Hallo Daniel,
Um die Faszination von Kunst zu vermitteln, ist das "erleben" dieser Kunst, durch Ansehen, Anhören, etc. aber auch das Praktizieren der Kunst sicher wichtiger, als geschichtliches oder theoretisches Wissen.
volle Zustimmung.
Gerade die im Musikunterricht besprochene Musik ist vielen Schülern ja nur sehr schwer zugänglich, selbst einmal an der Aufführung eines solchen Werkes mitzuwirken o.ä. bewirkt da sicher mehr.
Dazu muss man aber auch erstmal die Bereitschaft der Schüler wecken, z.B. an der Aufführung eines Theaterstücks oder eines kleinen Musicals mitzuwirken. Damals hätten mich keine zehn Pferde bewegen können, das zu tun. Anschauen, anhören ja; dann hätte ich als Zuschauer vielleicht sogar Gefallen daran gefunden. Wir hatten damals an der Schule eine Theater-AG, eine Musik-AG und eine kleine Bigband (ist das nicht ein Widerspruch?). Immer bei größeren Veranstaltungen haben die auch irgendwas vorgeführt, und als Zuschauer fand ich das auch meistens beeindruckend - von der Bigband mal abgesehen. Die war nach Aussage vieler Leute auch gut, aber Jazz und verwandte Musikrichtungen waren mir schon immer ein Greuel.
Trotz aller Begeisterung wäre ich aber nie im Traum auf die Idee gekommen, mich aktiv daran zu beteiligen, hätte mich sogar mit Händen und Füßen dagegen gewehrt. In manchen Dingen geht es mir heute noch ähnlich: Es macht mir Spaß, anderen beim Computerspielen zuzuschauen; selber spielen finde ich dagegen öde.
Aber natürlich kann man sich mit Kunst auch wissenschaftlich, in erster Linie analytisch, auseinandersetzen und es gibt auch eine Berechtigung dafür.
Dann haben die Leute wohl eine andere Vorstellung von Kunst. Für mich bedeutet Kunst, etwas zu können, was nicht jeder kann, um damit sich und andere zu erfreuen.
Besonders ausgeprägt ist das meines Erachtens im Fach Deutsch, wo es manchmal durchaus eine Herausforderung sein kann, sich sein Interesse an Literatur zu bewahren.
Ja, der Lehrplan im Fach Deutsch scheint das Ziel zu verfolgen, den Schülern das Lesen zu verleiden. Das war auch mein Eindruck.
[...] und das Stück hören und evtl. die Partitur ansehen können, wobei das natürlich voraussetzt, dass man halbwegs Noten lesen kann.
Hehe, das konnte ich noch nie. ;-)
Bzw. ich kann es in der Theorie schon, aber nicht so, dass ich aus den Noten auf dem Papier eine flüssige Melodie ablesen könnte. Aber dafür genügt es mir, wenn mir jemand die Melodie zwei- bis dreimal vorspielt, dann habe ich sie meist intus. Ich präge mir aber nicht die Noten ein, sondern den Höreindruck.
Zusätzliches Wissen über den Hintergrund zum Stück, zur Biographie des Komponisten, zur Zeit und den Kompositionstechniken ist dann sicher auch hilfreich.
Hilfreich wofür? Das ist ja gerade die Frage, die ich so provozierend in den Raum stelle.
Ja, genau das trifft auch meine Erfahrung mit Schulreferaten. Man bekommt ein Thema, über das man nicht fundiert Bescheid wissen kann, hat nur sehr oberflächliches Material (klar, das Referat soll ja auch nur oberflächlich sein), und auch die Vortragszeit ist nur auf Oberflächlichkeit ausgelegt. Diese Inhaltsleere soll man dann aber toll vortragen können.
Gut auf den Punkt gebracht. :-)
Ein gewisses, theoretisches Wissen [...] Spätestens beim musizieren, benötigt man es aber.
Das ist eine häufig geäußerte Meinung. Aber wozu benötigt man dieses Wissen tatsächlich? Ich behaupte nämlich, man benötigt es *nicht*.
Ich muss wissen, wie ich mein Instrument handhabe, um ihm einen bestimmten Klang zu entlocken. Das buche ich mal als motorische Übung. Und dann muss ich die Melodie kennen, die ich spielen möchte. Dazu brauche ich weder ein theoretisches Grundwissen über Musik, noch muss ich Noten lesen können. Ich muss lediglich wissen, wie es klingen soll, und diese Klangidee dann wieder in die entsprechenden Fingerbewegungen umsetzen.
Wenn ich dann nicht nur fertige Stücke reproduzieren will, sondern selbst improvisieren und komponieren, dann brauche ich ein gewisses Gefühl für Takt und Harmonie. Das hat man entweder oder man hat es nicht. Wenn Ansätze da sind, kann man sie üben und ausbauen; wenn nicht, ist sowieso Hopfen und Malz verloren.
Übrigens ist das ja auch in anderen Fächern so, in den Sprachen konzentriert man sich auf Grammatik, ...
Nur am Anfang. Und das muss ja auch sein, weil man erstmal den "Bauplan" eines Satzes in der Fremdsprache kennen muss. Später ging bei uns auch im Englischunterricht der Lehrplaninhalt auch mehr und mehr in die Richtung, die wir aus dem Deutschunterricht schon kannten: Das Lesen, Übersetzen und Interpretieren von Texten.
in Mathematik auf rechnen, wahrscheinlich ist es in Mathe sogar am schlimmsten ;-)
Hmm, wieso? Mathematik ist doch eine reine theoretische Wissenschaft, die den praktischen Wissenschaften (vor allem der Physik) nur als Werkzeug dient.
Mag sein - aber wie ich schon sagte: Ein Kunstwerk soll mich faszinieren. Wenn ich aber anfange, Hintergründe zu erforschen und das Werk nach wissenschaftlichen Aspekten zu analysieren, dann ist diese Faszination für immer zerstört. Schade drum.
Das geht mir eigentlich nicht so. Natürlich muss mich ein Werk erstmal faszinieren, damit ich mich damit befassen will. Wenn ich aber dann noch mehr darüber erfahren, ändert das vielleicht meine Sichtweise von manchem, aber das zerstört die Faszination nicht.
Schön für dich. Ich kann mich zwar am Anblick einer zarten Blüte erfreuen; sobald ich aber ins Detail gehe und erkenne, dass es auch in diesem scheinbar so perfekten Gebilde von Schmutz, Parasiten und Unvollkommenheit nur so wimmelt, ist die Begeisterung zerstört. Deswegen bemühe ich mich oft, Eindrücke, die mich erfreuen, möglichst nicht zu hinterfragen.
Deswegen hab' ich im Deutschunterricht Bücher meist gleich komplett gelesen, auch wenn mancher Lehrer das nicht wünschte, weil er das Buch ja Kapitel für Kapitel besprechen wollte.
Ja, das kann ich nachvollziehen. Dieses Stück-für-Stück-Lesen, dieses allmähliche Zerfetzen des Inhalts finde ich auch schlimm. Wenn ich das Buch wenigstens komplett gelesen habe, ist das erträglicher. Dann sind nämlich die ersten Eindrücke schon gefestigt.
Die "künstlerischen" Fächer sollten sich meiner Meinung darauf konzentrieren, ein Interesse an Kunst zu vermitteln. Wenn sie in diesem Punkt versagen, verlieren sie im Grunde ihre Existenzberechtigung.
Besser hätte ich es nicht ausdrücken können.
Schönen Abend noch,
Martin
Wenn Zeit das Kostbarste ist, was wir haben, dann ist Zeitverschwendung die größte aller Verschwendungen.
(Benjamin Franklin, amerikanischer Tüftler und Politiker)