Hallo miteinander,
Und was ist mit den Leuten, die an den Folgen des Betruges - dem Dreck - elend verrecken?
ich glaube, hier schätzen einige die Konsequenzen völlig unrealistisch ein. Ich will die Umwelt- und Gesundheitsgefahr durch Feinstaub nicht wegdiskutieren. Aber Schätzungen zufolge ist der KFZ-Verkehr mit einem Anteil von "nur" 20% am Feinstaub-Aufkommen beteiligt. Die betroffenen Fahrzeuge vielleicht im Promille-Bereich. Die Differenz zwischen angeblichem und tatsächlichem Feinstaub-Ausstoß also insgesamt betrachtet im Sub-Promillebereich.
Klar kann man jetzt von einer höheren Gesundheitsgefahr sprechen. Die macht sich dann vermutlich vier, fünf Stellen hinter dem Komma bemerkbar, geht also im Rauschen unter. Also bitte mal den Ball flach halten. Natürlich ist jeder Beitrag zur Verringerung gefragt; viele kleine Beiträge läppern sich irgendwann auch zusammen. Aber im Zusammenhang mit dem Dieselskandal nun von einer höheren Belastung zu sprechen, halte ich für unsachlich, das ist reine Rhetorik. Die Auswirkung auf Gesundheit und Umwelt ist etwa Null.
Ein Skandal bleibt es allemal, das ist eine ganz andere Sache. In erster Linie mal ein Betrug: Einige Autofirmen haben wissentlich bessere Abgaswerte angegeben, als die Fahrzeuge und Motoren tatsächlich haben. Und wer ist dabei tatsächlich der Geschädigte? Jeder andere Autokonzern, der diesen Betrug nicht mitgemacht hat, weil sich die Betrüger dadurch einen Wettbewerbsvorteil ergaunert haben. Und ich will das auch gar nicht nur dem Konzern mit den zwei großen Buchstaben anhängen; der hatte nur das Pech, als erster aufgeflogen zu sein.
Unterm Strich also eine wirtschaftliche Angelegenheit. Wettbewerbsverzerrung durch Betrug. Meiner Ansicht nach sollten dafür also die Verantwortlichen der jeweiligen Konzerne zur Rechenschaft gezogen werden - angefangen von den Entscheidungsträgern bis hin zu den Ingenieuren, die nachweislich gewusst haben, was sie taten.
Jetzt aber noch die Besitzer betroffener Fahrzeuge zu benachteiligen, die ja genau genommen auch nur Opfer des Betrugs sind, halte ich für rechtlich und moralisch falsch.
Übrigens ist die Masche nichts Neues. Während meines Studiums Anfang der 90er Jahre habe ich ein Semester das Wahlfach KFZ-Elektronik belegt. Das wurde von einem Lehrbeauftragten der Firma BOSCH gehalten. Und der berichtete eines Tages, dass es im Zusammenhang mit den Motor-Steuergeräten, die an verschiedene KFZ-Hersteller geliefert wurden, mal einen ähnlichen Skandal gab. Damals hat sich nämlich schon ein cleverer Embedded-Programmierer genau angesehen, welche Bedingungen bei der Abgasmessung für die Typ-Abnahme gelten. Er hat festgestellt, dass das Fahrzeug vor der Messung für mindestens 24 Stunden gleichmäßig temperiert bei etwa 20°C stehen soll. Also hat er vorgeschlagen, in der Software noch eine zusätzliche Abfrage unterzubringen: Wenn mehrere Stunden lang eine kostante Temperatur in der Nähe von 20°C herrscht, sollte das Steuergerät auf einen anderen Parametersatz umschalten, der zwar bessere Abgaswerte, aber dafür etwas weniger Leistung ergibt.
Geht die "Betrüger AG" den Bach runter, dann verkauft eben die "Ehrlich AG" mehr Autos und die Mitarbeiter der "Betrüger AG" gehen zu dieser. So läuft das doch sogar laut den Befürwortern der ganz freien Marktwirtschaft,
Naja, theoretisch schon; ganz so einfach ist es dann in der Praxis wohl nicht.
Wenn jetzt einer Firma der Betrug erlaubt wird, dann stehen alle Firmen unter dem Druck zu betrügen, sonst gehen nämlich die ehrlich agierenden Firmen den Bach runter. Und am Ende bleiben nur die Betrüger übrig.
Gewagte These, aber nachvollziehbar. Nein, erlauben oder auch nur dulden darf man solche Betrügereien in keinem Fall.
Entweder:
der Staat will eine saubere Wirtschaft und sieht sich als solcher im Dienste der Verbraucher - welche ja die Mehrheit der Wähler stellen
So sieht es die Theorie vor.
ODER:
der Staat macht sich zum Förderer kriminellem Handelns - und das ist hier geschehen.
Ja, das ist wohl eher die Praxis.
Es geht auch nicht um Arbeitsplätze sondern um Geld - es geht zumindest bei VW und Audi um die Dividenden der VW-Aktionäre. Zu denen übrigens der Staat gehört. Auf deutsch: Im Interesse des Profites eines teilweise staatseigenen Unternehmens wird ein Gesetzesbruch zum Nachteil aller (wir atmen ja alle den Dreck) zugelassen.
Ja. Das macht den Fall noch pikanter als eine rein kommerzielle Geschichte.
So long,
Martin
Es gibt eine Theorie, die besagt, dass das Universum augenblicklich durch etwas noch Komplizierteres und Verrücktes ersetzt wird, sobald jemand herausfindet, wie es wirklich funktioniert. Es gibt eine weitere Theorie, derzufolge das bereits geschehen ist.
- (frei übersetzt nach Douglas Adams)