Steffen Gerlach: Experten-Import

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Hallo!

Was mir viel wichtiger erscheint: kurzfristig mag das eine sinnvolle Loesung sein, um den fehlenden Bedarf an Fachkraeften zu decken. Aber langfristig muessen wir uns doch mal an die Nase greifen und fragen, woher dieser Mangel kommt? Die Antwort ist ganz einfach: weil die Schueler monatelang lernen, wie das Magensystem der Kuh funktioniert, statt eine Einfuehrung in HTML und Perl zu krieten. Weil sie saemtliche Erhebungen des kastilischen Scheidegebirges auswendig lernen muessen, oder Referate ueber die nordischen Truppenbewegungen in der zweiten Haelfte des 30jaehhrigen Krieges ausarbeiten muessen - statt die Grundlagen des Internets vermittelt zu bekommen, statt den Umgang mit modernen Medien zu erlernen, und wie man Informationen selbstaendig sucht, filtert und bewertet. Wir haben ein Schulsystem, das der Gegenwart nicht nur um eine, sondern um mindestens vier Generationen hinterherhinkt. Ein voellig marodes System, angesichts dessen man sich wundert, warum ueberhaupt noch produktive Gesellschaftsmitglieder nachwachsen.

Ja, sehe ich genauso. Es heißt ja, alles, was man Kindern antut, ist Gewalt. Will wohl heißen: Als Kind tut man brav, was einem gesagt wird - im Vertrauen darauf, die Erwachsenen könnten wohl besser beurteilen, was das Beste für einen ist. Um so größer ist die Grausamkeit der Erkenntnis, wenn man nach Abschluß des Studiums (das sich nicht nur _zeitlich_ unmittelbar an die Schule anschließt) mit endlich vollständig erlangter Urteilskraft auf mindestens 15 verschwendete Lebensjahre zurückblicken muß. Verloren an Kuhmägen, mittelalterliche Monarchen und anderes "wichtiges Allgemeinwissen", das man mühsam auswendig gepaukt und längst wieder vergessen hat.

Unser Bildungssystem ist m.E. eine echte Katastrophe, eins der ganz großen Probleme dieses Landes (sowie wahrscheinlich der meisten anderen auch). Wenn wir nicht weiterhin Zeit und Kraft der nachfolgenden Generationen achtlos verschwenden wollen, muß sich hier Einiges tun. Meine Vorstellung vom Schulsystem der Zukunft sieht so aus:

  • Abstraktes Grundlagenwissen wird, so oft es möglich ist, nur im Zusammenhang mit Möglichkeiten der praktischen Anwendung gelehrt, denn einsatzbereites Wissen ist tausendmal wertvoller als eine auswendig gelernte Definition. Es ist erschreckend, wieviele Menschen heute nicht mal eine einfache Proportionalität berechnen können, obwohl sie im Mathe-Unterricht mit Sicherheit wesentlich fortgeschritteneren Stoff eingetrichtert bekommen haben.

  • Fächer, die Allgemeinbildung vermitteln sollen, werden stark abgespeckt, wesentlich lockerer gehandhabt und an den Interessen der Schüler orientert. Wozu müssen die Abläufe bei der Photosynthese bis zur letzten chemischen Gleichung auswendig gelernt werden? Genügt nicht eine Unterrichtseinheit völlig, die das Wesen der Photosynthese und ihre Bedeutung für das Leben auf der Erde darstellt? Im Übrigen sind seit etlichen Jahren Videokassetten verfügbar, ein hervorragendes Lehrmittel für Fächer wie Geschichte oder Geographie. Warum werden sie nicht massiv eingesetzt?

  • Prüfungen gibt es nur noch für 'anwendbares' Wissen - und zwar gerade indem es angewandt werden muß, um Probleme zu lösen. Dabei ist - praxisnah - die Benutzung beliebiger Unterlagen sowie evtl. auch des Internet erlaubt. Auswendigwissen bestimmter Fakten kann vorteilhaft sein, wird selbst aber nicht geprüft.

  • Der zunehmenden Spezialisierung in der Berufswelt, gerade im Hochtechnologiebereich, muß durch ein früheres Einsetzen der Spezialisierung in der Ausbildung Rechnung getragen werden. Das Abitur - die allgemeine Hochschulreife nach 12 bzw. 13 Jahren - ist nicht mehr zeitgemäß. Die allgemeine Schule sollte früher enden, möglichst mit einem international einheitlichen Abschluß.

  • Die Spezialisierung erfolgt dann in einem Studium, welches einigermaßen anders aussehen wird, als das, was wir heute darunter verstehen. Große Teile der Wissensaneignung werden im Selbststudium (z.B. über das Internet) geschehen. Da es unmöglich für jede Spezialisierungsrichtung einen Prof an jeder Uni geben kann, ist das wohl die einzige Alternative dazu, die Wunschrichtung nur an wenigen Unis weltweit studieren zu können. (Den gegenwärtige Zustand, daß Professor "Universalgenie" allgemeine, theoretische und teilweise veraltete Stoffe herbetet, betrachte ich nicht als Alternative.)

  • Die Hochschulen müssen stärker daran interessiert werden, einen für die Wirtschaft wertvollen Abschluß zu produzieren. Wenn ich meinen Lehrplan (ich studiere Informatik) mit den Anforderungen in durchaus durchschnittlichen Stellenanzeigen vergleiche, ist das Ergebnis erschreckend. Vielleicht sollten die Anforderungen für einen Universitätsabschluss nicht von den Unis selbst definiert werden sondern von Vertretern der Wirtschaft. Wenn dann auch noch die Prüfungen nicht an den Unis vorgenommen werden sondern von unabhängigen Seite, müssen die Unis endlich aus ihrem praxisfernen Lehrtrott erwachen, wenn sie noch Absolventen hervorbringen wollen.

Wenn ich von all dem, was ich in meiner gesamten Schul- und Studienzeit gelernt habe, all das zusammenrechne, was ich heute noch kann/weiß und entweder wirklich benötige oder als wertvolles Allgemeinwissen betrachte, so hätten wenige Jahre genügt, um das zu vermitteln.

Gruß
Steffen

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    ["Die SPD ist an allem schuld ;-)"]

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    *WOW* :-)

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      *wuha* *rofl*

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