Hallo, liebe Gemeinde,
das hätte ich ja nie gedacht, was für einen langen Thread ich hier lostrete. Und dabei glaube ich mittlerweile, in einem falschen Film zu sein.
Vielleicht nicht wirklich überraschend: Immer wieder nimmt das Forum Einzelfragen zum Anlass, eine prinzipielle Diskussion über angemessene Codierung zu führen. Eine grundsätzliche Schwäche dabei ist, dass die Debatte häufig abgelöst von den jeweiligen Aufgaben geführt wird, so dass gerade Dein Ausgangsposting, das die Aufgabe nicht konkretisiert, eine "ideale" Diskussionsgrundlage war und ist.
Die einen nennen es Bevormundung, die anderen (intelligente) Benutzerführung.
Alle Fragen zu Fenstertechniken stoßen bei einigen Forumskollegen auf grundsätzliche Kritik, meist mit richtigen Verweisen auf den üblichen Mißbrauch im Netz, im Grunde aber wird das Arbeiten mit mehreren Fenstern prinzipiell abgelehnt. Gleichzeitig greifen Standardsoftware und Internetanwendungen immer häufiger auf solche Techniken zurück und die Zahl der Fragen in diese Richtung steigt deshalb stetig.
Probleme beim Fensterln gibt es viele, vor allem in folgenden Bereichen:
1. Einige Standardanwendungen gehen aufgrund ihrer zahlreichen "schwebenden" Fenster davon aus, dass der Nutzer mindestens einen 19 Zöller sein eigen nennt, noch besser zwei Bildschirme. Beispiele sind für mich diverse Adobe- und Macromedia-Produkte. Im Web kann man das aber nicht voraussetzen.
2. Der Umgang mit vielen Fenstern kann in stationärer Software viel besser gelöst werden als im Internet, da die Kontrollelemente zur Steuerung der Fenster im Netz noch immer unzureichend sind. So ist etwa das Ausblenden sämtlicher Unterfenster durch die TAB-Taste bei Photoshop, die an gleicher Stelle wiederauftauchen, wenn man sie benötigt, für das Netz so ohne weiteres nicht realisierbar.
3. Software, die einen beachtlichen Teil des Arbeitslebens bestimmt, hat ein größeres Recht auf eigene Konventionen als eine Website, die sich unmittelbar aus dem Gefühl bedienen lassen sollte. Das ist bei mehreren Fenstern schwierig zu realisieren.
Und wenn ich ein Vertragsformular am Bildschirm habe und weit unten einen Link auf die AGB anbiete, dann ist ja wohl klar, daß der User sich die in Ruhe in einem anderen Fenster anschauen kann, weil der User halt gerne das, was er ausgefüllt hat, "im Auge behält". Solche Überlegungen sind teilweise abnahmekritisch beim Kunden.
Vielleicht wäre es sinnvoll, diese solche konkreten Aufgaben zu dikutieren. Ich hatte neulich ein ähnliches Problem bei einem Internet-Sprachkurs. Hier konnte der User sich jederzeit bestimmte Grammatiktabellen in ein Pop-Up laden.
Dazu zwei Gedanken:
1. Die Aufgabe ist ohne zusätzliche Fenster schwer zu lösen.
2. Gleichzeitig tauchen bei der Fensterlösung aber Probleme auf:
a) Wie kann ich das Fenster, ohne zu nerven, bei der Bearbeitung im Vordergrund halten?
b) Adressiere ich immer das gleiche Fenster, oder lasse ich es zu, dass der User sich quasi eine endlose Zahl von Fenstern auf den Bildschirm ballert und übergebe ihm damit den ganzen Ärger?
c) Wie kann ich ohne übertriebenen JavaScript-Overhead aus jedem Fenster der Anwendung und auf jeder Seite kontrollieren, welche Fenster geöffnet sind?
3. Lösungen mit CSS-Javascript müssten auf jeder einzelnen Seite implementiert und damit auch geladen werden und laufen auch nicht in jedem Browser. Das neue Fenster ist oft für den Programmierer die bequemste Lösung ;-)
--- Es wäre traurig, wenn der Sprachumfang sich danach richten würde, ob XXX-Seitenbetreiber damit unfaire Sachen anstellen können.
Spielt aber im Moment eine entscheidende Rolle, etwa durch Angst vor Dialern und dergl.
--- Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß Ihr froh wärt, wenn in Euren Programmen, mit denen Ihr Webseiten erstellt, oder selbst in Euren Browsern, mit denen Ihr diesen - ähem - Text verfasst, die Online-Hilfe - platsch - mitten in Eurem Arbeitsfenster erscheint, wo das Problem, zu dem Ihr Hilfe braucht, ja lauert.
Stimmt, aber die diversen Hilfefenster, die in einigen Programmen geöffnet werden, und nicht sauber miteinander verbunden sind, sind auch oft eine Katastrophe.
Also, ich merke es schon an mir, ich könnte mich in Rage schreiben. Aber lassen wir das. Ich finde es allerdings nicht OK finde, wenn man unterstellt, daß man den User bevormundet, wenn man sich die Mühe macht, ihm die Arbeit zu erleichtern!
Vielleicht wäre eine Linie, sich bezüglich der Fensterzahl sehr bewußt Grenzen aufzuerlegen. Häufig ist ein kleiner Hinweis auf der aktuellen Seite die bessere Lösung, etwa durch Einblenden einer Ebene.
Um es einmal von der lustigen Seite darzustellen: Ich suche oft mit Metager und lasse mir alle Suchergebnisse, die mich interessieren, in einem eigenen Fenster öffnen. Dann kann ich etwas anderes erledigen, während der ganze Mist lädt.
Dabei passiert mir oft folgendes:
1. Eine beschissene Flash- oder sonstige Mistseite schießt mir die ganzen Fenster auf einen Hieb ins Nirwana und ich weiß noch nicht einmal sicher, welche es war. Aus dem Lautsprecher ertönt plötzlich hässliche Musik und ich muss mir mehrere Sekunden lang anhören, bis ich den Übeltäter ermittelt habe (Körperverletzung).
2. Wenn die geladenen Seiten selber Unterfenster öffnen, sind die Bezüge zwischen den Fenstern sehr schnell nicht mehr nachvollziehbar.
3. Neueste Tendenz bei Werbepopups; laden in die hinterste Ebene, dass man es nicht so wie früher, gleich beim Aufpoppen erwischen und abschiessen kann.
4. Irgendwie finde ich es geil, alle Informationen mit Alt-Tab "auf einmal" in mich hineinzufressen, und möchte auch nicht darauf verzichten, aber irgendwie ist es gerade aufgrund der Tatsache, dass die Einzelseiten diese Technik exzessiv selber anwenden, fast unmöglich geworden....
Viele Grüße
Mathias Bigge