Moin!
Was regt ihr euch denn so auf? Das ist doch eine gute Sache, wenn gewisse Seiten endlich gesperrt werden, solange dabei keine harmlosen Seiten zum Opfer fallen. Ob rotten.com harmlos ist, kann ich nicht beurteilen.
Das Problem an der hier kritisierten Sache ist: Der Präsident einer Bezirksregierung erläßt eine Sperrverfügung. Deine (sofern es wirklich _deine_ ist) Regierung sagt dir also, was du sehen darfst und was nicht.
Klar: Solange die Regierung damit die Meinung der meisten Menschen trifft, wird kaum jemand protestieren. So auch du nicht. Solange es gegen Nazis und Kinderschänder, und überhaupt gegen absolut geschmacklose Seiten geht, ist das ja noch alles harmlos.
Das Problem ist: Die Provider müssen, um der Verfügung zu entsprechen, irgendwas installieren, um zu sperren. Dadurch beweisen sie, daß es machbar ist. Und Schlupflöcher werden dann nach und nach geschlossen, so daß irgendwann (sonst wäre die Sache sinnlos) die Sperrung wirklich und dauerhaft funktioniert.
Sofern der ultimative Schutz dann aufgebaut ist (aber natürlich unvollkommen auch schon vorher), kann die Regierung prima bestimmen, was gut ist für die Leute. Dann gibts vielleicht nicht mehr solch einen Aufstand, und es können per simpler Verfügung, ohne große öffentliche Kontrolle (weil es irgendwann niemanden mehr interessieren könnte) weitere mißliebige Seiten gesperrt werden.
Potentielle Kandidaten wären z.B. oppositionelle Parteiwebseiten (links- wie rechtsorientiert), Seiten von kritischen Zeitungen, natürlich weitere Naziseiten und Pornoseiten, etc.
Irgendwann wird dann (nur als Beispiel) die CDU im Wahlkampf mal eben kurz die Seiten der SPD sperren, oder die SPD sperrt der CDU ihren Mailserver. Alles natürlich nur "aus Versehen", weil jemand die falsche URL ins Sperrsystem eingegeben hatte.
Oder (durchaus denkbar) eine Hackergruppe sperrt gleich weite Teile des Internets, weil sie Zugang zum Sperrsystem erlangt hat - natürlich auch die Seiten von SPD und CDU. ;)
Die Frage, die dahintersteht:
Was für eine Demokratie sind wir eigentlich, wenn die Meinungsfreiheit als so geringwertig angesehen wird? Wenn man den Leuten auf diese Weise verweigert, eigene Meinungen zu haben. Denn irgendwann wird's Streit geben, ob Seiten wie rotten.com wirklich geschmacklos und jugendgefährdend sind, oder ob nicht das tägliche Fernsehabendprogramm weit schlimmere Bilder zeigt - und durch Nichtzeigen im Kopf erzeugt. Solch ein Streit ist unvermeidbar. Deshalb: Die einzige Instanz dafür, was man sehen will oder nicht, ist der jeweilige Mensch selbst. Jeder einzelne kann entscheiden, was er will. Das soll ihm niemand abnehmen.
Wer sich dabei entscheidet, Handlungen zu begehen, die gegen geltende Gesetze verstoßen, darf dann natürlich gerne vor Gericht verurteilt werden - aber doch bitte nicht vorher.
Man sehe sich nur mal den ganzen Müll an, der im Internet kursiert...
Raubkopien, (kinder-)Porno, nazidreck und so weiter und so fort
Klingt so, als ob du täglich unerwartet über Naziseiten stolperst. Dabei ist zu bedenken, daß das Zeigen von z.B. Hakenkreuzen nur in Deutschland unter Strafe steht, im Rest der Welt aber nicht. Wer hat nun Recht? Der Rest der Welt oder wir?
Pornografie ist auch nicht verboten. Jugendgefährdende Darstellungen sind allerdings für Jugendliche unzugänglich zu machen. Und das kriegen die Anbieter wohl auch einigermaßen hin.
Kinderpornos sind weltweit verboten. Doch was hilft, daß man einen winzigen Teil der Kundschaft in NRW ausschließt, aber die Produzenten weltweit weitermachen können?
Das unerlaubte Vervielfältigen von Software ist zwar auch meist verboten - aber da sollten sich dann gefälligst die Inhaber der Copyrights drum kümmern, nicht eine Regierungsstelle. Denn auch in Deutschland ist sowas eher privatrechtlich geregelt. Die GEMA ist keine staatliche Stelle, sondern ein Verein mit gewisser staatlicher Legitimation.
Zumindest einige von denen, die hier protestieren, fürchten doch nur um ihre Möglichkeit, sich mit den aktuellsten Warez und Cracks und so weiter zu versorgen.
Ich denke, mein Bedarf an "Cracks und Warez" dürfte durch den simplen Download von den offiziellen Herstellerseiten durchaus gedeckt werden (Stichwort GNU).
Die möglichen Konsequenzen hinsichtlich einer Zensur will ich aber nicht haben.
Also: Sperrung ja, aber wohlüberlegt!
Sperrung ja, aber nicht Zugangssperrung, sondern Accountsperrung des Anbieters. Und Verhaftung und Verurteilung.
Wenn das wegen der Überschreitung der Staatsgrenzen nicht geht - vielleicht wird's dann Zeit für die Einrichtung einer internationalen Polizei, eines internationalen Gerichts und einer internationalen Angleichung der Gesetze. Sowas gibts sicher nicht von heute auf morgen, aber sowas wäre der korrekte Weg.
- Sven Rautenberg