Der Martin: Computergeschichte

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Hallo,

Zw. einem mausgesteuerten, multitaskingfähigen ST mit GUI im 256 KByte ROM, 4 MByte RAM, 16/32-Bit-CPU mit 8 MHz, 3,5''-Floppy, Festplatte an einem hochauflösenden, augenfreundlichen, papierfarbenem (schwarz auf weiß) 70-Hz-Monitor und einem tastaturgesteuerten C64 mit Built-in-Basic, 64 KByte RAM, 8-Bit-CPU mit seinen gut 1 MHz, Datasette, 5,25''-Floppy an einem flackernden 50-Hz-Bildschirmin in niedriger Auflösung liegen technisch Äonen. =:-))

Nein, sehe ich nicht so. Die Stärken des C64 lagen bloß in einem anderen Bereich, und die Zielsetzung und Zielgruppe war offensichtlich eine andere. Aus meiner Sicht war der ST damals etwas für Freaks, die meinten, sie müssten was anderes, was Besseres haben. Und dann saßen sie da mit ihren Ataris und wussten nicht so recht, was sie damit anstellen sollten. Meine beiden Schulfreunde waren damals stolz und glücklich, als sie ihr erstes Mini-Programm in Pascal geschrieben hatten - auf dem 64er hätte ich ein Programm, das dasselbe leistete, in zwei Stunden in Assembler geschrieben (und es wäre flexibler gewesen).
Und fertige Software verwenden? Nööö, nur für Fälle, wo es nicht anders ging. Wo bleibt denn da der Reiz?

Du vergleichst Dinge, die man nicht vergleichen kann! Der ST hat im Niedrigpreisbereich ganz neue Anwendungsfelder geschaffen und erfüllt bei Menschen, die vorher gar nicht an Computer dachten. Statt Spiele/Bastel-Gerät für Freaks ein Arbeitsgerät für alle.

Das könnte genau der Punkt sein, den ich bisher verkannt habe. Ich war damals noch in der Phase, wo der Daseinszweck eines Computers nur im technische Reiz des Entdeckens, Ausprobierens und Lernens bestand. Diese Zielgruppe hat der C64 (neben den Spielefreaks) perfekt bedient. Der ST war dagegen eher ein im technischen Sinn "unkreatives" Gerät, sag ich mal abwertend, er war mehr auf die "Anwender" zugeschnitten, die mit einem Computer etwas Produktives leisten wollten. Das war für uns damals absolut kein Thema, und deswegen konnten die Ataris bei uns Technik-Freaks auch nicht so recht ankommen.

Wobei ich nicht unerwähnt lassen möchte, dass es auch für den C64 hervorragende Anwendungssoftware gab. Ich erinnere mich noch an die Textverarbeitung "Vizawrite", die zwar kein WYSIWYG kannte (bzw. nur eingeschränkt mit viel horizontalem Scrolling), aber ansonsten durchaus professionell anmutete.

Auch der VW-Käfer wurde noch *lange* nach Erstauslieferung des VW Golf & Co. produziert und verkauft. Und seine Gesamtverkaufszahl ist äußerst beeindruckend.

Naja, aber der Vergleich ist gut: Auch der Käfer ist... naja, einfach, aber zweckmäßig, nur muss man eine gewisse Liebe zur Technik und eine Bereitschaft zum Basteln mitbringen.

Aber trotzdem heißt es zurecht "Generation Golf". :-) Und der Unterschied C64/ST ist IMHO um *einiges* gravierender als bei Käfer/Golf. :-))

Hmm, ich weiß nicht. Ein Golf ist und bleibt eben doch bloß ein VW. :-(

Du vergleichst ja eher Windows XP mit einer (schlechten) Unix-Shell (so schlechte Unix-Shells gibt es gar nicht! =8->) - und die auch noch auf gravierend schlechterer Hardware. =:-)))

Nein, nicht XP. Ich wollte Linux ja nicht beleidigen!

Damals waren die Anwender noch viel mehr auf "ihre" Kisten fixiert als heute, glaube ich.
Nur die Freaks. S.o.: Mit dem ST wurde Computerei hierzulande das erste Mal zu einem Massenphänomen, entkam der "Freaknische" - ohne sie dabei ganz zu verlassen (es gab ja auch viele Freaks mit ST oder Amiga).

Ich werde den Eindruck nicht los, dass wir von grundlegend verschiedenen Computer-Nutzern reden. Du hast offensichtlich die _Anwender_ im Sinn, während es mir - damals wie heute - mehr um diejenigen geht, die den Computer als technische Herausforderung sehen. Und nebenbei bemerkt: Die Leute brauchen wir, denn ohne die gäbe es kaum innovative Software oder ausgefallene Hardware-Ideen.

In den USA, aber auch in GB, war Atari aber noch stärker Synonym für "Videospiele".

Für mich war es das auch hier...

Und daß der Amiga die bessere Daddelkiste war, darüber müssen wir wohl nicht groß diskutieren. =;-o

Das steht außer Zweifel. Der ist ja auch primär als Spielecomputer entwickelt worden.

Ich weiß nicht, was Du studiert hast. Aber wenn dir der ST nicht in Massen bei deinen Kommilitonen begegnet ist, waren es wohl weder Informatik, noch etwas geisteswissenschaftliches, noch was im Bereich Maschinenbau/Hardware-Design. :)

Auf die Gefahr hin, dass es dich überrascht: Ja, es ist Informatik. Technische Informatik an der FH Esslingen. Und wahrscheinlich kommt auch genau _daher_ meine spielerisch-technische Einstellung. Nee, die hatte ich vorher schon, aber das Studium hat sie gefestigt und intensiviert.

Offensichtlich fehlte jemand, der sich gut mit dem XL auskannte und dir Sachen zeigen konnte, die mit dem C64 gar nicht oder nur deutlich schlechter machbar waren. ;)

Ja, offensichtlich.

mit zunehmender Programmiererfahrung und diversen selbst modifizierten Firmware-Versionen hatte ich zum Schluss aber auch eine selbstgemachte Firmware, die wieder nur mit dem seriellen Kabel auskam, aber fast das gleiche Tempo erreicht hat wie die kommerziellen Lösungen mit Hardware-Umbau und Parallelanschluss.

:)
Aber IMHO sympthomatisch. Neben den reinen Usern: Der C64 hat mehr Hardwarebastler angezogen, die auch programmierten; der XL hauptsächlich die Programmierer, die ggf. auch was bastelten.

Reine User, wie du sie anscheinend verstehst, gab es beim 64er doch kaum.

Aber der XL? Programmierer? Ich kannte da nur Spieler oder reine Nutzer. Keiner kam auf die Idee, dass man auf der Kiste auch selbst programmieren könnte.

Dacor! So sehe ich das auch - und also war der 80286 *niemals* "modern". Zu keiner Zeit. 8-)

Hm? Zu einer Zeit, als die PC-Welt vom 8086 mit maximal 1MB Adressraum beherrscht wurde? Da war der 286er mit seinen 16MB und Taktfrequenzen in schwindelerregenden Höhen von zunächst 12, später bis zu 20MHz doch ein gewaltiger Schritt vorwärts, und damit supermodern. Wobei die 80186er-Generation ganz heimlich, still und leise an der Öffentlichkeit vorbeiging und nur im Embedded-Bereich wirklich Anwendung fand.

Liebe Grüße noch nach Heidelberg,

Martin

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Denken ist wohl die schwerste Arbeit, die es gibt. Deshalb beschäftigen sich auch nur wenige damit.
  (Henry Ford, amerikanischer Industriepionier)