Hallo,
Tenor des Artikels ist vielleicht: Die "christlichen Werte" sind teils sehr politisch gefärbt (sprich: einseitig) - verbrämt hinter vermeintlich wohlfeilen Worten (was durch Deutungsmißverständnisse bzw. Bedeutungswandel im Laufe der Zeit gefördert wurde/wird). Ihre prinzipiell ethischen Grundlagen basieren allerdings bereits auf Vorbildern aus früheren, nicht-christlichen Zeiten (genauer: aus Zeiten vor den Buchreligionen, also inkl. des Judaismus).
Das Problem mit diesen "prinzipiell ethischen Grundlagen" war aber schon immer, dass es einer übermenschlichen Kontrollinstanz bedarf, um diese durchzusetzten. Jedes Individuum strebt zunächst nach maximaler Freiheit. Damit Individuen in Gesellschaften zusammenleben können, muss es etwas geben, was ihren Freiheitsdrang in Schranken weist. Das war bisher immer Gott, bzw. die Angst davor, dass es diesen doch vielleicht wirklich gibt. Am Anfang, auch am Anfang der Bibel, waren die Göttergestalten herrschsüchtig, eifernd, nachtragend, blutrünstig aber eben auch fast allwissend, und das war wichtig, man konnte fast keine Schandtat vor ihnen verbergen.
Der Wandel der neueren Religionen war der hin zum Glauben an einen allmächtigen, allwissenden aber auch allgütigen Gott. Da ist meiner Meinung nach schon ein Unterschied. Die Christen haben also nicht _nur_ von alten Religionen abgeschrieben.
Es wäre IMHO wohl nicht unsinnig, anstelle der Verhaltendkodizes der Buchreligionen (die sich im Wesentlichen sehr ähneln), eine generelle, humanistische Ethik zu propagieren, ganz im Sinne von Kants kategorischem Imperativ (handle stets so, daß dein Handeln als Grundlage für eine allgemeine Gesetzgebung dienen könnte).
Wer soll die Kontrollinstanz sein?
Dein Vorschlag wird sicherlich einmal Realität, nämlich dann, wenn die Kontrollinstanz in einer wirklich demokratischen Gesellschaftsform besteht. Dort muss aber jedes Individuum zumindest die Möglichkeit haben fast allwissend zu sein, also die Handlungen seiner Mitbürger auf Einhaltung der "generellen humanistischen Ethik" hin zu kontrollieren. Es muss soweit allmächtig sein, dass es Mehrheiten mobilisieren kann, wenn es der Meinung ist, dass Einzelne sich nicht an die "generelle humanistische Ethik" halten. Kurz die Techniken der Information und Kommunikation müssen weit entwickelt sein. Das ist derzeit in unserer Welt noch lange nicht so. Meiner Meinung nach brauchen wir Gott noch.
viele Grüße
Axel