Jörg Reinholz: Reisestress

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Mit ÖPNV zum Bahnhof, sich dabei womöglich noch mit schwerem Gepäck plagen.

Etliche Busse und Straßenbahnen fahren in der günstigen Enmtfernung einer Zigarettenlänge ab. Mein "Expeditionagepäck" hat zwei Räder und rollt mir brav hinterher. Wenn das Wetter mir nicht passt oder ich sonst keinen Bock habe, dann rufe ich einen Minicar. Je nach Bahnhof 7 bis 9 Euro. Inklusive angemessenes Trinkgeld. Das Hotel am arbeitsort suche ich mir nach Preis und Erreichbarkeit aus.

Nassgeschwitzt in letzter Minute am Bahnsteig ankommen, dort aber feststellen, dass der Zug 15 Minuten Verspätung hat.

Hm. Wieso in letzter Minute? 20 Minuten warten: Kaffee und Kuchen, Computerzeitung oder noch eine Zigarette?

Grölende, rempelnde Menschen um mich herum, es ist je nach Jahreszeit kalt, dass man sich den A*** abfriert oder brütend heiß.

Den Wetterbericht gibt es im Internet. Passende Kleidung muss nur ausgewählt werden.

Endlich kommt der Zug, also wieder in den Kampfmodus, um sich in der Menschenmenge zu behaupten. Mit etwas Glück einen Sitzplatz finden.

Als erfahrener Reisender weiß ich für welche Züge man besser eine Platzkarte nimmt. Oder sogar die erste Klasse. Es gibt reichlich Autobahnen, wo man permanent in einer Art Kampfmodus ist und sich zwischen den Idioten, die hinten drängeln und den Typen behaupten muss, die z.B. an der Auffahrt Friedberg mit 70 Sachen von der Auffahrt bis auf die ganz linke Spur "durchziehen", weil auf der rechten Spur einer (notgedrungen) nur 65 fährt. Und wenn es dann wegen eines solchen bekloppten Idioten einen Unfall gibt, dann komme ich mit dem Auto 4 Stunden zu spät. Auf 200 km. Mit dem Auto nach FFM, da weiß man nur, wann man losfährt. Nie wann man ankommt. Die Quote der Bahn ist da viel besser.

Unterwegs immer noch Lärm und hektisches Treiben um mich herum, die Verspätung wächst weiter an. Sich sorgen, ob der Anschlusszug am Umsteigebahnhof wohl auch ein paar Minuten wartet, oder sowieso auch verspätet ist.

Deshalb fahre ich gerne am frühen Vorabend oder sogar schon Nachmittags. Gibt es so eine Störung, dann gehe ich einfach was essen.

Am Umsteigebahnhog mit hängender Zunge zum anderen Gleis hetzen, der Anschlusszug schon weg.

Locker bleiben! Locker bleiben! Aussteigen, Umschauen, auf die Laustsprecheransagen hören. Ich habe sogar schon aus verspäteten Zügen heraus verspätete Züge genommen und bin deshalb 1 Stunde früher (- dessen Verspätung von 15 Minuten) zu Hause gewesen.

Umdisponieren, Ticket umschreiben lassen, mit einem anderen Zug weiterfahren, irgendwann vier Stunden später als geplant am Ziel ankommen, körperlich und nervlich fix und fertig.

Die Bahn sorgt für mein Weiterkommen. Egal, was ist. Ich noch nie "vier Stunden später als geplant am Ziel ankommen" und war auch noch nie "körperlich und nervlich fix und fertig". Ticket umschreiben? Das macht im Zweifelsfall und unter einem "Bitte entschuldigen Sie Leistungsstörung" (oder so) der Schaffner in dem Zug, den ich dann einfach nehme. Am "Servicepoint" stelle ich mich da nicht mehr an. Hatte noch nie Probleme damit.

Da steige ich doch lieber bequem in der Garage

Da müsste ich auch hinlaufen.

ins Auto, wo ich garantiert einen komfortablen Sitzplatz habe,

Der mich inzwischen regelrecht ankotzt. Ich habe weit mehr als 1 Mio Km auf dem Fahrersitz von PKW und auch Kleinbussen verbracht. Irgend wann kommt dieser Punkt.

Die "Leckmich! Irgenwie geht es weiter." - Haltung habe ich übrigens beim Autofahren (genauer: im Stau stehen) erworben. Spart einfach Nerven ich halte die Bahn - besonders auf langen Strecken - für das bequemere Verkehrsmittel, welches mich weit weniger beansprucht.

wo ich selbst bestimmen kann, wann ich fahre,

Bei Rot über die Ampel? Vor Frankfurt im Pflugmodus durch den täglichen Stau? Oder zweirädrig auf der Leitplanke entlang?

wann ich wie lange Pausen mache

Mich fährt die Bahn. Ich habe Pause. Die ganze Zeit.

und welche Fahrtroute ich wähle.

Freilich kann ich über Oberammergau oder aber über Unterammergau. Das hat mich aber schon im Auto nie so besonders interessiert. Ich gebe aber zu, dass ich die Fahrtroute auch schon hinsichtlich der Restaurants auf oder bei Bahnhöfen optimiert habe. Ein paar Reiseerfahrungen und das Internet machen das möglich.

Und im Fahrzeug habe ich Ruhe, Gemütlichkeit und Privatsphäre. Je nach Auto und dessen Ausstattung sogar angenehm temperiert.

Was für eine Ruhe? Die meisten Züge haben Klimaanlagen. Allerdings schlecht eingestellt. Im ICE friere ich meist. Und das im Sommer.

Ich reise ja immer noch bevorzugt mit der guten alten Teleportation. ^^

Ich kenne leider niemanden, der mir da was vermitteln könnte. ;-)

Die hätte ich auch gern. Habe aber schwere Bedenken wegen Prism. Nicht dass ein Double von mir nach Guantanamo portiert wird, weil meine Reisen innerhalb Europas suspekt sind, da es an den Reisezielen auch Moscheen gibt und ich irgendwann oder irgendwo den Rinder- statt den Schweinebraten braten gewählt und mit Karte bezahlt habe.

Man kann gegen die Bahn bashen. Klar. Großer Konzern, viel Mist, der auch mich ärgert. Und es ist durchaus so, dass es Leute gibt, die hart getroffen werden. Ich denke da voller Mitgefühl an die Leute aus Berlin, die in Wolfsburg arbeiten und täglich pendeln.
Aber das halte ich im Grundsatz für höchst unvernünftig - die sind allerdings dazu gezwungen. Soweit zum Thema "soziale Marktwirtschaft".

Wenn mich die Bahn mal fragen würde, was ich will: Steckdosen und Internet in allen Zügen und an allen Plätzen. Verstärkter Fokus auf Zuverlässigkeit und robuste Technik - und nicht darauf, nochmal 10 km/h Höchstgeschwindigkeit (die auf 2% der Strecke erreicht werden) unter Inkaufnahme einer höheren Ausfallrate zu erzielen. Kürzere Reisezeiten durch intelligente Taktung.

Jörg Reinholz