Hi Cyx23,
So viele beklagen die absurde Verrechtlichung unserer Gesellschaft,
ich sehe es zwiespältig. Dass naheliegende Transfers von vorhandenen rechtlichen Vorstellungen auf aktuelle Sitationen oder vergleichbare Bereiche nicht verlässlich möglich sind kann auch als Defizit oder Fehlen von Ausführungsbestimmungen verstanden werden.
Rechtssicherheit zu schaffen, also ein wünschenswertes und nötiges Anliegen und möglicherweise die "normale" Entwicklung bei uns.
Wenn Du das Adjektiv "normal" benutzt, um die üblichen Verfahren zu beschreiben, halte ich Deine Einschätzung für richtig. Im Gegensatz zu Dir bin ich aber der Ansicht, dass diese Entwicklung fatal ist.
Nimm doch unseren Gesprächsbereich Internet als Beispiel: Die Verrechtlichung schreitet massiv voran. Natürlich steckt dahinter der Wunsch nach Rechtssicherheit, aber wie sieht die tatsächliche Folge aus? Es werden immer bessere Grundlagen geschaffen für Abzocker, Berufsabmahner, Patenttricks, um freie Software auszuhebeln, und dergleichen mehr.
Besonders aber im persönlichen Bereich kommt zu dieser Problematik etwas hinzu, das ich für fatal halte: Deer Glaube, dass man alles juristisch regeln und bewältigen könne.
Ich habe in meinem Leben mehrere langjährige Beziehungen geführt, alle ohne Trauschein. Dadurch war ich in Trennungssituationen immer in der Pflicht, die Probleme in persönlichen Gesprächen zu klären. Stell Dir vor, ich hätte das alles auf juristisch abgesicherter Ehebasis lösen müssen. Wer außer dem Sprecher der örtlichen Anwaltskammer könnte darin einen Vorteil sehen?
Unser Scheidungsrecht ermöglicht es Paaren, die einander nicht mehr ertragen können, ihren Hass jahrelang auf dem Rücken der Kinder auszutragen.
Da z.B. ein Automatismus das Sorgerecht immer an die Frau zu geben m.E. verfassungswidrig wäre sehe ich
keine Lösung Streitereien um das Sorgerecht auszuschliessen.
Nein, die gibt es nicht. Aber man könnte das gemeinsame Sorgerecht als Normalität festlegen und damit im Sinne der Kinder handeln. Die Hürden, dies anders zu regeln, dürften nicht zu niedrig sein.
Zu Deinen langen Ausführungen zum Recht der Kinder zu erfahren, wer ihr wirklicher Vater ist, wäre hier etwas zu präzisieren: Die Situation, über die wir diskutieren, setzt eine Familie voraus, in der alle zunächst davon ausgehen, dass alles in Ordnung ist. Nun schöpft der Vater, eventuell in einer Streitsituation, Verdacht und will diesen Zustand ändern. Die Sprengwirkung für die Familie ist nicht ohne und für die Kinder allemal fatal. Wäre es nicht eher im Sinne des Kindes, wenn der Vater zu ihm stehen würde, wessen Gene auch immer da unterwegs sind?
Die Wendung zu den Rechten des Kindes erscheint mir hier doch eher aufgesetzt, denn tatsächlich wäre es für das Kind kein Vorteil, sondern eine Katastrophe, wenn festgestellt würde, dass es genetisch nicht von seinem Vater stammt.
Stell Dir die Situation vor, in der der Vater zu diesem Mittel greift. Was können die Ziele sein? Auflösung der Familie ohne Kostenfolgen? Abrechnung mit der Partnerin?
Sicher, solche Tests sind nicht zu verhindern und ich bin auch gegen eine Regelung, die sie unter Strafe stellt, aber die Kontrollmöglichkeit, die hieer geboten wird, ist doch nicht ganz ohne, findest Du nicht?
Viele Grüße
Mathias Bigge