Die Einführung der Möglichkeit, sich zu einem dritten Geschlecht zu bekennen, weil man physiologisch nicht zu einem der „klassichen“ Geschlechter gehört oder sich psychologisch nicht dazu bekennen mag oder kann (Gründe gibt es ja offensichtlich viele), ist für dich ein unnötiger Werteverlust für die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland?
Ja.
Ich möchte dem etwas Kontext hinzufügen. Das Bundesverfassungsgericht hat 2017 in einem Grundsatzurteil geurteilt, dass die binäre Regelung des Personenstandsrechts gegen das Persönlichkeitsrecht und gegen das Diskriminierungsverbot verstößt. Das Gericht hat dem Bund eine Frist bis Ende 2018 gesetzt, um eine Gesetzesänderung einzubringen. Dafür hat Horst Seehofer, der als CSU-Innenminister dafür zuständig war, einen Gesetzesentwurf vorgelegt und durchgebracht.
Damit möchte ich mal zwei Punkte machen: Die Gesetzesänderung wurde nicht von einer Partei des linken Spektrums durchgeführt, sondern von der erzkonservativen CSU. Das hat unsere Regierung auch nicht auf das Drängen eines linken Aktivismus getan, sondern weil sie vom höchsten deutschen Gericht dazu aufgefordert wurde und für Richter gelten in besonders hohem Maße Unbefangenheitsregeln. Das betone ich deshalb so sehr, weil ich den Eindruck habe, als versuchest du diese Entwicklung einer kleinen lauten Minderheit des linken Randes gutzuschreiben, vor dem unsere Regierung gebuckelt hat. Dieser Eindruck ist völlig falsch.
Die [Geschlecher-Identität] ist schon dem Namen nach nichts, das mit Natur oder Biologie zu tun hätte.
Natürlich ist die Geschlechter-Identität Gegenstand biologischer Forschung. Siehe zum Beispiel diesen Literatur-Review, der rund hundert wissenschaftliche Arbeiten zu dem Thema heranzieht: The Biological Contributions to Gender Identity and Gender Diversity: Bringing Data to the Table
Abstract
The American Psychological Association defines gender identity as, “A person’s deeply-felt, inherent sense of being a boy, a man, or a male; a girl, a woman, or a female; or an alternative gender (e.g., genderqueer, gender nonconforming, gender neutral) that may or may not correspond to a person’s sex assigned at birth or to a person’s primary or secondary sex characteristics” (American Psychological Association, Am Psychol 70(9):832–864, 2015). Here we review the evidence that gender identity and related socially defined gender constructs are influenced in part by innate factors including genes. Based on the data reviewed, we hypothesize that gender identity is a multifactorial complex trait with a heritable polygenic component. We argue that increasing the awareness of the biological diversity underlying gender identity development is relevant to all domains of social, medical, and neuroscience research and foundational for reducing health disparities and promoting human-rights protections for gender minorities.
Hervorhebung von mir.