Dass hier der Begriff "strafbar" herangezogen wird und eben nicht von "Schuld" gesprochen wird halte ich für nicht-willkürlich. Ich sehe das hier nicht gleichgesetzt.
Aber auch das Strafgesetzbuch nennt nicht den Begriff "schuldig" oder "unschuldig", sondern stellt erst auf die Tat oder deren Beteiligung ab und dann auf die Frage, wie die Umstände im Hinblick erst auf die Strafbarkeit und dann die Schwere der Strafe zu bewerten sind.
Mit dem "entweder schuldig oder unschuldig" bildest Du (nicht das Gesetz) "Tat" auf "Schuld" ab.
"Tat" und "Schuld" sind aber zwei völlig verschiedene Begriffe:
- Du kaufst gutgläubig ein Fahrrad, vergewisserst Dich also ordnungsgemäß über den Verkäufer, der auch erklärt, seinerseits rechtmäßig in den Besitz des Stücks gekommen zu sein.
- Du gehst mit Kaufquittung und Rahmennummer zur Polizei und willst Dein Rad registrieren lassen.
- Der liegt aber eine Strafanzeige wegen Diebstahl dieses Fahrrades vor.
- Ohne eine Straftat begangen zu haben bist Du jetzt "schuldig" und "Schuldner": Du schuldest nämlich dem rechtmäßigem Besitzer die Herausgabe des Fahrrads
- Strafrechtlich hast Du keine Straftat begangen, denn § 259 StGB "Hehlerei" setzt das Wissen oder die Vermutung eines vorherigen Diebstahls voraus. Moralisch wird hier niemand von einer "Schuld" sprechen. Statt dessen wird Dir jeder versichern, dass Du "völlig unschuldig" zum "Schuldner" wurdest ... was bei Deinem strengem Maßstab offensichtlich Antonyme oder Oxymorone sind, denn wie sollte jemand, der "unschuldig", gar "völlig unschuldig" ist, gleichzeitig und im selben Zusammenhang ein "Schuldner" sein, also jemand, der etwas "schuldet" also (etwas) "schuldig" ist?
- Der Grad(sic!) an Schuld oder Unschuld wird in Augen des Betrachters darin liegen, wie sehr er für sich selbst davon überzeugt ist, dass Du Dich ausreichend sorgfältig über die Rechtmäßigkeit des Kaufs überzeugt hast. Und damit sind wir bei einem graduellen Gebrauch der Begriffe "schuldig" bzw. "unschuldig" - den Du bei mir nicht zulassen wolltest, der aber im Bereich der Meinung durchaus zulässig und geboten ist.
Punkt 4 gilt z.B. nicht Polen. Dort hat der Geschädigte nur einen (Ersatz-)Anspruch gegen den Dieb. Die unterschiedliche Behandlung ist aber verbreitet und keineswegs ausschließlich negativ zu bewerten.