Hallo Mathias,
"Gesellschaftliche Entscheidungen mittragen" ist eine vage Sache. In dieser Gesellschaft sind viele Entscheidungen basierend auf einem mehrheitlichen Allgemeinwillen entstanden, welche ich mit Sicherheit nicht tragen möchte, wenn ich sie nach Reflexion ablehne, nur weil es "Gang und Gebe" ist. Diese Nation führt Kriege und das Volk unterstützt es, nur weil der Allgemeinwillen mit meinem kollidiert, muss ich mich noch lange nicht Beugen. Und das war nur ein einziges, aber ein extremes Beispiel. Im Dritten Reich haben beispielsweise zuviele Menschen die gesellschaftlichen Entscheidungen mitgetragen. Und dass dieser Staat bzw. dieses System keinesfalls außerhalb jeden Zweifels steht, dürfte einleuchtend sein. Wenn ich in dieser Gesellschaft nur im Weg bin, dann muss ich damit leben.
Da gibt es aber auch Faktoren, wie Mitlauf aus Angst, Opportunismus, oder die Stimmung der Masse, zu berücksichtigen. Mir scheint es, es sei hier viel mehr die Frage der Meinungsfreiheit worum es dir hier geht.
Es ist natürlich schwer, die Frage des Widerspruchs gegen gesellschaftliche Entscheidungen von der Frage der Meinungsfreiheit zu trennen. Doch und weil wir schon lange in Abstrakten reden, finde ich die Frage interessant, wie sich Kompromissbereitschaft bei einzelnen, für die Entscheidungen der Mehrheit, entwickelt. Ich würde da gerne von einer gleichberechtigten (von mir aus gerne klassenlosen) Gesellschaft ohne (äußeren) Zwänge ausgehen, dort könnte es man nämlich am besten beobachten, wie allgemeine Kompromisse angenommen werden. Natürlich taucht dann die Frage auf: "ist das richtig nur weil es alle anderen richtig finden?" also die Frage des Urteils und dann kann man die Rhetorik nicht wegdenken. Wer ist überzeugender? Oder ob man alleine außerhalb des gesellschaftlichen Konsens lebensfähig ist? Also die Frage danach, wo der innere soziale Zwang so groß wird, dass man dafür Teile seiner Individualität aufgibt?
Vielleicht gibt es auch skeptische Menschen, die keineswegs asoziale, intolerante, egoistische und verwirrte Spinner sind.
Einige diese Leute waren zu "harmlosen" Irren runtergekommen, andere geisterten und geistern durch die Weltgeschichte.
Das Gespenst des Individualismus bzw. Existenzialismus, nicht wahr? ;) Dass jeder Idealist von bornierten Opportunisten (damit meine ich nicht dich) als Irrer bezeichnet wird, dürfte die Menschheitsgeschichte auch zur Genüge gezeigt haben.
Eigentlich meinte ich nicht "das Gespenst des Individualismus bzw. Existenzialismus", aber in der Tat ist es interessant, unter welchen geschellschaftlichen Gegebenheiten wird Individualismus zum Gespenst, gerede jetzt da "der Individualismus, der im positiven Sinn Befreiung von der gesellschaflichen Fesseln bedeutet hatte, läft im negativen Sinn auf 'Selbst-Beseitzt' hinaus - das Recht und die Pflicht, seine Energie in den Dienst des eigenen Erfolgs zu stellen".
Wie ich gesagt habe, mir hat an sich "nur" das Probleme bereitet, dass du deine Meinung bezüglich individuellen ethischen Werte und Prinzipien zu undifferenziert im Raum gestellt hast. Nachdem du das getan hast, sehe ich, dass unsere Meinungen zwar im Detail nicht übereinstimmen, aber die großen Fäden führen in die selbe Richtung.
Ich finde deine Haltung, nochmal betont, wenn du sie so wie sie klingt ernst meinst, deshalb gefählich, weil du damit alle Kompromisse bzw. Übereinkünfte über Haufen wirfst, die die Menschen je gemacht haben.
Siehe oben, ich verstehe dich wirklich nicht. Wenn ich von der Richtigkeit einer Übereinkunft nicht überzeugt bin kann ich nur schlecht als recht dieser entsprechend handeln. Sicher besteht die Notwendigkeit von Regeln in jeglicher Form des Zusammenlebens. Über diese Grundvereinbarungen reflexiere ich zwar, aber mache sie mir zu eigen, wie bspw. die Achtung jeglichen Menschens bzw. Wesens.
Bei genauerer Betrachtung erkennt man, dass selbst diese Gesellschaft ihre eigenen Regeln bricht, alle sind zwar gleich, aber einige gleicher. Das lässt sich auch beliebig auf die ganze Menschheit abstrahieren. Deshalb meinte ich, dass ich womöglich noch sozialer bin als manche Heuchler, welche keineswegs alle Menschen gleich und mit Respekt behandeln, aber sich dennoch als Angehöriger dieser "Gemeinschaft" bezeichnen.
Da sind wir beim Punkt, wo z.B. meine früheres gewünschtes Gesellschaftsbild nicht mehr funktioniert, zumindest nicht in dem industrialisierten Gesellschaften, denn diese verspüren erstens immer einen echten oder eingebildeten Zwang von außen, auf die sie natürlich entsprechend (als Gesellschaft) reagieren, zweitens sind die innerne, von der durch die Industrialisierung entstandene und sich selbst erhaltende Maschine der Konsum und Bürokratie erweckte und wachgehaltene Zwänge sehr start. Unter diesen Voraussetzungen ist es kein Wunder wenn Mitglieder einer Gesellschaft, in der zusätzlich das Individuelle an sich (damit strak verknüpft der Besitz als solches) im Mittelpunkt steht, die Regel dieser Gesellschaft brechen.
Da kommt wieder die Frage auf, wie weit kann ich als Individuum meine Wertvorstellungen und Prinzipien von denen der Gesellschaft abgrenzen und diese entweder als ungenügend/unterwentwickelt betrachten und versuchen die Gesellschaft duch mein Handeln zum Überdenken zu bewegen (ob das nun bewusst ist, oder aus einer art natürlicher Unbewusstsein geschieht) und wie weit muss ich eben Kompromisse machen, damit ich nicht zum gesellschaftlichen Außenseiter werde. Da spielt zweifelsohne auch der "Sozialtrieb" des Menschent und die Angst ebenso eine Rolle, wie die Überzeugung von der Richtigkeit der eingenen Vorstellungen. Zu Meinungsfreiheit sage ich eh noch was ...
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