Auge: 9. November

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Hallo

in der Sprache der Stadtbildführer ("Dieses Hotel hat Japan für uns gebaut!")

Neee, das war nicht ein "Hotel", sondern das "Internationale Handelszentrum" am Bahnhof Freidrichstraße, das Haus steht ja noch ...

Das kann auch irgendein Hotel gewesen sein, da solche Bauten oft von ausländischen Firmen, so auch von japanischen, errichtet wurden.

und die Kantinensprache im Interhotel ("Sättigungsbeilage", "Sachertorte mit Persipan")

Hm. "Sättigungsbeilagen" konnten Kartoffeln sein oder Reis oder Nudeln ... Und "P_a_rsipan" war ein international durchaus akzeptierter Ersatz für Marzipan  -  da ich Marzipan nicht mag, war mir das ziemlich egal.

Nene, Persipan is' schon richtig. :-)

Wie geht euch das denn so? Habt ihr das damals gleich kapiert, was da losgeht, wenn man ein Loch in die Mauer haut?
Ja, schon vorher, bei den Botschaftsflüchtlingen, war mir klar, dass das das Ende der DDR bedeuten würde

Richtig. Spätestens seit Mai, seitdem Ungarn die "grüne Grenze" erfunden hatte, wars klar.

War das nicht erst Anfang August (Der Europatag, für den einen Tag lang die Grenze nach Österreich geöffnet wurde)?

Für mich zeichnete sich das schon im Juni 1989 ab. Einerseits gab es in Berlin an jedem siebenten des Monats den Versuch der Übergabe eines Protestschreibens gegen den Wahlbetrug bei den Kommunalwahlen am 06.05.1989 und andererseits wurde für etwa einen Monat nach dem Massenmord auf dem Tiananmenplatz in Bejing, erst in der Erlöserkirche und dann in der KvU, das "Trommeln für China" aufrechterhalten.

In beiden Fällen zeigte sich die Staatsmacht geradezu machtlos. Die konnten nicht mehr, wie sie wollten. Dieser Umstand ließ mich schon damals ahnen, das bald etwas Großes passieren _kann_.

Aber es hat eigentlich niemand voraussehen oder irgendwie gleich so deuten können, daß diese winzige banale Ungeschicklichkeit des Herrn Schabowski dann tatsächlich die Mauer öffnen würde.

Ich saß mit meiner damaligen in einer Kneipe, wo im Radio RIAS lief. Plötzlich wurde die Lautstärke des Gerätes enorm erhöht, um die Nachricht bis auf die übernächste Straße zu verbreiten. Wir sind dann in's PW (Donnerstag war Metaltag) gegangen. Dort war die Nachricht schon bekannt und es wurde ein feuchtfröhlicher Abend.
Am nächsten Tag verschlief ich prompt. Ich schaltete gegen acht Uhr den Fernseher ein und bekam als Erstes einen Haufen von Leuten auf der Mauer am Brandenburger Tor zu sehen. Komischerweise war mein erster Gedanke "Was machen die da?" und der zweite "Wieso passen da so viele Leute rauf?". Zu dem Zeitpunkt wusste ich nichts von der Panzersperrenfunktion gerade dieses Abschnitts.

Als ich gegen 10 Uhr in der Firma ankam, waren dort von den normalerweise etwa 60 Leuten nur 4 (in Worten VIER) anwesend.

Die Montagsdemonstrationen in Leipzig hätten sich vier Wochen später verlaufen ...

Dessen bin ich mir nicht sicher. Der Charakter hätte sich wohl geändert, die Anzahl der Beteiligten ebenfalls, aber ob das im Sande verlaufen wäre, wer weiß?

Tschö, Auge

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Die Musik drückt aus, was nicht gesagt werden kann und worüber es unmöglich ist zu schweigen.
(Victor Hugo)