Dazu kann ich nur einen Onkelz text zitieren:
Trenne dich von allem, es ist gar nicht so schwer
Von deinen Vorurteilen sowieso, sie sind am wenigsten wert
Ich habe in der Tat Vorurteile gegenüber den Böhsen Onkelz, und wie ich finde nicht unbegründet.
ca. 1981 nahmen die Böhsen Onkelz zwei Stücke auf, mit den Namen "Türken raus" und "Deutschland den Deutschen". Diese Lieder wurden soweit ich informiert bin zwar nie offiziell verkauft oder auf Platte/CD gepresst, da die Bootleg-Szene des damaligen Undergrounds jedoch für Veröffentlichungen stark mit ausschlaggebend war, sind diese Stücke noch heute verbreitet. Insgesammt haben die Böhsen Onkelz neun Lieder geschrieben, welche - wegen rassistischer Texte und Anderem (Gewalt, Pornographie) - indiziert (also verboten) sind.
Die Indizierungsmitteilung der Prüfstelle kannst Du unter http://www.onkelz.de/timeline_dokumente/bps-indizierung.pdf einsehen, die Gegendarstellung der Band findest Du unter http://www.onkelz.de/contentdisplay/HistoryText.jsp?contentId=67064:edba206e2d:-621c&contentType=HistoryText. Lesenswert!
Bitte beachte auch, daß Du die Moralvorstellungen von 1986, und insbesondere jene der berühmt-berüchtigten Prüfstelle, nicht mit denen von heute vergleichen kannst (zumindest in Sachen Sex).
ein oft genanntes Argument der Onkelz-Beführworter ist, man solle sich doch mal die aktuellen Sachen der Band anhören, da seien keine rechtsradikalen Inhalte zu finden, das seien nur "Jugendsünden" gewesen.
Stellt sich die Frage, wo Dummheit aufhört und rechtsradikal anfängt.. Mit dem Stempel "rechtsradikal" macht man sich es jedenfalls sehr einfach, die Geschichte der Jugendkultur ist etwas komplexer als "Skinhead=Nazi & Punk=linksradikal bis asozial".
Zwar hat sich die Band von den indizierten Liedern distanziert, aber: Wenn man rassistische Lieder unter dem Namen "Böhse Onkelz" veröffentlicht, und somit Anhänger in der rechtsradikalen Szene findet, reicht es nicht "sich davon zu distanzieren". Der Name wird immer (von rechten Fans wie von Kritikern) mit diesen Veröffentlichungen behaftet sein. Möchte man sich wirklich distanzieren, so löst man die Band auf und gründet eine neue.
Diesen Rat kann man genauso gut umdrehen, das Sprichwort "Alter Wein in neuen Flaschen" dürfte Dir bekannt sein. Da finde ich es ehrlicher, man behält seinen Namen und steht zu seiner Vergangenheit, als wenn man den Namen wechselt und die Vergangenheit damit totschweigt.
Ein (deutliches) Beispiel: Wenn ich heute eine Partei gründe und ihre Ideologie ensthaft als "national-sozialistisch" bezeichne, werden mich die Menschen (Nazis wie Nicht-Nazis) als Neo-Nazi sehen. Da reicht es auch nicht, wenn ich mich von der Vergangenheit des Begriffs distanziere und erkläre, an Sozialismus und Nationalismus (im Sinne eines Patriotismus) sei doch nichts verwerfliches.
Holla, dieses Beispiel kommt aber auf sehr wackeligen Krücken daher.
Wenn Du Patriotismus meinst, dann sage bitte Patriotismus und nicht "Nationalismus im Sinne von Patriotismus", das sind zwei verschiedene Paar Schuhe.
Darüber hinaus kann man sehr leicht eine andere Bezeichnung für eine Politik finden, die eigene Vergangenheit bleibt aber unzertrennlich mit einem verbunden. Jeder Versuch, sie loszuwerden, kann früher oder später eher noch schlimmer zurück schlagen.
Ähnlich verhält es sich bei den Böhsen Onkelz:
Sie schrieben mit Absicht am Soundtrack mit, zu dem in Deutschland Ausländerheime angezündet wurden und Menschen starben.
Entschuldige, aber das ist absoluter Unfug. Du unterstellst den Onkelz damit geradezu prophetische Fähigkeiten, denn, wie Du oben selbst geschrieben hast, sind die von Dir beanstandeten zwei Lieder Anfang der 80er entstanden, die Welle der Gewalt gegen Ausländer begann knapp zehn (!) Jahre später.
Der Ausstieg der Onkelz aus der Skinhead-Szene (wegen der rechten Tendenzen) fand ebenfalls früher statt, ab 1985.
Auch nicht zu vergessen sei, daß das, was Du als "Soundtrack zum Anzünden von Ausländerheimen" bezeichnest, auch vollkommen andere Gründe viel privaterer Natur haben kann, die zudem deutlich plausiblerer erscheinen können.
Wenn man danach seinen Namen nicht ändert (also das Projekt beendet), hält man sich bewusst "Fans", die für oben genanntes Szenario verantwortlich sind: Die Böhsen Onkelz scheinen die rechten Fans nicht verlieren zu wollen.
Fraglich, die rechte Szene ist nun auch nicht so groß, daß sie bei mehreren hunderttausend verkauften Platten ins Gewicht fallen würde, zumal es Härteres gibt als eine Band mit einem halben Dutzend fast zwanzig Jahre alter nationalistischer oder rassistischer Lieder, zu denen ständig und nachvollziehbar gesagt wird, sie würden falsch verstanden werden.
Sonderlich geklappt scheint es mit dem "keine rechten Fans verlieren" auch nicht zu haben, wieso zitiert die Band sonst auf ihren Seiten rechte Fanzines mit "'langhaarige Hippies', 'Motherfucker' und 'linke Zecken'".
Und vor allen Dingen: Welcher echte Deutsche[tm] will denn etwas mit einem Vegetarier zu tun haben, der auf einem Walforschungsschiff durch die Gegend schippert und eine halbe Weltreise macht (siehe http://www.onkelz.de/contentdisplay/HistoryText.jsp?contentId=67064:edba206e2d:-5560&contentType=HistoryText)? Also nee, wirklich ;)
[..] eine Band, die sich absichtlich rechtsradikale Fans "bewahrt" hat und auch keinen Grund sieht, diese zu "vergraulen".
Was nun? Du schreibst oben, die Band würde sich von ihren alten Stücken distanzieren, behauptest aber andererseits, sie würde niemanden aus der rechten Szene vergraulen wollen. Wie stellst Du Dir das Vergraulen denn sonst vor als durch Distanzierung?
Dieses Image von der "missverstandenen" Band, die für ihre Fehler "schon lang genug büßen musste" (ein ebenfalls oft gehörtes Argument), ist nichts weiter, als eine Zielgruppe von sich-missverstanden-Fühlenden für rechte Zwecke nutzen zu können.
Du wirst zunehmend unlogischer. Erkläre bitte, wie man jemanden für Zwecke einsetzen kann, wenn man sich von diesen Zwecken distanziert?
Oder die Band ist einfach auf eine menschenverachtende Weise geldgierig, so dass sie keinen Fan missen möchte.
Ich stimme dem Tenor im Telepolis-Artikel http://heise.de/tp/deutsch/inhalt/musik/14942/1.html durchaus zu, daß sich mit dem Underdog-Image vortrefflich Geschäfte machen lassen - ein "richtiges" Image ist durch nichts zu ersetzen, gerade heutzutage. Daß die Band aber wegen des Geldes auf ein paar Fans nicht verzichten möchte, halte ich für nicht glaubhaft.
Ich hoffe, ich habe meinen Standpunkt verständlich machen können.
Nein. Ich bin kein Onkelz-Anhänger, wäre auch eher auf Deiner Seite, aber leider hast Du Dich so sehr verrannt, daß ich Deiner Darstellung in keinster Weise zustimmen kann. Du verleihst lediglich meiner Einschätzung von Vorurteilen Nachdruck - je detailierter sie ausfallen, desto falscher werden sie.
Das Böse Onkelz-Zitat, das Julius brachte, finde ich übrigens (nicht nur in diesem Zusammenhang) sehr schön:
Trenne dich von allem, es ist gar nicht so schwer
Von deinen Vorurteilen sowieso, sie sind am wenigsten wert
Einen schönen Montag,
soenk.e