Daniel Thoma: Igor Stravinsky - Le Sacre du Printemps

Beitrag lesen

Hallo Martin,

Dazu muss man aber auch erstmal die Bereitschaft der Schüler wecken, z.B. an der Aufführung eines Theaterstücks oder eines kleinen Musicals mitzuwirken.

Theaterspielen wäre auch nicht so mein Ding gewesen, aber ich war im Schulchor. Wir hatten da einen recht fähigen Musiklehrer, dem es durchaus auch gelang, Schüler zu gewinnen, die sonst sicher nicht viel mit klassischer Musik am Hut hatten.

Damals hätten mich keine zehn Pferde bewegen können, das zu tun. Anschauen, anhören ja; dann hätte ich als Zuschauer vielleicht sogar Gefallen daran gefunden.

Das ist immerhin auch schon etwas. Man muss ja sicher auch nicht alles selber ausprobieren, man muss auch nicht alles gut finden, aber man sollte zumindest die Möglichkeit haben, es für sich zu entdecken.

Dann haben die Leute wohl eine andere Vorstellung von Kunst. Für mich bedeutet Kunst, etwas zu können, was nicht jeder kann, um damit sich und andere zu erfreuen.

Selbst wenn man diesen Kunstbegriff zu Grunde legt, kann man analysieren, wie das gemacht ist. Außerdem gibt es ja auch praktische Aspekte der Wissenschaft, die zumindest hilfreich sind, um Kunst zu schaffen, bspw. gewisse Maltechniken oder Kompositionslehre.

Bzw. ich kann es in der Theorie schon, aber nicht so, dass ich aus den Noten auf dem Papier eine flüssige Melodie ablesen könnte.

Um ein Stück zu analysieren, ist es zumindest hilfreich, das gehörte in den Noten wieder zu finden. Damit kann man dann versuchen zu erkennen, wie die gehörte Wirkung entsteht.

Hilfreich wofür? Das ist ja gerade die Frage, die ich so provozierend in den Raum stelle.

An der Stelle erstmal, um zu verstehen, wie das Stück gemacht ist und wie es seine Wirkung erreicht. Eine gewisse Struktur zu erkennen, ist einfach erstmal hilfreich, wenn man etwas über das Stück sagen muss. Man kann sich dabei auch bewusster werden, wo man eigentlich welche Eindrücke hat. Die Darstellung des Stücks wird dadurch auch detaillierter. Das wirkt natürlich auch wieder auf das Hörerlebnis zurück, indem man vielleicht auf einen Motiveinsatz achtet, den man in den Noten gesehen, aber beim ersten Hören verpasst hat.

Ich muss lediglich wissen, wie es klingen soll, und diese Klangidee dann wieder in die entsprechenden Fingerbewegungen umsetzen.

Das ist aber kein technischer Prozess. Aus dem Notentext geht nur in Grenzen hervor "wie es klingen soll". Das Beispiel des Motivs und Fuge war nicht ganz zufällig gewählt, oft hebt man z.B. hervor, wenn ein Motiv wiederkehrt, damit der Hörer das erkennt. Dafür muss man dieses Motiv erkennen. Man kann das sicher auch intuitiv statt rational machen, aber das ist nun auch nicht jedem gegeben, der sich an einem Instrument versucht. ;-)

Wenn ich dann nicht nur fertige Stücke reproduzieren will, sondern selbst improvisieren und komponieren, dann brauche ich ein gewisses Gefühl für Takt und Harmonie.

Stücke haben praktisch immer eine Grundstruktur, mit Hilfe derer sie aufgebaut wurden. Natürlich wird diese nicht immer durchgehalten, aber solche Grundgerüste sind sicher hilfreich beim Komponieren. Auch bei jedem Handwerk oder Ingenieursarbeit bedient man sich bewährter Prinzipien, auch wenn man etwas neues schafft. Ich denke, dass das bei Kunst im Allgemeinen nicht sehr anders ist. Es ist ja nicht so, dass die Komponisten drauf los komponieren und dass dabei immer mal wieder Stücke mit ähnlicher Struktur und ähnlichen Kompositionsprinzipien entstehen. Dass man diese erkennen kann, liegt daran, dass sich die Komponisten ihrer bedient haben.

Hmm, wieso? Mathematik ist doch eine reine theoretische Wissenschaft, die den praktischen Wissenschaften (vor allem der Physik) nur als Werkzeug dient.

Das spricht der Ingenieur? ;-)
Ich meinte vor allem, dass es nicht so recht gelingt, bei den Schülern ein Verständnis zu erreichen, das über Faktenwissen hinausgeht, oder gar ein Interesse für mathematische Fragestellungen zu wecken. Der Unterricht richtet sich auch sehr stark auf Faktenwissen in der Form, dass bestimmte Problemstellungen (wie löst man lineare Gleichungen mit ein, zwei, drei, vielen Variablen, wie sehen Parabeln normal, verschoben, verzerrt aus, ...) behandelt werden. Ich sehe da eine Parallele, in so fern, als der Unterricht eben vorsieht, dass gewisse Bildungselemente gelernt werden, dass darauf, wie und ob eigentlich wirklich wichtige Ziele wie "Interesse für Kunst" oder "Fähigkeit zu analytisch, matematischem und rationalem Denken", wenig Überlegung verschwendet wird.

Schön für dich. Ich kann mich zwar am Anblick einer zarten Blüte erfreuen; sobald ich aber ins Detail gehe und erkenne, dass es auch in diesem scheinbar so perfekten Gebilde von Schmutz, Parasiten und Unvollkommenheit nur so wimmelt, ist die Begeisterung zerstört.

Macht das nicht die Faszination der Natur aus? ;-)

Grüße

Daniel