Hi Geistiger,
Ich würde mich ja lieber mit strukturell ebenbürtigen Wettbewerbern messen, Polen, Ungarn und ihre Nachbarn, aber auch China und dergleichen.
Allein die Liste dieser Länder, die ja alle als Beispiele für "strukturell ebenbürtige Wettbewerber" stehen sollen, zeigt, dass Du nicht richtig nachdenkst. Die genannten Länder sind strukturell kaum vergleichbar und weisen wenig strukturelle Ähnlichkeiten zur BRD auf. Wenn Du das anders sieht, müsstest Du das erklären. Guck DIr mal konkret an, welche Handelsbeziehungen es zwischen Deutschland und China gibt, dann siehst Du, dass die eben gerade auf den strukturellen Unterschieden beruhen. Übrigens: Wenn man die deutsche und chinesische Statistik vergleichst, kommtman zu dem interessanten Schluss, dass beide Länder der Meinung sind, dass der jeweils andere mehr exportiere. Ganz interessant, dem auf den Grund zu gehen...
Und im übrigen wird die Realität auch dadurch nicht besser, dass Du anfängst zu polemisieren. Selbst das Argument einer kompletten wirtschaftlichen Abkapselung (Antiglobalisierung) wäre akzeptabler gewesen, wenn auch nicht umsetzbarer.
Was sagst Du denn _inhaltlich_ zu meiner Polemik? Wie erklärst Du Dir angesichts Deiner Ausgangsthese, dass weltweit wirtschaftlich die Länder führend sind, die ein besonders hohes Lohnniveau haben? Wieso wird hier derart häufig und stark von ausländischen Firmen investiert? Warum spielt Deutschland eine derartig gute Rolle im Konkurrenzfeld der Exporteure?
Deine kurzen Statements machen deutlich, dass Du für die "Reformen" der Bundesregierung bist. Das ist nicht meiner, aber ein möglicher Standpunkt. Deine Argumente repräsentieren aus meiner Sicht nicht einen anderen Standpunkt, eine andere Bewertung der gleichen Gegebenheiten, sondern sind nur halbherzige Allgemeinplätz, mal eben hingehauen, anstatt zu sagen, dass man eher aus dem Bauch heraus argumentiert. Deine Auffassung würde logisch bedeuten, dass die Bundesrepublik erst dannn wieder wettbewerbsfähig wäre, wenn sie auf dem niedrigsten Lohnniveau der Welt angekommen wäre. Das das für ein postindustrielles Land der bare Unfug ist, solltest bei kurzem Überlegen selber einsehen.
Die Arbeitslosigkeit hat verschiedene Ursachen, aber ein zentraler Faktor ist die ungeheure Produktivität unserer Wirtschaft, was wiederum was mit Qualifikation, Infrastruktur und Grad der Spezialisierung zu tun hat. Es fehlen politische Konzepte, diese Entwicklung so abzufedern, dass die durch Produktivitätszuwachs freigesetzte Arbeitskraft sinnvoll eingesetzt wird, im Sinne der Menschen und der Volkswirtschaft. Das ist aber eine Aufgabe, die die Unternehmen nicht allein lösen können, sondern eine originäre Aufgabe der Wirtschaftspolitik. Dies scheitert aber meist daran, dass die meisten Politiker die Gesamtwirtschaft eben aus der betriebswirtschaftlichen Perspektive des einzelnen Unternehmens ansehen. Aus dieser Perspektive ist natürlich der Abbau von Arbeitsplätzen sinnvoll, auch die Senkung der Lohnkosten. Um den Widerspruch noch deutlicher zu machen. Als Unternehmen hat ein Handelsunternehmen, dass seine Waren vor allem an Endverbraucher verkauft, das massive Interesse, Leute zu entlassen, an Mehrarbeit und Senkung der Lohnkosten. Volkswirtschaftlich ist für die gleiche Firma wünschenswert, dass die Massenkaufkraft wächst und dass viele Verbraucher als potentiell Käufer sicher in Lohn und Brot stehen. An diesem Punkt müsste eine vernünftige Wirtschaftspolitik ansetzen, nicht in der dümmlichen Hoffnung auf ein Wirtschaftswachstum von 10 Prozent und mehr, was die Produktivitätszuwächse der letzten Jahre ausgleichen würde.
Unsere Volkswirtschaft braucht m.E. Impulse für den Binnenmarkt, eine bessere Verteilung der vorhandenen Arbeit, Verbrauchervertrauen durch Arbeitsplatzsicherheit, nicht eine steige Verunsicherung der Arbeitnehmer durch immer neue negative Gesetze und Forderungen. Kennst Du die Sparquote? Kennst Du die Zahl der Abreitslosen? Da muss etwas getan werden, nachdem nun 20 Jahre darüber gefaselt wird. Ein Anstoß wäre etwa die wirkliche und konsequente Senkung der Lohnnebenkosten. Sicher sind unsere Arbeitnehmer für die Firmen teuer, aber nicht deshalb, weil sie netto so viel nach Hause brächten, sondern hauptsächlich weil sie brutto soviel haben müssen, damit netto überhaupt noch etwas übrig bleibt.
Viele Grüße
Mathias Bigge