Bio: Kapitalismuskritik

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Kann ein Unternehmen tatsächlich _nur_dann_ am Markt bestehen, wenn es permanente Wachstumsraten aufweist und Renditen erwirtschaftet, von denen man als Nicht-Millionär nur träumen kann? Kann überhaupt ein Markt auf Dauer existieren, der _nur_ auf Wachstum basiert?

Natürlich kann nichts auf Dauer existieren, was auf Wachstum basiert. Darum wird auch die Rentenversicherung kollabieren, ist sie doch auf permanentes Bevölkerungs- bzw. zumindest Gewinnwachstum angewiesen.
Und jetzt haben wir leider immer älter werdende Rentner, Geburtenrückgang bei den leistungsstärkeren Schichten der Gesellschaft und sozial und bildungstechnisch problematische Nachkommen von Gastarbeitern u.a.; gleichzeitig kein Geld mehr für Bildung und Arbeitslose und Schuldenabbau etc.. Wir sind quasi im Arsch.
Aber das war alles absehbar. Das ist kein Fehler des Kapitalismus, sondern ein Fehler, den die Bundesregierungen im Wirtschaftswunder verbrochen haben - auch auf Druck der Bevölkerung, die nur zu gerne an einen immerwährenden Boom geglaubt, auf die Versprechungen der Gewerkschaften gehört und gierig genommen hat, was sie bekommen konnte.
Die Regierungen haben nie im Boom gespart, wie das im Keynesianismus eigentlich vorgesehen ist, sondern immer nur in schlechten Zeiten "öffentliche Konjunkturprogramme" aufgelegt, was aber nie zu einer wesentlichen Förderung des Wirtschaftswachstums geführt hat, sondern nur den Grundstein gelegt hat für die heutige Staatsverschuldung.
Und auch heute noch faseln gerade die Sozialdemokraten gerne vom Binnenmarkt und von Konjunkturprogrammen, als hätten sie nichts aus den 70ern gelernt.
Es scheint so, als hätte einfach niemand mehr gelernt, dass man nicht dauerhaft mehr Geld ausgeben kann, als man einnimmt. Wäre der Staat ein Wirtschaftsunternehmen, hätte er schon vor Jahrzehnten wegen mangelnder Geschäftsaussichten Konkurs anmelden müssen. Weil das aber nicht so ist und das Volk gar nicht gern hört, dass irgendwo Schluss ist und gespart werden muss (dann gründet es uneinsichtigerweise Linksparteien und versucht die finanzielle Fakten wegzudiskutieren etc.), geht halt alles weiter wie bisher, bis der Staatsbankrott eintritt.

Das -- für mich, nicht jedoch für einen BWLer aus meinem Bekanntenkreis -- unlogische am derzeitigen Verhalten der Manager in den deutschen Unternehmen (und vermutlich nicht nur hier) ist ganz einfach, dass sie scheinbar nicht sehen, dass sie sich (zumindest zum Teil) ihren eigenen Markt wegrationalisieren.

Markt wegrationalisieren? Die Gier der Menschen ist doch stärker als je zuvor. Sie kaufen doch. Jeder hat ein Handy, DVD-Player, fast jeder ein Auto, die Werbe-Branche floriert. Das wäre nicht so, würden die Leute nicht kaufen wie bekloppt. Hätten nicht auch die sozial Schwachen noch genug Geld zum ausgeben, dann hätte das s.g. Unterschichtenfernsehen keine Werbekunden, dann würde die Bedürfnis-Weckungs-Maschinerie namens Werbung nicht wie geschmiert laufen.

Wer soll denn die Produkte noch alle kaufen? Die Arbeitslosen? Diejenigen, die mit ihren Sozialabgaben die Arbeitslosen unterstützen? Die Chinesen? Nein, letztere sind so schlau, dass sie sich erst einmal die westlichen Unternehmen ins Land holen, um das Knowhow zu bekommen und um anschließend ihre Waren selbst zu produzieren (was ich an deren Stelle übrigens genauso machen würde).

Klar ist es Quatsch, Arbeitslosigkeit zu produzieren. Es ist aber auch Quatsch, nicht zu rationalisieren. Denn genau wie die Unternehmer wirtschaftlich denken, denken auch die Bürger wirtschaftlich. Die kaufen auch nicht den DVD-Player von Grundig für 399,-, sondern den von Medion für 39,-. Und dieselbe Presse, die an der einen Seite "die Wirtschaft" anklagt "Arbeitsplätze zu vernichten", streichelt auf der anderen Seite die "schlauen Schnäppchenjäger", die chinesische Discount-Ware kaufen und sich nicht "von der Industrie / dem Handel 'verarschen'" lassen, und berät in allerlei Kaufratgebern eifrig, wie und wo man noch drei Euro sparen kann. In diesen Kaufratgebern sind die Billigheimer aus Fernost sympathische Außenseiter, die günstig hergeben, wofür andere unverschämt viel Geld haben wollen. Auf der Wirtschafts-Seite oder im Politik-Teil anderer Presse-Erzeugnisse sind die selben Unternehmen Dumping-Löhne zahlende Sweat-Shops, die unsere Arbeitsplätze vernichten. Wenn der deutsche Durchschnittsbürger Kaufratgeber und Wirtschafts-Seite liest, sagt er wahrscheinlich jedesmal "Jawoll!" und findet das alles ganz richtig und erkennt wahrscheinlich nichtmal den Widerspruch.

Es gibt nur zwei Alternativen: Entweder Protektionismus, Autarkiebestreben und "Deutsche kauft nur deutsche Produkte!" (Trigema-Hemden z.B.?), oder freier Handel, Schnäppchenjagd und globalisierter Wettbewerb inklusive Rationalisierungszwang.
Es gibt nichts geschenkt. Die Zeiten des Kolonialismus, wo man die dritte Welt ausgebeutet hat, indem man Glasperlen für Diamanten und Kakao geliefert hat und halb Arabien besetzt, um das Öl für lau zu bekmmen, sind (zum Glück, denke ich doch) vorbei. Heute wollen die anderen auch weiterkommen. Wir können nicht erwarten, für 35 Wochenstunden soviel Geld zu verdienen, dass wir ganz viele Billig-Produke aus XY kaufen können, und gleichzeitig erwarten, dass die Leute aus XY für das bisschen Geld, was sie für 60 Wochenstunden Arbeit bekommen, auch noch Produkte von uns kaufen. Die sind ja nicht bescheuert und machen dabei mit. Und Kanonenboot-Diplomatie ist auch nicht mehr so in Mode.

Da werden noch einige Manager, die sich viel versprechen vom chinesischen Markt, ganz schön dumm aus der Wäsche schauen. Naja, und die Arbeitslosen und die Sozialabgabenzahler haben nur noch das Geld für das Allernötigste übrig, was bedeutet, dass letztlich nur noch Lidl und Co. profitieren, nur auf wessen Kosten ...

Tja. Die Chinesen werden ggf. auch noch dumm aus der Wäsche schauen. Die haben nämlich 1 Mrd. Leute und jede Mengen sozialen Sprengstoff, Demokratiedefizit etc. zu bewältigen. Mal sehen, ob die so locker drüber hinwegkommen, weswegen wir schon soviel Ärger hatten.

Anders gesagt: Es muss sich lohnen, sich sozial zu verhalten. Im Moment ist der Marktwert der Ware Mensch im Keller und damit wird der Sinn unseres Sozialsystem von der Wirtschaft verfehlt, da die Menschen betriebswirtschaftlich nur Mittel, nicht aber Zweck sind. Es müsste also die Frage gestellt werden, wie man den Wert des Menschen politisch wieder zu einem zentralen Wert unserer Gesellschaft machen kann.

Ganz ehrlich: Ich glaube nicht, dass die Politik _daran_ auch nur ein Fitzelchen ändern kann. Früher habe ich in "den Arbeitgebern" (schön pauschalisiert, nicht wahr?) immer noch faire Verhandlungspartner gesehen, mittlerweile habe ich diesen Glauben so ziemlich verloren. Es gibt einfach zu viele Widersprüche zwischen Worten und Taten unserer "Wirtschaftsbosse". Wie war noch das Sprichwort mit dem Finger und der ganzen Hand ... oder war's doch eher der ganze Arm? Sorry, aber mir wird mittlerweile schlecht, wenn ich Leute, die jedes Jahr ein Vielfaches dessen vereinnahmen, was man in einer beliebten TV-Quiz-Show auf RTL maximal gewinnen kann, darüber reden höre, dass es ihrem Unternehmen sooo schlecht geht und man jetzt mal den Gürtel enger schnallen müsse. Wer "man" ist, erfahren die abhängig Beschäftigten später ...

Manchmal denke ich, die "Wirtschaftsbosse" müssten wohl in der Volksmeinung ihren Job "Wirtschaftsboss" am Automaten gezogen haben. Sie können nichts und labern nur Scheisse, entlassen aus reinem Sadismus Leute etc.. Das glaube ich nicht. Warum sollte das so ein hochbezahler Wirtschaftsboss auch machen? Kann ihm doch egal sein, er bekommt seine Kohle doch sowieso; Nein, ich glaube, die Wirtschaftsbosse haben schon gute Gründe, warum sie tun, was sie tun.

Gruesse,

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