Hi Kirsten,
- "Wir lassen uns keinen Ausweg offen und offenbaren euch damit, wie ohnmächtig und verwundbar ihr seid."
Das sind Dimensionen, die kein Medium der Welt in irgend einer Weise beeinflussen kann, wie voyeuristisch es auch einegstellt sein mag.
ich bin mir nicht ganz sicher, ob die Medien nicht doch einen Einfluss auf die Attentate der letzten Zeit haben. Wer ein solches "Unternehmen" wie jetzt in Beslan plant, ist kein einfacher Hinterwäldler, der sich "mal eben" überlegt, eine ganze Schule als Geisel zu nehmen. Dumm sind die Drahtzieher (die IMHO nicht mit den Ausführenden identisch sind) ganz bestimmt nicht, die wissen genau, was sie da tun.
Sie wissen genau, dass die Medien voll von ihren Attentaten sein werden. Sie wissen auch genau um die Verunsicherung, die sie damit erzeugen, du selbst bist doch das beste Beispiel dafür, und so wie dir wird es vielen Eltern gehen. Das mag zwar nicht das Hauptziel der Terroristen sein, aber es ist sicher nicht zu vernachlässigen.
Dazu kommt, dass eine gigantische Berichterstattung den Terroristen einen -- wenn auch sehr zweifelhaften -- "Ruhm" verschafft, eine Genugtuung, die unsereins zwar nicht nachvollziehen kann, die aber dennoch nicht von der Hand zu weisen ist. Es ist eine Art Anerkennung, die die Terroristen durch die Medien bekommen, wenn auch eine negative.
Ich will damit nicht sagen, dass es keine Berichterstattung mehr geben soll, dass wäre sicher das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, aber über die Art und den Umfang der Berichte sollte man durchaus einmal (oder auch auch zweimal, dreimal) nachdenken.
Und wir werden noch Wochen lang mit Berichten, Interviews, Kommentaren und Wortmeldungen bombadiert, wobei es den "Berichterstatter" gar nicht um die Menschen geht (sie werden die Angehörigen noch richtig "auschlachten" nur um an noch "exklusivere" Interviews ranzukommen).
Klar. Aber was spielt das noch für eine Rolle?
Es spielt insofern eine Rolle, als es eine Demütigung für die Angehörigen ist. Erst werden sie durch ein Terrorkommando ins Unglück gestürzt, ihrer Liebsten beraubt, und dann wird ihr Leid auch noch benutzt, um möglichst hohe Einschaltquoten oder Druckauflagen zu erzeugen. Das kann doch nicht richtig sein.
Das Traurigste an dieser Sache ist für mich persönlich, dass ich festgestellt habe, wie schnell ich eigentlich diese schrecklichen Ereignisse wieder von mir geschoben habe. Ich habe zwar keine eigenen Kinder, aber zwei Paten, die mir sehr am Herz liegen. Trotzdem habe _ich_ keine Alpträume wie du, ganz im Gegenteil, ich habe nicht einmal im Traume daran gedacht, dass "den Meinen" so etwas zustoßen könnte. Vielleicht wäre es anders, wenn ich eigene Kinder hätte, vielleicht bin ich aber auch mittlerweile schon zu einem gewissen Maße abgestumpft gegenüber den täglichen Schreckensmeldungen. Und das letztere halte ich für gefährlich, darum bin ich dankbar für solche Diskussionen, wie sie hier geführt werden, die einem immer wieder Denkanstöße geben und auch Aspekte offenbaren, auf die man selbst nicht gekommen wäre.
Ich wünsche dir eine gute Nacht!
O'Brien