Hallo Stefan,
Letztendlich würde ich mir wünschen, daß es eine international zusammengesetzte, moralisch und politisch unabhängige Instanz gäbe, die Zensurentscheidungen fällen könnte, und auch die politische Macht hätte, diese Entscheidungen umzusetzen.
Gerade das W3C ist ja in dieser Hinsicht sehr aktiv, weil es die Notwendigkeit erkannt hat (PICS-Initiative usw.). Und in dieser Hinsicht sind sich wohl auch die meisten hier - inklusive mir - einig: es gibt uebelsten Schund im Web, um den es nicht schade waere, wenn es ihn nicht gaebe. Aber es ist eben ein Unterschied zwischen "nicht geben" und "nicht sehen duerfen". Was hier versucht wird, ist, ein "gibt es nicht" mit Hilfe von "nicht sehen duerfen" herbeizuzaubern. Damit ist aber das Problem nicht geloest (den Schund gibt es weiterhin), und ausserdem ist ein neues Problem entstanden (wer bestimmt, wer was sehen darf?).
Da diese "Idealvorstellung" vermutlich ziemlich realitätsfern ist, ist mir die Zensur einer politisch halbwegs neutralen und demokratischen Instanz lieber, als sehen zu müssen, wie das Medium Internet immer mehr zum Spielball von, vorsichtig ausgedrückt, eigenartigen Auswüchsen unserer Gesellschaft wird.
Das Problem ist dabei halt, dass fast alles irgendwo in der Welt verboten ist. In manchen amerikanischen Bundesstaaten darf man nicht mal in der Oeffentlichkeit kuessen (geschweige denn rauchen). Was kann man von den entsprechenden Regierungen erwarten, wenn sie eine technisch-rechtliche Handhabe haben, zu sperren, was ihnen nicht passt? "breast" -> /dev/nul? Von Iran, Irak und China braucht man ja gar nicht anzufangen - die befinden sich schon von Anfang an im Endstadium der Netz-Zensur. Wichtiger ist der Blick auf die anderen, die "freien" Laender. Thema Hakenkreuz wurde schon genannt. Typisch deutsches Trauma. Und was wird wohl die Regierung in Belfast verbieten? Und wird man in Flensburg nicht schon andere Vorstellungen darueber haben, was man sehen darf, als in Fuessen? Insofern ist das Unterfangen einer vertrauenswuerdigen, weltweiten Instanz genau so schwer wie das einer ueberall akzeptierten Weltregierung.
Einfacher erscheint es mir da doch, mit der Aufklaerung im eigenen Kopf zu beginnen, und in den Koepfen der eigenen Kinder und Jugendlichen.
viele Gruesse
Stefan Muenz