O'Brien: Schriftsprachlichkeit

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Hi Mathias,

diesmal habe ich mir ein bisschen mehr Zeit gelassen mit einer Antwort, und ich möchte die Diskussion auch nicht weiterführen, da ich vermute, dass wir nicht mehr viel weiterkommen werden, sondern nur noch ein paar abschließende Worte hinzufügen.

erst einmal danke ich dir für die Bereitschaft, in eine ausführliche Diskussion mit mir einzutreten, obwohl dir meine "Patentrezepte" so sehr auf die Nerven gehen. Schade, ich dachte, ich hätte mich besser verständlich machen können,
Was mich daran stört ist nicht, dass Deine Vorschläge unverständlich wären, das ist nicht der Fall, sondern der Glaube, die Probleme seien derart simpel zu lösen.

Das Missverständnis beruht mMn nicht darauf, dass du meine Vorschläge nicht verstanden hättest, sondern dass meine Argumentation anscheinend so bei dir angekommen ist, als glaubte ich, dass mit meinen Vorschlägen die bisherigen Probleme keine mehr sind, sondern sich ratzfatz in Luft auflösten, wenn man denn nur auf mich hören wollte. Auch habe ich versucht, zu verdeutlichen, dass sie keinesfalls als Allheilmittel anzusehen sind, sondern ich sie mir als - durchaus kleinen - _Teil_ eines Unterrichts vorstellen könnte. Dieses zu verdeutlichen, ist mir wohl nicht gelungen.

Mir ist bewusst, dass ich nicht tief genug in der Materie stecke, um das wirkliche Ausmaß der Probleme zu beurteilen, dazu reichen auch meine Kontakte zu Primarstufen-, Sonderschul- und Berufskolleg-Kehrkräften nicht aus. Meine Vorschläge möchte ich daher auch als das verstanden wissen, was sie sind: Vorschläge eben. Und solange ich vielfach nur "das geht nicht" höre, ohne eine stichhaltige Begründung dazu, wüsste ich nicht, warum ich davon abrücken sollte. Einige stichhaltige  Gegen-Argumente hast du ja gebracht und mein Problembewusstsein dadurch erweitert, so hat zumindest mir diese Diskussion etwas gebracht.

Ich habe Professoren und Übungsleiter kennegelernt, ja sogar einen Lehrer während meiner Schulzeit, die zugeben konnten, dass sie etwas mal _nicht_ wussten. Hat es ihnen geschadet? Anscheinend nicht, denn diese Ehrlichkeit wurde ihnen - nicht nur von mir - hoch angerechnet.
Mit "Binsenweisheit" meinte ich, dass das richtig aber so selbstverständlich ist, dass es sich nicht lohnt, darüber zu reden.

Ganz so binsig ist die Weisheit aber wohl doch nicht, da ich eben viele Lehrkräfte (wobei ich die universitären mit einbeziehe) kenne, für die das nicht so selbstverständlich ist. Es ist auch eine Binsenweisheit, dass es sinnvoll ist, langsamer und extrem aufmerksam zu fahren, wenn Kinder am Straßenrand zu sehen sind ...

Genauso wie bei uns an der Uni jeder neue Prof, der mit viel Elan an die Arbeit geht, innerhalb weniger Jahre von den Kollegen eingenordet ist und/oder von Verwaltungsvorschriften etc. frustriert vielfach zum "Dienst nach Vorschrift" übergeht.
Das ist mir, ehrlich gesagt, auch eine zu starke Vereinfachung. Warum "jeder"? Die Leute sind doch sehr verschieden.

Du hast recht, hier habe ich zu stark verallgemeinert. Ich sollte einschränken auf "diejenigen Profs, die während meines Studiums an meinem Fachbereich neu eingestellt wurden und deren Entwicklung ich kenne". Mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter, Dr., der schon seit vielen Jahren bei uns ist, habe ich darüber einmal eine längere Diskussion gehabt. Er ist sogar jemand, der sich viel länger als andere eine blutige Nase geholt hat durch sein Engagement, und er hat's mittlerweile drangegeben. Dennoch schätze ich ihn sehr, und allein durch die Einblicke, die ich durch die Fachschaftsarbeit in den universitären Betrieb bekommen habe, kann ich seine Resignation sehr gut nachvollziehen.

Ich jedenfalls werde auch weiterhin intuitiv und nicht nicht nach auswendig gelernten Regeln meine Sätze bauen.

  1. Woher weißt Du, wie Du Deine Sätze baust?

Dies beziehe ich in erster Linie auf die deutsche Sprache, denn Sprechen habe ich nicht in der Schule gelernt. Grammatikarbeiten waren mir immer ein Graus und ich habe dabei nicht wirklich toll abgeschnitten, im krassen Gegensatz zu Aufsätzen und sonstigen Arbeiten, bei denen es um schriftlichen Ausdruck ging. Beim Englischen mag es sein, dass die Grammatikpaukerei ein wenig gebracht hat, obwohl ich auch hier annehme, dass eher die vielen Übungen zu bestimmten Satzkonstrukten etc. die Grammatik verinnerlichen und nicht die auswendig gelernten Regeln. Auch das Lesen vieler englischer Bücher bringt mMn einiges. Aber dies ist nur meine auf persönlichen Erfahrungen beruhende Meinung dazu, du wirst eine andere haben, und dabei sollten wir es belassen, denn

  1. Sprachenlernen ist ein komplexes Thema,

das wir hier nicht erschöpfend behandeln könnten, selbst wenn wir es wollten.

"Lernen muss von Anfang an Spaß machen", so dass Credo vieler Debatten in unserer frustrierten "Spaßgesellschaft", vielleicht sollte man noch eine betäubende Wirkung einfordern, etwa wie beim Fernsehen oder bei Computerspielen: "Meine Güte, 8 Uhr, jetzt habe ich 6 Stunden gezockt und gar nicht gemerkt, wie die Zeit vergangen ist."

Hier sehe ich wieder das bereits oben angesprochene Problem der Extreme: entweder Unterricht macht Spaß oder nicht. Kann es denn keinen Mittelweg geben? Ein Teil macht Spaß und Lust auf mehr, ein anderer Teil "muss halt sein"?

Da lob ich mir doch die asiatische Ideologie, wo der Schüler des Karatemeisters eine bittere Lehrzeit durchlaufen muss, bevor er lernt zu fliegen ;-)

Über japanische Köche habe ich gelesen, dass sie in ihrer Ausbildung erst einmal _sehr_ lange ihrem Meister zusehen, um sich die Handlungsabläufe zu verinnerlichen, bevor sie selbst Hand anlegen dürfen. Womit wir wieder beim Thema Lernen durch Nachahmung wären (was selbstredend _nicht_ überall anwendbar ist).

Ein Letztes noch, damit wir uns zumindest diesbezüglich richtig verstehen: Ich bin der festen Überzeugung, dass nahezu alle "Junglehrer" mit viel Engagement und Elan an die Arbeit gehen und neue Methoden anwenden. Ebenso bin ich (basierend auf Erfahrungsberichten von Lehrkräften) davon überzeugt, dass das Engagement oftmals durch ältere Vorgesetzte und Kollegen (mit "älter" meine ich quasi "kurz vor der Rente") und durch Verwaltungsvorschriften und das Hü und Hott der jeweiligen (Landes-)Regierungen, teilweise sicher auch durch die Schüler und deren Eltern ausgebremst wird, was früher oder später zu Resignation führen muss. Dazu bin ich der Meinung, dass der Berufsstand der Lehrer in unserem Lande viel zu schlecht angesehen ist und Bildung einen viel zu niedrigen Stellenwert hat. Und wieder einmal habe ich für diese Probleme keine Patentlösung. Schade.

Viele Grüße
O'Brien

PS: Wer den Typo findet, darf einmal drüber schmunzeln. Ich fand ihn zu schön, um ihn herauszunehmen.

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Frank und Buster: "Heya, wir sind hier um zu helfen!"