Hallo,
Wie ist Armut ggf. sinnvoller zu definieren (abweichend von der EU-Neiddefinition oder meiner Definition)?
Äh, natürlich ist Armut relativ, insofern »gefühlt« und von den jeweiligen Umgebungsfaktoren abhängig. Deshalb zu behaupten, es gäbe weder Armut noch Unterschicht und alle »Lebenshaltungskosten« seien per definitionem gedeckt, ist wohl eher Wunschdenken als wissenschaftliche Analyse und Begriffsarbeit.
Anders als der Armutsbegriff wird der Schichtbegriff meines Wissens auch prinzipiell nicht so einfach definiert. Aktuell ist eher der Begriff der Prekarisierung bzw. des Prekariats, der ganz anders operiert und begrifflich auch eher an Kulturelles Kapital und dergleichen angelehnt ist. Prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse sind auch, aber nicht nur an das Einkommen geknüpft, auch jemand mit statistisch mittlerem Einkommen kann unter prekären bzw. im Vergleich prekarisierten Verhältnissen leben.
Wenn man sich mal die Aussagen der fraglichen Studie ansieht:
- »niedriger Bildungsgrad«, aber nicht notwendigerweise
- »berufliche Mobilität und Aufstiegswillen nur gering ausgeprägt«, »keinen Willen mehr, ihre Lage zu verbessern«
- »niedrige Einkünfte, fehlende Rücklagen, Schulden«
Ferner geht es in der Debatte um - »soziale Isolation«
- »Verwahrlosung«
- mangelnde »gesellschaftliche Teilhabe«
(http://www.netzeitung.de/deutschland/446730.html) - »fühlen sich ... auf der Verliererseite und im gesellschaftlichen Abseits«
- »fühlen sich von den bisherigen Reformen am stärksten benachteiligt«
- »atypischen Beschäftigungsverhältnisse ... geringe Sicherheit, niedriger Lohn, Teilzeit, wenig Kündigungsschutz ... und die daraus resultierenden ökonomischen, sozialen und psychologischen Folgen«
(http://www.netzeitung.de/deutschland/446754.html)
Gesellschaftliche Teilhabe und Integration sind natürlich genausowenig wie Lethargie ökonomische, absolute, quantitative Größen, sie sind aber trotzdem vergleichbar und nicht nur rein subjektive Gefühle. Wichtiger als die Bildung von abgrenzenden Begriffen wie »Unterschicht« ist ohnehin die Feststellung gewisser Tendenzen basierend auf verschiedenen Faktoren anstatt einem harten Kriterium. So geht die Studie anscheinend auch vor.
Mathias