Hallo Chräcker,
Ich suche jetzt mal nicht innerhalb meines obigen Beitrages nach den Aussageschwächen, sondern nehme mal einfach folgende landläufige Meinungen (die nicht Deine und eben auch nicht meine sind ;-))...
So habe ich's auch gemeint und wollte Dich nicht persönlich attackieren.
- Die Technik ist "Ausdruck", "Medium" unserer Aussageabsicht,
oder sollte es zumindest sein.
hab ich jetzt (als Satz) nicht ganz verstanden ;-)))
Du schreibst "nur Werkzeug" oder "Technik" und genau das halte ich für problematisch. Ich glaube, dass sich unsere Ideen, das Wissen um technische Möglichkeiten, die konkreten Produktionsbedingungen, unsere Kenntnisse usw. unauflösbar vermischen, und dass alles, was wir als Intuition, Geistesblitz oder "Inhalt" verstehen unauflösbar mit diesen und anderen Faktoren vermischt ist.
Ich glaube, daß wir bis hier gar nicht so weit auseinandergehen, ;-)
d'accord
- Die technischen Möglichkeiten des Internets verändern unser
Denken.
Das glaube ich nicht. Wir sollten uns vor einem Projekt, bei dem es jetzt nicht um den Computer selber geht, darauf konzentrieren, was wir als Menschen wollen. Dazu macht man die Kiste am besten aus. Was wollen wir zu wehm transportieren? (dazu zählt auch "Spaß" oder "unterhaltung"....) Das sollte doch möglichst ohne technische Beeinflussung gehen, ich will doch in meinem kurzen Leben nicht meinen Mitteilungswillen auf die Fähigkeit einer Plastikkiste reduzieren.
Welche Strukturen eigentlich unser Denken prägen, ist eine interessante Frage. Warum nicht mal im Bademantel zur Arbeit, ein Gläschen Schampus mit dem Chef, natürlich aus dem Zahnputzbecher, in der S-Bahn die Rolle Toilettenpapier aus der Tasche geholt, um sich die Nase zu reinigen - und schon lernt man die Kraft der Gebrauchswertkonventionen kennen, die den Dingen anhaften, wie Farben, Formen und Gewicht. Normalisiert gehört, wer sich nicht daran hält. Weniger beliebt aber ebenso wirkungsmächtig: das Tauschprinzip. Geben und Nehmen, eine Hand wäscht die andere, wenn ich Dir antworten soll, musst Du Dich wenigstens an die Höflichkeitsregeln halten.
Wie stehts aber mit dem Denken und unserer guten alten EDV? Als ich nach meinem Philosophiestudium aus Geldnot erst mal wieder vor dem Computer hockte und mit einiger Faszination dem langweiligsten Fernsehprogramm der Welt folgte, damals in Form von Datenbanken, habe ich mir beim Herumfummeln an Normalisierungen und Abfragen aus lauter Langeweile überlegt, wie die Tabellenstruktur unser Denken beeinflusst. Der Zwang, Menschen und Probleme in Felder fester und damals eng begrenzter Länge zu zwängen, schien mir geradezu paradigmatisch für die Denkform meiner neuen alten Umgebung zu sein: Eingangsdatum, Zahlungsweise, Skonto, Konto, Kundennummer, ID, .... und fertig ist das Universum. Oder fehlt etwa noch die Bankleitzahl?
Der informatikinteressierte Germanist Kittler hat sich an dem Problem abgearbeitet, welchen Einfluss diverse Schreibinstrumentarien vom Meißel über den Federkiel und die schöne "Sekretärin", die an den Inhalten mitarbeitet, bis zum Computer auf die damit produzierten Texte haben, und mir schien es so, als sei die Tabellenform eine zumindest ebenso viele Hirne prägende Sicht auf die Welt wie Kugelschreiber und Cherry-Tastatur. Vielleicht muss man die sequentiell ablaufende Logik der damaligen Programmiersprachen noch hinzunehmen, die in ihrem schematischen Ablauf eine ganz eigentümliche Sicht der Dinge produzierte.
Ich glaube, dass wir die Kiste längst nicht mehr ausmachen können, weil sie schon längst Eingang in unsere Denkstrukturen gefunden hat.
- In vielen Bereichen ist die Form der Inhalt.
Nein. Auch umgekehrt wirds nicht. Ein Inhalt braucht immer eine Form, um transportabel zu sein.
Eben da sehe ich die Illusion: "Form" transportiert "Inhalt". Provokative These: Unser Denken ist viel stärker von Formen und Techniken geprägt als wir auch nur erahnen..... ;-)
Liebe Grüße zurück,
Mathias Bigge