Hej Bernd,
Ach Instagram und Outlook online haben Pixel Angaben selbst bei der Schriftgröße. Du siehst also, immer mehr Webseiten setzten wieder auf PX Angaben. Typische deutsche Diskussion, deshalb hängt Deutschland auch so hinterher.
- Deutschland hängt hinterher, weil Größenangaben nicht in Pixeln gemacht werden? - Was ist das denn für eine These?
- Die führenden Accessibility-Experten kommen längst nicht alle aus Deutschland.
- Es kann sein, dass diese Diskussion in Deutschland häufiger geführt wird. Einerseits wird sie weltweit aufgrund der Tatsache geführt, dass Browser wie der InternetExplorer und FF (vermutlich auch andere, habe das nicht in allen getestet) die Möglichkeit anbieten, nur Text zu zoomen. Diese Möglichkeit scheint aber auszusterben. Schlecht so, wie ich bereits im anderen Posting sagte. Andererseits prüft die BITV (im Gegensatz zur WCAG) explizit die Vergrößerbarkeit der Schrift auf 200%. Zwar ist das unter Accessibility-Experten umstritten (nicht weil das keinen Sinn macht, sondern weil sich viele über den deutschen Sonderweg ärgern. Es macht uns unsere Arbeit schwieriger, nach zwei konkurrieren Standards/Prüfmethoden arbeiten zu müssen), das heißt aber nicht, dass wir uns nicht dran halten müssten. Wenn wir den BITV-Test bestehen wollen (oder müssen, weil das vertraglich oder gesetzlich vorgegeben ist), dann müssen wir relative Längenangaben verwenden (in der Regel relativ zur Schriftgröße, nicht relativ zum Viewport oder Elternelement).
Also ist @Gunnar Bittersmann da keineswegs allein. Das was viele hier so fuchst, ist dass Gunnar für alles, was er macht, Argumente hat und damit meistens recht hat. Und was die Sache viel schlimmer macht: er ist gar nicht der verbohrte Rechthaber, als der er hier immer wieder hingestellt wird. Ich habe früher als er mit Barrierefreiheit begonnen und manchmal bessere Argumente gehabt als er (ist ein Weilchen her, den Grund erfährst du gleich), aber das hat er sich nicht wie jemand anders zu Herzen genommen und mir geglaubt. Nein, Gunnar überprüft das dann, liest nach und liest weiter. Und heute bewegt er sich auf einem Level, wo ich ihm (fast) nichts mehr beibringen kann (umgekehrt lerne ich immer noch viel von ihm). Bei Gunnar reicht es auch, ihm in wenigen Diskussionen zu zeigen, dass es bessere Lösungen als die von ihm präferierten gibt, dann informiert er sich selbständig umfassend.
Das ist mühsam, weil er seinen Standpunkt aus guter Erfahrung und umfangreichem Wissen heraus vertreten kann. Man muss nicht nur seine Argumente verstehen, sondern wie gesagt bessere haben. Mit Jammerei (das ist mir aber zu schwer) kommt man bei ihm nicht weit. Zu recht!
Du hast eigentlich nur ein einziges Argument (unausgesprochen zwischen den Zeilen von "darum geht es Deutschland so schlecht"): "Es wird in unserer Branche betrogen und geschlampt, was das Zeug hält. Hauptsache der Rubel rollt. Und was ich mache ist einfach schneller. Wer ein Gewissen hat und es ordentlich macht, verdient weniger."
Damit hast du vermutlich sogar recht. Aber: Hier gibt es aber viele Diskutanten, die wert auf hochwertigen Code legen. Das beißt sich natürlich, mit Deiner Aussage. Kein erfolgreich Verdienender lässt sich gerne Desinteresse, mangelnde (Fort-)Bildung oder sogar absichtlich (d.h. gegen besseres Wissen) schlecht abgelieferte Arbeit nachsagen. Wer viel verdient, sieht sich als erfolgreich.
Das macht die Schlamperei aber nicht besser.
Wir werkeln in einer Branche Industrie von Abzockern. Die Stundensätze sind pervers hoch, die Kunden können unsere Arbeit nicht beurteilen und werden daher nach Strich und Faden betrogen. Sie bekommen miese Arbeit zu unverschämten Preisen.
Alles was so an "moderner Technik" in den letzten Jahren Einzug gehalten hat - die ganzen Frameworks, Vorlagen, Editoren, automatisierte Tests usw - hat vor allem zwei Gründe: uns unsere Arbeit zu erleichtern und Kunden wie Nutzer mit bunten Bildchen zu blenden.
Aber an den Kunden oder gar Nutzer denkt dabei kaum einer (dabei könnte man mit den verfügbaren Werkzeugen wunderbare Webseiten in kürzerer Zeit erstellen. Statt noch schlechtere Webseiten noch schneller).
Was Google angeht: auf welchen Seiten setzen die Pixel ein? Du willst die Suchoberfläche, also ein einzelnes Eingabefeld, in das eh jeder weiß, was er reinzuschreiben hat, jetzt nicht mit einer komplexen Webanwendung vergleichen, oder?
Dass der Browser Chrome, den google im Markt durchsetzen möchte, keine Schriftvergrößerung anbietet, ist dir klar, oder?
Und das oberste technische Entwicklungsziel von Google mit den Milliarden Seitenaufrufen ist dir auch bekannt? Performanz! Da wird um jedes Byte (nicht Kilobyte) gerungen.
Aber es ist typisch für Typen, die "typisch deutsch" sagen, alles mögliche in einen Topf zu werfen, was gar nicht miteinander zusammen hängt, um abstruse Theorien zu "belegen", die ihnen erlauben, den Kopf weiter im Sand zu halten. Bloß nichts neues sehen oder gar lernen. - Und anderen die Schuld geben am eigenen Dilemma.
Und nein — viel Geld zu machen ist weder ein Zeichen von Qualität, noch von Erfolg, noch von Ehre. Viel Geld zu machen heißt einfach nur, dass man Glück hat in einer Branche mit hohen Stundensätze zu arbeiten.
Marc
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Ceterum censeo Google esse delendam