Hallo Martin,
Und jetzt ein Schnitt: diese Woche habe ich von einem schönen Vorschlag gehört. Wenn es den Parteien so ernst ist mit dem Wiederaufbau, warum verzichten die da nicht auf einen Teil der Wahlkampfkostenerstattung? Zumindest den im Bundestag vertretenen Parteien sollte es doch ohne Weiteres möglich sein, auf ein Viertel oder gar die Hälfte zu verzichten. Wieviel kriegen die pro Stimme? So zwischen 2 und 3 Euro, wenn ich recht weiß? Da müsste doch was zusammenkommen.
Ähm, das ist so ein klassisch ketzerischer Vorschlag (und mir deswegen sehr sympathisch ;-)), weil er wirklich etwas in Frage stellt, was normalerweise nicht thematisiert wird, weil alle Politiker davon profitieren, das Thema Parteienfinanzierung klein zu halten. (Und ein guter positiver Gegensatz zu dem Vorschlag des Ausgangspostings, wo ja wohl auch gemeint wurde, es wäre in dem Sinn sehr mutig, aufklärerisch o.ä., das mal anzugreifen - in dem Fall ist es aber einfach nur ein altbekanntes Thema der Parteien rechts von der Mitte, das mit Aufklärung nichts zu tun hat.)
<exkurs>
Faktisch ist es aber so, daß es einigen Parteien finanziell wohl nicht sonderlich geht, bei der CDU resultiert das aus den verhängten Strafen, bei der FDP kann ich mich auch erinnern, daß die vor 1-2 Jahren vor der Pleite standen. Bei der PDS weiß ich momentan nicht, was sie von Parteivermögen der SED behalten hat, wird aber wohl genug sein, und bei den Grünen tippe ich auch einfach mal, daß die finanzielle Situation ok ist.
Die einzige Partei, die finanziell wirklich gut dasteht, ist die SPD, weil sie sich nicht nur über Wahlkampfkostenerstattung und Mitgliedsbeiträgen finanziert, sondern ein gutgehendes Verlagsimperium (und noch einige damit verbundene Unternehmen) und einen recht großen Immobilienbesitz ihr eigen nennt. Auf diese Tatsache wird oft eingeschlagen (zuletzt in der FAZ, weil sich die WAZ jetzt wohl auch bei Springer einkauft). Bis jetzt scheint die SPD aber keine großen Anstalten zu machen, diese wirtschaftliche Macht direkt politisch einsetzen, die WAZ publiziert ganz pragmatisch das, was sich verkauft. Vielleicht kann man es ja auch so sehen: es beweist ja doch eine gewisse Wirtschaftskompetenz, wenn man wenigstens seine eigenen Parteifinanzen unter Kontrolle hat, und nicht nur am Tropf des Staates hängt. Insofern ist es besonders für die FDP schon recht peinlich, wenn man es nicht mal auf die Reihe kriegt, einen Rechenschaftsbericht pünktlich abzuliefern, und dann der Pleite nur knapp entgeht.
Und auch wenn ich die SPD nicht wähle, finde ich trotzdem, daß sie in gewisser Weise ihr Vermögen verdient hat, weil es hauptsächlich daraus resultiert, daß sich viele Mitglieder seit Gründung der SPD wirklich auch mit Arbeit für Ihre Partei und Ihre Ziele engagiert hat, und eben diese Druckereien, Verlage, Immobilien aufgebaut hat, weil sie an Ihr Ziel geglaubt haben. Die SPD erntet damit einfach die Früchte des Idealismus Ihrer Anhänger, hauptsächlich in der Weimarer Republik. (Und ich wähle sie genau deswegen nicht, weil von dem Idealismus in der Führung der SPD für meinen Geschmack zuwenig übriggeblieben ist).
</exkurs>
So, zurück zum Thema: wenn Du die Parteienfinanzierung kürzst, stehen CDU und FDP wohl vor der Insolvenz, das wäre wahrscheinlich auch nicht so gut für unser demokratisches System. Der Vorteil gegenüber z.B. Amerika ist ja, daß durch die Parteienfinanzierung eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber der Wirtschaft und anderen Geldgebern vorhanden ist.
Langfristig fände ich es aber auch gut, wenn der Betrag langsam heruntergefahren wird, ich könnte gut auf einen Großteil der Plakate, die sowieso keine rationalen Argumente rüberbringen, verzichten (da sehe man sich doch mal die Flugblätter aus den 20ern an, die mit minimalem Aufwand produziert wurden, die sind sehr "textlastig", vielleicht wäre es besser, dorthin zurückzukehren).
Und wenn die Mitglieder einer Partei zu ihren Zielen stehen, werden sie sich auch dafür engagieren, ich halte wenig von dem Argument, daß die Gehälter der Politiker im Vergleich zur Wirtschaft sowieso niedrig sind. Das ist zwar richtig, aber auch die Gehälter von z.B. Sozialpädagogen oder Unidozendten sind im Vergleich zur Wirtschaft niedrig, trotzdem finden sich Menschen, die den Job machen wollen, weil Ihnen Ihre Ziele wichtiger sind, als Luxus (angenehm leben kann man mit dem Gehalt eines Bundestagsabgeordneten ja sicherlich). Wenn jemand dann in die Wirtschaft geht, weil er sich als Abgeordneter den Ferrari nicht leisten kann, dann ist der imho, in gut bayrisch "guad weida" (in hochdeutsch:" es ist nicht schade um ihn" ;-)), ich habe wenig Lust auf Politiker, denen Luxus wichtiger ist als ihre Ideale.
Aber die Parteienfinanzierung ist ja nicht das einzige, was in Frage kommen würde, eine freiwillige Abgabe aller Abgeordneten aus Ihrem Gehalt wäre z.B. auch eine Möglichkeit gewesen, das gibt zwar sicher nicht die Mittel, die erforderlich sind, aber es wäre wenigstens ein Symbol gewesen.
Um die Mittel wirklich aufzubringen, wäre es wohl am besten, den "Bund der Steuerzahler" irgendwo als Kontrollinstanz zu etablieren, die machen nämlich, finde ich, schlicht und einfach auf die Punkte aufmerksam, wo Geld völlig sinnlos verschwendet wird (oft im Graubereich zwischen Legalität und Korruption), unabhängig von irgendwelchen politischen Zielen. (Denen ist soweit ich weiß auch nie eingefallen, an der Entwicklungshilfe rumzukritteln, solange die ohne Küngelei abläuft)
http://www.steuerzahler.de/
Viele Grüße
Stephan