Hallo, Thomas,
Doch, genauso meinte ich es. Es ist für mich eine Tatsache, dass ich nur nach meinen eigenen Prinzipien und Vorstellungen von Ethik und Gerechtigkeit handeln kann.
Das finde ich in der Tat eine extrem bedenkliche, ja sogar gefähliche Haltung. Gefählich im Sinne einer sozialen Kompromissfähigkeit und der Bereitschaft gesellschaftliche Entscheidungen mitzutragen.
Ich kann deine Position nicht nachvollziehen, ich sehe keinen Zusammenhang zwischen selbstständigem Denken und sozialer Inkompetenz bzw. Kompromissfähigkeit. Kompromisse entstehen m.E. erst dadurch, dass Menschen verschiedener Meinung eine Übereinkunft treffen.
Mir geht es nur darum, "meine" Interessen - welche keineswegs egoistisch sind/sein müssen - in Kompromisse einzubringen. So definieren sich Kompromisse.
"Gesellschaftliche Entscheidungen mittragen" ist eine vage Sache. In dieser Gesellschaft sind viele Entscheidungen basierend auf einem mehrheitlichen Allgemeinwillen entstanden, welche ich mit Sicherheit nicht tragen möchte, wenn ich sie nach Reflexion ablehne, nur weil es "Gang und Gebe" ist. Diese Nation führt Kriege und das Volk unterstützt es, nur weil der Allgemeinwillen mit meinem kollidiert, muss ich mich noch lange nicht Beugen. Und das war nur ein einziges, aber ein extremes Beispiel. Im Dritten Reich haben beispielsweise zuviele Menschen die gesellschaftlichen Entscheidungen mitgetragen. Und dass dieser Staat bzw. dieses System keinesfalls außerhalb jeden Zweifels steht, dürfte einleuchtend sein. Wenn ich in dieser Gesellschaft nur im Weg bin, dann muss ich damit leben.
Solche Sätze wie dein obiger Satz habe ich des öfteren gehört/gelesen und sie waren immer von Leuten gesprochen worden, die sich selbst über alle anderen erhaben zu sein dachten und in Ihrer Arroganz alles und jeden ignorierten die nicht ihren Vorstellungen entsprachen.
Vielleicht gibt es auch skeptische Menschen, die keineswegs asoziale, intolerante, egoistische und verwirrte Spinner sind.
Einige diese Leute waren zu "harmlosen" Irren runtergekommen, andere geisterten und geistern durch die Weltgeschichte.
Das Gespenst des Individualismus bzw. Existenzialismus, nicht wahr? ;) Dass jeder Idealist von bornierten Opportunisten (damit meine ich nicht dich) als Irrer bezeichnet wird, dürfte die Menschheitsgeschichte auch zur Genüge gezeigt haben.
Ich finde deine Haltung, nochmal betont, wenn du sie so wie sie klingt ernst meinst, deshalb gefählich, weil du damit alle Kompromisse bzw. Übereinkünfte über Haufen wirfst, die die Menschen je gemacht haben.
Siehe oben, ich verstehe dich wirklich nicht. Wenn ich von der Richtigkeit einer Übereinkunft nicht überzeugt bin kann ich nur schlecht als recht dieser entsprechend handeln. Sicher besteht die Notwendigkeit von Regeln in jeglicher Form des Zusammenlebens. Über diese Grundvereinbarungen reflexiere ich zwar, aber mache sie mir zu eigen, wie bspw. die Ä^HAchtung jeglichen Menschens bzw. Wesens.
Bei genauerer Betrachtung erkennt man, dass selbst diese Gesellschaft ihre eigenen Regeln bricht, alle sind zwar gleich, aber einige gleicher. Das lässt sich auch beliebig auf die ganze Menschheit abstrahieren. Deshalb meinte ich, dass ich womöglich noch sozialer bin als manche Heuchler, welche keineswegs alle Menschen gleich und mit Respekt behandeln, aber sich dennoch als Angehöriger dieser "Gemeinschaft" bezeichnen.
Es trifft einfach nicht zu, dass ich alle Kompromisse ignoriere, die Menschen je gemacht haben. So habe ich es nicht gemeint und so stellt es sich auch nicht dar. Entweder du hast mich schlicht und einfach missverstanden, oder du übertreibst, denn wie du zu diesem Schluss kommst, ist für mich nicht nachvollziehbar. Ich denke nicht egoistisch und ich halte auch nicht für richtig was nur meinem Eigennutz dient.
Du kannst nicht jedes (in meinen Augen nötige) Ungehorsam als Verrat aller gemeinschaftlichen Ideale bezeichnen, vielleicht ist der Ungehorsam ein Insistieren auf selbige. Das erinnert mich an die Situation einiger kritischer Schriftsteller in den Vereinigten Staaten, welche nicht auf der Welle der Kriegseuphorie, der religiös-fundamentalistischen Selbstüberhöhung und den so genannten Patriotismus mitschwimmen und demnach als Verräter und Kollaborateure der Terroristen gebrandmarkt werden.
(Achtung, Faschismusvergleich Nummer Zwei:) Im Dritten Reich nannte man Andersdenkende Volksverräter oder Wehrkraftzersetzer und erschoss oder vergaste sie, weil sie zu menschlich oder zu pazifistisch waren. Und dazu gehörte wirklich nicht viel. Hierzulande ist man verdächtig, wenn man muslemischer Student ist und muss damit rechnen, dass eines Morgens schwerbewaffnete Polizisten die Tür eintreten, um dann nichts Belastendes zu finden. Soviel zu Übereinkünften, die man akzeptieren sollte. Über die Details meiner Vergleiche lässt sich streiten (nicht alles was hinkt, ist ein Vergleich).
Es geht hier mir nicht um due auslegung von Gesetzten, sondern um Fragen der Ethik und Gerechtigkeit.
Darum ging es mir auch.
Dass du deine Prinzipien, ohne weitere Differenzierung zu alleinigen Grundlage deiner Handlungen machst, finde ich besorgniserregend.
"Ohne weitere Differenzierung" halte ich für gewagt. Natürlich messe ich meine ethischen Prinzipien an denen der "Allgemeinheit", schließlich sind sie durch diese Prägung und persönliche Erfahrungen mit und in der "Gemeinschaft" entstanden (...oder auch nicht, wenn von Gemeinschaft keine Rede sein kann). Da jedoch Ethik eine rein subjektiv-persönliche ist - was ich richtig[tm] finde magst du falsch[tm] finden, und recht haben wir beide -, kann ich im Endeffekt nur nach meinen eigenen bzw. mir zu eigen gemachten Prinzipien handeln, nämlich indem ich mein Gewissen befrage. Wenn ich jedoch einen Kompromiss eingegangen bin, werde natürlich diesem entsprechend handeln; das steht außer Frage.
Ich kann beim besten Willlen nicht verstehen, wieso du mich in eine bestimmte Ecke drängen willst, ich denke ich habe detailliert dargelegt, dass ich keinesfalls rücksichtslos und intolerant handle, nur weil ich als letzte moralische Instanz mein eigenes Gewissen zu Rate ziehe. Ich denke das ist nötig und natürlich.
Dass meine Meinungen nicht per se mit denen anderer übereinstimmen, ist ganz natürlich. Da es für mich (und für jeden möchte ich behaupten) unmöglich ist, entgegen meinen Vorstellungen zu handeln, finde ich es nur konsequent, dass ich Konventionen hinterfrage und sie mir erst dann eigen mache.
Wenn das Thame nicht so ernst wäre, würde ich dich hierbei "Da es für mich unmöglich ist, entgegen meinen Vorstellungen zu handeln" nur frech angrinsen. Aber das Thema ist ernst und ich möchte dich nur darauf Hinweisen, dass du - und mit dir 99,999% der Menschheit - täglich mehrmals entgegen der eigenen Vorstellungen handelt.
Nein, wieso - wenn ich doch viele Vereinbarungen des Zusammenlebens richtig und nützlich finde und sie mir zu eigen mache, wieso handle ich dann gegen meine Vorstellungen?
Dennoch hast du recht, Leben in einer Gemeinschaft heißt immer "Unterwerfung" und eine Entfremdung von den eigenen Überzeugungen durch Kompromisse und Konventionen.
Würdest du (und wir) das nicht, würdest du entweder im Gefängnis oder im geschlossenen Anstalt zu hause sein.
Wenn man mich bspw. zwingen würde, eine Waffe in die Hand zu nehmen oder sonstwie Gewalt anzuwenden, würde ich statt dessen allzu gerne im Gefängnis weilen. Es gibt aber auch viele andere Arten des Ungehorsams, des Widerstandes oder generell des Engagements, welche nicht zwangsläufig im Gefängnis enden. Da ich, auch wenn ich mich alleinig auf meine persönliche Ethik beziehe, keine "Straftat" begehen würde (generell gesprochen, differenzierter würde wohl einiges als Straftat angesehen was ich durchaus moralisch richtig finden würde), glaube ich nicht, dass ich im Gefängnis landen würde.
Es ist nicht so, dass man die allgemeine Normen und Vorstellungen nicht hinterfragen könnte. Man sollte das sogar tun, jedoch dabei keine Minute ich einbilden, dass die eigene Prinzipien die unfehlbare Lösung bieten. Dass solches Hinterfragen nicht nur notwendig sondern auch nützlich ist, zeigt sich ja gerde darin, dass wir heute in einer liberalen Welt leben, die vor zwanzig oder dreissig Jahren noch fast undenkbar war. Mann kann dabei nur betonen, dass es eine Glückssache ist, dass nicht jeder der gleichen Meinung ist, denn sonst gäbe es keine Diskussionen und keine Entwicklung, weder was unsere Vorstellungen noch was unsere ethischen Werte angeht.
Da kann ich dir nur zustimmen. Dass man seine Meinung ändern können muss, ist enorm wichtig, Bei "Prinzipien" ist es jedoch etwas anderes. Von meinen Prinzipien wie Freiheit, soziales Gemeindenken, "Ehrlichkeit/Wahrheit/Wahrhaftigkeit" et cetera werde ich mit Sicherheit nicht abrücken. In diesen Punkten bin ich bewusst störrisch und "lernresistent" und rücke nicht von meiner Meinung ab.
Sicherlich wäre es bedenklich, wenn ich eine rassistische oder menschenverachtende Überzeugung hätte und darauf insistieren würde - aber das ist ausschließlich eine Frage des Standpunktes.
Falls man die Idee der subjektiven Wahrheit verabsolutiert und demnach die Menschenwürde nicht als Grundkonsens ansieht, ist es nicht einmal möglich, objektiv zu bewerten, welche Prinzipien und welche Sturheit richtig oder falsch ist - eigentlich können beide/alle schaden und zu Scheuklappendenken führen. Diese Gedanken könnte man jedoch unendlich weiterführen, sodass man höchstens zu dem Schluss kommen würde, dass es nicht einmal subjektive Wahrheiten geben kann und darf und die es kategorisch falsch ist, überhaupt eine Position zu beziehen... ;)
Es muss also einen Mittelweg zwischen Prinzipientreue und Offenheit bzw. "Anpassungsfähigkeit" geben. Da ich zumindest versuche, in meinen Denkweisen nicht dogmatisch, borniert und festgefahren zu sein, denke ich schon, dass ich diesen Mittelweg anstrebe, bspw. auch indem ich mit dir diskutiere. Positionen entstehen und wachsen immer nur in der Interaktion und dem Austausch mit anderen.
Aber gerade diese Diskussionen und dieses Hinterfragen sollte einem dazu veranlassen, auch bzw. vor allem auch die eigene Vorstellungen und Werte im Hinblick auf die Werte der Gesellschaft zu hinterfragen und sie keines Wegs als den unverrückbaren Punkt des Universums zu betrachten.
ACK. Jedes Handeln ist ein Hadern mit dem Gewissen und ein innerer Diskurs, ein Abwägen der Vor- und Nachteile der Handlungsoptionen. Sollte es zumindest.
Was forderst du, Gehorsam des Gehorsams wegen? Glücklicherweise darf man die Richtigkeit und Gerechtigkeit von Gesetzen hinterfragen, anders wäre kein Fortschritt möglich.
Ich fordere nicht Gehorsam um seines selbst Willen, aber ich verneine ebenso energisch das kompromisslose Festhalten an der eigenen Prinzipien.
Mit Einschränkung (s.o.) stimme ich dem auch zu.
Ich kann nur hinter einer Sache stehen, wenn ich aus Überzeugung handle. Und nur weil ich nach meiner subjektiven Ethik handle, heißt es nicht, dass diese nicht mit allgemeinen Konventionen konform geht. Sie ist weder antisozial noch rücksichtslos oder verneint, dass ich mich auf Konventionen einlassen kann.
Nun, genau diese Art von Differnezierung habe ich in deinen bisherigen aussagen so bitter vermisst. Von etwas überzuegt zu sein, bedeutet nicht, dass man keine Kompromiss machen darf, im Gegenteil, wenn man von einer Sache wirklich überzeugt ist, dann ist man auch bereit adere Argumente als die eigen zuzulassen und sie bei Bewährung zu eigen zu machen.
Genau, so sehe ich das auch.
Wenn ich stur auf meinen Überzeugungen bestehen würde, hätte ich schon längst zwangsweise das Erimitentum angestrebt. :) In gewisser Weise mache ich das auch "innerhalb" der Gesellschaft, das halte ich aber für natürlich und bezeichne es als Selbstentfaltung.
[-->]