Moin,
Die häusliche Geborgenheit ist nicht mehr so gegeben wie noch - sagen wir - vor 20, 30 Jahren. Zu viele Alleinerziehende, fern von der Heimat. Also auch keine Großeltern. Weil wir ja so frei und örtlich variabel sind.
Das dürfte keine erstmalige Eigenschaft der Neuzeit sein. Entwurzelte, Alleinerziehende oder Waisen sollten wir stets nach Krieg, Hungersnöten, Völkerwanderungen oder Epidemien gehabt haben. Ich vermute sogar, dass wir - auch wegen des allgemeinen Reichtums und des weitgehenden Wegfalls der Kinderarbeit hier in Europa - mehr häusliche Geborgenheit haben denn je.
Und die 68er- Ideale "Kinder sollen sich frei entwickeln ohne Gängelung" (antiautoritäre Erziehung) zeigt nun bei den Enkeln Probleme. Die antiautoritär erzogenen Kinder sind eben selbst keine Autorität und haben Probleme, ihren Kindern Grenzen aufzuzeigen und Pflichten aufzuerlegen.
Ich bin ja (Jg. 63) Kind dieser Entwicklung und dieser Zeit und habe antiautoritäre Erziehung immer als _Erziehung_ begriffen und erlebt, nur halt auf eine andere Weise, als sie noch mein Vater und meine Mutter (und auch deren Eltern) noch erlebt haben: Bei meinem Vater gehörten Schläge und "Karzer" (i.d.S.: kleine Kammer, in der der "unartige" Schuljunge für einen Nachmittag weggesperrt wurde) noch zum Schulalltag. Meine Eltern mussten immerhin noch eine Grundschullehrerin anzeigen, damit das Bestrafen mit dem Lineal (Schläge auf die ausgestreckten Fingerinnenflächen) in meiner Schulklasse dann endlich unterblieb. Das war der Zeitgeist, in dem antiautoritäre Erziehung entstand. Ich habe den Eindruck, dass aus heutiger Sicht gern die Fehler (vor lauter Wunsch nach Antiautorität wurde auch die Erziehung weg- und dem so überforderten Kind überlassen) betont werden, die damit verbundene und gesellschaftlich unzweifelhafte Abkehr von den (körperlichen und seelischen) Übergriffen aber gern als "das kam von ganz allein" hingenommen wird.
dafür bin ich zu schulfern.
Sei froh. Mit den schulpflichtigen Kind kam mein ganzer Frust wieder hoch. Es hat sich kaum was verändert, ist mein Eindruck.
Grüße
Swen