//-->
<menschelei>
Es trifft einfach nicht zu, dass ich *alle* Kompromisse ignoriere, die Menschen *je* gemacht haben. So habe ich es nicht gemeint und so stellt es sich auch nicht dar. Entweder du hast mich schlicht und einfach missverstanden, oder du übertreibst,
Ja klar habe ich übertrieben, aber man muss ein wenig in die rhetorische Kiste greifen, schließlich möft sich "alle die je" bewwer an, als "ein oder zwei der"-. ;-)
</menschelei>
Du kannst nicht jedes (in meinen Augen nötige) Ungehorsam als Verrat aller gemeinschaftlichen Ideale bezeichnen, vielleicht ist der Ungehorsam ein Insistieren auf selbige. Das erinnert mich an die Situation einiger kritischer Schriftsteller in den Vereinigten Staaten, welche nicht auf der Welle der Kriegseuphorie, der religiös-fundamentalistischen Selbstüberhöhung und den so genannten Patriotismus mitschwimmen und demnach als Verräter und Kollaborateure der Terroristen gebrandmarkt werden.
(Achtung, Faschismusvergleich Nummer Zwei:) Im Dritten Reich nannte man Andersdenkende Volksverräter oder Wehrkraftzersetzer und erschoss oder vergaste sie, weil sie zu menschlich oder zu pazifistisch waren. Und dazu gehörte wirklich nicht viel. Hierzulande ist man verdächtig, wenn man muslemischer Student ist und muss damit rechnen, dass eines Morgens schwerbewaffnete Polizisten die Tür eintreten, um dann nichts Belastendes zu finden. Soviel zu Übereinkünften, die man akzeptieren sollte. Über die Details meiner Vergleiche lässt sich streiten (nicht alles was hinkt, ist ein Vergleich).
Nein, ich bezeichen keines Falls jeden Ungehorsam als Verrat, ganz und gar nicht. Wir entwickelten und entwickeln uns ständig durch Akte des Ungehorsams (Eva, Prometheus etc.), damit möchte ich aber nicht gleichzeitig sagen, dass Unghorsam das Maß aller Dinge sei. Aber wenn wir schon über Ungehorsam sprechen, sollten wir wohl erst bestimmen was Gehorsam ist und damit kommen schon einige Fragen auf. Ist ein Gehorsam gleich mit Unterwerfung, oder ist es nur das "auf das eigene Gewissen zu hören"? Ist Gehorsam anderen Menschen gegenüber schon eine Unterwerfung? (Dabei meine ich z.b. den Gehorsam gegenüber rationalen und irrationalen Autorität) Kann man sich selbes gegenüber ungehorsam sein, wenn man sich selbst in Frage stellt?
Uns Menschen fällt es außerdem viel zu leicht gehorsam zu sein, statt uns in der Kunst des Ungehorsamseins zu üben. Weil du schon ein Beispiel aus der Zeit nahmst; dass das absolute Gehgorsam ebenso zerstörerisch sein kann wie sein Gegenteil, hat ja der Eichmann-Prozess gezeigt. Anderseits waren die religiösen und sonstigen Märtyrer diejenigen, die das Gehorsam verweigerten um ihrem eigenen Gewissen zu folgen.
Da stört es mich nicht, wenn du "zu viel" Aristoteles liest, der da gibt wohl auch nur eine Ballance um die Mitte.
Würdest du (und wir) das nicht, würdest du entweder im Gefängnis oder im geschlossenen Anstalt zu hause sein.
Wenn man mich bspw. zwingen würde, eine Waffe in die Hand zu nehmen oder sonstwie Gewalt anzuwenden, würde ich statt dessen allzu gerne im Gefängnis weilen. Es gibt aber auch viele andere Arten des Ungehorsams, des Widerstandes oder generell des Engagements, welche nicht zwangsläufig im Gefängnis enden. Da ich, auch wenn ich mich alleinig auf meine persönliche Ethik beziehe, keine "Straftat" begehen würde (generell gesprochen, differenzierter würde wohl einiges als Straftat angesehen was ich durchaus moralisch richtig finden würde), glaube ich nicht, dass ich im Gefängnis landen würde.
Das Beispiel mit der Waffe kann man auch anderes stellen: würdest du zu Waffe (im weitesten pysikalischen Sinne des Wortes) greifen, wenn dein oder das Leben deiner unmittelbaren Angehörige davon abhinge? Das habe ich gemeint, wenn ich sagte, dass wir darüber - zum Glück - nur akademisch diskutieren können. Der ziviele Ungehorsam ist ein durchaus erwünschtes Verhaltensform, darum ging mir ja auch nicht, sondern eher um herauszufinden, wo man sich selbst die Genze der eigenen Autonomie ziehen muss (falls man das muss, was ich bejahen würde). Wobei wir natürlich füher oder später bei der Frage der Menschlichkeit und Vernunft laden.
Da kann ich dir nur zustimmen. Dass man seine Meinung ändern können muss, ist enorm wichtig, Bei "Prinzipien" ist es jedoch etwas anderes. Von meinen Prinzipien wie Freiheit, soziales Gemeindenken, "Ehrlichkeit/Wahrheit/Wahrhaftigkeit" et cetera
Damit sind wir ja schon bei der Frage "der Menschlichkeit und Vernunft" ;-)
Falls man die Idee der subjektiven Wahrheit verabsolutiert und demnach die Menschenwürde nicht als Grundkonsens ansieht, ist es nicht einmal möglich, objektiv zu bewerten, welche Prinzipien und welche Sturheit richtig oder falsch ist - eigentlich können beide/alle schaden und zu Scheuklappendenken führen. Diese Gedanken könnte man jedoch unendlich weiterführen, sodass man höchstens zu dem Schluss kommen würde, dass es nicht einmal subjektive Wahrheiten geben kann und darf und die es kategorisch falsch ist, überhaupt eine Position zu beziehen... ;)
Es muss also einen Mittelweg zwischen Prinzipientreue und Offenheit bzw. "Anpassungsfähigkeit" geben. Da ich zumindest versuche, in meinen Denkweisen nicht dogmatisch, borniert und festgefahren zu sein, denke ich schon, dass ich diesen Mittelweg anstrebe, bspw. auch indem ich mit dir diskutiere. Positionen entstehen und wachsen immer nur in der Interaktion und dem Austausch mit anderen.
Ich glaube nicht, dass die absolute Wahrheit dazuführt, dass man die Würde des Menschen außer Acht lassen kann im Diskurs. Wobei es ist überhaupt die Frage, ob wir in der Lage sind sowas wie die absolute Wahrheit zu Erfassen. Wahrheit oder (ontologisch) die Erkennbarkeit der Dinge hängt nicht zuletzt von unsere Fähigkeit zu Erkennen ab. Oder "logisch" ausgedrückt: veritas est adaequatio intellectus rei.
Und mehr als das was du auch machst, nämlich den Mittewg zu finden, kann ich auch nicht tun, aber wenn ein jeder sich zu fragen bemühte, ob er auch auf diesem Mittelweg sei, hätten wir so manche Konflikete vermieden können.
Meinungsfreiheit als etwas Absolutes ist ein Trugschluss, sie ist ebenso eine Überinkunft, ein Kompromiss, wie vieles andere, wohl im Dienste und Sinne der Allgemeinheit.
Dem stimme ich nur eingeschränkt zu, denn für eine sich funktionierend nennende Gemeinschaft ist imho keine Meinungsfreiheit nötig. (Okay, es ist eine Frage der Semantik des Wortes "funktionieren".) Totalitäre System existierten und existieren und die Unterdrückung wurde zuoft als nötig erachtet. Dystopien wie 1984 und Brave New World verfolgen ebenso genau diese Argumentation: (Meinungs-)Freiheit schadet der Stabilität der Gesellschaft, eine "Offene Gesellschaft" ist zum Scheitern verurteilt.
Der allgemeine Nutzen von persönlichen Freiheiten ist imho sekundär, Jahrtausende lang wurden Hierarchien, Leibeigenschaft und das Leben als Diener, Lakai und Untertan als selbstverständlich und gottgegeben anerkannt.
Hier würde ich zwischen einer funktionierenden und einer prosperierenden Gesellschaft unterscheiden: für eine (kulturell) prosperierende ist die Freiheit des Individuums essentiell. Ich denke, das meintest du mit funktionieren, insofern widerspreche ich dir nicht.
Hm, da stellt man sich die Frage, ob diese unsere Gesellschaft "nur" funktioniert oder auch wirklich kulturell prosperiert... und ich kann nicht einmal eine eindeutige Antwort finden, ohne in Schönrederei oder Schwarzmalerei abzudriften. :)
Ich meinte in der Tat hier mit "funktionieren" dein "prosperieren". Was unsere Gesellschaft angeht, schwarzmalen möchte ich auch nicht, aber rosarot ist die Lage schon lange nicht. Die Meschine der Bürokratie hat schon alles ziemlich fest im Griff und das Konsum treibt sich selb im Spiral immer höher. Es war nicht ich der folgendes sagte:
"... Zum erstenmal in der Geschichte hängt das physische Überleben der Menschheit von einer radikalen seelischen Veränderung des Menschens ab. Dieser Wandel im »Herzen« des Menschen ist jedoch nur in dem Maße möglich, in dem drastische ökonomische und soziale Veränderungen eintreten, die ihm die Chance geben, sich zu wandeln, und den Mut und die Vorstellungskraft, die er braucht, um diese Veränderungen zu erreichen. ..."
Da wird das was du und ich auch wohl Ungehorsam nennen gefragt, denn wir können nur dann etwas bewirken wenn wir diesen zivielen Ungehorsam ausüben.
Mein Anliegen ist es zwar zu versuchen, die radikale Individualität zu leben (ohne dabei wie gesagt antisozial zu handeln), aber da die widersprüchlich und unmöglich erscheint, versuche ich in erster Linie mir meine Abhängigkeit und Unfreiheit bewusst zu machen und weitesgehend durch unabhängiges Denken in Grenzen zu halten. Da das Eine zum Anderen führt, muss ich auch mit Selbstentfremdung rechnen bzw. mich damit "abfinden" oder arrangieren, wenn ich gesellschaftliches Zusammenleben und die nötigen Kompromisse befürworte. Weil es aber zwischen radikaler Individualität und kritikloser Anpassung viele Graustufen gibt, versuche ich auch hier einen "dialektischen" Mittelweg zu finden.
Davon abgesehen, dass ich denke, dass "radikale Individualität" (versteht man darunter das bewusste oder unbewusste Nach-, Er- und Ausleben der eigenen Vorstellungen und das Hendeln nach dem eigenen Gewissen?) nur Tieren vorbehalten ist, denn würde ein Mensch seine radikale Individualität ausleben, würde er zwangsläufig mit der Gesellschaft kollidieren, kann ich dir zustimmen, was einen "dialektischen Mittelweg" angeht.
In diesem Sinne
Grüße
Thomas