Wilhelm: (INTERNET-ANBINDUNG) Soziale Netzwerke im Cyber

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Hallo Jutta,

Hier mal wieder eine Diskussionsanregung betr. die Cyberwelt in Beziehung zum  Real Life ( RL ):

die man natuerlich unterschiedlich betrachten kann.

Neuere kulturwissenschaftliche Ansätze untersuchen, inwieweit die "sozialen Räume" im RL (z.B. die Stammkneipe) zunehmend ihre entsprechenden "virtuellen Netzwerke" im Cyber finden (z.B. Foren, Chatrooms).

Ich vertrete - wie Du auch weisst - vehement die Meinung, dass ein soziales VL nie, aber auch nie das soziale RL ersetzen kann. Es kann sich natuerlich ergeben, dass man durch virtuelle Kontakte neue Beziehungen im RL knuepfen kann, dass man viele - auf den 1.Blick (und auch nach mehreren) - interessante Leute kennenlernen kann, aber diese Kontakte koennen auch eine extrem niedrige Halbwertzeit beiinhalten. Ist es doch im VL relativ einfach, vermeintlich funktionierende Kontakte durch Nichtbeantwortung von Mails, Postings etc. einfach abzuwuergen, ohne sich einer eingehenderen Diskussion stellen zu muessen. Selbiges im RL bedarf etwas mehr Aufwand und Selbstueberwindung.

Hierbei geht es vor allem um die Darstellung im Vergleich: Unterschiede, Gemeinsamkeiten und Neuentwicklungen sollen herausgearbeitet und beurteilt werden. Hier eine kleine "Frühlese":

Unterschied: Ich kann mein Gegenueber nicht sehen!
Ich kann nicht beurteilen, ob emotionale Aussagen der Wirklichkeit entsprechen oder nicht. Ich kann seine Gestik und Mimik nicht sehen, die mir dafuer die (fuer mich) notwendigen Parameter liefern. Hmmhh, Parameter ist hier ein bloedes Wort, aber mir faellt im Augenblick kein Besseres ein.

Kneipen gelten in Deutschland nach wie vor als zentrale Einrichtungen in der Alltagskultur. Die "sozialen Kontakte" stellen bis heute  DAS Motiv für einen Kneipenbesuch dar.

Es kann auch mal ganz nett sein, das Glaeschen Wein nicht in seinen eigenen vier Waenden zu luepfen, sondern gemuetlich in einer Kneipe zu sitzen, selbiges (oder mehrere) dort zu verschnabulieren, eine Zeitung zu lesen etc. Und die Zielsetzung ist dann nicht unbedingt ein sozialer Kontakt, ausser man wuerde die Beobachtung der Verhaltensweisen der Gaeste als solchen einstufen.

Im Cyber entstehen entsprechend dazu neue öffentliche Kommunikationsforen, die als  "Analogräume" den Hunger nach Gemeinschaft stillen sollen.

Hunger nach Gemeinschaft wuerde ich das nicht unbedingt titulieren. Vielmehr als Beduerfnis nach Kommunikation. Dieser entsteht IMHO dadurch, dass sich die "exzessiven" Cybers den persoenlichen sozialen Kontakten verschliessen, da sie 1.)oft nicht mehr dazu faehig sind und 2.)die Kommunikation im Cyberspace im Endeffekt immer eine gewisse Anonymitaet beinhaltet.

Dieser soziale Hyperraum wird nicht länger über die üblichen Anknüpfungspunkte wie "gleicher Ort, gleiche Freunde" bestimmt, sondern vielmehr durch gleiche Interessen THEMATISCH gebunden (wie hier im SELF-Forum).

Hmmmhh
Mag vielleicht fuer den Grossteil der Besucher hier zutreffen, aber beileibe nicht fuer alle. Entstehen doch gerade hier durch die differenten Intentionen der Besucher so manch unschoene Auseinandersetzungen, die aber wohl sein muessen. Doch ist es im Cyber viel schwieriger zu bestehen, wenn man sich ausserhalb der "Norm" bewegt, sei es - wie hier - in technischer, als auch menschlicher Sicht. Diejenigen Teilnehmer (als Beispiel dieses Forum), die nicht unbedingt wegen der "fachlichen" Diskussion hierherkommen, werden immer vorrangige Angriffsziele fuer Anfeindungen sein, bieten sie doch selbst ihren eigen Schwachpunkt offen dar: die Emotionen. Und Du wirst mir sicherlich zustimmen, wer sehr emotional lebt und argumentiert bietet viele Angriffsflaechen. Vor allem, da im VL die Aussagen nur nuechtern als Text rueberkommen, aber die Nuancen derselben nicht sichtbar gemacht werden koennen.

Auf diese Weise lernen sich Menschen kennen, die sich aufgrund ihrer räumlichen und sozialen Einbindungen sonst nie "kontaktet" hätten (Entstehung sog. "elektronischer Communities").

Nun gut, dahingehend "musste" ich aufgrund besserer Argumente "gewisser Kontrahenten" <g> von meinen Standpunkten etwas abruecken. Wobei ich Deine Aussage noch nicht 100%ig unterschreiben wuerde.

Anders als ein Kneipenbesuch ist das "Stammforum" ohne zeitlichen und räumlichen Aufwand jederzeit aufsuchbar (sofern nicht geschlossen <g>).

Vielleicht ist es ja gar nicht so von Vorteil, dass die "virtuelle Stammkneipe" generell offen hat. Entsteht doch fast ein gewisses Suchverhalten, immer dort rumzuluemmeln. Und dabei verliert man viele andere - wichtigere Dinge - aus den Augen.
<ketzerisch>
Als ich fand es ganz angenehm, als zu war. Kneipen haben ja meistens auch einen Ruhetag. Zwar nicht alle, aber doch etliche).
</ketzerisch>

Sinnliche Erfahrungen im sozialen Miteinander werden verlagert auf die hauptsächlich schriftliche Kommunikationsebene. Hier gibt es, ähnlich der Kneipe, Regeln, gemeinsame Umgangsformen und "Gebrauchsanweisungen" (=Netikette) für den Umgang miteinander.

Die aber - wenn sie eingefordert werden - wohl  d i e  
Ursache fuer manches Unschoene sind. Eine weitere Kommentierung hierzu spare ich mir, meine Einstellung ist hinlaenglich bekannt. Ich lasse mir nur mein Wertesystem nicht verbiegen.

Wie in der Kneipe findet der Austausch mit Gleichgesinnten in vielfältige Richtungen statt. Wechselseitige Unterstützung, seien es Hilfestellungen bei Sachthemen

Wobei ich hier vermehrt eher eine "Nehmen und Haben wollen-Mentalitaet" feststelle.

oder in privaten  (Krisen-) Situationen sind selbstverständlich.

Dafuer finde ich oeffentliche Foren eigentlich nicht so gut. Und, wen kann man im Endeffekt wirklich vertrauen? Wo hat man die Sicherheit, nicht einer Oberflaechlichkeit anheim zu fallen?

Entscheidend ist für die Kneipe der Wirt, in einem Themenforum der Forumsleiter.

Der Wirt verfolgt ein bestimmtes "Kneipenkonzept", der Forumsleiter entsprechend dazu seine spezielle "Forumskonzeption".

Beide sind bemüht, eine gewisse Atmosphäre zu schaffen sowie bestimmte Regeln und Grenzen aufzuzeigen, an die sich die Gäste/Teilnehmer zu halten haben.

Im RL entsteht hier die Anruechigkeit Zensur. Ich bin da eher fuer die Kraefte der Selbstreinigung. Auch wenn dass bei manchen absolut nicht opportun ist

Tja, am Mammon hängt, zum Mammon drängt doch alles ;-

Diese Aussage mag fuer den Wirt gelten. Der Forumsleiter lebt jedoch von der Frequention seines Angebotes. Und fuer Leute, die mit Herz und Seele selbiges pushen und betreuen, ist ein Ausbleiben der Besucher IMHO schlimmer als ein paar Maerker zu verlieren. Denn dadurch wird der Enthusiasmus beschaedigt. Womit wir wieder bei emotionalen Empfindungen waeren. Und hier schliesst sich der Kreis.

Liebe Gruesse
Wilhelm