Moin!
Meine Mitschüler von damals sind heute Mini-Nazis. Sie wissen sehr wohl, dass Nazis böse sind - und darum bestreiten sie auch, solche zu sein. Aber Parolen wie "Ausländer raus" und "Deutschland den Deutschen", "Weg mit Behinderten" sind an einem Freitag abend Gang und Gäbe. Warum? Weil es ihnen schlecht geht, sie keine Arbeit haben und ihren Hass loswerden wollen.
Es ist heute schwer darüber zu sprechen, ohne auf ein Meer dummer Vorurteile zu stoßen. Dennoch finde ich die Frage wichtig, warum nach der Wiedervereinigung eine solche Welle der Verblödung über Deutschland hingezogen ist.
Ich denke, dass das in Ostdeutschland zwei Gründe hat: In der DDR gab es wohl nur sehr wenige Ausländer, Gastarbeiter wurden separat zur werktätigen Bevölkerung untergebracht. Es liegt auf der Hand, dass Seltenes eher auffällt als Verbreitetes. Außerdem kommt dazu, dass gerade die ostdeutsche Wirtschaft nicht saniert, sondern abgewickelt worden ist, d.h. es gab auf einmal viel mehr Arbeitslose, ohne Aussicht auf Stellen. Da sich Deutschland als Hochlohnland im internationalen Wettbewerb nur durch Qualität und Innovationen behaupten kann und mit der Rationalisierung in den Betrieben viele einfache Tätigkeiten weggefallen sind, wurde dadurch im Gegenzug eine Menge an „Globalisierungsverlierern“ geschaffen. Diese Menschen wollen sich zu Recht damit nicht abfinden, aber die Rechten sind die einzigen, die ihnen attraktive Alternativen bieten.
Weiterhin ist der Mensch für einfache Parolen, die Lösungen suggerieren, generell empfänglicher
Leider wahr, aber die Faulheit nachzudenken entlastet nicht von der Verantwortung für die Folgen.
Verantwortung ist allerdings eine schwere Bürde, von der man sich doch gerne befreit, wenn dies möglich ist. Außerdem glaube ich, dass das Bewusstsein für diese Verantwortung fehlt.
Welcher Schaden jeden Tag für den Standort Neue Länder entsteht, ist schwer abzuschätzen, ich halte ihn für hoch.
Die Firmen reden nicht laut darüber, aber wissen genau, dass viele Mitarbeiter und Kunden einen solchen Standort für eine Zumutung halten. Wer hätte Lust, in einem derart miefigen Umfeld zu leben und zu arbeiten? Ich halte es für eine dringliche Aufgabe für die Menschen in Deutschland, jede Toleranz für diesen Sumpf aufzugeben.
Weißt du, warum Tojota seine Autos in Frankreich statt in Deutschland baut? – Unter japanischen Managern wird man als verrückt bezeichnet, wenn man in Deutschland, auf Grund der Subventionsmöglichkeiten bevorzugt im Osten, Fabriken eröffnet – wegen der rechtsradikalen Verbrechen. Ein Schelm allerdings, wer dabei denke, dass so die deutschen Unternehmen konkurenzfrei bleiben – ich will damit nicht sagen, dass unsere Unternehmen damit in einem Zusammenhang stehen, aber sie profitieren davon.
Härtere Strafen für jede Art von Gewalt gegen Menschen wären ein Ansatz, es bleibt aber die Kernaufgabe, wieder zueinander zu finden und konkret etwas für internationale Kontakte zu tun.
Strafen sind das Mittel, welches zum Tragen kommt, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Effizienter, wirksamer und volkswirtschaftlich günstiger ist es allerdings, Probleme, die Straftaten auslösen können, präventiv zu bekämpfen. Von daher können höhere Strafen nur ein Mittel sein, öffentliche Jugendzentren oder Angebote wie 1€-Jobs beispielsweise sollten allerdings bevorzugt werden.
Interessanterweise hat dies mit dem Bildungsgrad primär nichts zu tun.
Bei den Jugendlichen, mit denen ich es beruflich zu tun habe, gibt es schon einen Zusammenhang zwischen fehlender Bildung und Beteiligung an rechter Gewalt.
Aber gilt die Umkehrung auch, dass alle Stammtisch- und Jung-Nazis einen eher bildungsfernen Hintergrund haben? Ich denke, dass die Schichten, die damals Hitler gewählt haben (Mittelschicht/Bürger, Kleinunternehmer, Handwerker, …) auch heute über ein entsprechendes, wenn auch latentes, rechtes Potenzial verfügen, die Arbeiterklasse war ja damals der KPD zugetan. In der jetzigen Situation ist das Bieten von Perspektiven sehr wichtig um den Rechten das Wasser abzugraben – dummerweise steht dies nur teilweise im Gegensatz zur Ellenbogen-Gesellschaft, deren Verlierer gerade unsere „kleinen Nazis“ sind.
Schönes Wochenende,
Robert