Der Martin: Igor Stravinsky - Le Sacre du Printemps

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Hi Daniel,

Dann haben die Leute wohl eine andere Vorstellung von Kunst. Für mich bedeutet Kunst, etwas zu können, was nicht jeder kann, um damit sich und andere zu erfreuen.
Selbst wenn man diesen Kunstbegriff zu Grunde legt, kann man analysieren, wie das gemacht ist. Außerdem gibt es ja auch praktische Aspekte der Wissenschaft, die zumindest hilfreich sind, um Kunst zu schaffen, bspw. gewisse Maltechniken oder Kompositionslehre.

ja, aber diese Ansätze versuchen alle, das künstlerisch-kreative Element zu erklären und damit zu entmystifizieren. Ich finde das ebenso paradox, als wollte man Gefühle wie Freude, Liebe, oder Vertrauen erklären. Könnte man sie wirklich erklären, wären es keine Gefühle mehr.

Ich muss lediglich wissen, wie es klingen soll, und diese Klangidee dann wieder in die entsprechenden Fingerbewegungen umsetzen.
Das ist aber kein technischer Prozess.

Das habe ich auch nicht behauptet - aber doch, eigentlich ist es das: Ich erinnere mich an ein bestimmtes Klangbild, das ich z.B. mit einer ganz bestimmten Fingerhaltung an einem Instrument assoziiere. Insofern ist das ein ganz normales Abrufen von Informationen, so wie ich mich an eine Telefonnummer erinnere und die ins Gerät eintippe.

Aus dem Notentext geht nur in Grenzen hervor "wie es klingen soll".

Das ist mit ein Grund, warum ich die Notenschreibweise für unzureichend halte.

Das Beispiel des Motivs und Fuge war nicht ganz zufällig gewählt, oft hebt man z.B. hervor, wenn ein Motiv wiederkehrt, damit der Hörer das erkennt. Dafür muss man dieses Motiv erkennen. Man kann das sicher auch intuitiv statt rational machen, aber das ist nun auch nicht jedem gegeben, der sich an einem Instrument versucht. ;-)

Ja, aber wenn man versucht, das auf eine rationale Ebene zu bringen, bewegt man sich damit weg von der Kunst und hin zu einem einfachen Handwerk. Kunst und Intuition oder nichtrationale Wahrnehmungen und Reaktionen sind für mich untrennbar verbunden.

Es ist ja nicht so, dass die Komponisten drauf los komponieren und dass dabei immer mal wieder Stücke mit ähnlicher Struktur und ähnlichen Kompositionsprinzipien entstehen. Dass man diese erkennen kann, liegt daran, dass sich die Komponisten ihrer bedient haben.

Ja, sie haben eine Vorliebe für bestimmte Strukturen, die dann immer wieder auftauchen - so wie eine Handschrift immer wieder ähnliche Merkmale zeigt, egal ob der Schreiber eine Glückwunschkarte, einen Einkaufszettel oder eine Aktennotiz schreibt; egal ob mit Bleistift, mit einem Filzstift oder einem Kugelschreiber.

Hmm, wieso? Mathematik ist doch eine reine theoretische Wissenschaft, die den praktischen Wissenschaften (vor allem der Physik) nur als Werkzeug dient.
Das spricht der Ingenieur? ;-)

... der die Mathematik nur als notwendiges Übel sieht, ja.

Ich meinte vor allem, dass es nicht so recht gelingt, bei den Schülern ein Verständnis zu erreichen, das über Faktenwissen hinausgeht, oder gar ein Interesse für mathematische Fragestellungen zu wecken.

Jetzt bin ich es, der verständnislos dasitzt. Denn auch für mich ist Mathematik nur ein Mittel zum Zweck. Ich wende bestimmte mathematische Verfahren an, um ein Ergebnis zu erzielen. Darüber hinaus meide ich die Mathematik als solche.

Ich kann mich zwar am Anblick einer zarten Blüte erfreuen; sobald ich aber ins Detail gehe und erkenne, dass es auch in diesem scheinbar so perfekten Gebilde von Schmutz, Parasiten und Unvollkommenheit nur so wimmelt, ist die Begeisterung zerstört.
Macht das nicht die Faszination der Natur aus? ;-)

Nein. Es zerstört nur Tag für Tag wieder den partiell aufkommenden Eindruck, die Natur sei vollkommenen. Und dieser deprimierenden Enttäuschung gehe ich aus dem Weg, wenn ich kann, indem ich nicht gar so genau darüber nachdenke, sondern lieber einfach nur genieße.

So long,
 Martin

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Männer haben nur eine Angst: Die Angst, kein Mann zu sein.
  (Liv Tyler, US-Schauspielerin)