Hallo Michael,
Ihr habt sicher zwangsläufig das "SelfHTML-Extrablatt" gelesen. Ich bin wahrlich erschrocken, was diese Patente bedeuten würden. Ich habe auch jetzt noch einen leicht höheren Puls...
schön das die Nachricht angekommen ist. Inzwischen gibt es online ziemlich viele Informationen zu dem Thema. Insbesondere die Seiten von http://www.ffii.org sind als Informationsquelle zu empfehlen. Trotz der vielen guten Quellen gebe ich einfach noch mal meinem Sempf dazu (ich kann einfach nicht anders ;-).
Ein paar Fragen:
Es wird ein beispiel beschrieben, dass Adobe ein Patent auf die Verwendung von Karteikärtchen hat bei Benutzeroberflächen. Würde das jetzt eigentlich bedeuten, dass diese bei beispielsweise Macromedia's Produkten verschwinden würden?
Frank hat zu den Patenhandel der Großen ja schon etwas geschrieben. Ich möchte noch ein konkretes Beispiel ergänzen:
Kennst du das freie Bildbearbeitungs Programm GIMP (http://www.gimp.org)? Wenn nicht solltest du es dir mal ansehen ;-).
In der neuen GIMP Version 2 wird es ein Feature geben, daß es ermöglicht beliebige Schaltflächen per Drag and Drop zusammen zu schieben (z.B. Farbwahl und Ebenen-Dialog). Die verschiedenen Elemente sind dann über Karteikarten Reiter zugänglich. Das verstößt aber gegen das Adobe Patent! Also was sollen die Entwickler jetzt machen? Eine Lizens von Adobe kaufen - wer soll das bezahlen?
Und auch wenn man eine Lizenz kaufen würde (vorausgesetzt Adobe wäre überhaupt dazu bereit; GIMP ist ja schließlich ein direkter Konkurent der auch noch kostenlos ist), wäre das Programm in Zukunft - meinem Verständnis nach - nicht mehr "richtig" frei:
Denn es wäre nicht ohne weiteres möglich sich den Quellcode zu nehmen und ein fehlendes Feature einzubauen und das Programm dann an die Public Domain zurückzugeben - denn für das "neue" Programm gibt es ja keine Lizenz. Das ist aber eines (wenn nicht das wichtigste) Kriterium für Frei Software: Die Freiheit zu teilen!
Während seiner GIMP-Präsentation auf dem CCCamp wurde einem Enwickler (Simon Budwig) die Frage gestellt, was denn jetzt mit dem Patent von Adobe wäre. Die Anwort war lapidar: Da sollte man erst gar nicht drüber nachdenken! Das ganze Plenum brach in lachen aus.
Ich habe Simon nach dem Vortrag dann noch mal darauf angesprochen. Da hörte sich das schon etwas anders an: Wenn man anfängt darüber nachzudenken, kann man auch gleich mit dem Projekt aufhören. Und er hat Recht:
Grade auf dem Gebiet der Bildbearbeitung gibt es so viele Patente, daß es einfach vollkommen unmöglich ist ein gutes Programm zu schreiben ohne in rechtlich gefährliche Gewässer zu geraten (z.B. ist es anscheinend fast unmöglich CMYK Untesützung zu implementieren ohne gegen irgendein Patent zu verstossen; gleiches gilt für die Farbkalibrierung eines Bilschirmes für die Bildbearbeitung; GIF wäre auch noch zu nennen).
Ein großes Projekt mit vielen Programmieren zu koordinieren ist schon schwer genug. Sollen jetzt auch noch Anwälte dazu kommen?
Ich hoffe sehr, daß die großen Firmen nicht ihre Patente gegen die Macher von Freie Software ausspielen werden - die Presse wäre da bestimmt auch nicht so toll. Aber die Ungewissheit, ob sie es sich nicht eines Tages anders überlegen ist schon schlimm genug und hängt wie ein Damokles Schwert über jedem betroffenen Projekt. Unter den Umständen hätte ich auch keine Lust irgendwo meine Arbeit reinzustecken, nur um irgenwann gesagt zu bekommen: Wir machen euren Laden jetzt dicht.
Wie gross ist eigentlich die Chance, dass dieses Gesetzt durchkommt und bis wann würde es für uns Wirkung zeigen?
Noch ist ja nichts entschieden. Es zeichnet sich ein abgeschwächter Entwurf ab. Mit etwas Glück (und entsprechendem öffentlichen Druck) wird es z.B. einen Passus geben, der fordert, daß ein Patent eine physische Größe manipulieren muß - also keine Amazon-Ein-Klick Patente.
Grüße,
Peter