hi,
Damals war ich Redakteur an einer Tageszeitung, die es heute nicht mehr gibt.
Ich hoffe nicht, weil Du das deutsche Jahrhundertereignis verpennt hast *g*
Nein, die Gründe dafür lagen an völlig anderer Stelle.
Aber verstehen kann ich Deine Redaktion gut
Ups? Du meintest _hier_ meine "Reaktion" (mit ohne "d" dazwischen)
Erstmal die Dinge real werden lassen, das braucht manchmal seine Zeit.
Nein, ganz so wars auch nicht. "Meine" Zeitung wurde in derselben Druckerei hergestellt wie das "Neue Deutschland". Und da gabs ein paar ungeschriebene und ein paar durchaus geschriebene Voraussetzungen: das ND hatte als erstes Andruck, und was darin stand, war die Pressewahrheit des nächsten Tages. "Wir" hatten eine Stunde später Andruck, und es war absolut unmöglich, daß irgendeine Meldung auf einer "unserer" Seiten aktueller war als das ND. Und es stand im Neuen Deutschland nichts von Schabowskis Zettelchen, auch in "unserer" Zeitung stand (am 10. November) selbstredend nichts davon, und da ich bereits wußte, was alle anderen erst am frühen Morgen lesen konnten, konnte im Fernsehen einfach nicht wahr sein, was ich da sah und hörte.
in der Sprache der Stadtbildführer ("Dieses Hotel hat Japan für uns gebaut!")
Neee, das war nicht ein "Hotel", sondern das "Internationale Handelszentrum" am Bahnhof Freidrichstraße, das Haus steht ja noch ...
Dann die eigenartigen Preise (3,12 Mark)
Die waren wahrscheinlich deutlich realistischer als das heutige Einerlei von 3,99
und die Kantinensprache im Interhotel ("Sättigungsbeilage", "Sachertorte mit Persipan")
Hm. "Sättigungsbeilagen" konnten Kartoffeln sein oder Reis oder Nudeln ... Und "P_a_rsipan" war ein international durchaus akzeptierter Ersatz für Marzipan - da ich Marzipan nicht mag, war mir das ziemlich egal.
Wie geht euch das denn so? Habt ihr das damals gleich kapiert, was da losgeht, wenn man ein Loch in die Mauer haut?
Ja, schon vorher, bei den Botschaftsflüchtlingen, war mir klar, dass das das Ende der DDR bedeuten würde
Richtig. Spätestens seit Mai, seitdem Ungarn die "grüne Grenze" erfunden hatte, wars klar. Aber es hat eigentlich niemand voraussehen oder irgendwie gleich so deuten können, daß diese winzige banale Ungeschicklichkeit des Herrn Schabowski dann tatsächlich die Mauer öffnen würde. Nicht _daß_ es geschehen ist, wundert mich im Nachhinein (das war zu erwarten), aber daß es _so_ geschehen ist, ist das Einzigartige. Die Montagsdemonstrationen in Leipzig hätten sich vier Wochen später verlaufen ...
Grüße aus Berlin
Christoph S.
mailto:christoph.schnauss@berlin.de
http://www.christoph-schnauss.de
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