Ernst: Die Aussage von Richard ist sicherlich sehr pauschal, aber sie birgt einen wahren Kern, wie ich finde. Wie denkst du darüber? Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass du für die schlechten PISA-Ergebnisse nur die Schüler verantwortlich machst ...
                    Es ist nicht so leicht wie Du denkst, einen Schuldigen auszumachen.

                    woher willst du wissen, was ich denke? ;-)

                    Mir ist klar, dass ich einen Fehler gemacht habe, indem ich davon ausgegangen bin, du würdest meine Aussage selbstverständlich genau so verstehen, wie ich sie gemeint habe. Das klappt bei "Read-Only-Communication" mMn aber nur, wenn Sender und Empfänger sich sehr gut kennen. Ich versuche es noch einmal:

                    "Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass die schlechten PISA-Ergebnisse _nur_ dadurch zustande gekommen sind, dass es nur noch dumme Schüler gibt. Dabei beschreibt "dumm" eine Eigenschaft (wie z.B. Haarfarbe), die nicht durch bessere Ausbildung zu beheben ist."

                    Außerdem hätte ich wohl besser dazuschreiben sollen, dass mir durchaus bewusst ist, dass an unserer derzeitigen Situation im Bildungswesen nicht nur Lehrer und Schüler beteiligt sind, sondern auch Eltern, sonstiges Umfeld der Kinder, Bildungspolitik, religiöse Einflüsse verschiedenster Art usw. Einen "Schuldigen", den man dann (vor-)schnell verurteilen kann, wollte ich damit weder suchen noch identifizieren. Denn das ist, da hast du vollkommen recht, eine sehr komplexe Aufgabe, zumal man exakt _einen_ Schuldigen sowieso nicht finden wird.

                    Unsere Gesellschaft klafft immer weiter auseinander und diese Schere öffnet sich zusehends, lange vor dem ersten Schultag.

                    Und genau da müssen wir ansetzen. Frag mich bitte nicht wie, ich habe da leider auch kein Patentrezept, ganz im Gegenteil sehe ich derzeit die Chancen auf eine gut funktionierende und zukunftsfähige Gesellschaft immer mehr schwinden. (Es sei denn, man bezeichnet eine Gesellschaft als zukunftsfähig, die aus einer winzigen, reichen und gut ausgebildeten Elite und einem riesengroßen Mob von armen Ungebildeten besteht.) Ich vermute sogar, dass der Staat an dieser Entwicklung gar nicht so viel ändern kann -- zumindest weiß ich nicht, wie er das bewerkstelligen sollte.

                    Ich glaube, dass viele Menschen einfach keine Verantwortung übernehmen bzw. sich ihrer Verantwortung nicht bewusst sind. Und damit meine ich jetzt nicht die vielgescholtenen Manager, sondern Menschen quer durch unsere Gesellschaft. So sind sich mMn viele Eltern nicht bewusst, welch ungeheure Verantwortung sie sich aufgeladen haben, indem sie Kinder in die Welt gesetzt haben. Nur mit füttern, waschen, anziehen ist es da nicht getan, nein, da gehört noch viel mehr dazu, insbesondere, den Kindern Vorbild zu sein und ihnen eine lebenswerte Zukunft und einen guten Start in selbige zu ermöglichen. Die Menschen, die dazu nicht in der Lage sind, sollten sich das mit dem Kinderkriegen besser noch einmal überlegen. Und den Familien, in denen -- durch welche Umstände auch immer -- die Eltern nicht mehr die Möglichkeit haben, in ausreichendem Maße für ihre Kinder dazusein, sollte das gesellschaftliche Umfeld helfen. Nein, auch dafür habe ich kein Patentrezept, und mancher wird jetzt vielleicht sagen, dass ich da "utopischen Blödsinn" von mir gebe. Andere werden mich für überheblich halten, dass ich mir anmaße, zu bestimmen, wie Eltern mit ihren Kindern umzugehen oder sie zu erziehen haben. Aber ich halte das menschliche Leben für ein so hohes Gut, dass das Zeugen von Nachkommen nicht zur reinen Reproduktion bzw. Arterhaltung verkommen darf.

                    Welche Rechtfertigung ist nötig für eine grobe politische Orientierung in der Demokratie, geographisches Grundwissen und Prozentrechnung?
                    Es gibt in meinem Leben durchaus Situationen, in denen man das gebrauchen kann....
                    Ja, in _deinem_ Leben, im Leben der "krass, Alder"-Generation auch?
                    Interessante Frage. Simple Antwort: Wenn sie erfolgreich an einem Einstellungsgespräch teilnehmen wollen, wäre das vielleicht eine Idee, oder? Wenn Sie mitbestimmen wollen in Betrieben oder Parteien, wär's vielleicht nicht schlecht. Und: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.

                    Diese Frage war leicht ironisch gemeint. Im Laufe der Zeit wirst du feststellen, dass ich gerne provokante Fragen stelle, um mein Gegenüber ein wenig zu "locken". Ich habe bemerkt, dass man durch Fragen in so mancher Diskussion viel weiter kommt, als mit reinen Aussagen (man darf's natürlich nicht übertreiben). Um es aber mal auf die Spitze zu treiben: Brauche ich in einem Einstellungsgespräch Prozentrechnung? Bringt mir bei der Mitbestimmung im Betrieb das geographische Grundwissen etwas? (Halt, noch nicht antworten, erst weiterlesen!)

                    Aber mal Spaß beiseite, prinzipiell stimme ich dir da zu. Wobei die Lehrinhalte z.T. vielleicht doch etwas praxisrelevanter sein dürften. Ich fand z.B. im Deutschunterricht Grammatik absolut unnütz,
                    Ich habe gerade einige Klassenarbeiten korrigiert, unter anderem in Bildungsgängen mit kaufmännischer Ausrichtung. Was meinst Du, welche Chancen die no-grammar-Fraktion bei einem Einstellungstest hat? Wer würde auf die Idee kommen, so simple Sprachen wie PHP lernen zu wollen, ohne sich mit Befehlen und Syntaxregeln beschäftigen zu müssen. Aber Deutsch, na klar, das machen wir aus dem Bauch *g*

                    Ich schon ;-)

                    Natürlich gibt es Leute, die das aus dem Bauch können, nämlich die, die von früher Kindheit an mit Büchern konfrontiert werden und in einer Umgebung aufwachsen, in der korrekt Deutsch gesprochen wird.

                    Und schon sind wir wieder bei der Verantwortung der Eltern. Wie Vera F. Birkenbihl so schön sagt (sinngemäß zitiert): "Wie kann man von einem Kind verlangen, dass es gerne liest und schreibt, wenn zuhause alles, was gelesen wird, die Fernsehzeitung und alles, was geschrieben wird, der Einkaufszettel ist?" Und ich bleibe dabei, dass der richtige Umgang mit der Sprache nicht durch Auswendiglernen von Grammatikregeln erlernt werden kann. So etwas lernt man nur durch "handeln"; wenn der Unterricht das berücksichtigt, ist selbstverständlich nichts dagegen einzuwenden. Zu "meiner Zeit" war das jedenfalls nicht so.

                    Inzwischen dürfte das eine Minderheit von grob geschätzt 30% sein.

                    _Das_ finde ich traurig und _sehr_ bedenklich.

                    Auch hilft es ungemein, zu wissen, warum man etwas lernt.
                    Natürlich hast Du Recht.

                    Immer. ;-)

                    Es gibt aber ein seltsames Geheimnis der Bildung, das viele nicht verstehen: Das größte Privileg der Eliten ist es, während ihrer Schulzeit völlig praxisirrelevante Dinge lernen zu dürfen.

                    So sie denn wirklich praxisirrelevant sind. Definiere "praxisrelevant". Dann definiere ich, dann Schröder, dann Stoiber, dann Schrempp, dann Sommer. Wie viele verschiedene Definitionen mit teilweise sogar widersprechenden Aussagen dabei wohl herauskommen? Ich schätze mal, mindestens sechs.

                    Platos Höhlengleichnis

                    öffnet mir den Geist für "Andersdenkende", führt mir meine eigene "Beschränktheit" vor Augen und macht mich nachdenklich bez. meiner Meinungen und Ansichten.

                    Lateinisch

                    lehrt mich Strukturen und Logik.

                    höhere Mathematik

                    hat viel mit logischem Denken und vor allem mit Abstrahieren zu tun.

                    eine Theater-AG,

                    fördert die persönliche (sprachliche und körperliche) Ausdrucksweise kennenzulernen und auszuprobieren - und macht Spaß. Außerdem wird das gemeinsame Arbeiten in der Gruppe gefördert.

                    ein Musikinstrument

                    spielen fördert die Intelligenz, fordert das Durchhaltevermögen und bringt Erfolgserlebnisse, die quasi spielerisch entstehen. Es fördert die Hand-Auge-Ohr-Koordination.

                    wie man in einer Band oder in einem Orchester spielt

                    zeigt einem, dass man sich dem Großen Ganzen unterordnen muss, um das gemeinsame Ziel zu erreichen.

                    die Geschichte der russischen Literatur im 19. Jahrhundert

                    zeigt einem, so sie denn nicht herausgerissen aus sämtlichen Zusammenhängen betrachtet wird, die Abhängigkeiten zwischen gesellschaftlichen Entwicklungen und der Literatur, wodurch ein umfassenderes Verständnis möglich wird. Kritikfähigkeit bezüglich aktueller Geschehnisse wird erst durch Kenntnisse vergangener Geschehnisse möglich.

                    irgendwelche abgedrehten Gedichte von Benn und Celan.

                    Die Auseinandersetzung mit etwas mir völlig Fremdem lehrt mich, nicht vorschnell zu urteilen und die Feinheiten und vielleicht sogar verborgenen Schönheiten am Andersartigen zu entdecken.

                    "Hohles Lebensgehöft. Im Windfang
                    die leer-
                    geblasene Lunge
                    blüht. Eine Handvoll
                    Schlafkorn
                    weht aus dem wahr-
                    gestammelten Mund
                    hinaus zu den Schnee-
                    gesprächen."
                    (Paul Celan)

                    Was ist denn daran praxisirrelevant? *g*

                    ... bei uns herrscht die Meinung, der perfekte Deutschunterricht wäre so eine Art höherer Schulung für Verkaufsgespräche,

                    Dann bin ich keiner der zur herrschenden Klasse gehört. Der perfekte Deutschunterricht befähigt die Schüler zu einem kritischen und bewussten Umgang mit der eigenen Sprache und zu einer vielfältigen Ausdrucksweise. Die Verkaufsgespräche sind mit _diesen_ Kenntnissen und vor allem Fertigkeiten ein Klacks.

                    der perfekte Matheunterricht müsse sich sofort auf Anwendungen stürzen.

                    Wenn damit gemeint ist, dass die Schüler das Wissen nicht nur theoretisch lernen, sondern auch anwenden, indem sie es einfach ausprobieren und vielleicht sogar bestimmte Kenntnisse erst durch die "herumprobierende Anwendung" erlangen, dann stimme ich dem sogar zu. Nicht zustimmen würde ich, wenn jeder Schüler nur das lernen sollte, was er mit hunderprozentiger Wahrscheinlichkeit (die ja wiederum eine Gewissheit ist, die es nicht geben kann) im späteren Leben benötigt. Wenn ihm also vorherbestimmt ist, dass er Schuhputzer wird, braucht er keine Differentialrechnung zu lernen - nein, das meine ich nicht mit praxisrelevantem Unterricht.

                    Es gilt jedoch auch für den Mathematikunterricht, was du selbst sagst:
                    "Meiner bescheidenen Erfahrung nach lernt man am besten bei konkreten Projekten."
                    Die Frage ist demnach nur noch, wie diese Projekte auszusehen haben. Das wird nicht einfach sein, aber es lohnt sich nicht nur, sondern ist mMn sogar notwendig.

                    Wir sind eben auf dem Wege vom Volk der Dichter und Denker zu einer demokratischen Gemeinde sympathischer Dussel, die mangels eigener Hirnmasse jedem Mainstream hinterhereiern müssen...

                    Was können wir dagegen tun? Dussel ohne eigene Hirnmasse sind _mir_ nicht sympathisch ...

                    Eine Frage habe ich an dich als Lehrer noch: Haben die Jugendlichen heutzutage tatsächlich ein derart rudimentäres Sprachvermögen, wie sie es in ihren Dialogen in der Öffentlichkeit (im Bus etc.) offenbaren? _Das_ wäre in der Tat haarsträubend.

                    Schönen Sonntag noch!
                    O'Brien

                    PS: Als aufmerksamer Leser hast du selbstredend bemerkt, dass ich bei deiner Aufzählung der "praxisirrelevanten" Lehrinhalte etwas ausgelassen habe; mir fiel keine passende Entgegnung ein :-)

                    --
                    Frank und Buster: "Heya, wir sind hier um zu helfen!"
                    1. Hallo O'Brien,

                      Um es aber mal auf die Spitze zu treiben: Brauche ich in einem Einstellungsgespräch Prozentrechnung? Bringt mir bei der Mitbestimmung im Betrieb das geographische Grundwissen etwas?

                      in meiner Antwort an Mathias hatte ich schon gesagt, dass ich die Frage etwas anders gemeint hatte und nicht den Nutzen des Wissens selbst in Frage stellte. Aber deine Frage ist sehr gut und zeigt ein sehr prinzipielles Problem auf. Da fast nie klar ist, welches Wissen in einer konkreten Situation erforderlich ist, propagiert die Pädagogik das Lernen auf Vorrat.

                      Wie Vera F. Birkenbihl so schön sagt

                      richtig Birkenbihl geschult, oder nur gelesen?

                      (sinngemäß zitiert): "Wie kann man von einem Kind verlangen, dass es gerne liest und schreibt, wenn zuhause alles, was gelesen wird, die Fernsehzeitung und alles, was geschrieben wird, der Einkaufszettel ist?"

                      Könnte ja auch lehrreich sein ;-)
                      Mutter: "Kind, wie schreibt man Spageddi?"
                      Kind: "Keine Ahnung, ist doch scheissegal ..."
                      Mutter: "Was lernst du denn in der Schule? Hat euch der Lehrer das noch nicht gesagt?"
                      Kind: "Doch, schreibt sich jetzt ohne H, weiss aber nicht mehr ob vorn oder hinten."
                      Mutter: "Dann kaufen wir halt Nudeln!"

                      Der perfekte Deutschunterricht befähigt die Schüler zu einem kritischen und bewussten Umgang mit der eigenen Sprache und zu einer vielfältigen Ausdrucksweise. Die Verkaufsgespräche sind mit _diesen_ Kenntnissen und vor allem Fertigkeiten ein Klacks.

                      Ich habe gut 30 Jahre Erfahrung mit dem Optimieren von Verkaufsgesprächen. Ich kann dir versichern, dass dabei der bewusste Umgang mit der Sprache den Deutschunterricht bei weitem übersteigt. Die Ausdrucksweise ist allerdings weniger an Goethe oder Schiller orientiert, dafür mehr an der normalen Alltagssprache. Übrigens - weil du das oben erwähnt hast - bei mir auch nicht an Birkenbihl. Ein Verkaufsgespräch ist kein Mittel jemand zu irgendetwas zu überreden.

                      Eine Frage habe ich an dich als Lehrer noch: Haben die Jugendlichen heutzutage tatsächlich ein derart rudimentäres Sprachvermögen, wie sie es in ihren Dialogen in der Öffentlichkeit (im Bus etc.) offenbaren? _Das_ wäre in der Tat haarsträubend.

                      In der Schweiz gibt es dazu eine sehr umfangreiche Langzeitstudie, die beim Eintritt ins Militär mit den Rekruten gemacht wird. Seit 50 Jahren gibt es keine nennenswerte Veränderung der sprachlichen Fähigkeiten. Die Umgangssprache in der Öffentlichkeit hat sich aber sicher gewaltig geändert, was aber nicht unbedingt negativ sein muss, manchmal vielleicht etwas nervend (für die Älteren).

                      Beste Grüsse
                      Richard

                      1. Hi Richard,

                        Da fast nie klar ist, welches Wissen in einer konkreten Situation erforderlich ist, propagiert die Pädagogik das Lernen auf Vorrat.

                        wobei das _allein_ auch der falsche Ansatz ist. Vielmehr sollte Schule die Fähigkeit zu lernen, insbesondere die eigenständige Wissensaneignung vermitteln. Auch das kritische Betrachten und das Bilden einer eigenen Meinung ist im Zeitalter der Informationsüberflutung dringend erforderlich.

                        Wie Vera F. Birkenbihl so schön sagt
                        richtig Birkenbihl geschult, oder nur gelesen?

                        Viel gelesen, einige Videos gesehen, einiges an Techniken ausprobiert.

                        Übrigens - weil du das oben erwähnt hast - bei mir auch nicht an Birkenbihl. Ein Verkaufsgespräch ist kein Mittel jemand zu irgendetwas zu überreden.

                        Sprechen wir von der gleichen Person? Bei der Frau Birkenbihl, die ich meine, habe ich noch nie etwas dazu gefunden, wie man den Gesprächspartner überredet. Ganz im Gegenteil, ihr Fragetechnik-Training zielt doch gerade darauf ab, herauszufinden, was mein Gegenüber _wirklich_ will.

                        Eine Frage habe ich an dich als Lehrer noch: Haben die Jugendlichen heutzutage tatsächlich ein derart rudimentäres Sprachvermögen, wie sie es in ihren Dialogen in der Öffentlichkeit (im Bus etc.) offenbaren? _Das_ wäre in der Tat haarsträubend.
                        In der Schweiz gibt es dazu eine sehr umfangreiche Langzeitstudie, die beim Eintritt ins Militär mit den Rekruten gemacht wird. Seit 50 Jahren gibt es keine nennenswerte Veränderung der sprachlichen Fähigkeiten. Die Umgangssprache in der Öffentlichkeit hat sich aber sicher gewaltig geändert, was aber nicht unbedingt negativ sein muss, manchmal vielleicht etwas nervend (für die Älteren).

                        Ist schon klar, wir hatten schließlich auch unseren eigenen "Slang", das war wohl schon immer so und wird auch immer so sein. Es bleibt zu hoffen, dass das durchschnittliche Sprachvermögen der Jugend in den letzten Jahren tatsächlich nicht gravierend schlechter geworden ist.

                        Schönen Sonntag noch!
                        O'Brien

                        --
                        Frank und Buster: "Heya, wir sind hier um zu helfen!"
                        1. Hallo O'Brien,

                          Vielmehr sollte Schule die Fähigkeit zu lernen, insbesondere die eigenständige Wissensaneignung vermitteln. Auch das kritische Betrachten und das Bilden einer eigenen Meinung ist im Zeitalter der Informationsüberflutung dringend erforderlich.

                          Ich befürchte, dass es gerade ein Problem der Schule ist, dass sich die Schüler eine eigene Meinung bilden. Genauer gesagt ist das Problem, dass die Meinung der Schüler zu sehr von der der Schule abweicht. Da die Schule aber nun weitgehend auf ihrer Meinung beharren muss, sind Konflikte unausweichlich. Im Umgang mit Meinungen hat unsere Gesellschaft leider ein gewaltiges Defizit, wissen ist angesagt, nicht meinen. Und während die Schüler allenfalls meinen können, welches Wissen sie sich aneignen sollten, weiss der Lehrer dies, und um ganz sicher zu gehen, sagt es ihm das Kultusministerium. Wie sollen sich da Schüler und Schülerinnen selbständig Wissen aneignen und ein eigene Meinung bilden können?

                          Sprechen wir von der gleichen Person? Bei der Frau Birkenbihl, die ich meine, habe ich noch nie etwas dazu gefunden, wie man den Gesprächspartner überredet. Ganz im Gegenteil, ihr Fragetechnik-Training zielt doch gerade darauf ab, herauszufinden, was mein Gegenüber _wirklich_ will.

                          Wir sprechen von der gleichen Person. Bezüglich Kritik an Vera Burkenbihl verweise ich dich am besten auf Friedemann Schulz von Thun, der sich als Professor auf seine akademische Überlegenheit beruft. Allerdings sind die beiden mit ihren Seminarangeboten Konkurrenten und da ist Vera Birkenbihl womöglich erfolgreicher.

                          Beim Verkaufstraining, insbesondere bei so Standardthemen wie Frage-, Argumentations- oder Formulierungstechnik schreibt seit Jahrzehnten jeder und jede von jedem und jeder ab. Das liegt daran, dass es darüber kaum gesichertes Wissen gibt und die meisten nicht erfinderisch genug sind, psychologische und soziologische Studien phantasievoll richtig hinzubiegen oder gleich selbst zu erfinden. Im Wesentlichen kommt es deshalb auf die richtige Form der Darbietung an, ist also eher Selbstdarstellung der Trainer und Trainerinnen.

                          In diesem Sinne werden im Verkaufsgespräch Fragen nicht gestellt, um herauszufinden, was das Gegenüber wirklich will, sondern was es nach Auffassung des Verkäufers zu wollen hat. Die wenigsten Fragetechniken dienen der sachlichen Informationsgewinnung, sie dienen vielmehr der gezielten Steuerung des Gesprächsverlaufs. Was dabei herauskommt ist noch nicht einmal richtige zweiseitige Kommunikation, in jedem Fall ist es aber im Sinne von Bales pseudo oder allenfalls asymmetrische Interaktion.

                          Klar ist auch, dass du da nichts von Überreden liest und hörst. Es gilt ja gerade mit allen sprachlichen Raffinessen das Überreden zu übertünchen und als Überzeugen darzustellen. Dafür gibt es bei Kant auch eine prima Vorlage und sich auf einen so berühmten Philosophen zu beziehen, steht einer an sonsten recht unwissenschaftlichen Branche auch nicht schlecht an. Die Unterscheidung zwischen dem positiven Überzeugen und dem negativen Überreden ist allerdings eine Erfindung des deutschen Idealismus, in der Antike war dies unbekannt und in den Theorien der Alltagsprache lässt sich das kaum aufrecht erhalten.

                          Ungeklärt ist nach wie vor, ob allein diese geschliffenen Formulierungsweisen etwas zum Verkaufserfolg beitragen. Wichtiger dürfte nämlich sein, dass das Verkauftstraining an und für sich und ziemlich unabhängig von seinen Inhalten zu einer Leistungssteigerung führt. Allerdings bei gut ausgebildeten und trainierten Mitarbeitern klappt dies nicht mehr, dann sind wirkliche Lösungen gefragt.

                          Beste Grüsse
                          Richard

                          1. Hi Richard,

                            Ich befürchte, dass es gerade ein Problem der Schule ist, dass sich die Schüler eine eigene Meinung bilden. Genauer gesagt ist das Problem, dass die Meinung der Schüler zu sehr von der der Schule abweicht.

                            Es geht mir nicht darum, dass die Schüler sich eine Meinung darüber bilden sollen, was sie lernen wollen und was nicht, sondern über die Inhalte des Unterrichts. Ich fand es in den "interpretierenden" Fächern wie Deutsch oder Religion immer sehr nervig, wenn die Nachplapperer die guten Noten bekamen und diejenigen, die es wagten, eine eigene - von der vom Lehrer diktierten abweichende - Meinung zu haben, dafür abgestraft wurden.

                            Wir sprechen von der gleichen Person. Bezüglich Kritik an Vera Burkenbihl verweise ich dich am besten auf Friedemann Schulz von Thun, der sich als Professor auf seine akademische Überlegenheit beruft. Allerdings sind die beiden mit ihren Seminarangeboten Konkurrenten und da ist Vera Birkenbihl womöglich erfolgreicher.

                            Wer den Erfolg hat, muss für die Kritiker (Neider?) nicht mehr sorgen ;-)

                            Friedemann Schulz von Thun kenne ich jetzt nur als Autor der "Kommunikations-Bibel", die allerdings meines Wissens für den Leser eher akademischen denn praktischen Nutzwert besitzt. Liege ich da richtig?

                            Deine Kritik an Frau Birkenbihl Fragetechnik kann ich bisher nicht nachvollziehen, werde mich aber mit deinen Anmerkungen im Hinterkopf noch einmal damit beschäftigen. Da du wesentlich mehr Erfahrung hast als ich, lege ich Wert auf deine Kritik. Um ganz sicherzugehen, dass wir nicht doch aneinander vorbeireden, erlaube mir die Frage, auf welche Publikationen von Frau Birkenbihl du dich beziehst (sie ist ja schon länger im Geschäft und ich kenne nur einen Bruchteil ihrer Veröffentlichungen).

                            Schönen Sonntag noch!
                            O'Brien

                            --
                            Frank und Buster: "Heya, wir sind hier um zu helfen!"
                          2. Hallo.

                            Die Unterscheidung zwischen dem positiven Überzeugen und dem negativen Überreden ist allerdings eine Erfindung des deutschen Idealismus, in der Antike war dies unbekannt und in den Theorien der Alltagsprache lässt sich das kaum aufrecht erhalten.

                            Richtig ist, dass es im Lateinischen nur ein Wort für "überreden" und "überzeugen" gibt. Falsch ist hingegen, dass diese Begriffe nicht unterschieden worden sind. Bei den "verba dicendi" wird diese Unterscheidung grammatisch konstruiert.
                            MfG, at

                    2. Hi O'Brien,

                      "Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass die schlechten PISA-Ergebnisse _nur_ dadurch zustande gekommen sind, dass es nur noch dumme Schüler gibt. Dabei beschreibt "dumm" eine Eigenschaft (wie z.B. Haarfarbe), die nicht durch bessere Ausbildung zu beheben ist."

                      Ja, die Dummheit... Genetisch sollte die Intelligenzverteilung quer durch alle Schichten streuen, faktisch gelingt es fast nur Kindern aus bestimmten Gruppen der Bevölkerung, ihre Intelligenz in schulischen Erfolg umzumünzen. Immer noch ist der Anteil von Kindern aus sozial schwachen Familien oder aus Familien mit Migrationsanteilen an den Abiturienten signifikant gering, besonders an den leistungsstarken Gymnasien gibt es nur wenige Arbeiter- oder Ausländerkinder.

                      Es scheint also etwas mit Lernprozessen, Lebenssituationen, Einstellungen zu tun zu haben. Die sozialen Unterschiede kann die Schule dennoch nur zu einem geringen Teil ausgleichen, die Chancengelichheit erweist sich als Illusion. Ist dieses Problem aber lösbar? Kann man durch Verbesserung des Bildungssystems die Situation der Kinder aus bildungsfernen oder bildungsfeindlichen Schichten und Gruppen ändern? Es käme auf einen Versuch an. Dazu wären allerdings andere finanzielle Anstrengungen erforderlich als die jetzt gemachten. Als Insider kann ich Dir sagen, das die Wahlkampfreden und Programme der realen Situation nicht entsprechen.

                      die Chancen auf eine gut funktionierende und zukunftsfähige Gesellschaft

                      Es scheint so, dass eine gehobene Bildung, die zu qualifizierten Tätigkeiten befähigte, in weiten Kreisen der Bevölkerung nur gegen massiven Widerstand durchzusetzen wäre. Wir werden, so sieht es zumindest aus, immer größere Gruppen von Menschen in unserer Gesellschaft haben, die nur einfache Tätigkeiten ausüben wollen oder können. Da diese Tätigkeiten in diesem Umfang nicht nachgefragt werden, dürfte es naheliegen, diese auch nur schlecht zu bezahlen. Die Zweidrittelgesellschaft liegt insofern im Trend.

                      Ich persönlich bin damit äußerst unzufrieden, andererseits aber auch realistisch. Wenn ein Jugendlicher aus einer ausländischen Familie nach 10 Jahren deutscher Schule immer noch über geringe Deutschkenntnisse verfügt, wird dieses Problem kaum über weitere Bildungsmaßnahemn zu lösen sein. Es gibt zahlreiche Versuche in dieser Richtung, die nicht den rechten Erfolg gebracht haben. Welche Perspektive kann man diesem Menschen nun anbieten? Wahrscheinlich doch nur eine einfache, schlecht bezahlte Tätigkeit.

                      Ich glaube, dass viele Menschen einfach keine Verantwortung übernehmen bzw. sich ihrer Verantwortung nicht bewusst sind.

                      Nicht einmal der Verantwortung für sich selbst. Ich habe mal in Gesellschaftslehre einen Test schreiben lassen, der unter anderem die Frage enthielt, welche Gründe die Schüler sähen, dass immer weniger Menschen in traditionellen Familien leben. Daraufhin schrieben mehrere Schüler unabhängig voneinander, dass es durch die Sozialhilfe heute möglich sei allein zu leben, wo man früher auf die Familie angewiesen gewesen sei....

                      "Wie kann man von einem Kind verlangen, dass es gerne liest und schreibt, wenn zuhause alles, was gelesen wird, die Fernsehzeitung und alles, was geschrieben wird, der Einkaufszettel ist?"

                      Manchmal schmunzelt man als Lehrer, wenn man elterliche Entschuldigungsschreiben liest....

                      Inzwischen dürfte das eine Minderheit von grob geschätzt 30% sein.
                      _Das_ finde ich traurig und _sehr_ bedenklich.

                      Ist es auch. In dem hohen Anteil von Kindern an Migrantenfamilien ist es allerdings nur natürlich.

                      Es gibt aber ein seltsames Geheimnis der Bildung, das viele nicht verstehen: Das größte Privileg der Eliten ist es, während ihrer Schulzeit völlig praxisirrelevante Dinge lernen zu dürfen.
                      Was ist denn daran praxisirrelevant? *g*

                      Ich denke, Du verstehst, was ich meine, natürlich, eine fundamentale Auseinandersetzung mit Sprache ist viel relevanter für die Lebenspraxis als platt berufsrelevante Dinge, die zudem einem äußerst schnellen Alterungsprozess unterliegen.

                      "Meiner bescheidenen Erfahrung nach lernt man am besten bei konkreten Projekten."
                      Die Frage ist demnach nur noch, wie diese Projekte auszusehen haben. Das wird nicht einfach sein, aber es lohnt sich nicht nur, sondern ist mMn sogar notwendig.

                      Richtig, eine solche Art von Problem- und Handlungsorientierung ist sinnvoll und wichtig!

                      Eine Frage habe ich an dich als Lehrer noch: Haben die Jugendlichen heutzutage tatsächlich ein derart rudimentäres Sprachvermögen, wie sie es in ihren Dialogen in der Öffentlichkeit (im Bus etc.) offenbaren? _Das_ wäre in der Tat haarsträubend.

                      Natürlich ist Jugendsprache immer ein Instrument zur Identitätsstiftung und zur Abgrenzung zur Welt der Erwachsenen. Mir scheint aber momentan der Anteil stereotyper Elemente besonders hoch zu sein. Allein das befähigt aber nicht zu einer klaren Aussage.

                      Meine schulische Erfahrung:

                      • Es gibt einen konkreten Mangel an sprachlicher Integration bei Kindern aus Migrantenfamilien.
                      • Es gibt Lese- und Schreibprobleme auch bei Schülern aus deutschen Familien aufgrund fehlender Lese- und Schreibpraxis.
                      • Es gibt im Bereich der Sekundarstufe 1 ganze Schulen, an denen an viele Schüler offensichtlich nur noch rudimentäre sprachliche Kenntnisse vermittelt werden können.

                      Viele Grüße
                      Mathias Bigge

                      1. Hi Mathias,

                        Immer noch ist der Anteil von Kindern aus sozial schwachen Familien oder aus Familien mit Migrationsanteilen an den Abiturienten signifikant gering, besonders an den leistungsstarken Gymnasien gibt es nur wenige Arbeiter- oder Ausländerkinder.

                        Es scheint also etwas mit Lernprozessen, Lebenssituationen, Einstellungen zu tun zu haben.

                        In der Tat, ich glaube sogar, dass das nahe Umfeld der Kinder sehr prägend auf die schulische Entwicklung einwirkt. Es mag ein dummes Klischee sein, aber ich vermute, dass ein hochintelligentes Kind in einer Familie, deren Mitglieder nur einfachste Berufe ohne geistigen Anspruch ausüben und das vielleicht sogar schon seit Generationen getan haben, geistig regelrecht verhungert, weil es keine entsprechende Unterstützung bekommt. Und ein durchschnittlich oder gar weniger intelligentes Kind kann dann ja praktisch schulisch nur versagen.

                        Aber auch in bildungsnäheren Familien sehe ich einen gewissen Trend zum verantwortungslosen Umgang mit den Kindern, leider.

                        Die sozialen Unterschiede kann die Schule dennoch nur zu einem geringen Teil ausgleichen, die Chancengelichheit erweist sich als Illusion. Ist dieses Problem aber lösbar? Kann man durch Verbesserung des Bildungssystems die Situation der Kinder aus bildungsfernen oder bildungsfeindlichen Schichten und Gruppen ändern?

                        Ganz ehrlich: Ich wüsste nicht wie. Um einen durchgreifenden Erfolg zu erzielen, müsste wohl auch das Umfeld, also in erster Linie die Famile, mit einbezogen werden. Und selbst wenn das staatlich angeboten würde, wird sicherlich noch bei den derart "Beglückten" ein gewisser Widerstand zu überwinden sein.

                        Es käme auf einen Versuch an. Dazu wären allerdings andere finanzielle Anstrengungen erforderlich als die jetzt gemachten. Als Insider kann ich Dir sagen, das die Wahlkampfreden und Programme der realen Situation nicht entsprechen.

                        Die Frage ist einfach, wo wollen wir mit diesem unseren Land in 5, 10, 20 Jahren sein. Eine Antwort auf diese Frage erwarte ich von unseren derzeitigen Politikern jeglicher Couleur (mit wenigen Ausnahmen) nicht mehr. Schade eigentlich, aber da kommt mir einfach zu viel heiße Luft und da, wo etwas getan wird, kommt mir teilweise das kalte Grausen.

                        Es scheint so, dass eine gehobene Bildung, die zu qualifizierten Tätigkeiten befähigte, in weiten Kreisen der Bevölkerung nur gegen massiven Widerstand durchzusetzen wäre. Wir werden, so sieht es zumindest aus, immer größere Gruppen von Menschen in unserer Gesellschaft haben, die nur einfache Tätigkeiten ausüben wollen oder können.

                        Wer in der Schule gut ist, ist ein Streber. Es ist schick, selber damals in Mathe eine 5 gehabt zu haben, damit kann man schön kokettieren. Und wenn morgen dein erster Schultag ist, dann fängt für dich der "Ernst des Lebens" an. Schule macht keinen Spaß, es geht immer nur darum, möglichst schnell Ferien zu haben. Da muss man halt durch, durch die ewige Paukerei. Solange dieses Gedankengut sich mit ungeahnter Hartnäckigkeit in den Köpfen hält, sieht es schlecht aus mit der "Bildungswilligkeit" unserer Gesellschaft.

                        Ich persönlich bin damit äußerst unzufrieden, andererseits aber auch realistisch. Wenn ein Jugendlicher aus einer ausländischen Familie nach 10 Jahren deutscher Schule immer noch über geringe Deutschkenntnisse verfügt, wird dieses Problem kaum über weitere Bildungsmaßnahemn zu lösen sein.

                        Zumindest nicht mit Bildungsmaßnahmen für den Jugendlichen. Wie soll er es denn bitte lernen, wenn zuhause nur die Muttersprache der Eltern gesprochen wird?

                        Schönen Sonntag noch!
                        O'Brien

                        --
                        Frank und Buster: "Heya, wir sind hier um zu helfen!"
                        1. Hi O'Brien,

                          Aber auch in bildungsnäheren Familien sehe ich einen gewissen Trend zum verantwortungslosen Umgang mit den Kindern, leider.

                          Ja, die Vernachlässigung von Kindern hat nicht unbedingt etwas mit Armut zu tun, obwohl sie dadurch gefördert wird.

                          Und selbst wenn das staatlich angeboten würde, wird sicherlich noch bei den derart "Beglückten" ein gewisser Widerstand zu überwinden sein.

                          Ein Kollege von mir hat neulich mit einer Klasse ein sehr interessantes Arbeitsblatt besporchen, das zusammenstellte, welche Vorteile es hat, ein schlechter Schüler zu sein.

                          Wenn ein Jugendlicher aus einer ausländischen Familie nach 10 Jahren deutscher Schule immer noch über geringe Deutschkenntnisse verfügt, wird dieses Problem kaum über weitere Bildungsmaßnahemn zu lösen sein.

                          Vielleicht wäre es machbar, wenn mit dem Erfolg in solchen Bildungsmaßnahmen eine konkrete Chance auf dem Arbeitsmarkt verbunden wäre...

                          Viele Grüße
                          Mathias Bigge

                          1. Hi Mathias,

                            Ein Kollege von mir hat neulich mit einer Klasse ein sehr interessantes Arbeitsblatt besporchen, das zusammenstellte, welche Vorteile es hat, ein schlechter Schüler zu sein.

                            das interessiert mich sehr. Kannst du mir dieses Arbeitsblatt per E-Mail zuschicken?

                            Wenn ein Jugendlicher aus einer ausländischen Familie nach 10 Jahren deutscher Schule immer noch über geringe Deutschkenntnisse verfügt, wird dieses Problem kaum über weitere Bildungsmaßnahemn zu lösen sein.
                            Vielleicht wäre es machbar, wenn mit dem Erfolg in solchen Bildungsmaßnahmen eine konkrete Chance auf dem Arbeitsmarkt verbunden wäre...

                            Das ist ein interessanter Gedanke. Warum soll ich Deutsch lernen (wobei statt "Deutsch" auch "Mathe", "Englisch" etc. stehen könnte, da sicher nicht nur Ausländerkinder betroffen sind), wenn ich sowieso keinen Job bekomme, in dem ich diese Kenntnisse benötigte? Das macht einmal mehr deutlich, wie stark die Entwicklungen innerhalb einer Gesellschaft vernetzt sind. Es nützt nichts, _nur_ mehr Lehrer einzustellen, die Oberstufe zu verkürzen, das Schuleintrittsalter abzusenken, wenn die weiter umfassenden Rahmenbedingungen nicht beachtet werden.

                            Schönen Sonntag noch!
                            O'Brien

                            --
                            Frank und Buster: "Heya, wir sind hier um zu helfen!"
                            1. Hi O'Brien,

                              das interessiert mich sehr. Kannst du mir dieses Arbeitsblatt per E-Mail zuschicken?

                              Ich frag ihn mal, ob er ein Exemplar für mich hat. Ein paar Argumente dieser Art leifert:
                              http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,353412,00.html

                              Es nützt nichts, _nur_ mehr Lehrer einzustellen, die Oberstufe zu verkürzen, ....

                              Für mich ein typisches Beispiel für das hohle Gerede in Politik und Wirtschaft: Während überall von Verkürzung der Bildungsgänge gefaselt wird, gibt es durch die akute Situation auf dem Lehrstellenmarkt ein massives Bedürfnis der Schüler, nach ergänzenden Angeboten im schulischen Bereich, um Wartezeiten sinnvoll überbrücken zu können und gleichzeitig die eigene Qualifikation zu verbessern. Ich kann es statistisch nicht belegen, aber ich bin sicher, dass sich die Verweildauer im Bildungssystem tendenziell eher verlängert als verkürzt.

                              Da Bildungspolitik in NRW zur Zeit Wahlkampfthema Nummer 1 ist, und viele auf die ideologischen Geplänkel hereinfallen, möchte ich hier ein paar Qualitätsmaßstäbe für Bildungspolitik aus Insidersicht anführen:

                              1. Wieviele Schüler sind in einer Lerngruppe?
                              2. Wieviel Unterricht fällt aus?
                              3. Wieviele Unterrichtsstunden werden pro Schüler tatsächlich erteilt?
                              4. Wieviele Unterrichtsstunden muss ein Vollzeitlehrer erteilen?
                              5. Welche Summe steht einer Schule für die Lehrerfortbildung pro Lehrer zur Verfügung?
                              6. Wie sind die Schulen räumlich und medial ausgestattet?
                              7. Welche Qualifikation hat das Personal, das  Zusatzangebote durchführt? (vor allem bei Ganztagsangeboten)
                              8. Welche besonderen Lernschwierigkeiten sind aus dem sozialen Umfeld der Schule zu erwarten?
                              9. Welches Konzept hat die Schule zum Umgang mit Schwierigkeiten?
                              10. Gibt es besonders ausgebildete Beratungslehrer?

                              Viele Grüße
                              Mathias Bigge

                              1. Hi Mathias,

                                Ich frag ihn mal, ob er ein Exemplar für mich hat. Ein paar Argumente dieser Art leifert:
                                http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,353412,00.html

                                das Interview ist recht interessant, zumal man einen solchen Einblick in die "Schülerköpfe" sonst nicht erhält. Es klingt zwar einiges davon sehr offensichtlich, aber ohne es untersucht zu haben, kann man natürlich keine qualifizierten Aussagen machen.

                                Da Bildungspolitik in NRW zur Zeit Wahlkampfthema

                                Zum Thema Wahlkampf: Kennst du die Episode von Käpt'n Blaubär mit dem "Walversprechen"? :)

                                Nummer 1 ist, und viele auf die ideologischen Geplänkel hereinfallen, möchte ich hier ein paar Qualitätsmaßstäbe für Bildungspolitik aus Insidersicht anführen:

                                Werden die Insider denn auch gefragt?

                                Schönen Sonntag noch!
                                O'Brien

                                --
                                Frank und Buster: "Heya, wir sind hier um zu helfen!"
                    3. Hallo O'Brien,

                      Platos Höhlengleichnis
                      öffnet mir den Geist für "Andersdenkende", führt mir meine eigene "Beschränktheit" vor Augen und macht mich nachdenklich bez. meiner Meinungen und Ansichten.

                      da hätte ich auch andere Interpretationen anzubieten. Ob es auch mal mühsam sein mag über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, oder ob Inhalte gänzlicher anderer Kulturen oder unbekannter Situationen nicht verstanden werden können ist ja noch vorstellbar.
                      Aber dann die in dem Gleichnis noch ausgeführte grundsätzliche Angst vor neuen Erfahrungen, vor Wissen, statt Neugierde, das fragwürdige Menschenbild überhaupt ergibt, wie auch andere solcher Gleichnisse, einen auch gut faschistisch nutzbaren Text. Sowas wäre dann im Schulunterricht ohne Kritik und ohne Zusatzinformationen über das damalige Gesellschaftssystem natürlich genau "richtig" auf dem Weg zur Elitenbildung und repressiven Methoden.

                      Gruß
                      CurtB

                      1. Hi CurtB,

                        Platos Höhlengleichnis

                        Aber dann die in dem Gleichnis noch ausgeführte grundsätzliche Angst vor neuen Erfahrungen, vor Wissen, statt Neugierde, das fragwürdige Menschenbild überhaupt ergibt, wie auch andere solcher Gleichnisse, einen auch gut faschistisch nutzbaren Text.

                        Das ist ein für mich überraschender Gedanke. Wo machst Du da faschistische Positionen aus?

                        Viele Grüße
                        Mathias Bigge

                        1. Hi Mathias,

                          Das ist ein für mich überraschender Gedanke. Wo machst Du da faschistische Positionen aus?

                          ich habe nicht damit gerechnet dass es so "überraschend" wäre, und bin nicht darauf vorbereitet mit Zitaten am Text zu arbeiten. Grundsätzlich hatte ich den Text so verstanden dass er recht allgemein menschliche Eigenschaften beschreiben will.
                          Die Geschichte geht doch wenn ich mich nach über dreißig Jahren richtig erinnere soweit dass ein solcher Höhlenbewohner wieder in die Höhle zurück möchte oder muß. Also abgesehen vom Problem dieser Menschen die nicht nur andere sondern direktere klarere Sicht der Realität zu interpretieren auch noch Mangel an Neugierde und Initiative.

                          Zumal in einem undemokratischen Sklavenhalterstaat also die Botschaft dass der Sklave mit seiner Freiheit ja sowieso nichts anfangen könnte, dazu die Rechtfertigung für Eliten oder Erleuchtete oder was gerade anliegt es besser zu wissen, das reicht doch als faschistische Position?

                          Gruß
                          CurtB

                          1. Hi CurtB,

                            Zumal in einem undemokratischen Sklavenhalterstaat also die Botschaft dass der Sklave mit seiner Freiheit ja sowieso nichts anfangen könnte, dazu die Rechtfertigung für Eliten oder Erleuchtete oder was gerade anliegt es besser zu wissen, das reicht doch als faschistische Position?

                            Die Höhlenbewohner im Gleichnis beziehen sich nicht auf unfreie Sklaven. Ihr Unwissenheit beruht auf dem Reim, den sich die Menschen auf ihre Alltagserlebnisse machen, auf verfehlter Theoriebildung also, aus dem Mangel an Mut, sich den "wahren" Dingen zuzuwenden, dem Reich der Ideen. Der Preis für den, der dies wagt, den Philosophen also, ist Verunsicherung im Alltag, taumelnd bewegt er sich im gleißenden Licht der Sonne und sehnt sich selbst deshalb zurück nach dem Schutz der Höhle.

                            Recht hast Du insofern, als für die griechischen Philosophen die Demokratie nur für wenige galt, dass Sklaverei zeitbedingt als selbstverständlich und richtig anerkannt wurde. Aber eine Sklavenhaltergesellschaft ist sicher unmenschlich, aber kein Faschismus. Das Höhlengleichnis selber zielt zudem nicht auf soziale Unterschiede, sondern auf einen radikalen erkenntnistheoretischen Schritt: Die Wahrheit, so Platon, erschließt sich nicht so ohne weiteres aus den Regeln der Alltagswelt, sondern aus der philosophischen Besinnung auf die Ideen, von denen die Realität - so der Idealismus - nur ein schwacher Abglanz ist.

                            Dennoch bist Du nicht der erste, der die faschistische Unterdrückung in Verbindung mit der griechischen Herrenwelt und ihren großen Werken bringt. Peter Weiss lässt in seiner "Ästhetik des Widerstands" 1937 drei junge Männer das Pergamon-Fries bewundern, umgeben von Männern in Nazi-Uniformen. Einer von ihnen trägt selbst das braune Hemd, als Tarnung für sich und seine Freunde aus dem kommunistischen Widerstand.

                            Diesen drei jungen Männern erscheint im Berliner Pergamon-Museum die Darstellung des Kampfes der Götter  gegen die Giganten als religiös verbrämte Siegesplastik der griechischen Herren, die ihre namenlosen, barbarischen Feinde vernichten oder unterjochen. Bei einem Berlin-Besuch kann es Spaß machen, die großartigen Skulpturen mit Peter Weiss aus dieser Sicht zu betrachten.

                            Viele Grüße
                            Mathias Bigge

                  2. Hallo Mathias, hallo O'Brien,

                    Es ist nicht so leicht wie Du denkst, einen Schuldigen auszumachen.

                    Es wäre viel sinnvoller, auf jede Schuldzuweisung zu verzichten und sich ausschliesslich auf Lösungsmöglichkeiten zu konzentrieren, gemeinsam und nicht gegen einander.

                    Da gibt es die Kinder, die am ersten Schultag schon etwas lesen und schreiben können, auch komplizierte Sachverhalte verstehen und erklären können,
                    Dann gibt es Kinder, um die sich so recht keiner kümmert, die nicht richtig sprechen, springen und singen können. Ausländerkinder, die kaum Deutsch sprechen. Deutsche Kinder, deren Eltern auf der sozialen Rolltreppe abwärts unterwegs sind,
                    Zwischen diesen Polen gibt es eine Fülle von Zwischenschritten,

                    Für eLearning und daraus entwickelte Methoden kein Problem. Es gibt durchaus Unterrichtsmethoden und -formen, die mit diesen Anforderungen zurecht kommen. Diese Probleme sind doch alle nicht neu. Die pädagogische Forschung muss sich fragen lassen, ob sie diese Probleme nicht lösen kann, oder warum sie sie nicht lösen will. Was nützen eigentlich all diese schönen Theorien, wenn sie nur unter nicht existierenden Idealbedingungen taugen? Und warum die Pädagogen deshalb keine gezielte Aus- und Weiterbildung fordern lässt sich wohl auch nur mit deren Bequemlichkeit erklären.

                    Ich habe gerade einige Klassenarbeiten korrigiert, unter anderem in Bildungsgängen mit kaufmännischer Ausrichtung. Was meinst Du, welche Chancen die no-grammar-Fraktion bei einem Einstellungstest hat?

                    Ooch, inzwischen gibts preiswerte Trainingsprogramme, die das Bestehen von Einstellungstests garantieren, auch wenn kein ausreichendes Wissen vorhanden ist ;-)

                    Wer würde auf die Idee kommen, so simple Sprachen wie PHP lernen zu wollen, ohne sich mit Befehlen und Syntaxregeln beschäftigen zu müssen. Aber Deutsch, na klar, das machen wir aus dem Bauch *g*

                    Ich finde es hoch interessant, dass Leute, die missionarisch das Einhalten der W3C-Regeln fordern, die Duden-Regeln als unsinnigen Quatsch ablehnen ;-)

                    Natürlich hast Du Recht. Es gibt aber ein seltsames Geheimnis der Bildung, das viele nicht verstehen: Das größte Privileg der Eliten ist es, während ihrer Schulzeit völlig praxisirrelevante Dinge lernen zu dürfen.

                    Trennung von Ausbildung und Bildung? Lernen als Mittel zum Zweck und zweckfreies Lernen? Irrelevant für die Praxis halte ich das aber keineswegs. Und warum beschränkt auf die Schulzeit? Mir scheint das im Laufe des Lebens immer wichtiger zu werden. Was macht die Elite zur Elite? Das Wissen und Können kann es nicht sein, es gibt fast immer Leute, die mehr wissen uns können und es trotzdem nicht zur Elite schaffen. Ist es so etwas wie ein Bildungshorizont? Auf einen Horizont kann man sich immer nur zu bewegen, ihn aber nie erreichen, es erscheint immer ein neuer Horizont. Ist es diese Offenheit, die Eliten kennzeichnet?

                    bei uns herrscht die Meinung, der perfekte Deutschunterricht wäre so eine Art höherer Schulung für Verkaufsgespräche

                    nein, Verkaufsgespräche sind die höhere Schulung für den Deutschunterricht, wenn schon ;-)  Jetzt kann ich nämlich fragen, weisst du, dass ...? Es mag ja sein, dass im Deutschunterricht gerade noch auf Kants unglückselige Unterscheidung von Überzeugen und Überreden als Zitat Bezug genommen wird, was dann reicht die gesamte Rhetorik zu diffamieren. Topik, Kommunkationstheorie, Symbolischer Interaktionismus bleiben ausgeklammert, obschon Sprache Mittel zum Zweck ist und dieses Verhältnis kritisch hinterfragt werden müsste.

                    Beste Grüsse
                    Richard

              2. Hallo Mathias,

                Es gibt keine unfähigen Schüler, nur unfähige Lehrer!
                Lustige These, weißt Du, dass ich als Lehrer arbeite?

                ich verstehe das nicht als These, sondern als Maxime im Sinne von "Handlungsregeln in Anwendung" wie z.B. Bubner sie verwendet. Sie ist denn auch nicht als Vorwurf gemeint, schon gar nicht persönlich. Und ich könnte ja auch noch anmerken, als Lehrer arbeiten sei wo möglich ein Unterschied zum Lehrer sein ;-)

                Viele ernsthafte pädagogische Probleme lösen sich bei einer solchen Betrachtungsweise in Wohlgefallen auf. Auf jeder Stufe der Aus- und Weiterbildung hat man sich mit Personengruppen zu befassen, wie sie sind und nicht wie Pädagogen sie sich wünschen. Was würdest du von einem Bundeskanzler halten, der sagt, meine Politik ist schon gut, nur das Volk taugt nichts dazu?

                Pädagogik hält einen imaginären Ganzheitsanspruch aufrecht und schafft sich damit ein unüberwindbares Dilemma. Immer wenn über messbare Ergebnisse geredet wird, kommt der Einwand von nicht eindeutig festlegbaren heheren Bildungsidealen. Um einem allfälligen Missverständnis vorzubeugen, ich bin ein entschiedener Befürworter einer humanitären Bildung, auch wenn ich dafür andere Begriffe vorziehe. Pädagogische Praxis ist aber doch, dass neben der Ausbildung (= produzieren von Ausbildungsergebnissen) auch immer noch etwas Bildung vermittelt werden soll (= Schaffen von Bedingungen der Möglichkeit zum Gutmenschen - oder so ähnlich). Ausrichten auf das Eine oder das Andere könnte erfolgreich sein, diese unlogische Vermengen von Zielen kann hingegen nichts bringen. Wer im Unterricht nicht richtig rechnen lernt, ist frustriert und hat danach Null-Bock auf Gutmensch ;-)

                Welche Rechtfertigung ist nötig für eine grobe politische Orientierung in der Demokratie, geographisches Grundwissen und Prozentrechnung?

                Eine Rechtfertigung eher nicht, eine Begründung hingegen schon. Ich zog auch gar nicht den Nutzen und Vorteil des Wissens in Zweifel, nur die Fähigkeit der Lehrer, für wenig lernmotivierte Schüler eine überzeugende Begründung zu liefern. Um künftig in einem 1-Euro-Job im Park Müll einzusammeln kann ihm völlig egal sein, wer gerade Bundespräsident ist, wenn er dann seinem reichen Nachbarn den Garten bepflanzt mit Setzlingen, die er für 1 Euro einkauft und diesem mit 3 Euro berechnet, mag er mit den verdienten 2% durchaus zufrieden sein, und wenn er das Geld nicht hat, um nach Köln zu fahren, was interessiert ihn der Name des Flusses.

                Es gibt in meinem Leben durchaus Situationen, in denen man das gebrauchen kann....

                Ja, vielleicht bringt es ja schon etwas, auf diese Erfahrung zu verweisen.

                Beste Grüsse
                Richard

                1. Hi Richard,

                  Und ich könnte ja auch noch anmerken, als Lehrer arbeiten sei wo möglich ein Unterschied zum Lehrer sein ;-)

                  Viele sind berufen, nur wenige auserwählt... Ich finde die nüchterne Sicht auf den Lehrerberuf zeitgemäß und wesentlich sympathischer als die pädagogischen Glaubensfahnen, unter denen sich manche versammeln. Der Lehrer als Meister oder Guru hat meines Erachtens ausgedient. Natürlich, eine Persönlichkeit sollte vor den Schülern stehen, damit sie daran wachsen können. Aber Persönlichkeitsentwicklung muss auch bei Lehrern wachsen und gefördert werden. Da geschieht m.E viel zu wenig oder sogar das Gegenteil.

                  Auf jeder Stufe der Aus- und Weiterbildung hat man sich mit Personengruppen zu befassen, wie sie sind und nicht wie Pädagogen sie sich wünschen.

                  Was immer das heißen mag. Ich habe bis vor kurzem in der kommerziellen Weiterbildung gearbeitet, wo Menschen, meist Akademiker, viel Geld ausgeben, um in möglichst kurzer Zeit ein bestimmtes Wissen, bestimmte Fähigkeiten zu erwerben. Die Frage  "Wozu machen wir das?" habe ich da relativ selten gehört.

                  Vielleicht ist es ganz normal, dass es für Kinder und Jugendliche einen gewissen Frust bedeutet, sich mit Dingen auseinanderzusetzen, die auf eine Praxis zielen, die in weiter Ferne liegt. Heute trifft man aber oft auf junge Menschen, deren Lernwiderstände viel größer sind, als dieses natürliche Unbehagen in der Kultur, die unmittelbar hedonistische Bestrebungen für entfernte Ziele aufzuschieben fordert.
                  Da gibt es immer mehr Kinder, die sich gar nichts mehr zutrauen, die keinen Spaß am Knobeln haben, sich kaum konzentrieren können, nicht mehr neugierig sind. Woran das liegt, finde ich schwierig zu beantworten, obwohl ich natürlich einige Ideen habe.

                  Pädagogik hält einen imaginären Ganzheitsanspruch aufrecht

                  Ob das wirklich das Problem ist? Nimm das Berufskolleg, für das ich arbeite, als Beispiel: Da werden über den Stoff hinaus nur sehr elementare Dinge gefordert: Pünktlichkeit, eine gewisse Disziplin, Verzicht auf Gewalt und Zerstörung. Muss man das noch rechtfertigen, angesichts der Tatsache, dass wir auf das Berufsleben vorbereiten? Auch pädagogisch läuft vieles moderner und weniger antiquiert als einige hier sich das vorzustellen scheinen.

                  Welche Rechtfertigung ist nötig für eine grobe politische Orientierung in der Demokratie, geographisches Grundwissen und Prozentrechnung?
                  Eine Rechtfertigung eher nicht, eine Begründung hingegen schon. Ich zog auch gar nicht den Nutzen und Vorteil des Wissens in Zweifel, nur die Fähigkeit der Lehrer, für wenig lernmotivierte Schüler eine überzeugende Begründung zu liefern. Um künftig in einem 1-Euro-Job im Park Müll einzusammeln kann ihm völlig egal sein, wer gerade Bundespräsident ist, wenn er dann seinem reichen Nachbarn den Garten bepflanzt mit Setzlingen, die er für 1 Euro einkauft und diesem mit 3 Euro berechnet, mag er mit den verdienten 2% durchaus zufrieden sein, und wenn er das Geld nicht hat, um nach Köln zu fahren, was interessiert ihn der Name des Flusses.

                  Ja, die geringen Chancen für viele jungen Menschen sind ein Problem. Aber ob es wirklich viel hilft, wenn der Lehrer bei jedem Stoff sagt, wofür das nützlich sein kann? Nimm als Beispiel die Vektorrechnung: Meinst Du, Anwendungsbeispiele  würden Jugendlichen, die Probleme haben, abstrakt zu denken, wirklich helfen? Gerade bei praxisnahen Aufgaben knicken viele schwache Schüler ein, da meist eher Schwierigkeiten gegenüber abstrakten Schemata hinzukommen. Viele Fächer und Stoffe der Oberstufe haben eben nur einen abstrakten Bezug zu irgendeiner Praxis, vielleicht auch gar keinen.

                  Ich habe in meiner Gymnasialzeit recht anspruchsvollen Mathematikunterricht genossen und hatte nie Gelegenheit, diese Verfahren anzuwenden. Dennoch fand ich das damals spannend, als geistige Herausforderung. Wenn überhaupt von Lehrerseite Motivation daherkam, dann vielleicht durch Anerkennung von Leistungen oder durch Persönlichkeit. Was davon geblieben ist? Ich traue mir zu, auch komplexe Probleme zu lösen, wenn sie mir begegnen, auch wenn ich mal nachschlagen muss.

                  Es gibt in meinem Leben durchaus Situationen, in denen man das gebrauchen kann....
                  Ja, vielleicht bringt es ja schon etwas, auf diese Erfahrung zu verweisen.

                  Weißt Du, es gibt in der Schule viele unechte und künstliche Debatten zwischen Lehrern und Schülern. Die Killerfrage "Wozu brauche ich das?" dient nicht der wirklichen Klärung eines Problems, sondern drückt Demotiviertheit und Missfallen aus. Hinzu kommt, das besonders praxisnahe Stoffe oft herausragend langweilig sind.

                  Nimm den Deutschunterricht: Natürlich ist es interessanter, ein Theaterstück aufzuführen oder einen Roman zu lesen als Geschäftsbriefe nach DIN XY abzufassen oder Wortarten zur Verbesserung von Rechtschreibeproblemen zu analysieren. Vielleicht ist sogar die Theater-AG die viel bessere Vorbereitung auf den Beruf als die Einübung standardisierter betrieblicher Kommunikation. Letzteres lernt jeder, der keinen Nagel im Kopf hat, in drei Wochen in seinem zukünftigen Betrieb, die Theater-AG ist ein perfektes Trainingsfeld für Teamwork, Kreativität, Präsentation, Zuverlässigkeit und Arbeitsteilung. Zudem gibt es ein konkretes Produkt und spannende menschliche Auseinandersetzungen, mit anderen und sich selbst, mit Ängsten vor Publikum usw.

                  Ich habe es schon an anderer Stelle geschrieben: Das größte Privileg im Bildungssystem sind Inhalte, die von jeder Praxis entfernt und aus Verwertungssicht völlig sinnfrei sind. Gerade die dort erworbenen Fähigkeiten machen den Unterschied zwischen Büroboten, Sachbearbeitern und Managern aus. Mein Töchterlein hat in einem schönen Kinderbuch einige Hyroglyphen gelernt und selber nachgezeichnet. Jetzt konnte sie vor kurzem in einem Filmbeitrag über neue aufregende Funde in Ägypten zufällig etwas lesen und wiedererkennen. Sowas zählt für mich, obwohl es genau zu gar nichts nütze ist.

                  Wer in Japan, England oder Frankreich an einer Top-Uni Literatur, Geschichte oder sonst einen Unsinn studiert hat, ist in den meisten Betrieben ein Kandidat für die Führungsetage, anders als bei uns, wo nur Squareheads eine Chance haben.....

                  Viele Grüße
                  Mathias Bigge

                  1. Hallo Mathias,

                    Der Lehrer als Meister oder Guru hat meines Erachtens ausgedient. Natürlich, eine Persönlichkeit sollte vor den Schülern stehen, damit sie daran wachsen können. Aber Persönlichkeitsentwicklung muss auch bei Lehrern wachsen und gefördert werden. Da geschieht m.E viel zu wenig oder sogar das Gegenteil.

                    Da sind wir uns wieder mal einig ;-)  Wobei Persönlichkeit schwer definierbar ist. Ich denke, dass dabei ein starker Zusammenhang mit den angewandten Unterrichtsmethoden besteht. Bei der ersten PISA-Studie wurde in der Schweiz festgestellt, dass die Abweichungen zwischen den einzelnen untersuchten Klassen viel grösser waren als zwischen den Ländern. Eine anschliessende Studie zeigt auf, dass dies wesentlich von der Persönlichkeit der Lehrer und den verwendeten Unterrichtsmethoden abhing. Was für eine Überraschung! ;-)

                    Ich habe bis vor kurzem in der kommerziellen Weiterbildung gearbeitet, wo Menschen, meist Akademiker, viel Geld ausgeben, um in möglichst kurzer Zeit ein bestimmtes Wissen, bestimmte Fähigkeiten zu erwerben. Die Frage  "Wozu machen wir das?" habe ich da relativ selten gehört.

                    Hier dürfte die Frage im Vorfeld ja auch geklärt sein. Vielleicht wäre es ein Ansatz, für die Schule ein Angebot bereit zu halten, aus dem die Schüler auswählen können. Aber wie war das mit der Persönlichkeit der Pädagogen? Für die ist es doch einfacher, einen vorgegebenen Lehrplan abzuarbeiten.

                    Da gibt es immer mehr Kinder, die sich gar nichts mehr zutrauen, die keinen Spaß am Knobeln haben, sich kaum konzentrieren können, nicht mehr neugierig sind. Woran das liegt, finde ich schwierig zu beantworten, obwohl ich natürlich einige Ideen habe.

                    Das ist nicht nur bei Kindern so und im Erwachsenenleben ist das wo möglich noch ein grösseres Problem. Was aber ist Ursache und was Wirkung? Wird das Verhalten der Erwachsenen im Kindesalter geprägt, oder eher das Verhalten der Kinder durch die Erwachsenen verursacht?

                    Nimm das Berufskolleg, für das ich arbeite, als Beispiel: Da werden über den Stoff hinaus nur sehr elementare Dinge gefordert: Pünktlichkeit, eine gewisse Disziplin, Verzicht auf Gewalt und Zerstörung. Muss man das noch rechtfertigen, angesichts der Tatsache, dass wir auf das Berufsleben vorbereiten? Auch pädagogisch läuft vieles moderner und weniger antiquiert als einige hier sich das vorzustellen scheinen.

                    Einverstanden. In dieser konkreten Form handelt es sich aber bereits um klare und auch weitgehend quantifizierbare und messbare Lernziele. Meine Kritik an der Pädagogik - und hier vor allem an der Theorie - bezieht sich auf eine mangelhafte Unterscheidung zwischen Meinen und Wissen, also etwa die Unterscheidung von Praxis und Poiesis bei Aristoteles. Gutmenschen können einfach nicht nach den gleichen Regeln und Methoden "produziert" werden wie abfragbare Rechenleistungen in einer PISA-Studie.

                    Weißt Du, es gibt in der Schule viele unechte und künstliche Debatten zwischen Lehrern und Schülern. Die Killerfrage "Wozu brauche ich das?" dient nicht der wirklichen Klärung eines Problems, sondern drückt Demotiviertheit und Missfallen aus.

                    Ich halte dies primär für ein Spiegelbild der unehrlichen Kommunikation in der gesamten Gesellschaft. Gute Ausreden werden überall belohnt und Ehrlichkeit bestraft. Ironisch frage ich mich allerdings, ob eine gute Ausrede nicht eine kreative Leistung darstellt.

                    Nimm den Deutschunterricht: Natürlich ist es interessanter, ein Theaterstück aufzuführen oder einen Roman zu lesen als Geschäftsbriefe nach DIN XY abzufassen oder Wortarten zur Verbesserung von Rechtschreibeproblemen zu analysieren. Vielleicht ist sogar die Theater-AG die viel bessere Vorbereitung auf den Beruf als die Einübung standardisierter betrieblicher Kommunikation. Letzteres lernt jeder, der keinen Nagel im Kopf hat, in drei Wochen in seinem zukünftigen Betrieb,

                    Nun verdienen aber in der schnöden Berufswelt mehr Leute Geld mit dem Schreiben von Standardbriefen als mit Theaterspielen. (Soweit die Berufswelt nicht auch als reines Theater gesehen wird ;_).) Und ein Unternehmen darf ja wohl erwarten, dass ein Berufsschulabgänger Standardbriefe schreiben kann und nicht ihm die Kosten einer solchen Ausbildung aufgebürdet werden.

                    die Theater-AG ist ein perfektes Trainingsfeld für Teamwork, Kreativität, Präsentation, Zuverlässigkeit und Arbeitsteilung. Zudem gibt es ein konkretes Produkt und spannende menschliche Auseinandersetzungen, mit anderen und sich selbst, mit Ängsten vor Publikum usw.
                    Ich versuche gerade zu ergründen, warum in der betrieblichen Aus- und Weiterbildungspraxis diese Seminare mit Theaterspielen so erfolgreich sind. Sicher hat dies etwas mit der genannten Unterscheidung von Praxis und Poiesis zu tun. Ein Standardbrief nach DIN kann formell richtig sein, ob aber ein Mitgefühl beim Beantworten einer Reklamation auch ausgedrückt wird und vom Briefempfänger als echt empfunden wird, liegt aber auf einer anderen Ebene.

                    Ich habe es schon an anderer Stelle geschrieben: Das größte Privileg im Bildungssystem sind Inhalte, die von jeder Praxis entfernt und aus Verwertungssicht völlig sinnfrei sind. Gerade die dort erworbenen Fähigkeiten machen den Unterschied zwischen Büroboten, Sachbearbeitern und Managern aus.

                    Mir scheint, wir sind unteschiedlicher Auffassung über den Sinnbegriff, über Sinn und Zweck. Ich würde akzeptieren, dass diese Inhalte zweckfrei sein können, nicht aber dass sie sinnfrei sind. Ich finde, es bringt nichts, den Sinn von Bildung in Frage zu stellen, ich akzeptiere lediglich, dass man das könnte. Ob Bildung einen Zweck verfolgen muss, bestreite ich aus prinzipiell logischen Gründen. Zwecke sind Ziele für die bereits die Mittel festgelegt sind, mit denen sie erreicht werden sollen. Ziele müssen aber auch dann möglich sein, wenn noch keine Mittel zu ihrer Verwirklichung bekannt sind, schliesslich sollen und können neue Mittel geschaffen werden. Ich sollte einfach offen sein, dass sich mir der Sinn von Bildung irgendwann erschliessen könnte, darf aber nicht unbedingt damit rechnen. Darauf beruht auch die Ambivalenz der künstlichen Intelligenz. Ich bezweifle nicht, dass Maschinen möglich sind, die viel intelligenter sind als Menschen dies je sein können, nur werden die Dinger so dumm sein, dass sie es gar nicht merken.

                    Mein Töchterlein hat in einem schönen Kinderbuch einige Hyroglyphen gelernt und selber nachgezeichnet. Jetzt konnte sie vor kurzem in einem Filmbeitrag über neue aufregende Funde in Ägypten zufällig etwas lesen und wiedererkennen. Sowas zählt für mich, obwohl es genau zu gar nichts nütze ist.

                    Warum sagst du, das sei zu gar nichts nütze? Das Beispiel beweist doch gerade das Ggenteil. Sie hat doch nun eindrücklich erfahren, dass es einen Sinn hatte, einfach so aus Spass Hyroglyphen nachzuzeichnen.

                    Beste Grüsse
                    Richard

                    1. Hi Mathias, hi Richard,

                      Vielleicht wäre es ein Ansatz, für die Schule ein Angebot bereit zu halten, aus dem die Schüler auswählen können.

                      dies würde mMn ins Chaos führen oder aber zu Verhältnissen wie bei uns an der Uni, seitdem es das Credit-Point-System gibt: Mit welcher Veranstaltung bekomme ich mit möglichst wenig Aufwand die maximale Punktzahl? Eine gesicherte Grundbildung wäre damit wohl nur schwerlich zu erreichen.

                      Das ist nicht nur bei Kindern so und im Erwachsenenleben ist das wo möglich noch ein grösseres Problem. Was aber ist Ursache und was Wirkung? Wird das Verhalten der Erwachsenen im Kindesalter geprägt, oder eher das Verhalten der Kinder durch die Erwachsenen verursacht?

                      Es ist eine Katze, die sich in den Schwanz beißt: Die Erwachsenen prägen das Verhalten der Kinder, und wenn die dann erwachsen sind usw. Wenn die natürliche Neugierde bereits in der Kindheit ("Das gehört nicht zum Thema, sei jetzt still!") abgetötet wird, dann wird der Erwachsene diese Neugierde von alleine nicht wieder entdecken.

                      Mein Töchterlein hat in einem schönen Kinderbuch einige Hyroglyphen gelernt und selber nachgezeichnet. Jetzt konnte sie vor kurzem in einem Filmbeitrag über neue aufregende Funde in Ägypten zufällig etwas lesen und wiedererkennen. Sowas zählt für mich, obwohl es genau zu gar nichts nütze ist.
                      Warum sagst du, das sei zu gar nichts nütze? Das Beispiel beweist doch gerade das Ggenteil. Sie hat doch nun eindrücklich erfahren, dass es einen Sinn hatte, einfach so aus Spass Hyroglyphen nachzuzeichnen.

                      Um noch einmal die von mir bereits zitierte Frau Birkenbihl ins Spiel zu bringen: Laut ihrem Buch "Trotzdem lehren" gibt es sog. "Neuro-Mechanismen", die aktiviert werden müssen, um Lernen zu ermöglichen, es sind sozusagen die (metaphorischen) Grundbedürfnisse des Gehirns. Je mehr davon aktiviert werden, desto leichter ist das Lernen, bis hin zum automatischen oder "beiläufigen" Lernen.

                      Dein Töchterlein, Mathias, hat z.B. die Neuro-Mechanismen EXPLORER (eigene Entdeckungen), IMITATION, NEUGIERDE, PROBIEREN OHNE ANGST, VERGLEICHEN und evt. noch andere bedient, indem sie Hieroglyphen abgemalt und dann an anderer Stelle wiederentdeckt hat. Hat sie die Hieroglyphen gepaukt wie lateinische Vokabeln? Wohl kaum. Sie hat sich mit Freude, freiwillig und neugierig Wissen angeeignet. Wie wäre es denn, wenn das auch in der Schule möglich wäre?

                      Das ist der Birkenbihlsche Ansatz vom Lernen: Kein Pauken, auch nicht mit Hilfsmitteln wie Mnemotechnik (wie die "Gedächtniskünstler" im TV), sondern aktives, intelligentes Lernen - was der Frontalunterricht i.d.R. nicht leisten kann. Das Lehrpersonal müsste also umdenken und den Unterricht zumindest teilweise anders gestalten. Der Nürnberger Trichter funktioniert einfach nicht. (Ich weiß allerdings auch, dass mittlerweile nicht mehr _nur_ Frontalunterricht gemacht wird, von der Primarstufe in NRW weiß ich es definitiv.)

                      Ich bin gerade dabei das o.g. Buch durchzuarbeiten und einige Techniken auszuprobieren, bisher macht es auf mich einen sehr guten, durchdachten und logischen Eindruck. Leider kann ich die Techniken nicht als Lehrender testen, da sind Leute wie ihr beiden gefragt ;-)

                      Schönen Sonntag noch!
                      O'Brien

                      --
                      Frank und Buster: "Heya, wir sind hier um zu helfen!"
          2. Sup!

            Vielleicht ist es ein Politiker-Problem, dass sie wirtschaftliche Modelle nie komplett umsetzen, sondern immer nur schwache Abklatsche davon.

            Dem Keynesianismus kann man nicht vorwerfen, dass er nicht funktioniert habe, da die Politiker zwar das Geld ausgeben im Konjunkturtief, nie aber das Geld sparen im Konkunkturhoch probiert haben.

            Gruesse,

            Bio

            --
            Keep your friends close, but your enemies closer!
            1. Hallo Bio,

              Vielleicht ist es ein Politiker-Problem, dass sie wirtschaftliche Modelle nie komplett umsetzen, sondern immer nur schwache Abklatsche davon.

              Wo du Recht hast, hast du Recht ;-) Nur, was macht deine Partei (war übrigens auch mal meine, als Schweizer aber nicht wählbar) nach den nächsten Wahlen? Doch nicht etwa sagen, hätten sich die Vorgänger an Keynes gehalten, wüssten wir schon was zu tun wäre?

              Dem Keynesianismus kann man nicht vorwerfen, dass er nicht funktioniert habe, da die Politiker zwar das Geld ausgeben im Konjunkturtief, nie aber das Geld sparen im Konkunkturhoch probiert haben.

              Keynes setzt eine funktionierende kausale Wechselbeziehung zwischen Micro- und Macroökonomie voraus und unterstellt zudem, dass mehr Arbeitplätze mehr Gewinn bringen. Also muss sich der Staat bei florierender Wirtschaftlage mit Aufträgen zurückhalten und sparen, bei wirtschaftlicher Flaute klotzen und damit die Wirtschaft wieder in Schwung bringen.

              Der Wirtschaft geht es aber aktuell (von Ausnahmen abgesehen) ganz gut und bei noch etwas zusätzlichem Arbeitsplatzabbau wird es ihr noch besser gehen. Arbeitsplätze schaffen würde also den Gewinn verringern und nicht erhöhen, wie Keynes unterstellt. Durch die zusätzlichen Arbeitslosen wird es dem Staat trotz florierender Wirtschaft schlechter gehen, ganz parteiunabhängig.

              Ganz liberal gesinnt, frage ich mich, was eigentlich in Deutschland produziert werden könnte, was anderswo nicht in gleicher Qualität günstiger hergestellt werden kann? Oder was Deutschland an konkurrenzlosen Dienstleistungen für den Rest der Welt zu bieten hat? Politiker welcher Parteien sind dafür verantwortlich, dass die Aussenhandelsbilanz bezüglich Lizenzen und Patengebühren negativ ist? Das ist ja nicht erst seit Rot-Grün so. Und Windenergieanlagen lassen sich ja sogar gewinnbringend exportieren.

              Beste Grüsse
              Richard

              1. Sup!

                Wo du Recht hast, hast du Recht ;-) Nur, was macht deine Partei (war übrigens auch mal meine, als Schweizer aber nicht wählbar) nach den nächsten Wahlen? Doch nicht etwa sagen, hätten sich die Vorgänger an Keynes gehalten, wüssten wir schon was zu tun wäre?

                Ehm... nein?

                Keynes setzt eine funktionierende kausale Wechselbeziehung zwischen Micro- und Macroökonomie voraus und unterstellt zudem, dass mehr Arbeitplätze mehr Gewinn bringen. Also muss sich der Staat bei florierender Wirtschaftlage mit Aufträgen zurückhalten und sparen, bei wirtschaftlicher Flaute klotzen und damit die Wirtschaft wieder in Schwung bringen.

                So habe ich das auch verstanden.

                Der Wirtschaft geht es aber aktuell (von Ausnahmen abgesehen) ganz gut und bei noch etwas zusätzlichem Arbeitsplatzabbau wird es ihr noch besser gehen. Arbeitsplätze schaffen würde also den Gewinn verringern und nicht erhöhen, wie Keynes unterstellt. Durch die zusätzlichen Arbeitslosen wird es dem Staat trotz florierender Wirtschaft schlechter gehen, ganz parteiunabhängig.

                Genau. Denn Arbeitslose verringern den Gewinn des Staates.
                Vielleicht würde es ganz gut tun, wenn man den Staat auch mal als Wirtschaftsunternehmen sehen würde.
                Quasi als Rinder- oder Pferdefarm. Es müssen genug Bürger gezüchtet und gemolken (besteuert) werden, damit es dem Staat gut geht, die erfolgreichsten Bürger müssen verstärkt gezüchtet werden, und Jungbürger müssen orgentlich ausgebildet weren, damit ihr Wert auf dem Jungbürgermarkt optimiert wird ;-)

                Heute wird beim Staat an allen Ecken und Enden rumgestümpert. Die Gesetze sind nicht aufeinander abgestimmt, Bestimmungen verhindern Wirtschaftswachstum, verhindern, dass Leute gern Kinder bekommen etc.. Die Bildung wird vernachlässigt, obwohl alle immer davon reden, dass sie verbessert werden soll. Es ist so, als ob der Staat ein ganz desolater Wirtschaftsbetrieb ist, in dem viel zu viele Mitarbeiter die 1001 Regeln zu befolgen versuchen und beharrlich ignorieren, dass alles den Bach runtergeht.

                Ganz liberal gesinnt, frage ich mich, was eigentlich in Deutschland produziert werden könnte, was anderswo nicht in gleicher Qualität günstiger hergestellt werden kann?

                Theoretisch - nichts.

                Oder was Deutschland an konkurrenzlosen Dienstleistungen für den Rest der Welt zu bieten hat?

                Theoretisch - nichts. Wir haben eigentlich nur unseren guten Ruf und die inneren Werte, die uns bisher erfolgreich gemacht haben - die deutschen Tugenden. Deshalb sind viele Hotelmanager in Dubai Deutsche, habe ich gehört.

                Politiker welcher Parteien sind dafür verantwortlich, dass die Aussenhandelsbilanz bezüglich Lizenzen und Patengebühren negativ ist?

                Das kann ich Dir erst sagen, wenn ich weiss, woher die Defizite kommen und seit wann das so ist.
                Vielleicht hat sich irgendwer bei irgendwelchen Patentrecht- oder IP-Verhandlungen über den Tisch ziehen lassen?

                Das ist ja nicht erst seit Rot-Grün so. Und Windenergieanlagen lassen sich ja sogar gewinnbringend exportieren.

                Nur nicht in die USA, denn die haben durch Industriespionage die Technologie geklaut.

                Gruesse,

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      2. Sup!

        Worauf bezieht sich "dies"?
        Hat nicht auch der Kapitalismus seine Ideologie, wenn man darunter Glaubenssätze versteht, die ohne Prüfung gelten sollen? Ist nicht unsere aktuelle Politik hoch ideologisch?

        Ist nicht jede Meinung/Politik letzten Endes ideologisch, weil sie auf als axiomatisch angesehenen Grundüberzeugungen fußt?

        Es scheint mir so, als seien die Wege, Manager für Fehler verantwortlich zu machen, bei uns besonders unterentwickelt zu sein. In den USA ist man da wesentlich konsequenter. Das ist natürlich nicht nur eine Frage der Gesetz, sondern auch der Unternehmenskultur. Ein konkretes Problem ist vielleicht die allzu unbegrenzte EInflussmöglichkeit der Banken, da finde ich die amerikanischen Regelungen ebenfalls viel besser.

        Hat nicht jeder Unternehmer das Recht, sein Unternehmen vor die Wand zu fahren? Wofür sollen denn Manager haften? Dafür, wenn ein Chemie-Werk explodiert oder ein Aufzug einen 3-jährigen zerquetscht? Oder wenn Arbeitsplätze abgebaut werden? Oder für wirtschaftlichen Mißerfolg?

        Zynismus gut und schön. Auch der zweite Arbeitsmarkt scheint keine gute Lösung zu sein. Es müssen schon echte Arbeitsplätze her. Was spricht dagegen, im staatlichen Bereich, etwa in den Bereichen Kinderbetreuung und Bildung offensiv Arbeitsplätze als Investition in die Zukunft zu schaffen?

        Der Bedarf nach Kinderbetreuung ist zweifelsohne da - aber dennoch gibt es nicht genug davon. Der Staat sollte nicht darüber nachdenken, wie er die Kinderbetreuungsbranche subventionieren kann, sondern darüber, warum in dieser Branche keine Arbeitsplätze geschaffen werden trotz vorhandenen Bedarfs. Warum ist es so teuer, für jeweils (sagen wir mal) 8 Kinder eine Erwachsene Person zu beschäftigen und ca. 100m² Raum zu mieten, dass sich das die meisten Menschen nicht leisten können?

        Na, wenn der hier mitliest *g* Aber im Ernst: Ein wirklich gutes Konzept zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit von Seiten der Unternehen, das fände ich interessant.

        Wie wär's mit: Weniger kompliziertes Steuerrecht? Ich kenne Leute, die wegen des Lohnsteuerjahresausgleichs lieber schwarz arbeiten als ein Gewerbe anzumelden.

        Gruesse,

        Bio

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        1. Hi Bio,

          Hat nicht auch der Kapitalismus seine Ideologie,
          Ist nicht jede Meinung/Politik letzten Endes ideologisch, weil sie auf als axiomatisch angesehenen Grundüberzeugungen fußt?

          Interessante Frage. Wenn Du an Stalin denkst und ihn mit Schröder vergleichst, gibt es sicher graduelle Unterschiede. Vielleicht gibt es auch keine wissenschaftlichen Maßstäbe für die richtige Wirtschaftspolitik, aber vielleicht doch Prüfsteine für den Erfolg. Die Regierung Schröder hat im Grunde viel Mut bewiesen, gegen Teile ihrer eigenen Klientel wirtschaftspolitische Konzepte durchzusetzen, wie sie die Kohl-Regierung gepredigt aber nicht umgesetzt hat. Was wären nun Prüfsteine, ob dieses Konzept aufgegangen ist oder ob nicht?

          Ich betrachte den Ansatz in vielen Aspekten für gescheitert, vor allem aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit und der Unsicherheit der bestehenden Arbeitsplätze. Natürlich ist es nun eine _politische_, keine wissenschaftliche Frage, was als nächstes versucht werden soll.

          Diesen Prozess: Die Prüfung wirtschaftspolitischer Konzepte in der Praxis und die politisch-demokratische Bewertung des erzielten Erfolgs würde ich als begrenzte oder kontrollierte Ideologie bezeichnen.

          Natürlich gibt es auch andere Quellen für eine ideologische Sicht der Welt als die Wirtschaftstheorie, vor allem natürlich, wenn partikulare Interessen als Gemeininteressen dargestellt werden, aber das ist vielleicht ein anderes Thema.

          Es scheint mir so, als seien die Wege, Manager für Fehler verantwortlich zu machen, bei uns besonders unterentwickelt zu sein. In den USA ist man da wesentlich konsequenter. Das ist natürlich nicht nur eine Frage der Gesetz, sondern auch der Unternehmenskultur. Ein konkretes Problem ist vielleicht die allzu unbegrenzte EInflussmöglichkeit der Banken, da finde ich die amerikanischen Regelungen ebenfalls viel besser.
          Hat nicht jeder Unternehmer das Recht, sein Unternehmen vor die Wand zu fahren?

          Manager sind meist keine Unternehmer. Sie zocken also nicht mit ihrem eigenen Geld.

          Wofür sollen denn Manager haften? Dafür, wenn ein Chemie-Werk explodiert oder ein Aufzug einen 3-jährigen zerquetscht? Oder wenn Arbeitsplätze abgebaut werden? Oder für wirtschaftlichen Mißerfolg?

          Nehmen wir ein Beispiel: Zahlreiche (Klein-)Aktionäre wurden durch die Telekom über den tatsächlichen Wert des Unternehmens getäuscht. Bei der Mannesmann-Fusion bestehet der ebenfalls der Verdacht, dass die Spitzenmanager für bestimmte Entscheidungen finanziell entlohnt worden sind. Da halte ich unsere Gesetze für zu lachs und liberal.

          Der Bedarf nach Kinderbetreuung ist zweifelsohne da - aber dennoch gibt es nicht genug davon. Der Staat sollte nicht darüber nachdenken, wie er die Kinderbetreuungsbranche subventionieren kann, sondern darüber, warum in dieser Branche keine Arbeitsplätze geschaffen werden trotz vorhandenen Bedarfs. Warum ist es so teuer, für jeweils (sagen wir mal) 8 Kinder eine Erwachsene Person zu beschäftigen und ca. 100m² Raum zu mieten, dass sich das die meisten Menschen nicht leisten können?

          Die Lohnkosten dürften bei 3500 Euro liegen, wenn Du Urlaubsgeld, Urlaubsvertretung und Krankenvertretung rechnest, dazu kommen Bürokosten, Küche und, sagen wir 1000 Euro Miete, wenn ein Garten dabei sein soll, Heizung, Wasser, Einrichtung, Spielzeug usw. Wenn Du so 700 bis 800 Euro pro Kind voraussetzt, dürfte das ein großer Ansporn zur Familiengründung sein.

          Rechne mal, wieviel Dein Studium den Staat kostet, dann weißt Du, warum es ohne staatliche Unterstützung kaum Universitäten und Schulen geben dürfte. Alles kann man nun wirklich nicht privatisieren.

          Wie wär's mit: Weniger kompliziertes Steuerrecht? Ich kenne Leute, die wegen des Lohnsteuerjahresausgleichs lieber schwarz arbeiten als ein Gewerbe anzumelden.

          Puttgarts und Pufnucken?

          Viele Grüße
          Mathias Bigge

          1. Sup!

            Ist nicht jede Meinung/Politik letzten Endes ideologisch, weil sie auf als axiomatisch angesehenen Grundüberzeugungen fußt?
            Interessante Frage. Wenn Du an Stalin denkst und ihn mit Schröder vergleichst, gibt es sicher graduelle Unterschiede. Vielleicht gibt es auch keine wissenschaftlichen Maßstäbe für die richtige Wirtschaftspolitik, aber vielleicht doch Prüfsteine für den Erfolg. Die Regierung Schröder hat im Grunde viel Mut bewiesen, gegen Teile ihrer eigenen Klientel wirtschaftspolitische Konzepte durchzusetzen, wie sie die Kohl-Regierung gepredigt aber nicht umgesetzt hat. Was wären nun Prüfsteine, ob dieses Konzept aufgegangen ist oder ob nicht?

            Erstmal: Keine Ahnung.
            Ich würde aber behaupten, die Tatsache, dass die Schröder-Regierung Kohl-Konzpete durchgesetzt hat, anstatt zu tun, was sie in der Opposition gefordert hat, beweist, dass diese Konzepte aus Regierungs-Sicht sehr zwingend notwendig sein müssen.

            Bestimmt könnte man objektive Kriterien benennen, die als eindeutiges Zeichen einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik gesehen werden könnten, wie z.B. sinkende Verschuldung bei gleichzeitig sinkenden Arbeitslosenzahlen.

            Ich betrachte den Ansatz in vielen Aspekten für gescheitert, vor allem aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit und der Unsicherheit der bestehenden Arbeitsplätze. Natürlich ist es nun eine _politische_, keine wissenschaftliche Frage, was als nächstes versucht werden soll.

            Welchen Ansatz jetzt? Die Steinkohlesubventionen, die ganzen sinnlosen Umschulungen und ABM-Maßnahmen, das Privatinsolvenzrecht, oder die Versuche, das System zu vereinfachen, Investitionen anzulocken und die Leute wieder in Arbeit zu kriegen?

            Wir hätten bestimmt mehr Arbeitsplätze, würde in Deutschland nicht an jeder Ecke gegen alles protestiert, wie z.B. die Verlängerung der Startbahn von Airbus in Hamburg, oder hier in Erlangen gegen den Bau eines neuen Einkaufszentrums (an einer Stelle, wo im Moment ein total hässliches Post-Gebäude steht).
            Klar gibt es subjektiv immer gute Gründe für die Protestler, dagegen zu sein, objektiv führt es aber immer dazu, dass jede Veränderung in Deutschland Jahre dauert und extrem teuer ist, weil gegen alles maximaler Widerstand geleistet wird. Das ist auch eine Form von sozialschädlichem Individualismus.

            Diesen Prozess: Die Prüfung wirtschaftspolitischer Konzepte in der Praxis und die politisch-demokratische Bewertung des erzielten Erfolgs würde ich als begrenzte oder kontrollierte Ideologie bezeichnen.

            Die Prüfung wirtschaftspolitischer Konzepte in der Praxis und die politisch-demokratische Bewertung des erzielten Erfolges...
            Nun - die Prüfung wirtschaftspolitischer Konzepte in der Praxis läuft permanent. Die Bewertung in der Praxis ist im Prinzip daran absehbar, wer wieviel Wirtschaftswachstum hat, wieviel Pro-Kopf-Einkommen, welche Einkommensstruktur, wieviele Hochschulabgänger, wieviele Schulden, welche Krankheitsquote und Lebenserwartung.

            Die Bewertung des Erfolgs sollte anhand dieser harten Indikatoren gar nicht so schwer sein, wenn man sich auf eine Formel einigen könnte, wie sie zu gewichten wären. Kann man aber nicht, scheint es.

            Die Bewertungsversuche des Erfolg würde ich eher als Stochern im Dunkeln von Aktoren mit Tunnelblick bezeichnen als als "eine Ideologie", denn jeder Aktor hat einen anderen Satz von Kriterien und eine eigene Ideologie (oder auch nur irgendwelche wirren Vorstellungen vom Glück und mangelnde Fähigkeiten, gewisse unabänderbare Zusammenhänge zu akzeptieren).

            Natürlich gibt es auch andere Quellen für eine ideologische Sicht der Welt als die Wirtschaftstheorie, vor allem natürlich, wenn partikulare Interessen als Gemeininteressen dargestellt werden, aber das ist vielleicht ein anderes Thema.

            Vielleicht. Vielleicht ist eine Quelle für ideologische Sicht auch schlichte Dummheit, wenn man z.B. "die Reichen" stärker besteuern will. Das macht man nämlich nur so lange, bis die auswandern (ab ca. eine Million Euro Vermögen kann man sich quasi aussuchen, wohin) oder auch arm sind, es ist also eine ziemlich kurzsichtige Strategie. Dennoch gibt es immer noch Leute, die jubeln, wenn jemand diese grandiose Idee äußert.

            Hat nicht jeder Unternehmer das Recht, sein Unternehmen vor die Wand zu fahren?
            Manager sind meist keine Unternehmer. Sie zocken also nicht mit ihrem eigenen Geld.

            Was ist mit Managern, die Aktien des eigenen Unternehmens haben, oder mit Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft, die in der Geschäftsführung tätig sind?

            Nehmen wir ein Beispiel: Zahlreiche (Klein-)Aktionäre wurden durch die Telekom über den tatsächlichen Wert des Unternehmens getäuscht.

            Bei Aktien-Gesellschaften ist der Wert des Unternehmens doch eigentlich immer eher virtuell, denn er kommt durch die Einschätzung des Werts des Unternehmens durch die zustande, die Aktien kaufen und verkaufen.
            Der tatsächliche Wert eines Unternehmens bzw. eine Schätzung davon steht in der Bilanz. Wer nun keine Bilanzen liest oder lesen kann oder generell keine Ahnung hat vom Aktienmarkt, und dennoch Aktien des Unternehmens kauft (Aus Gier, um vom Erfolg der Arbeit anderer zu profitieren!!! - würden unsere Damen und Herren Kapitalismuskritiker hämisch anmerken) ist IMHO selbst schuld. Schuster bleib' bei deinen Leisten, sag' ich nur.

            Bei der Mannesmann-Fusion bestehet der ebenfalls der Verdacht, dass die Spitzenmanager für bestimmte Entscheidungen finanziell entlohnt worden sind. Da halte ich unsere Gesetze für zu lachs und liberal.

            Aber wenn dieser Verdacht beweisbar wäre, dann wäre das doch Betrug, oder? Und wer soll welche Manager wofür entlohnt haben?

            Die Lohnkosten dürften bei 3500 Euro liegen, wenn Du Urlaubsgeld, Urlaubsvertretung und Krankenvertretung rechnest, dazu kommen Bürokosten, Küche und, sagen wir 1000 Euro Miete, wenn ein Garten dabei sein soll, Heizung, Wasser, Einrichtung, Spielzeug usw. Wenn Du so 700 bis 800 Euro pro Kind voraussetzt, dürfte das ein großer Ansporn zur Familiengründung sein.

            Wenn man einen Kindergartenplatz für lau kriegte?
            Hmmm... wäre es da nicht besser, die Steuern für Eltern zu senken? Du weisst, bei uns hängt das Bildungsniveau vom Bildungsniveau der Eltern ab, da wäre es doch klug, gebildete Eltern vermehrt zum Kinder-Kriegen zu animieren. Personal für Talkshows mit dem Thema "Du hast nicht verhütet, jetzt bin ich schwanger, Alder!" haben wir doch genug. 100.000 Leute pro Jahr fallen ohne Ausbildung aus unserem s.g. Bildungssystem. Und es gibt keine Jobs.
            Ich finde weiterhin, wir müssen die Abgabenstruktur so verändern, dass sich "Normalverdiener" Hausangestellte, Gärtner etc. leisten können; nur so können die Bildungs-Drop-Outs sinnvolle Jobs bekommen und die gesamte Gesellschaft entlastet werden.

            Rechne mal, wieviel Dein Studium den Staat kostet, dann weißt Du, warum es ohne staatliche Unterstützung kaum Universitäten und Schulen geben dürfte. Alles kann man nun wirklich nicht privatisieren.

            Bestimmt nicht. Bildung ist eine Investition des Staates in die Zukunft. Arbeitslosengeld und Sozialhilfe sind keine Investitionen. Darum sollte man mehr für Bildung ausgeben und weniger für Sozialhilfe bzw. Alg II, und endlich erreichen, dass jemand, der arbeitet, immer mehr verdient als jemand, der nichts tut.

            Wie wär's mit: Weniger kompliziertes Steuerrecht? Ich kenne Leute, die wegen des Lohnsteuerjahresausgleichs lieber schwarz arbeiten als ein Gewerbe anzumelden.
            Puttgarts und Pufnucken?

            Wie meinen?

            Gruesse,

            Bio

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            1. Hallo.

              Und es gibt keine Jobs.

              Mein Vorschlag dazu: Schafft die Arbeitsämter/-agenturen ab, verlegt die Hartz-IV-Kassen in die Sozialämter und übertragt die Aufgabe der Arbeitsvermittlung auf die Kammern. Weshalb?

              • Sie sind nah an den Unternehmen und können den Bedarf einschätzen.
              • Die Unternehmen sind zwangsweise Mitglieder und finanzieren sie ohnehin.
              • Der bisherige Nutzen tendiert gegen null.
              • Große Worte und bunte Postillen könnten so entweder besseren Vermittlungszahlen oder leiseren Tönen weichen.
                Gut, so entstünde zwar kein einziger neuer Job und abgebaut würde wie bisher, aber die schlechten Zahlen würden endlich ihren Verursachern zugeschrieben.
                MfG, at
  6. hi,

    Das Wunder, das mich zur Zeit am stärksten beschäftigt, ist die allseitige "Kapitalismuskritik" quer durch die politische Landschaft. > [...] ruft man plötzlich nach altmodischen Dingen wie sozialer Verantwortung und kommt mit heftiger Kritik an Firmen und Managern um die Ecke.

    das ist für unsere politiker ja auch viel einfacher, als eigenes verschulden einzugestehen.

    klar, es gibt firmen, die nur noch an die eigenen profite denken, und dabei höchst unsozial handeln - aber wer hat ihnen dies denn erst mal ermöglicht bzw. sie dahin geführt, wenn nicht unsere politik der letzten jahre und jahrzehnte?

    erinnert mich irgendwie an diese vodafone-geschichte aus dem letzten jahr, wo die plötzlich einen "trick" gefunden hatten, um steuern in millionenhöhe zurückfordern zu können - und überraschung, ganz plötzlich waren die ein furchtbar böses unternehmen.
    dass dies durch die beinahe grenzenlose blödheit unserer politik überhaupt erst ermöglicht wurde, hat diese dabei natürlich schnellstmöglich unter den tisch gekehrt.
    wenn ich diese eierköpfe dann noch davon reden höre, die zuständigen gesetze _nachträglich_ ändern zu wollen, um aus dem "schlamassel" wieder rauszukommen - dann wächst in der wunsch, alle politiker in einen großen sack zu stecken, und draufzuhauen ... die gefahr, einen falschen zu treffen, wäre vernachlässigbar gering.

    gruß,
    wahsaga

    --
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    1. Hallo wahsaga,

      dann wächst in der wunsch, alle politiker in einen großen sack zu stecken, und draufzuhauen ... die gefahr, einen falschen zu treffen, wäre vernachlässigbar gering.

      Du solltest in die Politik gehen!

      Gruß Gernot

    2. Hallo,

      klar, es gibt firmen, die nur noch an die eigenen profite denken, und dabei höchst unsozial handeln - aber wer hat ihnen dies denn erst mal ermöglicht bzw. sie dahin geführt, wenn nicht unsere politik der letzten jahre und jahrzehnte?

      Münteferings ursprüngliche Meinungsäußerung zielte ja darauf ab, die Grundsätze des Parteiprogramms zu ändern.
      Aber natürlich hält der Staat diesen Kapitalismus aufrecht und dass ein solcher momentan kritisierter gut in ihm gedeiht, kommt, wie du schreibst, nicht von Managern, die den Berufsethos missachten. (So zumindest die Kritik, die nach moralischen Managern verlangt; wie brauchbar eine solche Analyse ist, ist eine Frage für sich.)

      Mathias

    3. Hi wahsaga,

      erinnert mich irgendwie an diese vodafone-geschichte aus dem letzten jahr, wo die plötzlich einen "trick" gefunden hatten, um steuern in millionenhöhe zurückfordern zu können - und überraschung, ganz plötzlich waren die ein furchtbar böses unternehmen.
      dass dies durch die beinahe grenzenlose blödheit unserer politik überhaupt erst ermöglicht wurde, hat diese dabei natürlich schnellstmöglich unter den tisch gekehrt.

      irgendwelche Schlupflöcher wird es _immer_ geben. Es ist ja anscheinend noch nicht einmal möglich, einen _wirklich_ sicheren Brauser zu programmieren, wie soll es da möglich sein, eine perfekte Gesetzgebung zu verwirklichen, die dazu auch noch in Echtzeit an die gerade aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Taktiken der wirtschaftlichen Führungsriegen angepasst ist?

      Sorry, aber da muss ich Gernot zustimmen ...

      Schönen Sonntag noch!
      O'Brien

      --
      Frank und Buster: "Heya, wir sind hier um zu helfen!"
      1. hi,

        irgendwelche Schlupflöcher wird es _immer_ geben. Es ist ja anscheinend noch nicht einmal möglich, einen _wirklich_ sicheren Brauser zu programmieren, wie soll es da möglich sein, eine perfekte Gesetzgebung zu verwirklichen, die dazu auch noch in Echtzeit an die gerade aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Taktiken der wirtschaftlichen Führungsriegen angepasst ist?

        von _perfekt_ war ja auch keine rede.

        allerdings täte unsere regierung gerade in punkto steuergesetzgebung wahrscheinlich extrem gut daran, sich mal an die maxime zu halten, die auch jeder gute softwareentwickler berücksichtigt: KISS - "keep it simple, stupid!"
        bei einer simplifizierten steuergesetzgebung wäre der fall, dass die "macher" dieser lücken übersehen, die die "böse wirtschaft" dann letztendlich für sich zu nutzen weiß, nämlich sehr viel unwahrscheinlicher.

        aber hat da überhaupt jemand in der herrschenden klasse interesse dran? natürlich nicht - denn dann hätte der ganze rattenschwanz an steuerberatern, wirtschaftsprüfern und ähnlichem geso^H^H^H^H^H^Hn berufsständen nichts mehr zu tun, und wer soll die dann wieder alle durchfüttern?

        gruß,
        wahsaga

        --
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  7. Sup!

    Kapitalismuskritik ist halt "en vogue".

    Dabei ist es Quatsch, denn: Der Kapitalismus ist immer noch die Wirtschaftsorganisations-Form, die den meisten Wohlstand schafft. Punkt.

    Einzig und allein die Gestaltung der Rahmenbedingungen des Kapitalismus ist IMHO diskutierbar.
    Und da sind wir IMHO eigentlich schon ziemlich nah am Optimum; das Problem ist nicht die Politik (wo ja sogar die SPD, jedenfalls, wenn sie gerade an der Macht ist, eingesehen hat, dass manche Dinge überreguliert sind), es sind die Menschen, die von der Politik Wunder erwarten und die Leute wählen, die die besten Versprechungen machen und nicht die, die die besten Programme vorlegen. Sonst hätte die FDP ja auch 100% ;-) *SCNR*

    Z.B. die Sache mit der "Binnenkonjunktur". Alle drei Tage höre ich, dass irgendwo gesagt wird, die Arbeiter müssten mehr Kohle bekommen, damit die Binnenkonjunktur anspringe.
    Als wenn dann die Leute mehr Geld ausgeben würden, und dann die Binnenkonjunktur anspringt, und dann mehr Arbeitsplätze geschaffen werden, und dann die Leute mehr Geld haben... als wäre das dann eine selbst verstärkende Aufwärtsspirale. Dabei sollte doch klar sein: Bei einer Staatsquote von ca. 50% und riesigen Lohnnebenkosten kann es zu so einer Aufwärtsspirale gar nicht kommen. Wenn Frau Müller vom Arbeitgeber 1000€ mehr Gehalt versprochen bekommt, kommen davon bei ihr vielleicht 600€ an. Wenn Frau Müller das Geld sofort komplett ausgibt, z.B. für einen Handwerker, schöpft der Staat da auch sofort wieder Geld ab, und es kommen vielleicht 250€ in der Kasse des Handwerkers an und 100€ in der Kasse des Materiallieferanten des Handwerkers. Sprich: Egal wieviel Geld die Leute bekommen, es kann nie einen selbst verstärkenden Effekt geben. Denn der Staat gibt das Geld zu ca. 60% für Sozialleistungen, ABM (Arbeitslosenstatistik-Kosmetik) und Subventionen etc. aus, und nur ganz wenig Geld für profitbringende Investitionen oder z.B. Bildung und Forschung. Jeder Euro für Subventionen, nutzlose ABM und für die Finanzierung von Arbeitslosen ist ein verlorener Euro, ein Euro, der den wirklich Bedürftigen (Rentner, Behinderte, Kranke) fehlt, und der für Bildung, Forschung und Investitionen in Infrastruktur fehlt.

    Geld entsteht nicht von allein, sondern nur durch Leistung. Es nützt also in Bezug auf die Konjunktur nichts, wenn Leute für die gleiche Leistung (ungerechtfertigt) mehr Geld bekommen oder für Nichts-Tun überhaupt Geld bekommen.

    Aber nochmal zur Binnenkonjunktur:
    Die Quote der Verschuldung in Deutschland zeigt, dass die Leute zum Großteil schon mehr ausgeben, als sie eigentlich könnten und sollten.
    Wenn also die Binnenkonjunktur auch mit dieser Art von "Ausgaben-Nachbrenner" nicht anspringt, obwohl Millionen mehr ausgeben, als sie sich leisten können - ist dann ohne Reformen an anderer Stelle überhaupt ein Anspringen der Binnenkonjunktur zu erwarten? Ist da eine dauerhafte Konjunktur durch eine Maßnahme zur Förderung der Binnenkonjunktur zu erreichen? Ich denke nein. Darum sind die Forderungen nach einer Förderung der Binnenkonjunktur von Seiten von SPD-Traditionalisten und Gewerkschaften IMHO auch nur zynische Volksverarschungsforderungen von Leuten, die wahrscheinlich selbst genau wissen, dass diese Forderungen aus der Mottenkiste und immanent blödsinnig sind.

    Eigentlich - ich schweife sicher irgendwie ab - sollten wir uns freuen, denn eigentlich geht es uns gut. Unsere Rentenversicherung geht zwar pleite, aber Millionen Amis haben weder die noch eine Krankenversicherung und ausserdem ein Mobile-Home und zwei 5-Dollar-Jobs statt Sozialwohnung und Alg-II. Wir haben also im Prinzip eine Menge sozialer Errungenschaften und müssen (hoffentlich) nur ein wenig mehr daran denken, wie wir die weiterhin finanzieren können - und da müsste jedem klar sein, dass das nur mit weniger Arbeitslosen geht. Und die gibt es nur mit mehr Unternehmen. Und die gibt es sicher nicht mit Kapitalismuskritik und hunderttausenden von Bestimmungen (z.B. über die Mindesttemperatur in Mitarbeiterumkleiden) und möglicherweise demnächst Softwarepatenten etc., sondern nur mit Kapitalismus-Förderung, weniger staatlicher Gängelung für Unternehmen und besserer Bildung für die Leute, die sonst auch weiterhin auf jeden Blödsinn reinfallen werden, wie z.B. auf Müntes Brandreden. Soll er doch gleich den Staatsmonopolkapitalismus fordern. Die Unternehmer haben schließlich versagt. Münte könnte sicher ganz locker eine Firma in Deutschland führen, alle Regelungen beachten, dem Wettbewerb im Ausland standhalten und ausserdem noch jedes Jahr 5% mehr Lohn zahlen, um die Binnenkonjunktur zu fördern. Wer's glaubt...

    Gruesse,

    Bio

    --
    Ich ziehe alles zurück und behaupte das Gegenteil!
  8. Hi,

    Das Wunder, das mich zur Zeit am stärksten beschäftigt, ist die allseitige "Kapitalismuskritik" quer durch die politische Landschaft. War bisher die einheitliche Sabine-Christiansen-Perspektive der Politik, dass nur mehr Kapitalismus denselben retten könnte, ruft man plötzlich nach altmodischen Dingen wie sozialer Verantwortung und kommt mit heftiger Kritik an Firmen und Managern um die Ecke.

    Das einzige, daß mich wundert, ist, daß das nicht viel eher gekommen ist. Aber die SPD wollte vermutlich 1998 zum einen wohl nicht die Wähler (die "neue Mitte") verschrecken, und ATTAC klingt zumindest nach Terrorismus. >;->

    Wie man jetzt an den Artikeln und Kommentaren sieht, zeigt sich bereits die Journaille i.d.R mit Differenzierungen zw. Kapitalismus, sozialer Marktwirtschaft, Sozialismus und Kommunismus aufs äußerste überfordert - wie soll da der Leser dann erst mit klarkommen? >:-/

    (BTW: Sollte jetzt jemand denken, der gemeine Journalist wäre von mir noch niedriger angesehen, als der gemeine Politiker, so hat er Recht.)

    Zum anderen wurde ja Schröder ggf. auch einfach nur Populismus und/oder Verrat an der Sozialdemokratie vorgeworfen.

    Egal.

    Das wirtschaftliche System der Bundesrepublik ist *nicht* der Kapitalismus. Es ist die soziale Marktwirtschaft (eingeführt von der CDU - die SPD hat dem Sozialismus ja erst '59 mit dem Godesberger Programm abgeschworen). Und im Laufe der Jahre - Globalisierung zum einen und FDP zum anderen (unvergessen Oberraffzahn Rexrodts "Wirtschaft findet in der Wirtschaft statt") - wurde der hiesige "dritte Weg" immer mehr durch den Kapitalismus verdrängt (bzw. die Kohlregierung hat dies, wenn gar nicht gefördert, so doch mindestens zugelassen).

    Hartz IV greift nicht, oder?

    Doch, H4 greift: Fördern und fordern. Allerdings ist es mit dem Fördern halt so eine Sache. Zumindest aber das Fordern dürfte wohl klappen (s. Rückgang der Sozialhilfeempfänger). >;->

    und präsentiert konkrete Forderungen:

    Teils, teils.

    Was haltet ihr davon?

    Ludwig Erhard würde im Grab rotieren, wenn er mit ansehen müßte, zu was die soziale Marktwirtschaft verkommen ist.

    Gruß, Cybaer

    --
    Hinweis an Fragesteller: Fremde haben ihre Freizeit geopfert, um Dir zu helfen. Helfe Du auch im Archiv Suchenden: Beende deinen Thread mit einem "Hat geholfen" oder "Hat nicht geholfen"!
    1. Hi,

      Das einzige, daß mich wundert, ist, daß das nicht viel eher gekommen ist. Aber die SPD wollte vermutlich 1998 zum einen wohl nicht die Wähler (die "neue Mitte") verschrecken, und ATTAC klingt zumindest nach Terrorismus. >;->

      die Sozen haben doch mit Oskar 1998 sofort eine wirtschaftsfeindliche Politik eingeleitet. Das wurde dann nach Oskars Abgang in Teilen korrigiert.

      Das wirtschaftliche System der Bundesrepublik ist *nicht* der Kapitalismus. Es ist die soziale Marktwirtschaft (eingeführt von der CDU

      Es gibt naemlich gar keinen Kapitalismus. "Kapitalismus" ist ein linker Kampfbegriff. Intelligente Menschen wuerden wirtschaftliches Zusammenwirken nie als "Ismus" bezeichnen.

      Hartz IV greift nicht, oder?

      Doch, H4 greift: Fördern und fordern. Allerdings ist es mit dem Fördern halt so eine Sache. Zumindest aber das Fordern dürfte wohl klappen (s. Rückgang der Sozialhilfeempfänger). >;->

      H4 ist eine Systemvereinfachung, die in der Beschaffung erst einmal kostet.   ;-)
      Aber die naechste Regierung wird darauf prima aufbauen koennen.

      Gruss,
      Ludger

  9. Hallo,

    beim Begriff "Kapitalismuskritik" ist nicht nur zu berücksichtigen
    dass unser Wirtschaftssystem wie z.B. schon von Cybaer gepostet eben
    nicht der Kapitalismus ist, sondern auch dass die Mängel vielleicht
    eher mit den Möglichkeiten der Börse als mit dem zu tun haben was man
    sich traditionell meist unter "Kapitalismus" vorstellt. Ob Lafontaine
    da die Forderung nach der Tobinsteuer einfach nicht griffig genug
    war?

    Grüsse

    Cyx23

  10. Sup!

    Münte hat nachgelegt und ein vier Punkte-Programm erdacht:

    http://www.n-tv.de/527341.html

    Die vier Punkte:

    1. Manager-Gehälter offenlegen
    2. Kleine und mittlere Unternehmen sollen zinsgünstige Kredite bekommen
    3. Die Steuersätze sollen in ganz Europa angeglichen werden
    4. Das Entsendegesetz soll für alle Branchen geöffnet werden

    Dazu mein Kommentar:
    1. Super! Das hilft sicher viel und ist auch ganz bestimmt total verfassungskonform, schließlich ist es von öffentlichem Interesse, wieviel ein Manager verdient, und verletzt seine Privatsphäre und die Interessen der Firma auch überhaupt nicht. Reiner Populismus, basierend auf Sozialneid.

    2. Wie das zum gerade beschlossenen neuen Kreditrisiko-Bewertungsstandard Basel II passen soll, könnte Münte sicher nicht beantworten. Es ist also Quatsch, es sei denn Münte will den Staat Pleite-Unternehmen mit Krediten am Leben erhalten lassen. Gequirlte Schheisse, reiner Populismus, diese Forderung.

    3. Völlig utopischer Unsinn. Oder will die SPD z.B. die Erbschaftssteuer abschaffen oder die Alkoholsteuer verdreifachen wie Schweden, oder andere Steuern auf das Niveau von Spanien senken? Wohl kaum, also auch reiner Populismus.

    4. Okay... was auch immer das heisst... weil Münte es gesagt hat, muss es wohl "Ausländer raus! (aus unseren Schlachthöfen und auch sonst überall)" heissen. Toll. Klasse. Hätte man ja mal dran denken können, bevor rot/grün dem Entsendegesetz auf EU-Ebene zugestimmt hat. Wahrscheinlich reiner Populismus.

    Gruesse,

    Bio

    --
    Keep your friends close, but your enemies closer!
    1. Hallo,

      ...] schließlich ist es von öffentlichem Interesse, wieviel ein Manager verdient, und verletzt seine Privatsphäre und die Interessen der Firma auch überhaupt nicht. Reiner Populismus, basierend auf Sozialneid.

      "Sozialneid" wenn du es so nennen willst, bzw. die weiteren Aspekte
      unserer "Sozialen Marktwirtschaft" dürften tatsächlich von öffentlichem
      Interesse sein, die Situation in grossen Firmen, Behörden Institutionen
      vmtl. auch.

      ...] Es ist also Quatsch, es sei denn Münte will den Staat Pleite-Unternehmen mit Krediten am Leben erhalten lassen. Gequirlte Schheisse, reiner Populismus, diese Forderung.

      Grundsätzlich scheint mir ein regionales Regulativ zu fehlen, wie es
      vielleicht mal die nationale Währung war. Abgesehen von Teuerungen im
      Bereich Energie ist doch die Euro-Situation eher deflationär denn
      inflationär, wohl keine gute Vorraussetzung für Investitionssicherheit
      wenn die investierten Güter immer weniger und das aufgebrachte Geld
      immer mehr wert werden (bereits ohne Nutzung usw. zu berücksichtigen)

      1. Völlig utopischer Unsinn. Oder will die SPD z.B. die Erbschaftssteuer abschaffen oder die Alkoholsteuer verdreifachen wie Schweden, oder andere Steuern auf das Niveau von Spanien senken? Wohl kaum, also auch reiner Populismus.

      ("3. Die Steuersätze sollen in ganz Europa angeglichen werden")

      Doch wohl die wichtigste Forderung bei offenen Grenzen.

      Grüsse

      Cyx23

      1. Sup!

        "Sozialneid" wenn du es so nennen willst, bzw. die weiteren Aspekte
        unserer "Sozialen Marktwirtschaft" dürften tatsächlich von öffentlichem
        Interesse sein, die Situation in grossen Firmen, Behörden Institutionen
        vmtl. auch.

        Und was hat das Manager-Gehalt damit zu tun? Wird mit offengelegten Managergehältern das ganze Unternehmen transparent etc.? Oder werden Manager nur schneller zu Opfern von Entführern?

        ...] Es ist also Quatsch, es sei denn Münte will den Staat Pleite-Unternehmen mit Krediten am Leben erhalten lassen. Gequirlte Schheisse, reiner Populismus, diese Forderung.

        Grundsätzlich scheint mir ein regionales Regulativ zu fehlen, wie es
        vielleicht mal die nationale Währung war. Abgesehen von Teuerungen im
        Bereich Energie ist doch die Euro-Situation eher deflationär denn
        inflationär, wohl keine gute Vorraussetzung für Investitionssicherheit
        wenn die investierten Güter immer weniger und das aufgebrachte Geld
        immer mehr wert werden (bereits ohne Nutzung usw. zu berücksichtigen)

        Was soll denn ein regionales Regulativ sein? So eine Art Protektionismus auf Kosten der Konsumenten und Steuerzahler?

        1. Völlig utopischer Unsinn. Oder will die SPD z.B. die Erbschaftssteuer abschaffen oder die Alkoholsteuer verdreifachen wie Schweden, oder andere Steuern auf das Niveau von Spanien senken? Wohl kaum, also auch reiner Populismus.

        ("3. Die Steuersätze sollen in ganz Europa angeglichen werden")

        Doch wohl die wichtigste Forderung bei offenen Grenzen.

        Natürlich, aber als Forderung innerhalb einer Erklärung, die so klingen soll als ginge es um konkrete Maßnahmen, völlig fehl am Platz.

        Gruesse,

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        --
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    2. Hi.

      Münte hat nachgelegt und ein vier Punkte-Programm erdacht:
      http://www.n-tv.de/527341.html

      Also laut N-TV-Text handelt es sich _nicht_ um ein _Programm_ (ist aber spitzfindig, gebe ich zu).

      Im Folgenden habe ich deinen Text etwas umgruppiert (Programmpunkt, dann dein Kommentar), aber nicht geändert:

      1. Manager-Gehälter offenlegen
      2. Super! Das hilft sicher viel und ist auch ganz bestimmt total verfassungskonform, schließlich ist es von öffentlichem Interesse, wieviel ein Manager verdient, und verletzt seine Privatsphäre und die Interessen der Firma auch überhaupt nicht. Reiner Populismus, basierend auf Sozialneid.

      Zugegebenermaßen hat es etwas mit Sozialneid zu tun, dass es aber (prinzipiell) reiner Populismus ist, bezweifle ich. Ich kann mir zwar einigermaßen gut vorstellen, dass ich, wäre ich in der passenden Position und hätte ich die Möglichkeit dazu, genauso mein Gehalt erhöhen würde soweit es eben möglich ist (wie es anscheinend einige der derzeitigen Manager tun), andererseits kann ich aber auch keinen stichhaltigen Grund dafür finden, dass ein (gut verdienender) Manager das 300fache des Gehalts eines einfachen Arbeitnehmers bezieht. Allein die bessere Ausbildung kann es doch nicht sein, oder? Eine höher qualifizierte Tätigkeit muss auch höher entlohnt werden, aber der Unterschied sollte sich doch in einem vernünftigen Rahmen halten (wobei ich diesen Rahmen für mich noch nicht definiert habe; etwa 1:100 sollte doch eventuell ausreichen).

      _Nicht_ hilfreich finde ich in solchen Diskussionen den Hinweis darauf, dass die Spitzengehälter in den USA noch wesentlich höher liegen und wir uns eigentlich daran orientieren müssten. Die Arbeitnehmergehälter in den USA sind auch niedriger als bei uns, müssen wir uns daran dann auch orientieren?

      Ich denke, eine Offenlegung der Managergehälter (wie es sie in anderen Ländern bereits gibt -- ohne dortigen Weltuntergang) könnte dazu führen, dass die wirklich gut verdienenden Manager sich vor der nächsten Gehaltserhöhung etwas mehr Gedanken darüber machen, ob eine erneute Gehaltserhöhung in das derzeitige Wirtschafts-Szenario passt. Auf der anderen Seite müssten die Arbeitnehmer dem Führungspersonal auch etwas gönnen, das ist schon klar (auch wenn das nicht einfach ist und durch Münte umso schwieriger wird).

      1. Kleine und mittlere Unternehmen sollen zinsgünstige Kredite bekommen
      2. Wie das zum gerade beschlossenen neuen Kreditrisiko-Bewertungsstandard Basel II passen soll, könnte Münte sicher nicht beantworten. Es ist also Quatsch, es sei denn Münte will den Staat Pleite-Unternehmen mit Krediten am Leben erhalten lassen. Gequirlte Schheisse, reiner Populismus, diese Forderung.

      Zu Basel II kann ich nichts sagen, ich weiß aber aus zuverlässiger Quelle, dass du derzeit als Kleinunternehmer bei den Banken nahezu keine Chance hast, an einen Kredit zu kommen (es sei denn, du hast reichlich Privatbesitz als Unterpfand parat). Eine staatliche Kreditvergabe kann also durchaus sinnvoll sein. Dass hierbei _sehr_ gut hingeschaut werden muss, _wer_ so einen Kredit bekommt, ist für _mich_ selbstverständlich -- für den einen oder anderen Politiker scheinbar nicht, ich sag nur "Ich-AG".

      1. Die Steuersätze sollen in ganz Europa angeglichen werden
      2. Völlig utopischer Unsinn. Oder will die SPD z.B. die Erbschaftssteuer abschaffen oder die Alkoholsteuer verdreifachen wie Schweden, oder andere Steuern auf das Niveau von Spanien senken? Wohl kaum, also auch reiner Populismus.

      Utopisch ja, aber Unsinn? Ich glaube du verquirlst da etwas, was nicht zusammengehört. In einem zusammenwachsenden Europa sollte auch eine Steuerharmonisierung dazugehören. Dies ist selbstredend nicht innerhalb kurzer Zeit machbar, aber auf _lange_ Sicht sollte es so sein. Und es muss gestattet sein, sich Gedanken darüber zu machen ...

      1. Das Entsendegesetz soll für alle Branchen geöffnet werden
      2. Okay... was auch immer das heisst... weil Münte es gesagt hat, muss es wohl "Ausländer raus! (aus unseren Schlachthöfen und auch sonst überall)" heissen. Toll. Klasse. Hätte man ja mal dran denken können, bevor rot/grün dem Entsendegesetz auf EU-Ebene zugestimmt hat. Wahrscheinlich reiner Populismus.

      Dass man daran vorher hätte denken können, darin stimme ich dir zu. Wobei ich mal ganz stark vermute, dass schwarz/gelb es nicht anders gemacht hätte.

      Schönen Sonntag noch!
      O'Brien

      --
      Frank und Buster: "Heya, wir sind hier um zu helfen!"
    3. hi,

      1. Manager-Gehälter offenlegen [...]
      2. Super! Das hilft sicher viel und ist auch ganz bestimmt total verfassungskonform, schließlich ist es von öffentlichem Interesse, wieviel ein Manager verdient, und verletzt seine Privatsphäre und die Interessen der Firma auch überhaupt nicht. Reiner Populismus, basierend auf Sozialneid.

      das gehalt des managers erzeugt ebenso kosten für die firma, wie meines.
      der manager kann sich ohne probleme mal eben die zahlen liefern lassen, was ich verdiene - um zu schauen, ob die firma sich mich noch leisten kann, oder ob mein arbeitsplatz wegrationalisiert werden muss.
      warum soll ich also nicht wissen dürfen, wie viel der manager meine firma kostet ...?

      gruß,
      wahsaga

      --
      /voodoo.css:
      #GeorgeWBush { position:absolute; bottom:-6ft; }
      1. Sup!

        das gehalt des managers erzeugt ebenso kosten für die firma, wie meines.
        der manager kann sich ohne probleme mal eben die zahlen liefern lassen, was ich verdiene - um zu schauen, ob die firma sich mich noch leisten kann, oder ob mein arbeitsplatz wegrationalisiert werden muss.
        warum soll ich also nicht wissen dürfen, wie viel der manager meine firma kostet ...?

        Ehm... weil Du nicht sein Chef bist sondern umgekehrt?

        Gruesse,

        Bio

        --
        Keep your friends close, but your enemies closer!
        1. Hallo Bio,

          warum soll ich also nicht wissen dürfen, wie viel der manager meine firma kostet ...?

          Ehm... weil Du nicht sein Chef bist sondern umgekehrt?

          Wie praktisch, dass ich Gehälter auszahle. Bin ich jetzt der Chef?

          Weshalb wird aus den Gehältern so ein Geheimnis gemacht? Weil eine Schieflage in ein ebensolches Licht gerückt werden könnte?

          Grüße
          Roland

        2. Hallo Bio,

          Ehm... weil Du nicht sein Chef bist sondern umgekehrt?

          Was ist, wenn der wahsaga sich eine Aktie seines Unternehmens kauft und damit zum Chef seines Chefs wird?

          Tim

          1. Hi Tim,

            Was ist, wenn der wahsaga sich eine Aktie seines Unternehmens kauft und damit zum Chef seines Chefs wird?

            1. Er kann _wahrscheinlich_ ungestraft ins Büro des Vorstandsvorsitzenden eindringen, dort Gegenstände im Wert seiner Aktie zusammentragen, wortlos in seinen Asipack[TM] pfeffern, wennn er das Anteils-Papier dann dalässt. Man betrachte dies allerdings nicht als verbindliche Rechtsauskunft, da ich zur Zeit lediglich Fonds kaufe und, was direkten Aktienbesitz angeht, Laie[TM] bin.
            2. Als Chef seines Chefs kann er IMHO jederzeit jede gewünschte Auskunft einfordern, auch fernmündlich oder per Mail. Angesichts der engen Verbindung des Chefs zum Unternehmen können dabei auch private Fragen angesprochen werden.
            3. Vorstandsvorsitzende verdienen sich ihre hohen Gehälter _durch Einsparungen_, etwa indem sie Leute wie Bio nicht einstellen, sondern selber FDP wählen gehen, obwohl der Guido....
            4. Morgen kaufe ich mir eine Aktie und veröffentliche dann hier das Gehalt der Vorstandsmitglieder, nachdem ich sie habe zum Rapport antanzen lassen.
            5. Bio bekommt einen Orden zur Förderung asymmetrischer Kommunikation, einen schicken kleinen Faustkeil in Blaugelb.
            6. Nach Gewinn seiner Partei muss er Studiengebühren zahlen. Vielleicht doch noch schnell ummmelden, die GRÜNEN wählen und in NRW bares Geld sparen, dass dann wieder dem Vorstand zu Gute kommen kann!

            Viele Grüße
            Mathias Bigge