Aloha ;)
Der Übersichtlichkeit halber teile ich meine Antwort.
Immerhin wird in den Staaten der Begriff gender scheinbar täglich weiter gedehnt, so dass er nur noch entfernt mit dem zu tun hat, was wir im Deutschen als Geschlechteridentität bezeichnen würden.
Sehe ich nicht so. Was ich sehe, ist, dass dort versucht wird, für verschieden differenzierte Ausprägungen jeweils eigene Begrifflichkeiten zu prägen. Ich halte das sowohl für unnötig als auch für übertrieben. Aber nicht für schlimm, ich sehe auch nicht, dass sich das durchsetzt. In den USA gibt es immer irgendjemanden oder irgendein Gebiet, das auf alle möglichen Züge aufspringt, die grad vorbeifahren. Ich halte Umgang mit Maß für wichtig, und den sehe ich hierzulande aktuell noch gewährleistet.
Oder eine Person, die sich der Frage nach einer geschlechtlichen Identität völlig entziehen will und sich als asexuell empfindet. Wer asexuell lebt, braucht auf die Frage nach der Geschlechteridentität oder gender identity überhaupt keine Antwort.
Halt, Stopp! Jetzt wirfst du Sexualität und gender identity in einen Topf! Das ist so nicht korrekt. Es gibt asexuelle Männer und es gibt asexuelle Frauen, die sich auch je als Männer bzw. Frauen sehen und diesem Geschlecht zuordnen sowie zugehörig fühlen, genauso, wie es asexuelle Personen gibt, die sich nicht den Extrempunkten Mann und Frau zugehörig fühlen.
Die bevorzugte sexuelle Ausprägung einer Person hat mit ihrem Geschlecht nichts, aber wirklich überhaupt nichts zu tun.
Denn wäre der Begriff agender einfach nur eine Überspitzung, die vielleicht als Reaktion darauf erfolgt, dass woanders nicht wie hier nur zwischen "Mann", "Frau" und "irgendwo dazwischen" unterschieden wird, sondern, dass dieses "irgendwo dazwischen" andernorts teils nochmal in viele einzeln benannte Ausprägungen unterteilt wird. Damit wäre agender nur die Ablehnung einer solchen Einordnung.
Wenn das so wäre, dann wäre agender ein Synonym für gender fluid? Vielleicht als Kampfbegriff?
Nein, inwiefern? Wer sagt, dass gender fluid die Einordnung ablehnt? gender fluid kann sich gegebenenfalls sehr wohl einordnen, nur eben nicht zu jedem Zeitpunkt gleich.
Wir waren uns ja im wesentlichen darüber einig, dass es nicht sinnvoll ist, das "irgendwo dazwischen" noch detailiert zu unterteilen, und ich denke agender kann genau in diesem Sinne, also der Ablehnung einer genauen Einteilung im Spektrum, verstanden werden.
Wenn es denn so gemeint ist. Ich argwöhne da etwas anderes.
Ist das wichtig? Wichtig ist, dass Menschen ihr Gegenüber verstehen und, dass der eine Mensch im Weltbild des anderen Menschen seinen Platz findet. Nicht, dass jeder Mensch das exakt selbe Weltbild hat.
Genügt es uns nicht, dass wir für uns bereits klargestellt haben, dass der Begriff Geschlecht in unserem Verständnis nur irgendwo zwischen Mann und Frau Sinn ergibt, und, dass man die Menschen, die sich als agender bezeichnen, dann trotzdem in unserem Spektrum befinden, wenn auch nicht klar einem benannten gender zugeordnet?
Im Endeffekt gehts doch um eine Geschlechtsangabe. Bis zur entsprechenden Gesetzesänderung gabs dort zwei im Gesamtpaket gegensätzliche Eintragungsmöglichkeiten. Jetzt gibt es eine weitere Eintragungsmöglichkeit für all diejenigen, die gute Gründe dafür haben, sich nicht klar einem der beiden gegensätzlichen Pole zuordnen zu können oder zu wollen.
Muss es mir wichtig sein, warum Person A die dritte Eintragungsmöglichkeit wählt und was das für Person A bedeutet? Ich glaube nicht... Wichtig muss mir nur sein, dass sich die grundsätzliche Existenz einer dritten Eintragungsmöglichkeit mit meinem Weltbild verträgt.
Wären wir vollständig in der Lage zu verstehen, wie eine Person fühlt, die sich agender fühlt, wären wir vermutlich selbst agender. Das sind wir nicht, also müssen wir uns damit behelfen, die Gefühlslage der Person in unserem eigenen Weltbild zu verorten, und solang es da eine Nische gibt, der sie zugeordnet werden kann, dann ist das okay.
Für mich klingt das nicht nach Verweigerung, die Position in einem Spektrum näher definieren zu müssen, sondern nach der Verweigerung, das Spektrum für sich in Anspruch zu nehmen.
Warum muss die Person, die agender ist, deine Erkenntnis, dass es für Geschlecht nur ein Spektrum geben kann, teilen, sofern du dir bei dieser Erkenntnis sicher bist?
Das ist ja das Problem mit der Idee eines selbstdefinierten gender: Wenn ich plötzlich alles zulasse, dann auch die komplette Ablehnung des Konzeptes! Und das tut der Gesellschaft - nach meiner Überzeugung - nicht gut und passt auch nicht in den betreffenden Eintrag im Pass.
Ich verstehe immer noch nicht, wie es der Gesellschaft schadet, wenn jemand das Konzept ablehnt. Ich muss im Allgemeinen nichts über das Geschlecht einer mir gegenüberstehenden Person wissen, solange es mir nicht um ein möglicherweises sexuelles Interesse geht. Auch nicht zur Anrede. Ich kann die Person auch einfach mal ansprechen, und wenn ihr die Anrede nicht gefällt wird sie mir das vermutlich mitteilen.
Am Ende ist das vermutlich nur ein Kommunikations- und/oder Wortwahlproblem, kein Problem eines tatsächlichen Unterschieds. Deshalb: vielleicht keine Spinner, vielleicht einfach nur eine andere Ausdrucksweise unter anderen Prämissen, die das selbe meint.
Ich traue dem Frieden nicht.
Ich mag Frieden im Allgemeinen und versuche, sofern sich ein Frieden finden lässt, nicht das Haar in der Suppe zu suchen solange die Basis breit genug ist.
Grüße,
RIDER